4,99 €
»Suttler und die Schuld der Jugend« ist der 3. Fall für die Privatermittlerin Jule Suttler rund um die Halde Haniel. Im beschaulichen Ortsteil Schmachtendorf wird die grotesk verkleidete Leiche der jungen Lina Hillen aufgefunden. Schnell gehört ein Landstreicher, der sich seit einiger Zeit in der Gegend aufhält, zu den Hauptverdächtigen. Doch dann geschieht ein weiterer Mord. Das Opfer ist ein junger Mann, der als Mädchen verkleidet aufgefunden wird und zu derselben Clique wie Lina gehört. Alles spricht dafür, dass derselbe Täter wieder zugeschlagen hat. Aus dem Freundeskreis der beiden Opfer bekommt Jule kaum Hinweise, doch die Zeit drängt. Kann Jule den Täter überführen, ehe es weitere Opfer gibt? Oder gelingt es dem Täter, seine Mordserie fortzuführen? Und was hat der Landstreicher mit alldem zu tun?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 244
Veröffentlichungsjahr: 2025
Suttler und die Schuld der Jugend
Suttlers dritter Fall
Kriminalroman
von
Marco Rievel
© 2025 Marco Rievel
Website: https://marco-rievel.jimdo.com
Lektorat: Lektorat Breuer
(https://lektorat-breuer.de/)
Cover von: Pixabay Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Jörg Skowronek, Ripsdörnestr. 2a, 46119 Oberhausen, Germany. Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Kapitel 1
Die drei jungen Leute gingen durch die Nacht, als Adrian plötzlich stehen blieb. Er deutete mit der Hand auf eine Parkbank, auf der ein Obdachloser schlief.
»Diese Nacht wird der Tippelbruder garantiert nicht vergessen«, flüsterte er angeheitert und zupfte übertrieben auffällig an seiner neuen Jacke. Lina bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick, während Rene beschämt zur Seite blickte. Adrian grinste.
»Lass ihn schlafen. Ich will nach Hause«, lallte Rene. Sie waren auf einer Feier gewesen, und Rene hatte deutlich mehr Alkohol getrunken als seine beiden Begleiter.
Er griff nach Adrians Arm, doch der drehte sich blitzschnell um. Adrian wischte mit einer lapidaren Handbewegung einige unsichtbare Staubkörner von seinem Arm und schritt gemächlich auf die Bank zu, auf der der Obdachlose schlief.
»Ein kleiner Spaß hat noch niemandem geschadet.« Er drehte sich zu seinen Begleitern um und schaute sie herausfordernd an.
Lina kicherte leise. Sie stieß Rene kumpelhaft in die Seite. »Sei kein Spielverderber. Du wirst noch früh genug in dein Bettchen kommen.«
Verwundert schaute Rene sie an. Ganz so, als könne er nicht glauben, dass sie sich an dem Streich beteiligen wollte. Doch offenbar war sie fest dazu entschlossen.
Sie zerrte Rene mit sich.
»Das wird ein Riesenspaß«, sagte Adrian und rieb sich voller Vorfreude die Hände.
Vorsichtig schlichen sie sich an die schlafende Gestalt heran.
Der Kopf des Mannes ruhte auf einem Rucksack, dessen fleckiger Stoff an mehreren Stellen speckig glänzte. Lina konnte das Alter des Mannes nicht richtig schätzen, dazu war das Gesicht zu faltig und die Umgebung zu dunkel. Den Gurt des Rucksacks hatte er sich einige Male ums Handgelenk gewickelt. Seine Finger umklammerten den groben Stoff unter seinem Kopf.
Es schien, als wolle er einen Diebstahl des Rucksacks vermeiden und seine Habseligkeiten unter Einsatz seines Lebens schützen. Doch wer würde schon einen Stadtstreicher bestehlen?
Für den Landstreicher besaß jedes Teil in seinem Rucksack einen unschätzbaren Wert. Für ihn handelte es sich nicht nur um lieb gewonnene Erinnerungsstücke. Vielmehr symbolisierten die Gegenstände sein Leben, sie bildeten seine Existenzgrundlage. Ansonsten würde er die Sachen kaum auf seiner mühsamen Reise mit sich führen. Was erst recht für die geringfügigen Bargeldbestände galt, die er mit sich führte und die er in einer Innentasche seines Rucksacks versteckt hatte.
Keiner der drei jungen Leute hatte eine Vorstellung davon, wie heftig der Landstreicher seinen Besitz verteidigen würde.
Leise kichernd näherte sich das Trio dem Schlafenden, dessen bulliger Körper die gesamte Bank einnahm. In ihrem alkoholisierten Zustand freuten sie sich über den Schrecken, den sie dem Mann versetzen würden. An die Habseligkeiten des Fremden verschwendeten sie keinen Gedanken.
