Sweet Little Lies - Kylie Scott - E-Book
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Sweet Little Lies E-Book

Kylie Scott

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Beschreibung

Die Liebe ist das gefährlichste Spiel

Betty Dawsey hat die Nase voll. Zwar liebt sie ihren Verlobten Thom, doch hält er sie stets ein wenig auf Abstand und lässt sie nie wirklich Teil seines Lebens werden. Daher hat sie sich entschlossen, ihn zu verlassen - und das mit einem Knall. Buchstäblich! Denn eine Explosion zerstört urplötzlich die gemeinsame Wohnung. Betty kommt mit knapper Not davon und findet dabei heraus, dass Thom, der nerdige Versicherungsvertreter, in Wahrheit Thom, der Geheimagent ist. Betty fällt aus allen Wolken - aber sie hat keine Zeit, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Denn jemand spielt ein falsches Spiel! Betty und Thom müssen nun nicht nur ihre Beziehung, sondern auch ihr Leben retten ...

"Wow! Dieses Buch hat mich überrollt wie ein Tsunami, ich konnte es nicht mehr aus den Händen legen! Einfach grandios!" Sarina Bowen

Der neue Roman von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Kylie Scott!

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Seitenzahl: 340

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INHALT

Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Playlist

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Kylie Scott bei LYX

Impressum

Kylie Scott

Sweet Little Lies

Roman

Ins Deutsche übertragen von Katrin Reichardt

ZU DIESEM BUCH

Operation »Alle Mann von Bord« ist angelaufen: Betty Dawsey hatte nie viel Glück mit den Männern; ob es nun an ihrer großer Klappe oder an ihren Nicht-ganz-so-Idealmaßen lag, konnte sie nie so richtig ausmachen. Als sie allerdings vor einem Jahr auf Thom Lange traf, war Betty überzeugt, dass jetzt alles anders würde. Thom, der überkorrekte, ein bisschen nerdige Versicherungsvertreter, gibt ihr jedoch das Gefühl, nicht Teil seines Lebens zu sein. Er ist ständig auf Reisen, und auch wenn er mal daheim ist, schenkt er ihr deutlich zu wenig Aufmerksamkeit. Nicht, dass Betty auf Diamanten und Rosen gebettet werden wollte (ist eh zu unbequem!), aber ein bisschen mehr Knistern – das wäre schön gewesen. Betty hat die Nase voll, sich wie ein lästiges Anhängsel zu fühlen. Deshalb löst sie kurzerhand die Verlobung, hinterlegt ihren Ring mitsamt eines Abschiedsbriefs, packt ihre Habseligkeiten und verlässt die gemeinsame Wohnung mit einem Knall. Buchstäblich! Denn hinter Betty fliegt in einer Explosion alles in die Luft – und als sie wieder erwacht, befindet sie sich in den Händen von Geheimagenten. Aber es kommt noch besser! Betty glaubt, ihren Augen nicht zu trauen, als sie unter ihnen ihren (Irgendwie-Ex-)Verlobten erkennt. Thom, der akkurate Langweiler, ist in Wahrheit nämlich Thom, der heiße Geheimagent. Doch Betty hat keine Zeit, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, denn jemand spielt ein falsches Spiel! Betty und Thom müssen nun nicht nur ihre Beziehung, sondern auch ihr Leben retten …

PLAYLIST

»Fake Love« von BTS

»It’s a Heartache« von Bonnie Tyler

»Tear Me to Pieces« von Meg Myers

»Secrets« von Mary Lambert

»Here You Come Again« von Dolly Parton

»Bad Guy« von Billie Eilish

»Barracuda« von Heart

»Cuz I Love You« von Lizzo

»Piece of My Heart« von Janis Joplin

»Little of Your Love« von Haim

1. KAPITEL

»Du wirst ihm das Herz brechen.«

»Nein, werde ich nicht«, widerspreche ich. »Darum geht es doch gerade. Wenn ich wirklich glaubte, ich würde ihm mit meiner Trennung das Herz brechen, würde ich es gar nicht erst tun.«

Meine beste Freundin Jen sieht nicht überzeugt aus.

