Sündhaft, verführerisch und voller Lust (5 heiße Romane) - Barbara McMahon - E-Book

Sündhaft, verführerisch und voller Lust (5 heiße Romane) E-Book

BARBARA MCMAHON

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

DEANNA - VERSUCHUNG PUR von Barbara McMahon
Seit Deanna Stephens bei Jay Masters als Kindermädchen arbeitet, schallt wieder fröhliches Kinderlachen durch Haus und Garten. Jays kleine Töchter lieben die fröhliche, warmherzige Deanna über alles, doch seine Beziehung zu der blondgelockten jungen Frau ist weit komplizierter. Er fühlt sich zwar sexuell stark zu ihr hingezogen und sehnt sich danach mit ihr ins Bett zu gehen. Aber sein Herz gehört noch immer seiner verstorbenen Frau, die nach der Geburt ihres zweiten Kindes starb. Darf er Deanna trotzdem fragen, ob sie ihn heiraten will? Wird sie Ja sagen, obwohl sie weiß, dass er gefühlsmäßig noch gebunden ist?

IMMER WIEDER LUST AUF DICH von ANNETTE BROADRICK
Alles ist genau wie damals: das Begehren, das die hübsche Sozialarbeiterin Mandy für ihre Jugendliebe Rafe McClain empfindet, seine verheißungsvollen Blicke aus dunklen Augen, die von dem sprechen, was er gern mit ihr machen würde. Aber es ist nicht die Lust, die sie auf der Ranch ihres Bruders Dan in Texas zusammengeführt hat, sondern die Sorge um Dan. Denn er ist spurlos verschwunden, nachdem er seinem Freund Rafe einen Brief geschickt hat, in dem er ihn um Hilfe bat. Tagsüber suchen Mandy und Rafe fieberhaft nach Dan - doch die Nächte gehören nur ihrer Liebe ...

HEISSES BEGEHREN von ANNE MATHER
Jakes Kuss weckt in Isobel die leidenschaftlichsten Gefühle! Wie kann sie nur diesen Mann begehren, der sie so tief gekränkt hat? Obwohl Isobel weiß, dass Jake sich endgültig von ihr trennen will, sehnt sie sich nach seiner Liebe. Nur ein Mal noch möchte sie in den Armen ihres Exmannes, der auf ihren Landsitz gekommen ist, um die Scheidung zu besprechen, so glücklich sein wie damals. Isobel bricht fast das Herz, als sie nach Stunden der Liebe von Jake Abschied nimmt - für immer?

SO SEXY, SO VERFÜHRERISCH von BARBARA MCCAULEY
Wo hatte ich nur meine Augen? Erst als der erfolgreiche Bauunternehmer Callan Sinclair seine Ex-Sekretärin Abby verzweifelt sucht und schließlich in einer Bar findet, sieht er, wie sexy diese kompetente, blonde junge Dame ist, die ein Jahr lang kaum beachtet von ihm in seinem Vorzimmer saß. Aber warum hat sie eigentlich gekündigt? Unter Tränen und nach einem unerwartet starken Cocktail beschwipst, erzählt Abby ihm die ganze Geschichte: Er selbst ist der Grund für ihre Kündigung! Denn Abby hat ihren besorgten Tanten, bei denen sie aufgewachsen ist, vorgelogen, sie sei mit Callan verlobt. Jetzt kommen die Tanten zu Besuch -Komplikationen sind vorprogrammiert ...

GETRÜMTE SÜNDEN von DEBBI RAWLINS
Heiß und kalt wird es der ernsthaften Studentin Emma, als ihr der Frauenheld Nick seine wilden sinnlichen Träume beichtet. Oh, Mann! Diese Fantasien sind echt preisverdächtig. Scheinbar ungerührt schreibt sie alles für ihre Doktorarbeit auf. Aber Nick kann das brennende Verlangen in ihren Augen sehen, als er ihr immer intimere Liebesszenen schildert. Fast hat er ein schlechtes Gewissen, dass er sie mit seinen erotischen Storys so sehr erregt, denn es sind nicht seine echten Träume, sondern Sex-Fantasien aus Männermagazinen, die er ihr erzählt. Hoffentlich findet sie das nie heraus. Doch genau das passiert! Jetzt fühlt sie sich von ihm hintergangen und lächerlich gemacht. Um sich zu rächen, bindet sie ihn bei der nächsten Sitzung an seinem "Traumstuhl" fest und lässt ihn allein. Nun kann er seine geträumten Sünden bereuen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 1156

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Barbara Mcmahon, Annette Broadrick, Anne Mather, Barbara Mccauley, Debbi Rawlins

Sündhaft, verführerisch und voller Lust (5 heiße Romane)

IMPRESSUM

Deanna - Versuchung pur erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2001 by Barbara McMahon Originaltitel: „The Substitute Wife“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1505 - 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Katrin Nowak

Umschlagsmotive: GettyImages_KatarzynaBialasiewicz

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733716936

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

„Dee, überleg dir das gut. Jay Masters ist ein superkorrekter Mensch, für den alles nach Vorschrift laufen muss.“

Deanna Stephens sah ihre Freundin und derzeitige Mitbewohnerin Judy überrascht an, während sie ihre modische Samtweste zuknöpfte. „Na und? Dann bin ich bei dem Vorstellungsgespräch eben auch superkorrekt.“

Judy lachte schallend. „Du?“

Deanna lächelte und betrachtete sich im Spiegel. Das war jetzt das dritte Mal, dass sie sich umgezogen hatte. Wenn sie sich nicht schnell entschied, kam sie zu spät, und es würde schwer sein, ihren zukünftigen Chef von ihrer Korrektheit zu überzeugen. Was sie jetzt trug, sollte reichen. Der dunkelblaue Rock endete knapp oberhalb der Knie, und die bunte Samtweste sah sehr gut dazu aus. Da es zu heiß war, hatte Deanna keine Bluse angezogen. Den ganzen Mai über war es sonnig und warm gewesen, und ihre Beine waren so gebräunt, dass sie keine Strümpfe brauchte.

Mit einem Augenzwinkern wandte sie sich an ihre Freundin: „Glaubst du, ich kann ihn davon überzeugen, dass ich superkorrekt bin?“

„Ich kann mir bei dir schwer vorstellen, dass du dich an irgendwelche Regeln und Vorschriften hältst. Aber vielleicht hast du mir diese Seite von dir bisher unterschlagen. Wir kennen uns ja auch erst seit ein paar Jahren“, spottete Judy.

„Wie kannst du so etwas sagen“, erwiderte Deanna gespielt empört. „Ich halte mich beim Autofahren an die Geschwindigkeitsbeschränkung, überziehe mein Konto nie und sehe sogar nach links und rechts, wenn ich über die Straße gehe. Korrekter kann man doch gar nicht sein!“

„Du fängst um vier Uhr nachmittags an zu arbeiten und machst durch bis vier Uhr morgens. Dann schläfst du den ganzen Tag. Du isst Pizza zum Frühstück und Cornflakes zum Abendessen. Und du bringst deine Großtanten immer viel zu spät ins Heim zurück. Nicht schlecht für den Anfang, oder?“

„Es ist lächerlich, über achtzigjährigen Frauen vorzuschreiben, wann sie im Bett sein sollen. Außerdem liebe ich Pizza zu jeder Tageszeit! Was soll ich denn nur mit meinem Haar machen?“ Deanna schlüpfte in ihre Riemchensandaletten und überlegte gleichzeitig, wie sie ihre blonde Mähne bändigen sollte. Ihre wilde Lockenpracht war ihr großes Problem. Immer schon hatte sie sich gewünscht, mit glattem, dunklem, seidig glänzendem Haar gesegnet zu sein. Und was hätte sie darum gegeben, klein und zierlich zu sein und ein wenig zerbrechlich zu wirken! Aber keiner ihrer Wünsche war in Erfüllung gegangen, und sie hatte sich schließlich damit abgefunden, dass sie groß, schlank und sportlich war und nicht zu bändigendes Haar hatte. Nur in Momenten wie diesem fielen ihr die alten Wunschträume wieder ein.

„Halt es einfach mit einer blauen Spange im Nacken zusammen, die zu deiner Weste passt“, empfahl Judy und setzte sich auf die Bettkante. „Mit offenem Haar siehst du aus wie fünfzehn, dann wird er dich für zu jung halten, um auf seine Töchter aufzupassen. Und wenn du dir eine zu komplizierte Frisur machst, wird er glauben, dass du zu viel Zeit vor dem Spiegel verbringst. Ich verstehe sowieso nicht, warum du den Job unbedingt haben willst. Du kannst doch erst einmal bei mir bleiben. Du bist herzlich willkommen. Das habe ich dir schon hundertmal gesagt.“

Deanna war ihrer Freundin aufrichtig dankbar für ihre Gastfreundschaft, wollte sie allerdings trotzdem nicht länger als nötig in Anspruch nehmen. „Du warst meine Rettung, Judy. Ich wusste wirklich nicht, wohin, als meine Tanten ins Seniorenheim zogen. Aber es ist keine Dauerlösung. Wenn Peter von seinem Einsatz zurückkommt, wollt ihr das Haus bestimmt für euch allein haben.“

Judys Mann Peter war bei der Marine und mit einem U-Boot auf großer Fahrt. Nach dreimonatiger Abwesenheit sollte er am ersten Juni nach Hause kommen. Deanna konnte verstehen, dass das jung verheiratete Paar gern ungestört sein wollte. Sie war fest entschlossen, bis zu Peters Rückkehr eine eigene Wohnung zu haben.