Sie wollten ihn nicht bestehlen. Für sie handelte es sich lediglich um einen Spaß. Einen Streich, den sie vor ihren Freunden zum Besten geben konnten.
Als sie sich dem Schlafenden auf wenige Meter genähert hatten, bewegte er sich und schnarchte laut auf. Die Jugendlichen erstarrten in ihrer Bewegung.
Der Mann brabbelte unverständlich vor sich hin und drehte sich auf die Seite. Die Finger seiner Hand umklammerten den Gurt des Rucksacks fester.
Mit angehaltenem Atem beobachteten die drei Freunde den Unbekannten. War er aufgewacht? Erst nachdem sie eine Zeit lang erneut die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge vernahmen, wagten sie sich weiter vor.
Adrian schlich zu der Seite der Bank, an der die Füße des Mannes lagen. Er kniete sich hin und löste mit zittrigen Fingern die Schnürsenkel der dicken, ledernen Schuhe. Er schaute zu seinen Freunden, rümpfte die Nase und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht, ehe er die Schuhriemen wieder zusammenknotete.
Lina unterdrückte ein Kichern. Trotz ihres ansonsten burschikosen, selbstbewussten Auftretens stand sie in gebührenden Abstand zu dem Unbekannten auf der Bank.
Hätte sie doch bloß Renes Anmerkung angenommen und den Mann in Ruhe gelassen! Mittlerweile hielt sie es für eine schlechte Idee, den Fremden aufzuschrecken. Doch es war zu spät, jetzt einen Rückzieher zu machen. Sie wollte nicht als Feigling gelten.
Rene stellte sich an die Kopfseite des Mannes, griff nach einer Ecke des Rucksacks und wandte sich Lina und Adrian zu. Beide warteten auf sein Zeichen. Als er nickte, holte Lina tief Luft.
Ihr Schrei hallte durch die Dunkelheit. Ein Schrei, den man der jungen Frau mit dem zierlichen Körper gar nicht zugetraut hätte.
Der Schlafende schreckte auf. Im gleichen Augenblick riss Rene mit aller Kraft an dem Rucksack.
Sein Vorhaben, die Besitztümer des Mannes an sich zu nehmen, scheiterte kläglich. Der kurze Moment der Überraschung reichte nicht aus, dem Fremden die Sachen zu entreißen.
Zu eng hatte sich der Landstreicher den Gurt ums Handgelenk gewickelt. Zudem hatte Rene nicht mit der Kraft des Mannes gerechnet.
Reflexartig krallten sich die Finger des Mannes um den Tragegurt, hielten diesen fest umklammert und zogen ihn zurück an seinen Körper.
Rene, schon halb aufgerichtet und von der Gegenwehr des Obdachlosen überrascht, konnte nicht sofort reagieren. Abrupt wurde er in seiner Bewegung gestoppt und zu Boden gerissen.
Der Landstreicher setzte sich auf. Verwirrt sah er sich einen Augenblick orientierungslos um. Als er Rene auf dem Gehweg erblickte, verengten sich seine Augen. Er sprang auf und wandte sich mit einem bedrohlichen Knurren dem vermeintlichen Angreifer zu.
Die zusammengebundenen Schnürsenkel verhinderten, dass er sich auf den jungen Mann stürzte.
Er verlor das Gleichgewicht, ruderte unbeholfen mit den Armen, dann stürzte er mit einem Aufschrei zu Boden.
Rene nutzte seine Chance, sprang auf und rannte zu seinen Freunden hinüber, die einige Meter entfernt standen und seine Flucht aufmerksam verfolgten.
Der Landstreicher streckte die Hände nach dem Fliehenden aus, schaffte es jedoch nicht, ihn aufzuhalten.
Lachend beobachteten die drei Freunde, wie sich der Mann mühsam aufrichtete. Er schnaubte wutentbrannt zu ihnen herüber. »Guten Morgen«, rief Adrian dem Mann zu, wobei er sich übertrieben galant verbeugte. Dann winkte er dem Fremden grinsend zu.
„Ihr verdammten Saublagen“, schrie der Landstreicher, wobei Geifer aus seinem Mund spritzte.
Das überhebliche, siegessichere Lachen der drei jungen Leute hallte durch die Nacht.
»Stell dich nicht so an!«, rief Rene, »Der frühe Vogel fängt den Wurm! Hat schon meine Oma immer gesagt!«
»Meine hat immer gesagt, wer morgens singt, den holt die Katz«, sagte Lina und ergriff seinen Arm. »Lass uns weitergehen, ich will nach Hause.«
»Schlaf weiter, Penner«, rief Adrian.
Der Fremde stierte die drei schwer atmend an. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sie hatten ihn aus dem Schlaf gerissen und besaßen die Frechheit, ihn zu verhöhnen. Einen Mann, der niemandem etwas angetan hatte, ja den sie nicht einmal kannten.
