Susie Glenn & ich - Diana Michener - E-Book

Susie Glenn & ich E-Book

Diana Michener

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Beschreibung

»Weinen wird nicht helfen«, sagt Dianas Vater. Es sind die 1940er, und er und seine Frau haben eben beschlossen, das Mädchen auf ein katholisches Internat zu schicken. Die Schule fühlt sich für Diana wie ein Gefängnis an. Vieles, was sie liebt, fehlt: Die Abenteuer des Huckleberry Finn, denn sie darf keine eigenen Bücher lesen, ihre Eltern und ihre Schwester Wayne. Nur zwei Bilder von der Familie darf sie auf ihren Nachttisch stellen. Aber vor allem fehlt Diana eines: Susie Glenn. Susie Glenn, die von sich nur in der dritten Person spricht, die eine Sonnenfinsternis für das Jüngste Gericht hält und häufig mit Jesus Zwiegespräche führt. Vor Dianas Vater hat jeder in der Familie Respekt, sogar Angst. Nur Susie Glenn widerspricht und sagt, was sie denkt. Dieses Memoir der bekannten amerikanischen Fotografin Diana Michener ist eine anrührende Erinnerung an den vielleicht wichtigsten Menschen ihrer Kindertage, dem sie mit diesem Buch ein Denkmal setzt. Susie Glenn ist mehr als eine schwarze Köchin: Sie ist Dianas beste Freundin, Komplizin und beinahe Mutterersatz, die dem Mädchen voller Empathie und Liebe begegnet, auch wenn es sich mit einem Mitschüler prügelt oder wegläuft.

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Diana Michener

Susie Glenn & ich

Eine Kindheitserinnerung

Aus dem amerikanischen Englisch von Hans-Christian Oeser

Steidl

Auf dem Rückweg von der Schule dachte ich manchmal, wieso nennt Susie Glenn meinen Vater Mr T. J.? Wenn ich heimkam, war Susie Glenn die einzige Person im Haus. Das stimmt nicht ganz. Pearlina war in der Waschküche und Elfie im Obergeschoss. Susie Glenn aber war die einzige Person, die, wenn sie die Haustür aufgehen hörte, jedes Mal fragte, bist du’s, mein kleiner Liebling? Aus ihrem Mund klangen Worte schön. So wie auch ihr Name. Als sie zu uns kam, sagte sie, Susie Glenn dankt es Ihnen, wenn Sie die Susie und die Glenn benutzen. Ich schätze, sie hatte ein freundschaftliches Verhältnis zu beiden. Bevor ich ihr begegnete, glaubte ich, laut sprächen die Leute nur mit anderen Leuten, doch Susie Glenn sprach mit sich selbst, und obwohl er gar nicht bei ihr war, sprach sie mit ihrem Freund Jesus. Ich glaube, es verging keine halbe Stunde, in der sie nicht seinen Namen nannte. Eines Nachmittags in der Küche fragte ich, Susie Glenn, wann kommt Jesus zu Besuch? Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab. Es ist an der Zeit, sagte sie. Am nächsten Morgen, als mein Vater beim Frühstück saß, hörte ich Susie Glenn auf der anderen Seite der Speisekammertür sagen, Mr T. J., Susie Glenn macht sich Sorgen. Bitte, sprich dich aus, sagte mein Vater. Das wird Susie Glenn ganz sicher tun, und, Mr T. J., Susie Glenn dankt Ihnen fürs Zuhören. Susie Glenn ist mächtig aufgewühlt. In Ihrem Haus hört Susie Glenn niemand Jesus preisen, niemand außer Susie Glenn. Wie du weißt, sagte mein Vater, arbeitet meine Frau für die Demokratische Partei, und ich bin Anwalt. Wir machen Überstunden. Wir reisen häufig. Wir haben vier Töchter. Wir brauchen eine Köchin. Als du dich auf die Stelle beworben hast, hast du nicht erwähnt, dass eine deiner Bedingungen lautet, die Familie müsse zu Jesus beten. Nein, Mr T. J., das hat Susie Glenn nicht. Es ist ihr nie in den Sinn gekommen, dass nette Familien es nicht tun. Meinst du nicht, dass es ihre Privatangelegenheit ist, wen eine Familie preist?, fragte mein Vater. Ihre Angelegenheiten gehen meine Angelegenheiten nichts an, außer was Jesus betrifft, und Susie Glenn sagt Ihnen, Sie lehren Diana, Jesus zu lieben, oder Susie Glenn hängt ihre Schürze an den Nagel. Es war still im Haus. Mein Vater räusperte sich. Susie Glenn, du hast mir einen interessanten Vorschlag unterbreitet. Ich bin es gewohnt, Verhandlungen zu führen, aber wegen Jesus habe ich mich noch nie an den Verhandlungstisch begeben. Mr T. J., Jesus ist kein Vorschlag. Weder von Ihnen noch von irgendwem. Susie Glenn war aufgebracht. Sie klang so, wie sie klang, wenn der Lieferbote von Eddie’s Matsch in ihre saubere Küche schleppte. Dann schrie sie, nimm bloß keine Rücksicht auf die Arbeit andrer Leute, und schüttelte die Faust. Habe ich dich richtig verstanden?, fragte mein Vater. Du drohst mir damit, meine Familie zu verlassen, wenn meine zweite Tochter nichts von Jesus erfährt? Mr T. J., Susie Glenn sagt Ihnen, Diana muss Jesus kennenlernen. Wenn du willst, dass sie Ihn kennenlernt, dann unterrichte sie selbst, sagte mein Vater. Ich hörte, wie der Stuhl über den Holzboden schrammte und Schritte sich entfernten. Hören Sie gut zu, Mr T. J., geben Sie fein acht. Die Schritte verhielten. Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Die Zeit ist nahe, und wir dürfen nicht zaudern, rief Susie Glenn meinem Vater vom Gipfel eines Berges zu. Ist ja gut, ist ja gut, Susie Glenn, beruhige dich. Bei Susie Glenn gibt’s kein ›Ist ja gut‹. Susie Glenn verbittet sich Ihre Beruhigung. Wir reden miteinander, und Susie Glenn sagt Ihnen, Diana braucht die Religion. Was soll ich deiner Meinung nach tun? Sie sagen Diana, jeden Montag und Mittwoch nach der Schule werden wir in der Heiligen Schrift lesen und ein bisschen mit Jesus reden. Mein Vater lachte. Du bist eine harte Verhandlungs partnerin, sagte er, also gut, abgemacht. Ich schob die Tür ein wenig auf, und durch den Spalt sah ich, wie mein Vater und Susie Glenn einander die Hände schüttelten.

Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass Susie Glenn, wenn sie mit Jesus sprach, mit jenem Jesuskind sprach, von dem mir meine Eltern zu Weihnachten erzählt hatten. Ich glaubte, ihr Jesus sei eine echte Person wie Elfies Freund Rudy, der immer mit seinem Wagen vorfuhr und eine Runde mit uns drehte. Als mein Vater mit mir über meine neuen Unterrichtsstunden redete, schaute er mich streng an und sagte, du hörst auf Susie Glenn, sie ist eine weise Frau. Sie wird dir alles erklären, was du über Jesus wissen willst. Ich hatte nicht gewusst, dass mein Vater Susie Glenn so großartig fand. Vielleicht hatte sie deshalb keine Scheu, ihn Mr T. J. zu nennen. Ich war mir nicht sicher über dieses Mr T. J. (Abkürzung für Thomas Jefferson), aber sicher war ich mir, dass mein Vater mich gegen seine Köchin eingetauscht hatte.

Die Bibelstunden hielt Susie Glenn in der Küche ab. Sie hob mich hoch und setzte mich auf die Theke. Sie sagte, wenn ich am Küchentisch säße, würde ich zu sehr zappeln, aber wenn meine Beine über dem Fußboden baumelten, könnte ich nicht umherspringen. Sie stand direkt vor mir, in einer gelben Uniformbluse aus Baumwolle mit weißem Kragen und einer weißen Schürze, die anderthalbmal um ihren schmächtigen Körper gewickelt war. Ihr Kopf starrte von winzigen Zöpfchen. Ihre Bibel hielt sie mit ihren langen Fingern an die Brust gepresst, und sie wippte hin und her. Sie schloss die Augen, und die Worte purzelten nur so aus ihr heraus. Sie schnurrte. Jesus kommt. Halleluja. Er wird uns Seine Hände auflegen. Wir sind bereit, Jesus. Bereit für Dich. Wir warten, warten auf Dich. Dann schlug sie die Augen auf, schmiegte ihre Wange an meine und fragte, bist du bereit für Jesus? Als ich bejahte, löste sie ihre Wange und sagte, jetzt müssen wir ernsthaft lernen. Wir müssen ganz am Anfang beginnen, mit dem 1. Buch Mose, und die Bibel Buch für Buch lesen, es nutzt nichts, Geschichten zu überspringen. Sie mochte den Anfang, als die Erde finster war und Gott das Licht schuf, doch von Adam und Eva und der Schlange hielt sie nicht viel. Sie redete gern über Kain und Abel und über die Stelle mit den Männern, die Nachkommen zeugten, und das Böse, das darauf folgte. Manchmal ließ sie Passagen aus. Wenn wir jedes Wort lesen, werden wir nie bis zu Jesus kommen, sagte sie. Andere Male las sie denselben Abschnitt immer und immer wieder vor. Sie liebte den Satz ›Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde‹. Jedes Mal, wenn sie ihn las, verbarg sie das Gesicht in den Händen und sagte, Susie Glenn tut es furchtbar leid, Herr. Ich fragte sie, ob alles, was sie da las, wahr sei, und sie sagte, wenn der Herr sagt, dass es so ist, dann ist es so.