Judy errötete und lächelte verlegen, aber ihre funkelnden Augen verrieten sie. „Vielleicht hast du recht.“

„Natürlich habe ich recht. Wenn ich den Job bekomme, löst das all meine Probleme auf einmal. Eine Stelle mit Wohnmöglichkeit, guter Bezahlung und flexiblen Arbeitszeiten, damit ich nebenher weiterstudieren kann, wäre einfach perfekt.“

„Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es das meistens auch. Mach dir lieber nicht zu große Hoffnungen, dass er sich für dich entscheidet. Du lebst nicht gerade in geordneten Verhältnissen“, warnte Judy sie.

„Meine Güte, Judy! Jay Masters ist Sicherheitsexperte. Solche Leute sind für ihre Spontaneität bekannt. Schließlich müssen sie jederzeit auf alles gefasst sein und dann improvisieren können. Ich stelle mir das Leben eines Sicherheitsexperten so vor, dass er ständig auf der Hut ist, um Einbrüche oder Entführungen zu vereiteln. Dabei muss er gut beobachten, schnell denken und noch schneller handeln. Ein solcher Mann weiß doch, dass man ab und zu einmal fünf gerade sein lassen muss.“ Deanna machte die blaue Spange in ihrem Haar fest und überprüfte das Ergebnis im Spiegel.

„Du siehst super aus! Das haut ihn bestimmt um“, lobte Judy.

„Hoffentlich nicht. Dann kann er mich nicht mehr einstellen“, stellte Deanna trocken fest.

Deanna traf lange vor dem verabredeten Termin in dem Bürohochhaus ein, wo das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte. Sie stieg in den Aufzug und versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken.

Judy hatte das unauffällige Stellenangebot am Schwarzen Brett der Cafeteria des Bürohochhauses entdeckt und ihr davon erzählt. Jetzt war sie, Deanna, hier, um den Mann zu treffen, der für seine beiden kleinen Töchter, drei und fünf Jahre alt, ein Kindermädchen zu suchen.

Als sie wenige Sekunden später aus dem Aufzug trat, sah sie sich interessiert um, denn sie erwartete, dass der Eingangsbereich mit Monitoren, Überwachungskameras und Lichtschranken ausgestattet war. Immerhin handelte es sich um eine Objekt- und Personenschutzfirma. Aber es war nichts dergleichen zu sehen, stattdessen war der Raum ziemlich kahl. Nichts unterschied ihn von den Büros anderer Firmen, die Deanna kannte. Außer vielleicht, dass er leerer und schmuckloser war. Nirgendwo an den weiß gestrichenen Wänden hing ein Bild. Sie liebte Farben, Formen und schönes Design. Vielleicht sollte sie ihrem zukünftigen Chef anbieten, ihm eins ihrer Bilder zu schenken, damit er den Empfangsbereich etwas freundlicher gestalten konnte.

Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Einem Mann, dessen Alltag darin bestand, mit Geiselnehmern zu verhandeln und skrupellose Gangster auszutricksen, war es bestimmt völlig gleichgültig, wie seine Bürowände aussahen. Möglicherweise wollte er sie auch absichtlich so schmucklos haben. Am Geld kann es bestimmt nicht liegen, dachte Deanna. Jay Masters’ Firma genoss einen ausgezeichneten Ruf, und die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen stieg ständig, trotz der recht hohen Preise. Das wusste Deanna von Judy.

Eine Empfangssekretärin begrüßte sie und führte sie in den Konferenzraum.

„Mr. Masters wird gleich hier sein“, informierte sie sie.

Deanna setzte sich nicht an den großen, ovalen Konferenztisch in der Mitte, sondern auf einen Stuhl an der Wand. Der Raum lag in Richtung Osten, und die Chesapeake Bay war nur einige Straßenzüge entfernt. Obwohl Bürotürme die Aussicht auf die Bucht versperrten, hoffte sie, zwischen diesen einen Blick aufs Meer erhaschen zu können – vergeblich.

Zwei Minuten später betrat ein großer, dunkelhaariger Mann mit einer Mappe in der Hand den Raum. Die Luft schien plötzlich elektrisch geladen. Deanna gab sich Mühe, unbefangen zu lächeln, obwohl ihr Herz auf einmal heftig klopfte. Der Mann blieb kurz hinter der Tür stehen.

„Deanna Stephens? Ich bin Jay Masters.“ Er hielt sich sehr gerade und überragte sie um etwa einen Kopf, obwohl sie mit ihren einsfünfundsiebzig nicht gerade klein war. Sein dunkelgrauer Anzug war maßgeschneidert, das Hemd war blütenweiß und frisch gebügelt, die dunkel gemusterte Krawatte geschmackvoll und dezent. Jay Masters strahlte Macht und Autorität aus.

Deanna verspürte den verrückten Impuls, aufzuspringen und zu salutieren wie beim Militär. Aber das hätte Jay Masters bestimmt nicht komisch gefunden, und deshalb beherrschte sie sich. Sie griff nach ihrer Handtasche, stand auf und sagte freundlich: „Guten Tag.“

Ihm schien ein einziger Blick auf sie zu genügen, um sie einzuschätzen. Er senkte den Blick auf seine Unterlagen und fing an, darin zu blättern, während er langsam auf den Tisch zuging.

Wie ein Held aus einem Actionfilm oder ein heidnischer Krieger, dachte Deanna. Er war ein Kämpfer- und Beschützertyp. Vor ihrem geistigen Auge trug er keinen Anzug, sondern einen Lendenschurz aus Leder oder ein Tierfell oder gar nichts. Sie hatte plötzlich große Lust, ihn zu zeichnen. Sie würde ihn mit einer Lanze oder einem Schwert posieren lassen, mit nacktem Oberkörper, wie er sich furchtlos und siegessicher seinem Gegner stellte.

Deanna konnte sich seinen muskulösen, männlichen Körper in dem konservativen Anzug in allen Einzelheiten vorstellen. Jay Masters hatte breite Schultern, lange Beine und einen gut trainierten Oberkörper. Das Jackett hatte er nicht zugeknöpft, und so konnte sie unter dem Hemd seine kräftigen Muskeln erkennen. Seine Haut war tief gebräunt und passte gut zu seinem schwarzen Haar. Wahrscheinlich verbrachte er den größten Teil seiner Zeit im Freien. Im Büro konnte er unmöglich so braun werden.

Seine Augen waren metallisch grau und wirkten kühl und taxierend. Er hatte volle Lippen, die aber schmaler wirkten, wenn er sie so wie jetzt zusammenpresste. Deanna fragte sich, in welchen Situationen sein Mund wohl weich wurde. Wenn Jay Masters lachte? Wenn er eine Frau küsste und ihr zärtliche Worte ins Ohr flüsterte? Wenn er leidenschaftlich liebte?

Deanna ließ den Blick erneut über seinen muskulösen Oberkörper gleiten. Sie war sicher, dass ein 25-Cent-Stück daran abprallen würde. Nein, halt, korrigierte sie sich, das mit dem Geldstück sagt man nicht über Muskeln, sondern über straff gespannte Betttücher. Und schon stellte sie sich Jay Masters auf einem Bett vor. Bestimmt schlief er nackt. Ob er am ganzen Körper so sonnengebräunt war wie im Gesicht? Schlief er auf dem Bauch oder auf dem Rücken? Nahm er das ganze Bett ein, oder blieb er auf seiner Seite?

Mit einem Mal wurde ihr klar, dass das Schweigen zwischen ihnen schon viel zu lange andauerte. Als sie Jay Masters ins Gesicht sah, stellte sie fest, dass er sie fragend ansah. Hatte er etwas gesagt? Ihr eine Frage gestellt? Oder gar ihre Gedanken gelesen?

Deanna entschied sich, ihn freundlich anzulächeln, und merkte überrascht, wie ihr dabei heiß wurde. Sie verstand nicht, was mit ihr los war. Nur weil er einen Körper hatte, um den ihn sicher die meisten Männer beneideten und bei den bestimmt viele Frauen schwach wurden, musste sie noch lange nicht so übertrieben reagieren. Ihr Interesse an ihm war rein künstlerisch. Sie liebte einfach schöne Linien und Formen. Und dieser Mann war eindeutig ein Meisterstück der Natur.

Ihr Herz klopfte beinah schmerzhaft. Das sind die Nerven, sagte sie sich. Sie musste den Job bekommen.

Jay Masters legte die Mappe auf den Tisch, lehnte sich an die Kante und verschränkte die Arme. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen. Ihre Haut begann zu prickeln. Auf einmal fühlte Deanna sich nur noch als weibliches Wesen, das einem begehrenswerten Mann gegenüberstand. Sie zwang sich, ruhig zu atmen und sich zu konzentrieren. Ich bin hier, um ihm zu zeigen, dass ich korrekt und zuverlässig bin, nicht um ihn in Gedanken auszuziehen, ermahnte sie sich. Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl und nahm sich zusammen.

„Sie haben ziemlich häufig die Arbeitsstelle gewechselt“, fasste Jay Masters ihren Lebenslauf zusammen. „In den vergangen sieben Jahren hatten Sie sieben verschiedene Jobs: als Kellnerin, als Angestellte in einer Bibliothek, in einem Blumenladen, in einem Kinderhort, bei den ‚Heinzelmännchen‘, was auch immer das sein mag, in einem Hospiz und als Bademeisterin am Strand. Aber nirgends waren Sie länger als acht Monate.“

„Ja, das ist richtig.“

„Sie haben keine Ausbildung als Erzieherin. Und ich brauche jemanden, der sich für länger als ein paar Monate verpflichtet.“ Er klappte die Mappe zu, als wäre das Gespräch für ihn beendet.

Deanna spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Sie stand auf und ging auf ihn zu. Dabei kam sie ihm nah genug, um die Hitze zu spüren, die er ausstrahlte. Entschlossen sah sie ihn an. Sie durfte nicht zulassen, dass das Gespräch so aufhörte.