Diese Demütigung würde er ihnen nicht durchgehen lassen. Er würde ihnen beibringen, was es hieß, andere Menschen mit Respekt zu behandeln.
Er hielt sich nicht damit auf, die Knoten der Schnürsenkel zu lösen, sondern streifte die Schuhe ab und warf sie auf die Bank. Mit wutverzerrter Grimasse stürmte er auf die Jugendlichen zu.
Mit einem Mal erstarb das überhebliche Grinsen auf deren Gesichtern. Stattdessen zeichnete sich Fassungslosigkeit, beinahe Entsetzen in den Gesichtszügen der jungen Leute ab.
Adrian erkannte die Gefahr, die von dem groß gewachsenen Mann ausging, und zögerte keine Sekunde. Ohne seine Gefährten zu beachten, rannte er davon. Rene stieß Lina an.
»Weg hier«, sagte er und zog sie mit sich.
Sie folgten Adrian, der schon einen Vorsprung hatte.
Schnell stellte sich heraus, dass Lina nicht mithalten konnte. Sie fiel zurück.
»Rene«, keuchte sie zwischen zwei Atemzügen.
Verzweifelt rief sie ihren Begleitern zu. „Ich kann nicht schneller!“
„Den Letzten beißen die Hunde“, erwiderte Adrian, ohne sich umzusehen oder langsamer zu werden.
Rene drehte kurz den Kopf und verlangsamte seine Geschwindigkeit. Er wollte Lina beistehen, falls der Landstreicher sie einholte. Selbst auf die Gefahr hin, die Prügel seines Lebens zu bekommen.
»Ich schlage euch grün und blau!«, schrie der Mann hinter ihnen.
Als sie Rene erreichte, wagte Lina es, einen kurzen Blick zurückzuwerfen. Der Abstand zwischen ihr und ihrem Verfolger hatte sich nicht verändert. Doch erleichtert war sie deshalb noch lange nicht.
Ihr Herz raste. Die Lungenflügel schmerzten. Mit jedem Atemzug wurden die stechenden Schmerzen heftiger. Sie würde das Tempo nicht lange durchhalten. Einzig ihre Angst trieb sie voran, ungeachtet der Schmerzen, die sich in ihrer Brust ausbreiteten.
»Wir müssen weiter«, feuerte Rene sie an und zog sie am Arm mit sich.
Mehrmals schaute Lina mit Tränen in den Augen zurück, doch ihre Hoffnung, der Landstreicher würde die Verfolgung aufgeben, erfüllte sich nicht.
Sie erreichten ein Maisfeld, vor dem Adrian schwer atmend stehen blieb.
Einen kurzen Moment wartete er auf seine Freunde.
»Lasst uns im Mais verschwinden. Dort wird er uns bestimmt nicht aufspüren«, rief er ihnen zu und wechselte die Straßenseite.
Ein Maisfeld. Linas Nackenhaare richteten sich auf.
Dicht aneinander stehende Pflanzen. Orientierungslosigkeit und keinerlei Vorwarnung bei einer sich nähernden Gefahr. Das einzige Geräusch das Rascheln der Blätter, wenn man an ihnen entlangläuft, das sich in der Dunkelheit verliert.
Lina schüttelte den Kopf. Versuchte, ihre Erinnerungen an die Beklemmung, die sie als junges Mädchen verspürt hatte, zu verdrängen. Es kostete sie einige Anstrengungen, die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Sie konzentrierte sich auf Rene und wechselte gemeinsam mit ihm die Straßenseite.
Sie drehte den Kopf in Richtung ihres Verfolgers, hoffend, er würde aufgeben und ihr dadurch die Flucht ins Maisfeld ersparen. Der Abstand hatte sich verringert.
Die Beharrlichkeit, mit der er ihnen nachstellte, steigerte Linas Angst vor dem Mann. Was würde passieren, sollte sie ihm in die Hände fallen?
Eine Vorstellung, die sie ebenso in Panik versetzte, wie der Gedanke, sich durch Maispflanzen zu kämpfen.
Adrian tauchte zwischen den Pflanzen unter und war nach wenigen Schritten nicht mehr zu entdecken. Rene zögerte einen Augenblick, dann folgte er dem Freund. Ehe er im Wirrwarr der Maisblätter verschwand, drehte er sich zu Lina um.
»Nun komm schon«, forderte er sie auf und streckte ihr die Hand entgegen.
Fieberhaft suchte Lina nach einer Lösung. Der Fremde hatte sich bedrohlich genähert. Hektisch schaute sie sich um. Niemand war auf der Straße unterwegs. Niemand, bis auf ihren Verfolger.
»Mach schon«, drängte Rene und warf einen Blick zu dem Landstreicher hinüber.