Susie Glenn unterrichtete mich nicht nur über Jesus, sie nahm mich auch sonst in ihre Obhut. Nachts scheitelte sie mein Haar zu ordentlichen Strähnen und wickelte diese in weiße Stoffstreifen, so wie sie es bei sich selbst tat. Dann kniete sie sich neben mein Bett. Susie Glenns Arme waren lang und erstreckten sich über die Breite des Bettes. Sie faltete die Hände, stützte den Kopf in die Armbeuge und schloss die Augen. Ich kniete mich neben sie. Sie betete. Lieber Jesus, wir nehmen Dich als unseren Erlöser an. Wir laden Dich ein in unsere Herzen. Wir wollen sein wie Du, vom Geiste. Bewahre uns vor dem Bösen. Lehre uns, auf Deinen Wegen zu wandeln. Öffne unsere Augen und lass uns Deine Liebe erkennen. Dank sei Dir, Amen. Ihre Worte waren nie genau dieselben, der Tonfall ihrer Gebete schon. Nach dem Amen sprang ich ins Bett, und sie deckte mich fest zu, küsste mich zweimal auf die Stirn und sagte, träum süß, Jesus und Susie Glenn haben dich lieb.

Wurde ich nachts von bösen Träumen geweckt, irrte ich oft an der geschlossenen Schlafzimmertür meiner Eltern vorbei die dunkle Hintertreppe hinab, durch die Waschküche, unter der mit feuchten Laken behängten Wäscheleine hindurch und um die nach Clorox riechenden Porzellanwaschbecken herum bis zu Susie Glenns geschlossener Tür. Ich öffnete die Tür und schlich mich auf Zehenspitzen zu ihrem schmalen Bett. Fröstelnd stand ich da und betrachtete sie in dem weißen Licht, das durch ihr Fenster schien. Das Zimmer roch nach dem Mandelöl, das sie sich ins Haar massierte. Sie lag auf dem Laken in einem Baumwollnachthemd, das sich zeltgleich um sie bauschte und ihre Füße unbedeckt ließ. Ich stand da und wiederholte ihren Namen, bis sie aufwachte und sagte, um Himmels willen, Kind. Da wusste ich, dass ich in Sicherheit war. Sie rückte zur Seite, um mir Platz zu machen. Sie wiegte mich in ihren Armen und gurrte, still, still, Jesus wird nicht zulassen, dass Susie Glenns kleinem Mädchen was Schlimmes zustößt. Er wird allzeit auf dich aufpassen.

Am Morgen küsste mich Susie Glenn. Die ersten Worte, die sie sagte, lauteten, Jesus sei Dank. Ich saß auf der Bettkante, während sie die Stoffbänder auf meinem Kopf abwickelte. Die straffen Locken spannten auf meiner Kopfhaut, und sie sagte, rühr die Locken bloß nicht an, Weiße bürsten ihre Haare viel zu oft. Sie stellte mich auf Armeslänge vor sich und sagte, Susie Glenn findet, du siehst grad so aus wie Susie Glenns kleiner Liebling. In meiner Schule behaupteten alle, ich sähe aus wie ein farbiges Kind. Ich lachte sie aus und sagte, woher wollt ihr das wissen, ich wette, ihr habt noch nie eins gesehen. Das stimmte. Das einzige schwarze Kind, das ich je in Ross, Kalifornien, gesehen hatte, war Pearlinas Enkel, der oft mit ihr in unser Haus kam und, während Pearlina bügelte, auf dem großen Holztisch in der Waschküche mit seinen Lastwagen spielte. Ich beneidete ihn um seine Locken. Sie schmiegten sich an seinen Kopf. Sie hüpften nicht einmal, wenn er sich bewegte. Ich liebte seine dunkle Samthaut. Die war wie Susie Glenns Haut und fühlte sich an wie die Stiefmütterchen, die im Sommer um den Stamm unseres Kirschbaums wuchsen. Insgeheim hoffte ich, Susie Glenn würde meine Haut so dunkel färben wie ihre, doch ich wusste, selbst wenn sie es könnte, würde es ihr niemals gelingen, meinen Handflächen ihr eigenes glänzendes Rosa zu verleihen.