„Ich kann diese häufigen Wechsel erklären. Ich bin noch Studentin. In den letzten Jahren habe ich immer so lange gearbeitet, bis ich das Geld für das nächste Semester zusammenhatte. Dann habe ich meine Stelle gekündigt und weiterstudiert. Und am Ende des Semesters habe ich mir wieder eine neue Arbeit gesucht.“

„Das löst aber nicht mein Problem. Ich brauche jemanden, der länger bleibt.“

„Genau deshalb bewerbe ich mich ja um Stelle! So könnte ich Arbeit und Studium miteinander vereinbaren. Vorausgesetzt, Sie sind einverstanden, dass ich Ihre Töchter ab und zu für ein paar Stunden im Kinderhort der Universität lasse. Das ist eine Einrichtung für Studentinnen mit Kindern. Es wäre wirklich nur für wenige Stunden pro Tag an vier Tagen in der Woche. Und für Ihre Mädchen wäre es bestimmt gut, unter kompetenter Aufsicht mit anderen Kindern zu spielen.“

„Wo studieren Sie denn?“

„An der Old Dominion University, hier in Norfolk. Wenn ich für Sie arbeiten würde, bräuchte ich bestimmt nicht zu kündigen, um mein Studium fortzusetzen. Ich versichere Ihnen, dass der Kinderhort der Universität erstklassig ist.“

Deanna hatte sich alles ganz genau überlegt. Es würde so viel für sie bedeuten, nicht wieder ein Semester aussetzen zu müssen, um Geld zu verdienen. Wenn er nur einverstanden wäre! Sie war die Richtige für seine Kinder und der Job genau das Richtige für sie.

Jay Masters maß sie mit einem abschätzenden Blick, der nichts darüber verriet, was in ihm vorging. „Was studieren Sie denn?“

„Grafikdesign. Ich hätte gern bildende Kunst studiert, allerdings ist es schwer, davon zu leben, wenn man nicht gerade ein Genie ist. Ich bin zwar gut, aber nicht genial. Als Grafikerin habe ich die Möglichkeit, mit Farben, Formen und verschiedenen Materialien zu arbeiten, und es macht mir fast genauso viel Spaß wie die Malerei. Und die Berufsaussichten sind ziemlich gut, sobald ich meinen Abschluss habe. Ich male und zeichne in meiner Freizeit. So kann ich das Künstlerische mit dem Praktischen verbinden.“

Deanna lächelte ihn strahlend an. Das Gespräch lief bei Weitem nicht so glatt, wie sie es sich erhofft hatte. Als Jay Masters nichts sagte, sprach sie einfach weiter. Sie konnte sich diese Chance nicht einfach entgehen lassen. „In meinen verschiedenen Jobs habe ich sehr viel Erfahrung mit Kindern gesammelt. Im Restaurant habe ich gelernt, was Kinder in der Öffentlichkeit dürfen und was nicht. Ich weiß, was sie gern essen und wie man sie beschäftigt, wenn sie sich langweilen. Am Strand hatte ich sehr viel Gelegenheit, Kinder zu beobachten. Ich kenne mich mit Sicherheitsvorschriften aus und wie man sie durchsetzt. Und ich habe einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert.“

Sie lächelte erneut, in der Hoffnung, dass er als Sicherheitsexperte diese Fähigkeiten zu schätzen wusste. „Das Wichtigste war natürlich der Kinderhort. Die Kinder waren zwischen zwei und sechs Jahren alt. Ich habe dort sehr viel gelernt, was Ihren Töchtern zugutekommen würde.“

Jay Masters nickte leicht, sagte jedoch nichts und ließ sie weiterreden.

Deanna atmete tief durch und fuhr fort: „In der Bibliothek habe ich Lesungen für Kinder abgehalten. Daher weiß ich, welche Bücher Kinder mögen, besonders die kleineren. Ihre Töchter sind fünf und drei Jahre alt, stimmt’s?“

Er nickte wieder, schwieg aber immer noch.

Deanna war es nicht gewohnt, so wenig Reaktion von jemandem zu bekommen. Sie fragte sich, ob er sie vielleicht einfach reden ließ und schon längst beschlossen hatte, ihr nachher mitzuteilen, dass sie für den Job nicht infrage kam.

„Bei den ‚Heinzelmännchen‘, das ist übrigens eine Agentur für Haushaltshilfen, habe ich alle möglichen Tricks gelernt, wie man Ordnung hält, auch in Kinderzimmern. Die kann ich Ihren Töchtern gern beibringen“, beendete sie ihre Ausführungen.

„Ich möchte auf keinen Fall ein Kindermädchen einstellen, das in ein paar Monaten kündigt, weil es etwas Besseres hat“, erklärte er schließlich. „Die Mutter meiner Kinder ist tot. Meine Töchter mussten schon sehr viel Trauer und Trennungsschmerz verwinden. Seitdem hat sich meine Schwester um die Mädchen gekümmert. Aber sie zieht jetzt weg, und das bedeutet schon wieder eine Trennung. Ich will nicht, dass so etwas bald zum dritten Mal passiert.“

Er stand auf und nahm die Mappe in die Hand. „Außerdem habe ich an eine etwas ältere Frau gedacht, eine zuverlässige Person, die in stabilen Verhältnissen lebt. Die nicht einfach verschwindet, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Oder die sich Hals über Kopf verliebt und plötzlich heiratet, weil sie ihren Traummann getroffen hat.“

„Auch eine ältere Frau kann sich Hals über Kopf verlieben“, entgegnete Deanna. „Und ich habe auf keinen Fall vor zu heiraten, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich möchte mein Studium abschließen, Arbeit als Grafikerin finden und mir in meinem Beruf einen Namen machen. Das war seit der Schulzeit mein Ziel.“

Jay Masters schien ein wenig erstaunt. „Und da bewerben Sie sich um eine Stelle, die mit Ihrem zukünftigen Beruf überhaupt nichts zu tun hat? Warum machen Sie nicht ein Praktikum in einer Werbeagentur? Ich lege Wert darauf, dass die Mahlzeiten pünktlich auf den Tisch kommen und das Haus ordentlich aussieht. Mit den groben Arbeiten habe ich eine Putzfirma betraut. Aber ich erwarte von einem Kindermädchen, dass es meinen Kindern seine volle Aufmerksamkeit schenkt.“

„Das würde ich auch tun.“

„Mit den Kindern zu spielen und auf sie aufzupassen ist nur ein Teil der Arbeit. Sie müssten sie auch zum Arzt oder Zahnarzt fahren und mit ihnen einkaufen gehen, wenn sie etwas zum Anziehen brauchen.“

„Wenn ich Arbeit und Studium miteinander verbinden kann, schaffe ich meinen Abschluss in drei Semestern. Danach würde ich noch sechs Monate bleiben. Bis dahin geht Ihre große Tochter in die Schule, und die kleine könnte eine Vorschule besuchen. Dort würden sie auch nachmittags betreut werden.“

„Das genügt mir nicht.“

„Warum nicht?“ Deanna fand ihr Angebot, nach ihrem Universitätsabschluss noch ein halbes Jahr zu bleiben, sehr großzügig. Es bedeutete, dass sie ihre Zukunftspläne sechs Monate aufzuschieben. Doch die Chance, in drei Semestern fertig zu sein, war es wert. Warum sah Jay Masters nicht ein, dass sie ihm die ideale Lösung anbot? Sie brauchte diesen Job. Sonst dauerte es Jahre, bis sie ihr Diplom hatte. Ich bin schon fünfundzwanzig, dachte sie. Selbst wenn sie es schaffte, Studium und Job miteinander zu vereinbaren, war sie siebenundzwanzig, bis sie fertig wurde.

„Meine Arbeit bringt es mit sich, dass ich manchmal innerhalb einer Stunde wegmuss und tagelang unterwegs bin. Deshalb brauche ich jemanden, auf den ich mich vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche hundertprozentig verlassen kann. Ich muss wissen, dass meine Kinder gut aufgehoben sind bei jemandem, den sie kennen und dem sie vertrauen und dem ich auch vertraue.“

„Ich bin absolut zuverlässig! Und ich bin bereit, über die Arbeitsbedingungen zu verhandeln.“ Deanna wollte nicht zu verzweifelt wirken, aber sie war verzweifelt. Sie hatte keine Wohnung, keinen Job, und bald begannen die Klausuren. Vorher musste sie unbedingt eine Bleibe gefunden haben. Warum war dieser Mann nur so schwer zu überzeugen?

„Anscheinend hatten Sie nie Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Immerhin hatten Sie sieben Jobs in sieben Jahren“, sagte Jay Masters.

„Ich musste bisher nichts für meine Wohnung bezahlen. Damit ist es jetzt allerdings vorbei, was bedeutet, dass ich in Zukunft viel länger arbeiten muss, um das Geld für ein Semester zusammenzubekommen. Es ist völlig unmöglich, mein Studium mit einem Job zu vereinbaren, in dem ich feste Arbeitszeiten habe. Aber als Kindermädchen würde ich es schaffen. Ich könnte nachts lernen und an meinen Projekten arbeiten, wenn die Kinder schlafen.“

„Was ist mit Ihrer Wohnung passiert?“

Deanna zögerte. Eigentlich ging es ihn nichts an. Außerdem wollte sie jetzt nicht die ganze Geschichte erzählen. Sie regte sich dabei jedes Mal zu sehr auf.