Lina atmete tief ein, dann folgte sie ihm in die vermeintliche Sicherheit des Maisfeldes.
Sie hielt Renes Hand fest umschlossen, als sie direkt hinter ihm das Maisfeld betrat. Dicht an ihn gedrängt, ließ sie sich von ihm durch die Pflanzen lotsen.
Gemeinsam folgten sie Adrian, der keine Rücksicht auf die beiden nahm und sich seinen Weg durch die Pflanzenreihen bahnte, wobei er mehrmals die Richtung änderte.
Schon nach wenigen Minuten hatte Lina völlig die Orientierung verloren.
»Ihr verdammten Saublagen. Wenn ich euch erwische, schlage ich euch tot!« Die drei Freunde hielten an. Keiner von ihnen hätte sagen können, wie weit der Landstreicher entfernt war. Hatte er auf der Straße die Verfolgung abgebrochen, oder folgte er ihnen ins Maisfeld? Angestrengt lauschten sie nach verdächtigen Geräuschen, doch außer dem sanften Rascheln der Maisblätter im leichten Wind war nichts zu hören. Offenbar hatte der Landstreicher die Verfolgung aufgegeben.
Allen dreien war die Erleichterung anzusehen. Adrian und Rene atmeten tief durch. Lina fixierte die Umgebung, ehe auch sie sich langsam entspannte.
»Das war knapp«, flüsterte sie mit zittriger Stimme.
Adrian wischte mit einer Handbewegung ihre Bemerkung zur Seite, grinste sie überheblich an.
»Wir hätten uns schon zu wehren gewusst«, verkündete er mit gedämpfter Stimme.
»Du hast es nötig«, fuhr Lina ihn an. »Du warst doch als Erster weg. Feigling.«
Adrians Augen blitzten wütend auf. »Pass auf, was du sagst. Ich wollte lediglich eine Schlägerei vermeiden. Eine unnötige Prügelei mit einem Penner.« Seine ganze Verachtung schwang in seinen Worten mit, ebenso wie sein Groll auf Lina, die ihn als Feigling bezeichnet hatte.
Lina funkelte ihn böse an. Sie holte tief Luft, um Adrian zurechtzuweisen, doch Rene kam ihr zuvor.
»Insgesamt war es doch ein toller Abend. Erst die Fete und dann der kleine Streich. Durch die ganze Aufregung eben bin ich fast wieder nüchtern geworden. Und jetzt stehen wir drei in einem Maisfeld.« Lächelnd holte er aus seiner Jacke eine Flasche heraus, in der sich einige Fingerbreit Wodka befanden.
»Und es gibt was zu trinken.« Er schwenkte die Flasche vor den Gesichtern seiner Freunde.
»Hey, die gehört mir«, beteuerte Lina und riss sie ihm aus der Hand.
»Das kann ja jeder behaupten«, sagte Rene und umarmte Lina, um den Wodka zurückzubekommen. Sie entzog sich ihm kichernd, hielt ihm die Flasche entgegen und deutete mit dem Finger auf das Etikett.
»Ich habe sogar meinen Namen draufgeschrieben, damit ich sie wieder mitnehmen kann, falls niemand davon trinkt.«
»Ich kann keinen Namen auf der Flasche erkennen«, erwiderte Rene und entriss ihr den Wodka. »Außerdem wurde daraus getrunken, und ich habe uns den Rest für den Heimweg gesichert.« Rene hielt die Flasche in die Höhe, als Lina erneut danach greifen wollte. Nach wenigen halbherzigen Versuchen gab Lina es auf, die Flasche an sich nehmen zu wollen.
»Ich wollte Alena damit abfüllen, damit sie endlich über Wesley hinwegkommt. Hoffentlich hat der ihn nicht getrunken«, sagte Lina verbittert. Alena war ihre älteste Freundin. »Der dämliche Typ hat es nämlich nicht verdient, meinen teuren Wodka zu genießen, so wie er Alena behandelt hat.«
»Habe ich auf der Fete was verpasst?«, fragte Rene mit gerunzelten Augenbrauen. Sein Blick wanderte zwischen seinen beiden Begleitern hin und her.
»Wesley hat Alena gar nicht beachtet. Er hat kein einziges Wort mit ihr gesprochen. Er ist ihr einfach aus dem Weg gegangen. Als wenn sie Luft wäre«, erklärte Lina aufgebracht.
»Weshalb hätte er sich mit ihr unterhalten sollen? Die beiden sind ja nicht mehr zusammen«, sagte Adrian gleichgültig.
Lina warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Trotzdem hätte er ruhig mit ihr tanzen oder zumindest reden können. Er hat sie ja nicht mal gegrüßt«, erwiderte sie verstimmt.
»Du bist doch nur sauer auf ihn, weil er dich nicht beachtet hat. Um Alena geht es dir gar nicht, hab ich recht? Konntest wohl nicht bei Wesley landen, was?«, stichelte Adrian gehässig. Lina funkelte ihn böse an.