Das halbe Zimmer ist mit Kartons vollgestellt. Was für ein Chaos. Wer hätte gedacht, dass man in nur zwölf Monaten so viel Krempel anhäufen kann? Wenigstens waren wir nicht so lange zusammen, dass ich vergessen habe, wem was gehört. Was das anbelangt, ist ein Jahr offenbar der perfekte Zeitpunkt für eine Trennung.

»Es ist nun mal Tatsache, dass wir uns nicht lieben. Dementsprechend haben wir auch nicht das Recht, verlobt zu sein, geschweige denn zu heiraten.« Ich seufze. »Hast du das Packband irgendwo gesehen?«

»Nein. Aber er ist so ein netter Kerl.«

»Darüber diskutiere ich nicht.« Ich rapple mich auf und steige die Treppe zum zweiten Schlafzimmer hinauf. Hier befindet sich Thoms Homeoffice/inoffizieller Fitnessraum. Normalerweise betrete ich dieses Zimmer nicht. Zum Glück muss ich nur kurz herumstöbern, bis ich entdecke, was ich suche. Man kann über Versicherungsgutachter sagen, was man will – gut organisiert sind sie auf jeden Fall. In der untersten Schublade von Thoms Schreibtisch findet sich eine nette kleine Auswahl an Büromaterialien. Ich nehme mir einige Rollen dickes Klebeband.

»Und ihn auf diese Art zu verlassen …«, fährt Jen fort, als ich wieder nach unten komme.

»Wie oft habe ich ihm schon gesagt, dass wir reden müssen? Aber er schiebt es immer auf die lange Bank, behauptet, dass nicht der richtige Zeitpunkt dafür wäre. Gerade ist er schon wieder nicht da. Ich habe ihm vergangene Woche andauernd Nachrichten geschickt, aber er antwortet nur sporadisch.«

»Du weißt doch, wenn er einen Auftrag bekommt, muss er alles stehen und liegen lassen. Mir ist durchaus klar, dass er nicht unbedingt ein aufregender Mann ist, Betty, aber –«

»Ich weiß.« Ich klatsche schwungvoll ein Stück Packband auf den Deckel des letzten Kartons und klebe ihn zu. Ich weiß, dass ich bei der Operation »Alle Mann von Bord« mehr oder weniger die Böse bin. Aber nicht nur. Im Verhältnis sechzig zu vierzig würde ich sagen. Oder vielleicht auch siebzig zu dreißig. Schwer zu beurteilen. »Ich weiß das alles. Aber er ist immer mit der Arbeit beschäftigt oder auf Geschäftsreise. Was soll ich denn tun?«

Von Jen kommt nur ein Seufzen.

»Wenn einem bewusst geworden ist, dass man einen derart gravierenden Fehler begangen hat, ist es schwer, nur herumzusitzen und darauf zu warten, dass sich das Problem von alleine löst. Außerdem ist es uns beiden gegenüber nicht fair, sich weiter etwas vorzumachen.«

»Kann schon sein.«

»Und die Tatsache, dass er sich schon wieder kein bisschen bemüht hat, unserer Beziehung Vorrang einzuräumen und in seinem vollen Terminkalender ein wenig Zeit für mich zu finden, beweist einmal mehr, dass mein Entschluss, es jetzt zu beenden, bevor alles noch komplizierter wird, richtig ist. Und damit Schluss.«

Sie sagt nichts.

»Außerdem solltest du doch eigentlich auf meiner Seite stehen. Hör auf, an mir zu zweifeln.«

»Du wolltest unbedingt heiraten und Kinder haben.«

»Ja.« Ich hocke mich auf meine Fersen. »Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich als Kind zu oft mit Kens und Barbies Traumhaus gespielt habe. Aber ich habe festgestellt, dass man sich in einer Beziehung mit dem Falschen viel einsamer fühlen kann, als wenn man alleine ist.«