„Die Umstände haben sich geändert. Ein Punkt, der mich an Ihrem Stellenangebot gereizt hat, ist, dass Sie Unterkunft und Verpflegung bieten. Ich bin sicher, dass ich mich mit Ihren Kindern wunderbar verstehen werden. Rufen Sie die Bibliothekarin an, sie wird Ihnen gern erzählen, wie beliebt meine Vorlesenachmittage waren. Die Besucherzahlen sind in dieser Zeit sprunghaft angestiegen. Oder rufen Sie im Kinderhort an. Sie werden Ihnen sagen, wie vertrauenswürdig ich bin. Rufen Sie ruhig jeden auf dieser Liste an. Alle werden Ihnen bestätigen, dass ich gewissenhaft und zuverlässig bin. Ich kann hart arbeiten und bringe eine meiner Bezahlung entsprechende Leistung.“

Jay Masters musste angesichts ihrer flammenden Rede beinah lächeln. Deanna Stephens wollte den Job offenbar um jeden Preis haben. Er sah noch einmal in ihre Bewerbungsmappe und wusste, dass er eigentlich Nein sagen sollte. Das Vernünftigste wäre, weiterzusuchen, überlegte er. Abgesehen von ihrer Begeisterung und ihrem bewegten Lebenslauf, der sie ihrer Meinung nach befähigte, auf Courtney und Amy aufzupassen, entsprach Deanna Stephens einfach nicht dem Bild, das er sich von seinem zukünftigen Kindermädchen gemacht hatte. Er suchte eine Frau, die älter und gesetzter, die weniger hübsch, weniger lebhaft und weniger temperamentvoll war. Es überraschte ihn, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Jay vermied es, Deanna anzusehen, und hielt den Blick fest auf die Mappe gerichtet.

Er war es gewohnt, sich schnell eine Meinung zu bilden und aus dem Bauch heraus eine Entscheidung zu treffen. Was ihn jetzt bewegte, hatte nichts mit der Suche nach einem Kindermädchen zu tun. Er musste sachlich bleiben. Vielleicht war eine junge Frau sogar besser für die Mädchen. Sie konnte besser mit ihnen mithalten. Die beiden waren nicht besonders wild, aber erst drei und fünf Jahre alt und hatten sehr viel Energie. Und er musste sich eingestehen, dass bisher keine Bewerberin seinen Ansprüchen genügt hatte. Es waren nur sieben gewesen, mit Deanna Stephens acht. Die Zeit wurde knapp. Seine Schwester Rachael zog nächste Woche weg, und bis dahin musste er jemanden gefunden haben.

Jay sah Deanna direkt an. Offen und selbstbewusst erwiderte sie seinen Blick. Ihre blauen Augen verrieten Aufrichtigkeit. Er musste an Beth denken. Ihre Augen waren braun gewesen, ganz anders. Deanna Stephens war beinah in jeder Hinsicht das Gegenteil seiner verstorbenen Frau. Beth war zierlich, sanft und auf ihre zarte, mädchenhafte Art sehr sexy gewesen. Sie hatte nie eine eigene Karriere angestrebt, sondern war darin aufgegangen, zu Hause zu bleiben und für ihn und Courtney zu sorgen. Ihr dunkelbraunes Haar und die braunen Augen hatte sie ihren beiden Töchtern vererbt. Wenigstens das war ihm von ihr geblieben. Er vermisste sie immer noch, auch nach drei Jahren tat es noch weh.

Er musste jetzt eine Entscheidung treffen. Wenn er kein Kindermädchen fand, bevor Rachael ging, war er in ernsthaften Schwierigkeiten.

„Amy kommt in drei Jahren in die erste Klasse. Ich brauche jemanden, der sich für diese Zeit verpflichtet.“

„Drei Jahre?“, wiederholte Deanna und wirkte auf einmal ein wenig abwesend, als würde sie in die ferne Zukunft sehen. Wenn sie ablehnte, musste er eben weitersuchen. Dann blickte sie ihn noch entschlossener als vorher an.

„Einverstanden. Drei Jahre. Unter der Bedingung, dass ich nebenbei studieren kann. Und ich habe einige sperrige Malutensilien, die ich mitbringen müsste. Ist dafür genug Platz?“

Jay nickte. „Meine Schwester zieht am nächsten Samstag um. Ihr Mann ist bei der Marine, und er ist seit Kurzem in San Diego stationiert. Das heißt, es wäre gut, wenn Sie schon vorher einziehen könnten. Ist das ein Problem?“

„Nein, im Gegenteil“, antwortete Deanna begeistert.

„Wenn ich zu Hause bin, können Sie sich die Wochenenden freinehmen. Bin ich dagegen weg, muss ich mich darauf verlassen können, dass Sie rund um die Uhr für die Kinder da sind.“

„Selbstverständlich, Mr. Masters.“

Er hatte immer noch kein gutes Gefühl bei der Sache. Warum eigentlich nicht? dachte er. Weil sie zu jung ist? Weil ich bezweifle, dass sie den Kindern wirklich ihre volle Aufmerksamkeit schenken wird? Ihre Art passte ihm nicht. Sie war zu locker, zu spontan.

Jay fragte sich, wie ernst ihre Aussage gemeint war, dass sie ganz bestimmt nicht vorhatte zu heiraten. Eine attraktive Frau wie sie musste doch zahlreiche Verehrer haben. Wahrscheinlich hat sie den Richtigen noch nicht getroffen, überlegte er. Ob sie oft mit Männern ausgeht?

Jay versuchte, die Gedanken zu verdrängen. Er würde Deanna als Kindermädchen für seine Töchter engagieren. Was sie in ihrer Freizeit tat, war ihre Privatsache.

„Wann könnten Sie denn einziehen?“, erkundigte er sich.

„Meine Sachen sind bereits in Kartons verpackt. Ich brauche sie nur ins Auto zu laden und zu Ihrem Haus zu bringen. Heute, morgen – wann immer Sie wollen.“

„Ich würde gern noch Ihre Referenzen überprüfen. Wenn alles in Ordnung ist, rufe ich Sie heute Abend an und gebe Ihnen die Wegbeschreibung. Können Sie denn morgen Nachmittag anfangen?“ Er fragte sich, warum ihre Sachen in Kartons verpackt waren. Heute Nachmittag werde ich ein bisschen herumtelefonieren, nahm er sich vor. Wenn sich herausstellte, dass sie leichtfertig war, würde er sie gar nicht erst in die Nähe seiner Töchter lassen.

„Natürlich kann ich morgen anfangen! Vielen, vielen Dank! Ich werde sehr gut auf Ihre Töchter aufpassen. Ich bin es gewohnt, mich um andere zu kümmern. Bis vor ein paar Wochen habe ich bei meinen Großtanten gewohnt. Ich kümmere mich seit Jahren um sie. Jetzt sind sie in ein Seniorenheim in Ocean View gezogen. Es ist ein schönes Heim, direkt am Strand. Sie haben das Meer immer so geliebt. Aber es gibt dort eine idiotische Hausordnung …“ Deanna verstummte unvermittelt.

Jay wartete neugierig auf weitere Erklärungen, und es überraschte ihn selbst, dass er so daran interessiert war, etwas Persönliches über sie zu erfahren.

Doch sie erzählte nicht weiter, sondern reichte ihm die Hand. „Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören, Mr. Masters.“

Er erwiderte ihren Händedruck, und durch die Berührung wurde ihm plötzlich bewusst, wie attraktiv er sie fand. Sie war groß, schlank und hatte weibliche Rundungen an den richtigen Stellen. Ihre Brüste unter der eng anliegenden Samtweste waren wohlgeformt, der dezente V-Ausschnitt ließ ihren Ansatz nur erahnen. Und ihr Duft war frisch und blumig und erinnerte an eine Sommerwiese.

„Wie soll ich Sie ansprechen? Mit ‚Mr. Masters‘?“, fragte Deanna.

„Nennen Sie mich Jay, und ich sage Deanna zu Ihnen. Die Mädchen sollen das auch tun.“

„Oder einfach Dee. So nennen mich meine Freunde.“

Jay sah sie an. Er hatte nicht vor, sich mit ihr anzufreunden. Es handelte sich um ein reines Arbeitsverhältnis. „Ich habe ja Ihre Telefonnummer und rufe Sie dann heute Abend an.“

„Ich freue mich sehr darauf, Ihre Kinder kennenzulernen.“ Mit einem strahlenden Lächeln verabschiedete sich Deanna und verließ den Raum.

Jay sah ihr nach und bewunderte ihren leichten, wiegenden Gang. Er lehnte sich an den Tisch und hörte, wie sich ihre Schritte entfernten. Deanna Stephens entsprach nicht im Mindesten seiner Vorstellung von einem Kindermädchen für seine Töchter. Allerdings hatte sich auch keine Frau beworben, die seinem Bild von einer grauhaarigen, mütterlichen Witwe gerecht wurde, die leidenschaftlich gern Kuchen backte und Kinder über alles liebte. Wahrscheinlich gab es so etwas gar nicht. Deanna war im Moment die beste Wahl. Er hoffte nur, dass er keinen Fehler machte, wenn er sie einstellte.

Der Eindruck ihres verführerischen Gangs haftete noch in seinem Gedächtnis. Wie sieht ihr Haar wohl aus, wenn sie es offen trägt? fragte Jay sich unwillkürlich. Bestimmt ist es sehr lockig und reicht ihr bis über die Schultern. Er stellte sich vor, wie ihr Haar auf einem Kopfkissen aussah, wenn es ihr Gesicht umrahmte. Er verdrängte diese unpassenden Gedanken. Es war Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.

Auf dem Weg zurück in sein Büro sah er Deanna vor dem Aufzug stehen. Unwillkürlich ging er langsamer. Wahrscheinlich trägt sie sonst eher Hosen als Röcke, dachte er. Die Art, wie sie sich bewegte, passte eher zu engen Jeans oder Shorts. Darin kamen ihre langen Beine bestimmt perfekt zur Geltung. Jay tat sein Bestes, um sie zu ignorieren, als sie den Aufzug betrat. Beth war jetzt seit drei Jahren tot, und seitdem hatte er keine andere Frau auch nur angesehen. Und jetzt werde ich ganz sicher nicht anfangen, mich für das Kindermädchen meiner Töchter zu interessieren, rief er sich zur Ordnung, egal, wie hübsch und sexy Deanna Stephens sein mag.