»Ich habe es nicht nötig, mich mit so jemand oberflächlichem wie Wesley abzugeben«, erwiderte sie verbittert. »Das Einzige, was ich ihm hoch anrechne, ist, dass er nicht so feige war und einfach davongerannt ist. Im Gegensatz zu anderen Männern, die ich kenne, hat er sich mit ihr getroffen und ihr gesagt, dass er kein Interesse mehr hat.«
Mit Genugtuung stellte sie fest, dass Adrian ihre Anspielung verstanden hatte. Seine Augen verengten sich, und er schnaubte wütend auf, suchte nach den passenden Worten.
»Vielleicht war es einfach nicht die Richtige für ihn«, sagte Rene. »Aber Alena wird schon darüber hinwegkommen.«
Adrian lachte auf. »Ihr solltet euch mal reden hören.« Er hob theatralisch die Arme in die Höhe. »Darüber hinwegkommen. Das ist doch alles Blödsinn. Ihr wisst ja, wohin die Liebe Manuel damals getrieben hat. Seine sogenannte einzige Liebe. Der Spinner hat sich das Leben genommen. Nennt ihr das wahre Liebe?« Er schlug gegen einen Maiskolben.
Lina missfiel, wie Adrian über ihren ehemaligen gemeinsamen Freund sprach.
Manuel gehörte damals zu ihnen, war ein Mitglied ihrer kleinen verschworenen Gemeinschaft gewesen. Auch wenn sie die Beweggründe für seinen Selbstmord nicht nachvollziehen konnte, widerstrebte ihr der Gedanke, ihn als Spinner oder gar Loser zu titulieren. Sie hatte ihn gemocht.
»Manuel konnte sich ein Leben ohne seine Auserwählte nicht vorstellen. Ihm erschien sein Leben ohne sie als sinnlos. Das hatte nichts mit Liebe zu tun. Und es soll keine Entschuldigung für seinen Selbstmord sein«, verteidigte sie den ehemaligen Freund. »Aber ein Spinner war er trotz allem nicht.«
»Er hat sich verhalten wie ein Mädchen. Ein richtiges Weichei halt«, sagte Rene. Lina stieß ihm in die Seite. »Ich bin auch ein Mädchen«, erwiderte sie.
Adrian lachte auf. »Ein gefallenes«, sagte er.
»Aber kein feiges«, konterte Lina grinsend.
»Jetzt hört endlich mit dem dämlichen Gelaber auf. Kann mir jemand sagen, in welche Richtung wir gehen müssen?«, unterbrach Rene die beiden. Die drei Freunde sahen sich um.
Adrian trank die Flasche leer und warf sie in hohem Bogen ins Feld.
***
Heinrich Lindenbaum trank den letzten Schluck aus und stellte die Bierflasche zu den anderen. Sie standen dort unsortiert zwischen den Papieren, die auf dem Wohnzimmertisch verteilt lagen, dem überfüllten Aschenbecher und dem Teller mit dem Besteck von der letzten warmen Mahlzeit, die er sich zubereitet hatte. An Messer und Gabel klebten noch die angetrockneten Reste der Backofenpizza.
Als Heinrich die Flasche abstellte, stieß er eine andere um, die langsam zur Tischkante rollte und zu Boden fiel.
Mit starrem Blick betrachtete er, wie sie einige Zentimeter weiter kullerte, ehe sie schließlich auf dem Teppich liegen blieb.
›Ich muss sie aufheben‹, ging es ihm durch den Kopf, doch er fand nicht die Kraft, sich zu erheben.
Die Unordnung, die sich seit dem Tod seiner Frau im Haus und auf dem Hof ausbreitete, nahm er durchaus wahr, doch bisher hatte er es nicht geschafft, zumindest das Wohnzimmer aufzuräumen. Obwohl er es sich immer wieder aufs Neue vornahm.
Anfangs hatte er sich bemüht, den Haushalt in ihrem Sinne weiter zu führen. In all den Jahren ihrer Ehe hatte er sie bei der Hausarbeit beobachtet. Er stellte sich vor, wie sie ihn beobachtete und mit Stolz seine Bemühungen betrachtete. Die Nähe, die er in diesen Momenten zu seiner Frau verspürte, gaukelte ihm vor, sie käme jeden Augenblick zur Tür herein und würde ihm beistehen.
Doch schnell wurde ihm bewusst, dass er sich etwas vorspielte. Sie war nicht mehr bei ihm und würde nie wieder zurückkehren.
Die Erkenntnis stürzte ihn in eine tiefe Depression, aus der es kein Entrinnen gab.