Jen und ich sind schon befreundet, seitdem wir uns am College ein Zimmer geteilt haben. Wir haben die Beziehungshochs und -tiefs der jeweils anderen miterlebt. Aus irgendeinem Grund scheine ich eine Frau zu sein, mit der Männer zwar ausgehen, aber nicht zusammenbleiben. Offensichtlich bin ich gut fürs Bett, jedoch nicht für eine Beziehung geeignet. Vielleicht liegt es an meiner großen Klappe. Oder vielleicht daran, dass ich nicht den aktuellen Schönheitsidealen entspreche, sprich, dass ich dick bin. Vielleicht wurde ich unter keinem guten Stern geboren. Keine Ahnung – ist das Pech der anderen, nicht meines. Wie jeder habe ich Fehler, aber alles in allem bin ich toll. Ich habe viel zu geben. Diese Tatsachen musste ich mir in den vergangenen Monaten viel zu oft ins Gedächtnis rufen.

»Es laufen einfach so viele Idioten herum«, meint Jen. »Ich hatte mich für dich gefreut, dass du einen anständigen Mann gefunden hast.«

»Ich glaube, mir ist ein Idiot, der mich wirklich mag, lieber als ein netter Kerl, der nur der Form halber mit mir zusammen ist. Ehrlich gesagt lege ich mir lieber ein Dutzend Katzen zu und gewöhne mich an die Vorstellung, in völliger Abgeschiedenheit alleine alt zu werden, als mit jemandem zusammenzubleiben, der mich wie ein lästiges Anhängsel behandelt.«

Sie sieht mich ziemlich lange an, bevor sie schließlich nickt. »Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat.«

»Mir auch.«

»Es wird Zeit, die Autos zu beladen. Oh Mann, dafür schuldest du mir aber was.«

Ich lächle. »Das tue ich.«

Jen steht auf und streckt sich, bevor sie sich eine der Umzugskisten schnappt, die mit »Küche« beschriftet sind. »Ich wollte nur verhindern, dass du etwas tust, was du womöglich hinterher bereust. Verstehst du?«

»Ich weiß. Danke.«

Nun stehe ich allein in unserer Dreizimmerwohnung, und es ist ganz still. Mein Abschiedsbrief, auf dem vorne sein Name steht, wartet auf dem Wohnzimmertisch. Eine leichte Wölbung im Umschlag verrät, dass mein Verlobungsring darin steckt. Es ist ein hübscher, einfacher Ring aus Gelbgold, der mit einem einzelnen kleinen Diamanten besetzt ist. Meine Hand fühlt sich ohne ihn seltsam an. Nackt. Es heißt, es gebe verschiedene Liebessprachen und man müsse sich die Zeit nehmen, um die Bedürfnisse seines Partners zu verstehen. Ich habe den Eindruck, dass er und ich nie so weit gekommen sind. Oder vielleicht bin ich in Sachen Beziehung auch einfach nur eine Null.

Die Brautmodenmagazine, die sich bei mir angesammelt haben, liegen im Müll. Vielleicht hätte ich sie lieber in den Blumenladen, wo ich arbeite, mitnehmen sollen, damit jemand anderes noch etwas Sinnvolles damit anfangen kann. Aber sie wegzuwerfen fühlt sich symbolträchtiger an, endgültiger. Meine Familie lebt in einem anderen Staat, und sonst kenne ich nur wenige Menschen, die ich als gute Freunde bezeichnen würde. Introvertiert zu sein macht es schwierig, neue Leute kennenzulernen. Einen Lebensgefährten oder sogar einen Ehemann zu haben würde bedeuten, dass ich nicht mehr alleine bin. Dass es jemanden gibt, der mich gernhat, sich um mich kümmert und mich an erste Stelle setzt. Zumindest die meiste Zeit. Nur tut Thom das leider überhaupt nicht, und genau aus diesem Grund stehe ich jetzt hier.

Ich straffe meinen langen dunklen Pferdeschwanz. In einem für meine Verhältnisse außergewöhnlich geschickten Manöver, auf das mein Yogalehrer sicher mächtig stolz wäre, schnappe ich mir gleich drei Kisten auf einmal und klemme sie mir unter den Arm. Ich trage sie nach draußen in die Nachmittagshitze. Jens Honda Civic parkt am Straßenrand. Sie hat die Heckklappe geöffnet und räumt im Kofferraum herum. Mein alter Subaru wartet in der Auffahrt darauf, beladen zu werden. Vögel singen, und Insekten zirpen. Es ist einer dieser typischen milden Herbsttage in Kalifornien.