Am nächsten Tag nahm Jay sich den Nachmittag frei. Er bat seine Sekretärin, seine Termine zu verlegen, sodass er zu Hause bei seinen Töchtern sein konnte, wenn Deanna eintraf.

Am Vorabend hatte er Deanna wie vereinbart angerufen. Ihre Referenzen waren ausgezeichnet gewesen. Er hatte mit ihr ausgemacht, dass sie gegen eins zu ihm kommen sollte, direkt nach dem Mittagessen. So konnte sie ihre Sachen einräumen und sich ein bisschen einleben. Danach würde sie Gelegenheit haben, etwas Zeit mit den Mädchen zu verbringen, während seine Schwester das Abendessen machte. Wenn alles gut lief, konnte Rachael vielleicht schon früher gehen als geplant und sich um ihren Umzug kümmern.

Er stand am Fenster seines Hauses und sah hinaus in den gepflegten Garten. Der Rasen war gleichmäßig kurz gemäht, die Büsche unter dem Fenster waren sauber zurechtgestutzt, und die symmetrisch angelegten, sorgfältig gejäteten Blumenbeete standen in voller Blüte. Die leuchtend bunten Farben bildeten einen reizvollen Kontrast zu dem dunklen Grün des Rasens.

Jay hatte das Haus nach Beths Tod gekauft. Es war unmöglich gewesen, in ihrem gemeinsamen Haus wohnen zu bleiben. Aber er hatte seinen Entschluss umzuziehen schon manchmal bereut. Das alte Haus hatte sie gekannt, dieses hatte sie nie gesehen. Das schien alles noch endgültiger zu machen.

In diesem Moment bog ein staubbedeckter, alter Kombi in seine Auffahrt ein. Bestimmt will der Fahrer dort nur wenden, überlegte Jay. Doch dann blieb der Wagen stehen, und die Fahrertür wurde von innen geöffnet. Zwei Sekunden später stieg Deanna Stephens aus. Er hatte Recht gehabt: In den Stretchjeans wirkten ihre Beine noch länger und sehr sexy. Darüber trug sie eine lange, ärmellose Bluse, die ein wenig hochrutschte und einen Blick auf ihren wohlgeformten Po gewährte, als sie sich vorbeugte, um etwas aus dem Auto nehmen.

Er war immer stolz auf sein Urteilsvermögen gewesen und auf seine Fähigkeit, Probleme sofort zu analysieren und schnell zu lösen. Jetzt hatte sein neues Kindermädchen noch nicht einmal sein Haus betreten, da war ihm bereits klar, dass es ein großer Fehler gewesen war, sie einzustellen. Und die Gründe dafür waren rein persönlich. Deanna Stephens machte ihm bewusst, dass er ein heißblütiger Mann war und sie eine sehr attraktive Frau.

Nun war es zu spät, sie war hier und bereit, mit der Arbeit anzufangen. Jay brauchte Deanna nur anzusehen, um zu wissen, dass er weiter nach einem geeigneten Kindermädchen suchen musste. Sie würde ihn ständig daran erinnern, wie einsam er war und wie sehr er sich nach einer Frau sehnte. Das waren Gedanken, die er lieber verdrängte.

Er rief seine Kinder aus dem oberen Stockwerk herunter ins Wohnzimmer und ging zur Haustür, um Deanna zu öffnen. Die vernünftigste Lösung war, dafür zu sorgen, dass Deanna hier zurechtkam, und ihr dann aus dem Weg zu gehen.

„Ihre Wegbeschreibung war super“, rief sie ihm fröhlich zu, als er aus dem Haus trat. Sie hatte bereits einen Karton ausgeladen und balancierte ihn auf einer Hand an dem staubigen Auto entlang. Dieses erschien ihm ziemlich alt und klapprig. Er ging ihr entgegen und nahm ihr den Karton ab. Dabei stellte er überrascht fest, wie schwer dieser war.

„Danke! Ich wollte gern schon etwas mit hineinnehmen. Wir können später ausladen. Ich dachte nur, es wäre Blödsinn, den ganzen Weg mit leeren Händen zu machen. Wo ich doch jetzt hier einziehe!“ Deanna zog einen zweiten Karton aus dem Auto. „Ich freue mich, dass meine früheren Arbeitgeber gut über mich gesprochen haben, sonst wäre ich wohl nicht hier, nehme ich an. Mrs. McFanney aus dem Blumenladen sagte mir, Sie hätten sehr streng geklungen. Ich habe ihr erklärt, dass ich hier bin, um mich um Ihre Töchter zu kümmern, nicht um Sie.“

Sie lachte, und Jay spürte, wie sein Atem ein wenig schneller ging. Deanna redete ohne Unterbrechung, während sie ihm ins Haus folgte. Ihre Bemerkungen über die hübschen Häuser und die alten Bäume in der Umgebung ließen ihn seine Wohngegend mit neuem Interesse betrachten. Sie freute sich an den Blumen im Garten, betonte immer wieder, wie glücklich sie darüber wäre, hier einzuziehen, und er fragte sich schon, ob sie ihren Redefluss einmal unterbrechen würde, um Luft zu holen.

Gerade in diesem Moment hörte sie auf zu reden, betrat das Haus und blickte sich aufmerksam um. Jay überlegte, wie lange die Gesprächspause wohl dauern mochte. Er war es nicht gewohnt, lebhafte Menschen um sich zu haben.

Das Haus war in seinen Augen nichts Besonderes, jedenfalls war es nicht außergewöhnlich genug, um jemandem die Sprache zu verschlagen. Es hatte zwei Stockwerke und fünf Schlafzimmer, vier oben und eins hinter dem Wohnzimmer. Auf die zusätzlichen Schlafzimmer hatte er damals beim Kauf besonderen Wert gelegt. Er hatte gewusst, dass er eines Tages Platz für eine Hausangestellte brauchen würde.

„Ein schönes Haus. Hell und großzügig“, befand Deanna. Sie stellte ihren Karton ab und ging ins Wohnzimmer.

Jay bewunderte ihre anmutigen Bewegungen und fragte sich, ob sie wohl gut tanzte. Er stellte ebenfalls seinen Karton ab und folgte ihr.

„Hallo, ich bin Deanna“, stellte sie sich den beiden kleinen Mädchen vor, die nebeneinander auf dem Sofa saßen. Sie setzte sich vor ihnen auf den Boden und zog zwei Kinderbücher aus ihrer großen Umhängetasche. „Ich habe euch ein kleines Geschenk mitgebracht. Wir müssen doch unseren ersten Tag miteinander feiern.“

Lächelnd reichte sie das erste Buch seiner jüngsten Tochter. Diese hatte Zöpfe, die bei jeder Bewegung hin und her schwangen.

„Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten, Orca, der kleine Wal. Kennst du das schon?“ Das kleine Mädchen sah erst das Buch an, dann ihn.

Jay nickte zustimmend. Er war ein wenig gerührt, dass Deanna daran gedacht hatte, den Kindern etwas mitzubringen.

„Und das ist für dich. Die Hundeparty. Vielleicht können wir ja auch einmal eine Hundeparty feiern.“ Deanna hielt dem älteren Mädchen das Buch hin. Das glänzende dunkle Haar fiel der Kleinen ins Gesicht, als sie verlegen den Kopf senkte.

Jay warf Courtney einen aufmunternden Blick zu. Daraufhin nahm sie das Buch und lächelte Deanna scheu an.

„Danke. Wir haben aber gar keinen Hund.“

„Da müssen wir uns eben etwas einfallen lassen“, sagte Deanna und erwiderte das Lächeln des Mädchens.

Amy presste die ganze Zeit über ihr Buch an sich und schwieg.

„Amy, bedank dich“, forderte Jay sie auf.

„Danke“, sagte sie schüchtern.

Amy erinnerte ihn am meisten an Beth. Er wünschte, Beth hätte sehen können, wie bezaubernd ihre Tochter war. Doch sie war bei Amys Geburt gestorben.

„Deanna, das sind Courtney und Amy. Sagt Deanna Guten Tag, ihr beiden. Sie wird von jetzt an auf euch aufpassen.“ Jay setzte sich vor Amy auf den Boden. Wieder einmal wurde ihm klar, wie sehr er seine Töchter liebte.

„Bist du unsere neue Mommy?“, fragte Courtney.

2. KAPITEL

Es fiel Deanna schwer, weiter zu lächeln. Bei Courtneys Worten durchzuckte sie der Schmerz darüber, dass sie nie Mutter sein würde.

„Nein, Spatz, ich bin nicht eure neue Mommy“, sagte sie sanft. „Ich bin euer Kindermädchen. Ich passe auf euch auf, wenn euer Daddy nicht zu Hause ist. Wir werden bestimmt viel Spaß miteinander haben. Was spielt ihr denn am liebsten?“

Während sie mit den Kindern sprach, versuchte Deanna vergeblich, deren attraktiven Vater zu ignorieren. Jay trug heute keinen Anzug, sondern verwaschene, enge Jeans, unter der sich seine durchtrainierten Oberschenkel abzeichneten, dazu ein ärmelloses T-Shirt, das seine breiten Schultern und muskulösen Oberarme betonte. Deanna hatte große Lust, ihn zu berühren, um die starken Muskeln und die Wärme seiner Haut zu spüren. Der Gedanke verursachte ihr ein Prickeln. Sie nahm sich zusammen. Schließlich war sie wegen der Kinder hier und nicht, um Tagträumen über deren Vater nachzuhängen.

„Habe ich da Stimmen gehört?“, sagte jemand hinter ihr.