Seiner Frau hatte es Freude bereitet, ihm ein schönes Heim zu erschaffen und es zu pflegen. Sauberkeit und Ordnung gehörten zu Mathildes Wesen dazu, wie Kaffee zu einem guten Frühstück oder die warme Tasse Milch vor dem Zubettgehen.
Die Milch hatte er kurz nach ihrer Beerdigung gegen Bier getauscht, und die Unordnung im Haus und auf dem ganzen Hof vergrößerte sich von Woche zu Woche. Für sie machte es Sinn. Ihm war es egal. Für die paar Jahre, die er noch zu leben hatte, wie er sich selbst immer sagte, kam es auf Ordnung nicht an. Und was die Nachbarn, die ihn ohnehin nicht mehr besuchten, dachten, interessierte ihn nicht. Sollten sie sich doch ihre Mäuler über ihn zerreißen. Er würde sich nicht bemühen, das Haus und den Hof sauber zu halten, wie es andere von ihm erwarteten.
Er wollte nur wieder mit seiner Mathilde zusammen sein.
Er wischte sich eine Träne von der Wange und erhob sich mühsam aus seinem Sessel.
Er schlurfte in die Diele, schob das feuchte Handtuch, mit dem er nach dem letzten Spaziergang den Hund abgetrocknet hatte, zur Seite und ließ sich auf dem Treppenabsatz zum Obergeschoss nieder. Seufzend griff Heinrich nach den Schuhen und löste die Schnürsenkel.
Satan, der alte Schäferhund und sein treuer Begleiter, lag auf der Fußmatte an der Haustür und beobachtete ihn aufmerksam. Als er aufstand und die Leine vom Garderobenhaken nahm, sprang Satan auf und trottete zu ihm herüber. Liebevoll tätschelte Heinrich den Kopf des alten Hundes.
„Du bist der Beste, Satan“, sagte er, während seine Finger durch das dichte Fell glitten. Der Schäferhund drückte seinen Kopf gegen ihn, wedelte freudig mit dem Schwanz und sprang an ihm hoch.
„Ist ja gut, es geht jetzt los“, beruhigte Heinrich seinen Hund. „Sitz!“
Satan gehorchte ergeben und ließ sich geduldig anleinen.
Gemeinsam traten sie wenig später in die Nacht hinaus.
An der frischen Luft verharrte Heinrich einen Moment. Er schwankte leicht und hielt sich mit der Hand an der Eisengittertür, die den kleinen Vorraum des Eingangsbereichs absicherte, fest. Mehrmals atmete er tief ein. Er wartete ab, bis der leichte Schwindel nachließ, ehe er sich langsam in Bewegung setzte.
Satan, der ihn die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet hatte, blieb dicht bei ihm, passte seine Geschwindigkeit an.
Geruhsam schlenderten die beiden die Auffahrt zum Hof hinunter zur Straße und schlugen die vertraute Route ein. Unzählige Male schon waren sie auf ihren nächtlichen Runden durch die ländliche Umgebung in Schmachtendorf gezogen.
Zwischen den Feldern lief Satan einige Meter voraus und verschwand immer wieder kurz im Unterholz, das sich am Straßenrand ausbreitete.
Als sie in den Ravenhorst einbogen, verlangsamte der Hund seine Schritte.
Schließlich blieb Satan stehen, hob den Kopf, spitzte die Ohren und knurrte. Heinrichs Blicke suchten die vor ihm liegende Finsternis ab. Obwohl er nichts erkennen konnte, verkürzte er die Hundeleine und stellte sich neben seinen Hund. Es dauerte eine Weile, ehe er eine Bewegung im Schatten der Büsche wahrnahm.
Eine hagere, groß gewachsene Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit und kam auf sie zu. Ein Mann. Heinrichs Hand umschloss die Hundeleine fester. »Ruhig, Satan«, sagte er leise.
Als der Mann die beiden erblickte, zögerte er einen Augenblick, dann wechselte er die Straßenseite.
Heinrich beobachtete ihn stirnrunzelnd und kniff die Augen zusammen. Der Fremde trug keine Schuhe. Er lief nur in Socken über den asphaltierten Feldweg.
Der Mann schien ebenso verunsichert zu sein, was wohl an Satans beständigem Knurren lag. Er beeilte sich, an den beiden vorbeizugehen, ohne sie anzuschauen.
»Der macht nichts«, lallte Heinrich, um den Mann zu beruhigen, doch der Fremde hastete ohne Antwort weiter.
„Komm, Satan“, sagte Heinrich gleichgültig und zog den Hund mit sich.
Später, als sie bereits einige Meter hinter sich gelassen hatten, dachte Heinrich nochmals über das Verhalten des Mannes nach und lächelte. Der Gedanke, dass jemand sich vor ihm und seinem Hund fürchtete, belustigte ihn. Satan hatte noch nie einen Menschen angegriffen, aber es bereitete Heinrich seit Jahrzehnten Freude, von der Gefährlichkeit des Hundes erzählen.