Einige Wochen nachdem ich mit meinen Bibelstunden begonnen hatte, wanderte ich von der Küche ins Esszimmer und fand meinen Vater beim Frühstück. Mein Vater sah von seiner Zeitung auf und fragte, wie kommt ihr miteinander aus, du und Jesus? Gut, sagte ich. Ich glaube, sagte er, du weißt nicht, dass Jesus und ich alte Freunde sind. Um zu unserer Freundschaft aufzuschließen, musst du noch viel beten. Wie du weißt, habe ich sechs Jahre lang die St. Mark’s School besucht, dort mussten wir zweimal am Tag in die Kapelle gehen. Lass uns ein paar einfache Berechnungen anstellen. Ein Schuljahr hat sechsunddreißig Wochen, das macht fünfhundertvier Gebete pro Jahr, mal sechs Jahre, das macht dreitausendvierundzwanzig Gebete, und das auch nur, wenn man ein Gebet pro Kapellenbesuch zählt, was offensichtlich eine Unterschätzung ist. Wie man auch addiert, ich habe genug Tugend aufgehäuft, um in den Himmel zu kommen. Susie Glenn stand hinter dem Stuhl meines Vaters und wartete darauf, sein Geschirr abzuräumen. Sie überragte ihn. Als sie die Gründe hörte, die mein Vater für seinen reservierten Platz im Himmel anführte, fuchtelte sie mit den Armen. Kein gottesfürchtiger Mensch kann im Königreich des Herrn einen Platz für sich beanspruchen. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird Ihr Platz genauso bestimmt werden wie der von uns allen. Jeden Tag müssen Sie um Seine Gnade flehen. Jeden Tag müssen Sie Ihn um Vergebung bitten. Mein Vater erhob sich. Susie Glenn, du bist eine kluge Frau. Du hast die Eichhörnchen gesehen, wie sie Nüsse horten. Ich bin wie ein Eichhörnchen, nur habe ich statt Nüssen Gebete gehortet. Susie Glenn wehrte mit den Händen ab. Mr T. J., Gebete sind keine Nüsse, und wir sind keine Eichhörnchen. Mein Vater gab Susie Glenn einen Klaps auf die Schulter, lobte ihr Rührei und verließ den Raum. Susie Glenn zitterte am ganzen Körper. Ich nahm ihre Hände. Sie blickte mir in die Augen und sagte, wir müssen jeden Tag mit Jesus reden. Sie hob den Blick zum Himmel. Ja, Jesus, mein süßer Jesus, wir wissen, es gibt keine Hoffnung, außer bei Dir. Du hältst das Leben in Deiner Hand, jetzt und immerdar. Amen. Dann umarmte sie mich und sagte, mach Jesus stolz auf dich, und ich hüpfte zur Schule.