Sie drehte sich um. Eine große, sehr gut aussehende Frau war hereingekommen. Ihr Haar war so dunkel wie Jays. Sie sah ihm ein wenig ähnlich, nur ihre grauen Augen waren etwas heller als seine. Ihr Blick war offen und freundlich. „Sie müssen Deanna Stephens sein. Ich bin Rachael Robinson, Jays Schwester. Ich freue mich sehr, dass Sie hier sind. Die Zeit wurde allmählich knapp. Mein Mann hat schon angekündigt, dass wir am Samstag die Stadt verlassen, egal, ob Jay ein Kindermädchen gefunden hat oder nicht. Er fürchtete, dass ich am Ende doch hierbleiben würde, um mich um die Mädchen zu kümmern.“

Deanna stand auf und gab Rachael die Hand. „Seien Sie unbesorgt, ich werde gut auf die beiden aufpassen. Jay sagte, Sie ziehen nach San Diego?“

„Das stimmt, ans andere Ende des Landes. Waren Sie schon einmal an der Westküste?“

„Nein. Ich bin in Norfolk geboren und aufgewachsen und bin noch nie von hier fort gewesen.“

„Wir sind ursprünglich auch von hier. Jay hat Ihnen wahrscheinlich erzählt, dass ich mit einem aufstrebenden Marineoffizier verheiratet bin. Ich werde wohl in den nächsten Jahren noch viel von der Welt zu sehen bekommen. Ich habe mich mit den häufigen Umzügen abgefunden. Gut, dass Sie nicht erst eine andere Stelle kündigen mussten, sondern sofort anfangen können. Tagsüber hätte Jay die Kinder im Hort unterbringen können, aber er könnte jederzeit zu einem Kriseneinsatz gerufen werden, auch mitten in der Nacht.“

Jay stand ebenfalls auf und ging in Richtung des Rundbogens, der vom Wohnzimmer in die Diele führte. „Ich lade Ihre Sachen aus, Deanna. Inzwischen kann Rachael Ihnen Ihr Zimmer zeigen und den Tagesablauf mit Ihnen besprechen.“

„In Ordnung.“

Rachael zeigte Deanna erst das Haus und führte sie dann zu dem Gästezimmer, das hinter dem Wohnzimmer lag. Die beiden kleinen Mädchen kamen mit und hielten stolz ihre neuen Bücher fest.

„Hier ist es. Sie haben natürlich Ihr eigenes Bad, es ist gleich dort drüben“, erklärte Rachael. „Ihr Zimmer liegt ein wenig abseits von den anderen Schlafzimmern, damit Sie sich zurückziehen können. Jay hat eine Überwachungsanlage im Kinderzimmer installiert. Wenn er nicht zu Hause ist, können Sie das Babyfon mit nach unten nehmen, und Sie hören jedes Geräusch aus dem Kinderzimmer.“

Deanna stellte ihre Umhängetasche auf dem Bett ab und sah sich in dem Raum um, der in den nächsten drei Jahre ihr Zuhause sein würde. Durch die Fenster hatte man einen schönen Blick auf den großen Garten mit den alten Pappeln und Ulmen. Sie spendeten angenehmen Schatten, wenn die Sonne in den Sommermonaten auf Virginia herunterbrannte. Das Zimmer selbst wirkte ein wenig nüchtern. Es hing kein einziges Bild an den Wänden. Aber sie besaß genug Drucke und Gemälde, die sie aufhängen konnte. Die hellen Eichenmöbel gefielen ihr gut, besonders das französische Bett. Das Zimmer bot ausreichend Platz für ihre Leinwand, Pinsel und Farben. Es fiel genug Tageslicht herein, das sie zum Malen brauchte.

Wehmütig erinnerte Deanna sich an ihr altes Zimmer im Haus ihrer Tanten. Sie vermisste die breite Krone des knorrigen Walnussbaums, dessen Zweige bei Wind das Haus streiften, Tante Loves Blumen im Garten und das vertraute Knarren der alten Holzdielen unter ihren Füßen. Auf jeden Fall war das Zimmer hier viel schöner als das winzige Gästezimmer in Judys Wohnung.

„Kommt ruhig herein“, forderte sie die kleinen Mädchen auf, die an der Tür stehen geblieben waren. „Ihr könnt mir beim Auspacken helfen und mir verraten, welche Spiele ihr kennt. Vielleicht habt ihr ja auch Lust, mir eine Geschichte zu erzählen?“

Als es Zeit zum Abendessen war, wusste Deanna, dass die Arbeit hier etwas anders aussehen würde als erwartet. Die Kinder waren sehr ruhig, vielleicht sogar ein wenig zu wohlerzogen für ihren Geschmack. Rachael hatte ihr den strengen Tagesablauf in allen Einzelheiten erklärt. Es war alles genau geregelt – wann die Kinder morgens aufstanden, wann und wie lange sie spielten, wann sie ihren Mittagsschlaf hielten und ihr Bad nahmen. Auch die Essenszeiten waren genau festgelegt.

„Jay kann nicht immer zu Hause sein, um mit den Kindern zu Abend zu essen“, sagte Rachael. Sie hatte Deanna mit in die Küche genommen, wo sie gemeinsam das Essen zubereiteten. Die Kinder spielten in ihrem Zimmer. „Es ist ihm wichtig, dass die Kinder pünktlich um sechs essen. Jay isst unterwegs, wenn er länger arbeiten muss. Meistens schafft er es, zu Hause zu sein, bevor die Kinder schlafen. Es sei denn, er hat einen Einsatz.“ Sie machte eine kurze Pause. „Es ist Ihnen doch klar, dass er jederzeit fortgerufen werden kann? Wenn es irgendwo eine Geiselnahme gibt, lassen die zuständigen Behörden ihn einfliegen, damit er mit den Entführern verhandelt. Oder er muss weg, weil einer seiner Kunden bedroht wird und sein Haus schnellstmöglich mit der neuesten Sicherheitstechnik ausstatten möchte. Wir wissen nie vorher, wann er wieder wegmuss. Er ist eben einer der Besten auf seinem Gebiet.“

Deanna nickte und überlegte, wie sie den Tagesablauf der Mädchen taktvoll infrage stellen konnte. Er schien ihr für zwei kleine Kinder viel zu streng.

„Es ist ja alles sehr genau festgelegt“, begann sie vorsichtig. „Hat Jay Ihnen gesagt, dass ich noch studiere? Ich würde die Kinder gern im Universitätskinderhort lassen, während ich die Veranstaltungen besuche.“

„Nein, das hat er nicht erwähnt.“ Rachael war ein wenig skeptisch. „Nun ja, er weiß bestimmt, was er tut.“ Sie wich Deannas Blick aus und sah zum Küchenfenster hinaus. „Wenn Sie jeden Tag zur selben Zeit Veranstaltungen haben, geht es bestimmt in Ordnung. Jay glaubt, Kinder brauchen vor allem Routine und Stabilität. Darum legte er großen Wert auf Disziplin an Bord.“

„An Bord? Sind wir denn auf einem Schiff?“ Rachael lachte.

„Nein, bitte entschuldigen Sie. Wir haben den Ausdruck von unserem Vater übernommen. Er ist Admiral. Als wir Kinder waren, war bei uns zu Hause alles perfekt organisiert. Es gab den gleichen geregelten Tagesablauf wie hier. Es hat seine Vorteile, alles läuft glatt und harmonisch – wenn nicht gerade etwas Unvorhergesehenes passiert.“

„Wie ist denn die Mutter der Kinder ums Leben gekommen?“, fragte Deanna geradeheraus. Es war leichter, mit Rachael darüber zu sprechen, als mit ihrem Bruder.

Rachael warf schnell einen Blick durch die offene Küchentür, um sicherzugehen, dass Jay nicht in der Nähe war, und erwiderte leise: „Wir sprechen nicht darüber. Jay ist über ihren Verlust nie hinweggekommen. Sie erlitt bei Amys Geburt eine Embolie. Es ging sehr schnell.“

„Es ist schon drei Jahre her?“, erkundigte Deanna sich ungläubig. Durch ihre Arbeit in dem Hospiz hatte sie viel mit trauernden Menschen zu tun gehabt. Sie fand es sehr ungewöhnlich, dass eine Familie es nach drei Jahren immer noch vermied, über den Tod eines Angehörigen zu sprechen. Natürlich gab es keine allgemeingültige Regel, wie lange man brauchte, um einen Trauerfall zu verarbeiten. Jeder Mensch reagierte da anders. Trotzdem schienen ihr drei Jahre sehr lang.

„Sie konnte Amy nicht einmal mehr im Arm halten“, erzählte Rachael. „Es war ein Schock für uns alle. Beth war noch so jung.“

„Das tut mir sehr leid für Sie, Ihren Bruder und die Kinder. Es ist hart, ohne Mutter aufzuwachsen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Meine Mutter starb, als ich sieben Jahre alt war. Mir ist aufgefallen, dass hier im Haus nirgends ein Foto von Beth hängt, nicht einmal im Kinderzimmer.“

„Anfangs hat Jay es nicht ertragen, an sie erinnert zu werden. Er hat sie sehr geliebt. Später haben wir einfach nie daran gedacht, Fotos aufzustellen. Jay müsste irgendwo noch Bilder von ihr haben, wenn er sie nach ihrem Tod nicht weggeworfen hat. Er war damals am Boden zerstört. Beth und er waren ein Traumpaar. Er hat sie angebetet.“

Der Name Beth gefiel Deanna. Bestimmt ist sie eine sehr schöne Frau gewesen, überlegte sie. Einen Moment lang war sie beinah ein wenig eifersüchtig. Sie würde nie einen Ehemann haben, der sie anbetete. Deanna fragte sich, wie es wohl sein mochte, wenn man über alles geliebt wurde.

„Wenigstens hat er seine Töchter“, bemerkte sie. „Was essen die beiden denn am liebsten?“ Sie hätte gern mehr über Jay Masters und seine Frau erfahren, aber sie unterdrückte ihre Neugierde. Sie war für die beiden Kinder zuständig, die Eltern gingen sie nichts an.