Satan blieb plötzlich stehen und riss Heinrich aus seinen freudigen Erinnerungen.
Sie standen vor einem Maisfeld. Mit gespitzten Ohren starrte Satan auf die Pflanzenwand.
Heinrich schaute in die Richtung, versuchte, zu entdecken, was die Aufmerksamkeit seines Hundes erregte. Doch so sehr er sich auch bemühte, sah er nichts außer den sanft wiegenden Maispflanzen. Heinrich zog leicht an der Leine, um weiterzugehen, aber sein Hund hielt ihn zurück, schnüffelte am Boden und zog ihn zum Feld. Was hatte er jetzt wieder entdeckt?
Heinrich zögerte einen Moment, dann ließ er sich, vom Alkohol berauscht, von ihm mitziehen. Doch er umklammerte die Leine fester. Er hatte keine Lust, seinem Hund mitten in der Nacht hinterherzulaufen.
Satan zog ihn schnüffelnd ins Maisfeld.
Nach einigen Metern blieb Heinrich stehen und hielt seinen Hund an der Leine zurück.
»Wir kehren um, Satan. Ab nach Hause«, sagte er und drehte sich um.
In diesem Moment flog eine Flasche dicht an Heinrichs Kopf vorbei. Wäre er stehen geblieben, hätte sie ihn ohne jeden Zweifel im Gesicht getroffen. Er spürte den Luftzug der Flasche an seinem Ohr, dann schlug sie neben Satan auf den Boden. Der Hund zuckte ebenso wie sein Herrchen zusammen. Heinrich sog geräuschvoll die Luft ein. Sein Herz raste.
Satan riss an der Leine und bellte.
Heinrich zwinkerte mit den Augen, dann sah er die Flasche. Er trat darauf zu und benötigte einen Moment, um sein Gleichgewicht zu halten, ehe er sich vorbeugte und danach griff.
Er hielt sie dicht vor sein Gesicht. Obwohl er selten Wodka trank, war ihm die Marke bekannt. Er zündete sein Feuerzeug an und kniff die Augen zusammen, um den Namen zu entziffern, der auf das Etikett gekritzelt war.
»Dieses verdammte Balg«, murmelte er und schaute in die Richtung, aus der die Flasche geflogen kam. Er erinnerte sich an die kleine Lina Hillen, die mit ihren Freunden oft an seinem Hof vorbeigekommen war.
»Na warte, du wirst dich wundern«, grummelte er leise und griff nach Satans Halsband. Hektisch versuchte er, den Verschluss zu öffnen, doch immer wieder glitten seine Finger von dem Metallkarabiner ab. Er schaffte es nicht, die stabile Halskette zu lösen. Satan zog weiter heftig an der Leine.
»Ich hetz den Hund auf dich!«, sagte er, doch er schaffte es trotz aller Bemühungen nicht, die Leine zu lösen. Satan bellte laut und knurrte vernehmlich, unternahm immer wieder den Versuch, loszurennen.
Schließlich gab Heinrich auf. Er tätschelte den Hals des Tiers, um es zu beruhigen. Seufzend zog er an der Leine.
»Komm, Satan, wir gehen nach Hause.« Der Hund drehte sich noch einmal um, ehe er seinem Herrchen folgte.
Am Rande des Feldes wandte Heinrich sich dem Maisfeld zu. »Lina Hillen, ich werde dich erwischen!«
***
Das lautstarke Bellen eines Hundes klang durch die Dunkelheit.
Lina, Rene und Adrian zuckten zusammen und erstarrten in ihrer Bewegung. Mit angehaltenem Atem lauschten sie dem Gebell. Kam es näher? Zwischen den dicht stehenden Pflanzen war es ihnen unmöglich, die Position des Hundes zu erahnen. Sie stellten sich mit den Rücken zueinander, versuchten, etwas in der Dunkelheit zu erkennen oder verdächtige Geräusche eines jagenden Tieres zu hören. Doch lediglich das anhaltende Bellen hallte durch das Maisfeld. Lina meinte, dass es sich näherte. Mit weit geöffneten Augen starrte sie in die Dunkelheit. Sie wischte die Handflächen an ihrer Hose trocken. Als wenige Meter neben ihr ein Rabe davonflog, zuckte Lina zusammen. Ein Kälteschauer lief über ihren Rücken.
Lina ging zurück, bis sie Rene an ihrer Schulter spürte. Die Berührung gab ihr das Gefühl von Sicherheit. Zumindest war sie nicht allein.
Rene griff nach ihrem Arm. Seine feuchten Finger umklammerten ihren Unterarm. Obwohl sie Schmerz und Ekel bei seinem Griff empfand, wagte sie es nicht, ihm den Arm zu entziehen.