Susie Glenn lebte in beständiger Sorge um den bevorstehenden Tag des Jüngsten Gerichts. Sie nannte ihn den Tag der Rache und sagte, jeder Tag könnte der letzte sein. Bei dem kleinsten Beben, von denen es in Kalifornien viele gab, schlenkerte sie mit den Armen. Susie Glenn fängt an zu zittern, wenn Susie Glenn an die Begegnung mit Jesus denkt, sagte sie mit einem Grinsen. Eines Nachmittags warf sie einen Blick aus dem Küchenfenster auf den Mount Tamalpais und erklärte, wir müssen in höhere Lagen. Wieso?, fragte ich. Sie starrte mich an und rückte ihr Gesicht dicht an meins. Sie sprach in einem lauten Flüsterton, als wollte sie mir ein großes Geheimnis anvertrauen. Vor Jahren, ehe Jesus geboren wurde, geriet der Herr in Zorn. Er ließ regnen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte. Und alle hohen Berge wurden bedeckt vom Gewässer. Sind alle untergegangen? Nein, nicht alle. Susie Glenn faltete ihre Hände vor der Brust, schloss die Augen und betete. Gesegnet sei der Herr. Lehre uns, unsere sündigen Wege zu bereuen. Dank sei Dir und Deiner Barmherzigkeit. Amen. Mit ihrer Schürze wischte sie sich über die Augen. Der Herr rettete Noah und sein Weib und seine Söhne und seiner Söhne Weiber. Er befahl Noah, einen Kasten zu bauen. Mach dir einen Kasten von Tannenholz, sagte Er, und mit dir will ich einen Bund aufrichten. Was ist ein Bund?, fragte ich. Es ist ein Zelt, aber nicht aus Stoff, sondern aus Versprechungen. Aus den Versprechungen des Herrn. Und Noah tat alles, was ihm der Herr gebot, und baute den Kasten, und er nahm zwei von allen Geschöpfen Gottes, und sie waren in Sicherheit. Susie Glenn hob die Arme über den Kopf, klatschte in die Hände, schüttelte die Beine und sang, es kam der Tiere je ein Paar, der Elefant, das Dromedar. So abrupt, wie sie ihr Lied begonnen hatte, hörte sie auch wieder auf. Sie drohte mit dem Finger. Er könnte es wieder tun, eine weitere Sintflut schicken. Wir müssen in höhere Lagen. Sie schaute aus dem Fenster, dann starrte sie mich noch durchdringender an als zuvor und fragte, bist du bereit zu wandern?

Zwar kam die Sintflut nicht, doch die Geschichte von Noah erzählte mir Susie Glenn viele Male. Ich mochte Noah. Er schien ruhiger zu sein als Jesus und sanfter als mein Vater. Ich dachte gern an seinen mit Tieren gefüllten Kasten. Susie Glenn und ich hatten nie einen Grund, auf den Berg zu steigen, einmal aber waren wir nahe dran.

Miss Watkins, meine Lehrerin an der Ross Grammar School, bereitete unsere Klasse auf das seltene Ereignis einer totalen Sonnenfinsternis vor. Es sei ein gutes Zeichen, versicherte sie uns. Jeden Tag zeigte sie uns Tabellen und Schaubilder, die die Drehung der Erde um die Sonne dokumentierten, und erklärte uns das bemerkenswerte Phänomen, wenn der Mond sich zwischen die Sonne und die Erde schiebt. Sie sagte, bis auf eine schwache Korona werde das Sonnenlicht aus unserem Blickfeld verschwinden. Obwohl der Mond zu klein war, um alles Licht zu verdecken, fand ich es mutig vom winzigen Mond, es überhaupt zu versuchen. Einen Monat lang zählte ich die Tage bis zur Sonnenfinsternis mit selbstgebastelten Mondstickern, die ich in meinen Kalender geklebt hatte. Meine Schaubilder nahm ich alle mit nach Hause, um sie Susie Glenn zu zeigen. Ich erklärte sie ihr, doch je ausführlicher ich ihr die wissenschaftlichen Gründe auseinandersetzte, desto heftiger beharrte sie darauf, es sei der Weg des Herrn, Finsternis zu erschaffen. Eine Finsternis, sagte sie, von der wir uns nie wieder erholen würden. Am Tag der Sonnenfinsternis hatten wir schulfrei, und ich war mit Susie Glenn zu Hause. Am frühen Nachmittag gingen wir nach draußen auf die Terrasse, um die Sonnenfinsternis zu beobachten. Sonne und Mond standen hoch am Himmel. Susie Glenn, denk daran, was ich dir gesagt habe, schau nicht direkt in die Sonne, sonst wirst du blind. Susie Glenn wird keine blinde Dame sein, Susie Glenn macht die Augen zu. Nein, Susie Glenn, halt die Augen offen, ich will nicht, dass du etwas verpasst. Ich stand auf der niedrigen Ziegelmauer, und Susie Glenn stand hinter mir, die Arme fest um meine Taille geschlungen. Ihr Gesicht hatte sie an meinen Hinterkopf gepresst, und ich hörte, wie sie mir ins Ohr flüsterte, süßer Jesus, rette uns. Ich konnte nicht stillhalten. Immer