Um Punkt sechs saßen alle am Abendbrottisch. Deanna dachte darüber nach, was Rachael ihr über die Erziehung der Kinder gesagt hatte. Amy und Courtney hatten ausgezeichnete Tischmanieren, anders als viele Kinder, die sie im Restaurant erlebt hatte. Sie benehmen sich beinah zu perfekt, dachte sie.

„Habt ihr eurem Daddy schon erzählt, dass wir die neuen Bücher gelesen haben?“, wandte Deanna sich an die Kinder, als das Gespräch zwischen den Erwachsenen gerade versiegt war. Jay blickte zuerst fragend zu ihr, dann zu den Mädchen.

„Dee hat uns die neuen Bücher vorgelesen, Daddy“, sagte Courtney.

„Schön. Haben sie euch gefallen?“

Courtney nickte. Als Amy ihre ältere Schwester zustimmen sah, nickte sie ebenfalls.

Deanna erwartete, dass Jay sich erkundigte, wovon die Geschichten handelten. Doch er aß einfach weiter und schwieg. Sie warf ihm einen erstaunten Blick zu.

„Stimmt etwas nicht?“, meinte er.

Deanna schüttelte den Kopf und beschloss, lieber nichts zu sagen. Wenn er nicht wusste, wie man mit Kindern umging, war es bestimmt nicht ihre Aufgabe, es ihm beizubringen.

Wie kühl und steif die Familie Masters miteinander umging! Deanna hatte nicht viele Vergleichsmöglichkeiten, da ihre beiden Tanten ihre einzigen lebenden Verwandten waren. Allerdings hatten sie sich beim Essen immer lebhaft unterhalten und die Ereignisse des Tages besprochen. Deanna vermisste die beiden sehr.

Unvermittelt verspürte sie große Sehnsucht nach ihrem alten Leben. Schweigend beendete sie ihre Mahlzeit und freute sich darauf, sich bald in ihr Zimmer zurückziehen zu können. Sie würde noch viel Zeit haben, über Jay Masters und seine Kinder nachzudenken und darüber, welche Veränderungen sie in diesem Haus gern vornehmen würde.

Am nächsten Tag blieb Rachael zu Hause, um sich um ihren Umzug zu kümmern. Jay war in der Firma, und Deanna verbrachte den Tag allein mit den Mädchen. Zu ihrer Freude stellte sich beim Ballspielen im Garten heraus, dass die beiden nicht immer so still und brav waren, wie sie befürchtet hatte. Zum Mittagessen machte sie belegte Brote mit Erdnussbutter und frischer Banane. Die Mädchen waren begeistert und hatten ein neues Lieblingsgericht entdeckt. Nach dem Essen durften sie bei ihr auf dem Bett sitzen, während Deanna ihnen aus den neuen Büchern vorlas. Dabei nickten die Mädchen ein, und sie hatte Zeit, ein wenig Ordnung zu machen und in Ruhe ein Glas Eistee zu trinken.

Während sie das Abendessen zubereitete, spielten Courtney und Amy auf dem Küchenfußboden Mikado mit einigen ungekochten Spaghetti. Anders als Rachael gesagt hatte, hatten die Kinder durchaus Lieblingsgerichte. Courtney liebte Spaghetti Bolognese über alles, und Amy aß am liebsten Wiener Schnitzel. Da Deanna nicht wusste, ob Jay zum Essen nach Hause kommen würde, entschied sie sich für Spaghetti. Pasta ließ sich leicht strecken, wenn eine Person mehr mitaß.

Die Mädchen spielten zufrieden mit den ungekochten Nudeln. Deanna wollte die entstandene Unordnung sofort beseitigen, sobald das Essen fertig war. Sie musste nur noch die Soße abschmecken.

„Na, wie war der erste Tag?“, hörte sie plötzlich Jays Stimme.

Überrascht wirbelte sie herum. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie ihn in der Küchentür stehen sah. Der Anzug, den er gewöhnlich im Büro trug, stand ihm ausgezeichnet und betonte seine breiten Schultern. Sie stellte sich vor, wie sie Jays perfekt sitzendes Jackett aufknöpfte und ihm auszog … Halt, ermahnte sie sich. Sie konnte später ihren heimlichen Fantasien nachhängen, wenn sie allein war. Jetzt musste sie ans Abendessen denken.

„Hallo, Jay.“ Gehörte diese fremd klingende Stimme wirklich ihr? Deanna räusperte sich. „Ich wusste nicht, ob Sie zum Essen hier sein würden. Es ist gleich fertig. Amy, Courtney, gebt eurem Daddy einen Kuss! Fragt ihn, was er heute erlebt hat, und erzählt ihm, was für tolle Sachen wir gemacht haben.“

Jay bedachte die Pfanne auf dem Herd mit einem kritischen Blick.

„Warum ist das Essen noch nicht fertig? Es ist fast sechs.“

Sie antwortete mit einer unbestimmten Handbewegung. „Es dauert nur noch zehn Minuten. Ich glaube nicht, dass jemand verhungert, wenn das Essen nicht pünktlich auf dem Tisch steht. Wer deckt denn den Tisch? Sie oder die Kinder?“

„Sie, dachte ich. Ist das nicht Frauenarbeit?“

Zuerst glaubte Deanna, nicht richtig gehört zu haben. Dann wurde sie wütend. Sie vergaß den guten Rat ihrer Tanten, erst langsam bis zehn zu zählen, bevor sie ihrem Temperament freien Lauf ließ.

„Frauenarbeit?“ Sie blitzte ihn herausfordernd an.

Jay hielt ihrem Blick stand und nickte.

„Das kann ich nicht glauben!“ Deanna ließ mit einem Knall den Löffel auf die Anrichte fallen.

„Was denn?“

„Dass heutzutage noch jemand in solchen Kategorien denkt und es obendrein laut ausspricht. Frauenarbeit – das ist eine sexistische Bemerkung. Wenn das Ihre Überzeugung ist, kann ich nicht für Sie arbeiten.“

„Sie haben sich gerade für drei Jahre verpflichtet. Sie können ohne triftigen Grund gar nicht kündigen.“

„Ich hatte keine Ahnung, dass ich es mit einem Neandertaler zu tun haben würde. Ihre Art zu denken, ist bereits seit dem Zweiten Weltkrieg aus der Mode. Da hielten die Frauen nämlich die Wirtschaft dieses Landes am Laufen, während die Männer an der Front kämpften. Wenn Sie glauben, ich arbeite für jemanden, der eine frauenverachtende Einstellung hat, haben Sie sich getäuscht. Das hätten Sie mir beim Vorstellungsgespräch sagen müssen.“

„Einen Moment mal, bitte.“ Jay machte einen Schritt auf sie zu, und unter seinen Schuhen knirschten ungekochte Spaghetti. Stirnrunzelnd ging er um seine spielenden Töchter herum und stellte sich vor Deanna. „Ich habe nichts dergleichen gemeint, ich wollte nur …“

„Das macht es ja noch schlimmer. Sie sagen solche Dinge, ohne darüber nachzudenken?“

Verwirrt schüttelte Jay den Kopf und strich sich übers Gesicht. „Noch einmal ganz von vorn. Ich habe einfach angenommen, Sie würden den Tisch decken. Aber wenn es gegen Ihre Prinzipien verstößt, mache ich es selbst.“

„Wer hat den Tisch denn sonst immer gedeckt?“, fragte sie und stemmte die Hände in die Hüften.

Er warf einen kurzen Blick auf die spielenden Mädchen, um sich zu überzeugen, dass die Spaghetti sie mehr interessierten als der Streit der Erwachsenen.

„Sonst war der Tisch schon gedeckt, wenn ich nach Hause kam. Ich nehme an, Rachael es getan.“ Ruhig sah er Deanna in die Augen. „Als die Mutter meiner Kinder noch lebte, hat sie sich darum gekümmert. Beth sagte immer, ein Mann hätte genug damit zu tun, das Geld zu verdienen. Sie war gern Hausfrau und hat sich nie etwas anderes gewünscht.“

Ihr Zorn verrauchte so schnell, wie er aufgeflammt war, als sie den trostlosen Unterton in Jays Stimme hörte. Sie begriff, dass die Frauen in seinem Leben ihn immer sehr verwöhnt hatten. Doch sie war nicht seine Dienstmagd, und es gehörte zu ihren Aufgaben als Kindermädchen, seinen Töchtern etwas beizubringen. Sie wollte den Mädchen vermitteln, dass Frauen nicht auf der Welt waren, um Männer zu bedienen. Es sei denn, sie entschieden sich aus freiem Willen dafür, wie Beth es anscheinend getan hatte.

„Und nun?“, erkundigte sich Deanna, da sie nicht recht wusste, was sie sagen sollte.

„Falls das Tischdecken Ihnen Probleme bereitet, übernehme ich es, wenn ich zu Hause bin. Aber es kommt überhaupt nicht infrage, dass Sie kündigen.“

Deanna spürte, dass es ihm damit Ernst war und beschloss, ihn nicht weiter zu provozieren. „Gut.“ Sie versuchte zu lächeln. „Manchmal geht mein Temperament mit mir durch. Ich sage dann Dinge, die ich nicht so meine. Das soll nicht heißen, dass Sie kein Neandertaler sind, denn das habe ich durchaus so gemeint. Allerdings scheinen in diesem Fall mildernde Umstände vorzuliegen.“

„Können Sie das bitte wiederholen, damit ich es verstehe?“

Deanna lachte nervös und schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“ Sie nahm den Löffel von der Arbeitsplatte und rührte die Soße noch einmal um. Dann prüfte sie, ob die Nudeln fertig waren, und warf einen Blick in den Backofen. Der köstliche Duft von frischem Knoblauchbrot erfüllte den Raum. Ihr glühten die Wangen, und sie hoffte, dass Jay es nicht merkte. „Es war nicht so wichtig. Es tut mir leid, dass ich so impulsiv war. Das Essen ist fertig.“

Am Ende trug jeder von ihnen seinen eigenen Teller nebst Besteck von der Küche ins Esszimmer. Deanna fragte sich, welche Grundsatzdiskussionen mit Jay Masters ihr noch bevorstanden. Auf keinen Fall durfte sie das nächste Mal wieder die Beherrschung verlieren, wenn sie sich über etwas ärgerte. Sie brauchte den Job. Jay zahlte ihr ein großzügiges Gehalt, und es war sein gutes Recht, die Regeln festzulegen. Sie wartete, bis die Kinder angefangen hatten zu essen, bevor sie sich an ihn wandte.