Angespannt schaute sie sich nach allen Seiten um. Versuchte, das Bellen zu lokalisieren. Galt es ihnen oder dem Landstreicher? Es wurde lauter. Linas Herzschlag beschleunigte sich.
»Das ist bestimmt Heinrich mit seinem Köter«, versuchte Adrian, seine Nervosität zu überspielen. Doch seine Stimme klang krächzend und viel zu hell.
Sie würden hier mitten in der Nacht im Feld auf Satan treffen! Linas Herz raste. Der große alte Schäferhund mit dem dicken Fell hatte ihr schon immer Respekt eingeflößt, selbst wenn der Bauer dabei war und den Hund an der Leine führte.
»Wenn es Heinrich ist, hat er Satan bestimmt wie immer angeleint«, sagte Rene beruhigend.
»Darauf würde ich mich bei dem alten Säufer nicht verlassen«, erwiderte Adrian. »Ich traue Heinrich zu, dass er seinen Hund in der Nacht frei herumlaufen lässt.«
Bei der Vorstellung, Satan wäre allein unterwegs und würde über sie herfallen, richteten sich Linas Nackenhaare auf.
»Was machen wir jetzt?«, fragte sie mit leiser, zittriger Stimme.
Rene drückte ihren Arm fester.
Adrian kicherte unsicher, dann räusperte er sich.
»Was sollen wir schon machen.« Er deutete mit der Hand in eine Richtung. »Ich glaube, das Gebell kommt von dort. Also laufen wir in die andere Richtung.«
Er holte tief Luft. »Ich habe jedenfalls keine Lust, mich von dem Köter beißen zu lassen. Also hauen wir ab.« Er rannte los.
»Den Letzten beißen die Hunde«, rief er ihnen zu, ehe er zwischen den Maispflanzen verschwunden war.
Lina schaute Rene fassungslos an. Erneut hallte das Gebell durch die Nacht. Es klang näher, bedrohlicher.
»Wir müssen auch weg«, sagte Rene und drehte Lina in eine Richtung. »Lauf du da entlang. Bleib immer in den Reihen, dann müsstest du irgendwann zur Straße kommen.«
»Kommst du nicht mit?«, fragte sie besorgt.
Rene schüttelte den Kopf. »Ich werde versuchen, Heinrich und den Hund von dir wegzulocken.«
Lina hätte ihn vor Dankbarkeit am liebsten gedrückt, doch dazu fehlte ihnen die Zeit. Die Erleichterung, die sie einen Augenblick verspürte, währte nicht lange. Die Sorge, allein durch die engen Reihen des Maisfeldes zu rennen, übernahm schnell ihr gesamtes Denken. Ehe sie ihre Bedenken äußern konnte, gab Rene ihr einen sanften Stoß. »Nun lauf schon los. Wir sehen uns morgen.«
Dass sie lieber mit ihm zusammengeblieben wäre, erwähnte sie nicht. Der Wunsch, das vermaledeite Maisfeld schnellstmöglich zu verlassen, siegte über ihre Angst, allein zu sein. Zunächst stolperte sie die ersten Schritte, dann lief sie los. Als sie sich umdrehte, war von ihrem Begleiter nichts mehr zu sehen.
Bauer Lindenbaums tiefe Stimme erscholl durch die Nacht. »Lina Hillen, ich erwische dich!«
Lina rannte weiter. Nur weg von hier. Seitlich von ihr raschelte der Mais. War das schon der Bauer oder gar Satan?
Ihr Herz raste wieder. Es war ihr unmöglich, zwischen den dicht stehenden Pflanzen etwas zu erkennen. Das Rascheln wurde lauter. Entgegen Renes Ratschlags änderte sie die Richtung. Panik überkam sie. Sie musste aus diesem verdammten Maisfeld raus. Sie wollte doch nur nach Hause.
»Ich hetz den Hund auf dich«, ertönte Heinrichs wütende Stimme hinter ihr. Lina keuchte und wimmerte, Tränen stiegen ihr in die Augen. Maisblätter schlugen ihr ins Gesicht, doch darauf achtete sie nicht. Sie rannte immer schneller. Ein Lichtschein zwischen den Pflanzen weckte neue Hoffnung in ihr. Sie rannte darauf zu. Kurze Zeit später erreichte sie die Straße.
Gott sei Dank, schoss es ihr durch den Kopf, als sie den Asphalt unter ihren Füßen spürte. Erleichtert schaute sie sich um. Am liebsten hätte sie vor Freude laut aufgeschrien.
Sie erkannte, wo sie sich aufhielt. Sie wechselte auf die andere Seite des Weges und eilte dann in Richtung Schmachtendorf. Sie drehte sich mehrmals um, konnte jedoch keinen Verfolger entdecken. Vielleicht befand sich Bauer Lindenbaum noch immer im Maisfeld und suchte nach ihr. Lina lief weiter.