„Vielleicht sollten wir ein paar Dinge besprechen, wenn die Kinder im Bett sind“, schlug sie vor. „Rachael ist zwar den Tagesablauf mit mir durchgegangen, aber ich hätte noch Fragen und Vorschläge. Außerdem wäre es bestimmt sinnvoll, wenn ich ein wenig besser über Sie und die Familie Bescheid wüsste, damit ich nicht noch einmal ins Fettnäpfchen trete.“

„Einverstanden. Bringen Sie die Kinder ins Bett, dann können wir uns unterhalten.“

„Kommen Sie denn nicht mit nach oben, um ihnen Gute Nacht zu sagen? Oder ist das Ihrer Ansicht nach auch Frauenarbeit? Wann haben Sie eigentlich Zeit für Ihre Töchter, Mr. Masters?“

Deanna machte keinen Hehl daraus, was sie von ihm als Vater hielt. Jay wurde allmählich ärgerlich. Wie kam sie dazu, sich ein Urteil über ihn anzumaßen? Sie war erst seit gestern hier. Außerdem war sie seine Angestellte. Sie hatte sich nach ihm zu richten, nicht umgekehrt.

„Beth hat sich immer um diese Dinge gekümmert. Und die Kinder sollen sich nicht daran gewöhnen, dass ich sie abends ins Bett bringe. Ich bin oft weg und will nicht, dass sie mich dann vermissen.“

„Kinder sind anpassungsfähiger, als Sie denken.“

„So, wie es jetzt ist, hat es für uns immer gut funktioniert.“ Damit betrachtete er das Thema als abgeschlossen. Jeder seiner Angestellten in der Firma hätte an seinem Ton gehört, dass er nicht länger darüber reden wollte, und niemand hätte es gewagt, ihm noch einmal zu widersprechen.

„Vielleicht funktioniert es“, wandte Deanna ein. „Aber scheint nicht mit viel Freude verbunden zu sein.“

Jay erwiderte nichts, sondern betrachtete sie nur. Sie war das genaue Gegenteil seiner Frau. Beth war immer der Meinung gewesen, dass Kinder vor allem Sicherheit und Stabilität brauchten. Als Rachael ihre Aufgaben übernahm, hatte sie am Tagesablauf nichts geändert. Er war oft unterwegs, arbeitete abends lange und konnte fast nie vorher sagen, wann er nach Hause kommen würde.

Es war eine tragische Ironie des Schicksals, dass Beth vor ihm gestorben war. Er hatte einen gefährlichen Beruf, während sie immer ein behütetes Leben geführt hatte. Aber statt sie als Witwe zurückzulassen, hatte er lernen müssen, ohne sie zu leben. Jetzt war er mit den Kindern allein, nicht sie. Ihr gemeinsames, harmonisches Leben fehlte ihm. Wie er es vermisste, dass sie ihn abends freudig begrüßte! Und heute saß ihm am Abendbrottisch statt seiner liebevoll lächelnden Frau plötzlich eine zornig dreinblickende Fremde gegenüber.

„Wie bitte?“, schreckte Jay aus seinen Gedanken auf, als er merkte, dass Deanna ihn erwartungsvoll ansah.

„Courtney möchte wissen, ob Sie Spaghetti Bolognese mögen. Es ist nämlich ihr Lieblingsessen.“ Ihre Stimme klang ruhig und freundlich, doch ihre Augen funkelten.

„Tatsächlich?“ Er lächelte seiner Tochter zu. „Ich liebe Spaghetti, Schatz. Das war auch mein Lieblingsessen, als ich ein kleiner Junge war.“

„Ich hab Dee beim Kochen geholfen“, erklärte Courtney stolz.

„Das ist schön für Dee.“ Sein Blick begegnete Deannas. Die Kinder scheinen sie zu mögen, dachte Jay. Das ist immerhin etwas. Der erste Tag war schließlich nie einfach. Vielleicht spielten sich die Dinge ja mit der Zeit ein.

Nachdem sie den Kindern gute Nacht gesagt hatte, schlich Deanna aus dem Kinderzimmer und ging die Treppe hinunter. Jay war heraufgekommen, um seinen Töchtern einen Gutenachtkuss zu geben, und sie wollte ihn einige Minuten mit ihnen allein lassen. Die beiden waren frisch gebadet und sahen in ihren gleichen Nachthemden sehr süß aus. Der Anblick der zwei zierlichen Mädchen mit ihrem großen, athletischen Vater war rührend. Deanna hätte die drei gern gezeichnet. Sie nahm sich vor, Jay als ruhenden Krieger in einem Blumengarten zu malen, der von zwei schüchternen kleinen Mädchen bestaunt wurde. Sein durchtrainierter Körper würde einen reizvollen Kontrast zu den Blumen und den Kindern darstellen.

Deanna machte es sich im Wohnzimmer gemütlich. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte sie Zeit, sich zu entspannen. Sie dachte an ihre Tanten. Morgen wollte sie mit den Kindern hinfahren und sie besuchen. Die Mädchen würden Eugenia und Love bestimmt auf Anhieb mögen. Sie musste Jay fragen, ob sie ihre Tanten hierher einladen durfte. Tante Love vermisste ihre Küche. Sie backte leidenschaftlich gern, und niemand konnte ihren Keksen und Kuchen widerstehen. Die Mädchen würden Spaß daran haben, genau wie sie, Deanna, früher.

„Was haben Sie nur mit den Kindern angestellt? Sie waren schon eingeschlafen, bevor ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. Haben sie denn keinen Mittagsschlaf gehalten?“, wollte Jay wissen, als er herunter ins Wohnzimmer kam.

Sofort war sie hellwach. „Natürlich haben sie heute Mittag geschlafen. Aber der Tag war ziemlich anstrengend. Am Vormittag haben wir im Garten Versteck gespielt. Wir hatten sehr viel Spaß mit all den tollen Versteckmöglichkeiten im Gebüsch und unter den Gartenmöbeln.“

Jay setzte sich aufs Sofa, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. „Von dem bisschen Versteckspielen sind sie so müde?“

„Wir haben einen langen Spaziergang gemacht und die Gegend erkundet. Ich hatte gehofft, dass es in der Nähe einen Park oder einen Spielplatz gibt, den man zu Fuß erreichen kann. Aber wir haben nichts gefunden …“ Deanna verstummte, als sie merkte, dass er die Augen geschlossen hatte.

„Halte ich Sie vom Schlafengehen ab? Wir können auch morgen weiterreden.“

Er schlug ein Auge auf und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht müde. Keine Sorge, ich höre Ihnen zu. Ich kann mich mit geschlossenen Augen besser konzentrieren. Sie haben also keinen Spielplatz in der Nähe gefunden.“

„Nein. Nach dem Spaziergang haben wir zu mittaggegessen. Dann habe ich ihnen vorgelesen. Dabei sind sie eingeschlafen, sogar für ein paar Stunden. Nachmittags haben wir im Garten Ball gespielt, bis es Zeit fürs Abendessen war.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Ich kann Ihnen gern einen Kaffee machen. Kekse gibt es leider nicht. Ich muss morgen früh einkaufen gehen.“

Jay hob den Kopf und sah sie an. „Hat Rachael Ihnen gezeigt, wo das Haushaltsgeld ist? Im Supermarkt bezahlen wir immer bar, alles andere geht auf Rechnung. Ich kann Ihnen auch Schecks geben. Sie bekommen von mir eine Kontovollmacht, falls Sie einmal Geld brauchen, wenn ich nicht da bin.“

Unwillkürlich streifte sein Blick ihre langen Beine.

Verlegen rutschte sie im Sessel hin und her. Ich hätte eine lange Hose oder einen Rock anziehen sollen, dachte sie. Doch die Shorts war bei der Hitze im frühsommerlichen Virginia einfach am bequemsten. Die Temperatur im Haus war jetzt angenehm. Allerdings hatte Deanna den ganzen Tag über die Fenster offengelassen, damit kühle Luft hereinkam. Im Juli und August wurde es gewöhnlich so heiß, dass man es ohne Klimaanlage kaum aushielt.

Seine grauen Augen waren direkt auf sie gerichtet. „Wir können uns morgen Mittag in der Bank treffen. Was ist nun mit den Grundsatzfragen, die Sie mit mir besprechen wollten?“

„Es hat mit meiner persönlichen Einstellung zu tun“, begann Deanna vorsichtig. „Sie haben mich mit Ihrer Bemerkung über Frauenarbeit ziemlich aus der Fassung gebracht.“

„Ich habe gemerkt, dass ich da einen empfindlichen Punkt bei Ihnen getroffen habe.“

„Meine beiden Großtanten haben alles im Haus selbst gemacht“, versuchte sie ihm ihren Standpunkt zu erklären. „Bei uns war es immer selbstverständlich, dass jeder mit anpackte, egal, um was für eine Art Arbeit es sich handelte. Wenn Sie grundsätzlich anderer Ansicht sind, sollten wir das besprechen. Sollte ich nicht hierher passen, wäre es besser, wir finden es heraus, bevor die Mädchen sich zu sehr an mich gewöhnen.“