Dann fliegt hinter mir die Wohnung in die Luft.

Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem Rasen vor dem Haus auf mehreren zerdrückten Umzugskisten. Anscheinend haben sie den Aufprall abgefedert. Meine Ohren klingeln, während Rauch in den Himmel aufsteigt. Die Wohnung steht in Flammen. Zumindest das, was noch von ihr übrig ist. Das kann doch nicht wahr sein.

»Betty!«

Ich versuche, mich in die Richtung umzudrehen, aus der Jens Stimme kommt, aber ich kann mein Auge nicht öffnen. Als ich die Stelle betaste, klebt Blut an meinen Händen. Außerdem schmerzt mein Gehirn. Es fühlt sich an, als hätte mich jemand am Kragen gepackt und kräftig durchgeschüttelt.

»Oh mein Gott, Betty«, keucht sie und fällt neben mir auf die Knie. Aus irgendeinem Grund ist sie ganz unscharf, ihre vertrauten Gesichtszüge sind verschwommen. »Geht es dir gut?«

»Klar«, sage ich, bevor alles schwarz wird.

Als ich das nächste Mal aufwache, liege ich in einem fahrenden Fahrzeug. Es sieht so aus, als befände ich mich in einem Krankenwagen. Nur dass hier irgendetwas nicht stimmt. Eine Frau leuchtet mir mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen, die sie anschließend einfach hinter sich wirft. Sie trägt auch keine Sanitäterkleidung, sondern eine enge schwarze Hose und ein Trägerhemd.

»Die Gute hat Glück gehabt. Sie hat nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine kleine Schnittwunde an der Stirn«, sagt die Frau mit englischem Akzent. Dann reißt sie ein Desinfektionstuch aus der Packung und macht sich daran, mir nicht gerade sanft das Blut aus dem Gesicht zu wischen. »Sie entspricht jedenfalls nicht seinem üblichen Frauentyp.«

»Was hattest du denn erwartet?«, fragt der Fahrer.

»Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich eine, die weniger füllig und unscheinbar ist.«

Er schnaubt.

»Sie ist aufgewacht«, sagt die Frau.

»Das kommt ungelegen.«

»Ich kümmere mich darum.« Sie lässt das Desinfektionstuch fallen und nimmt sich eine Spritze.

»H-halt«, stottere ich. Mein Mund ist staubtrocken, und meine Muskeln schmerzen. »Was ist hier los?«

Ohne ein weiteres Wort sticht sie mir die Spritze in den Arm und drückt den Kolben herunter. Es geht alles so schnell. Ich versuche, mich zu bewegen, sie wegzustoßen, aber sie ist zu stark, und ich komme nicht gegen sie an. Nicht in meinem momentanen Zustand. Während mir wieder schwarz vor Augen wird, sehe ich noch, dass an der Seite eine weggeworfene Sanitäter-Uniform liegt.

»Wer sind Sie?«, murmele ich und spüre, wie meine Lippen, mein Gesicht und der Rest meines Körpers langsam taub werden.

»Freunde«, antwortet sie. »Na ja, gewissermaßen.«

Der Fahrer lacht nur.

Mein Bewusstsein kehrt nur langsam zurück. Als triebe ich unter Wasser, in einem Ozean aus Nacht. Diesmal sitze ich jedoch aufrecht auf einem Stuhl, in einem großen, spärlich beleuchteten Raum. Da mir jemand die Schuhe gestohlen hat, spüre ich unter den Füßen den kalten nackten Boden. Ich fühle mich benommen und fürchterlich. Meine Hände sind schmerzhaft fest hinter meinem Rücken gefesselt. Dann verschwinden die Schatten, als mir mit einem hellen Licht ins Gesicht geleuchtet wird. Es ist grell und schrecklich, und sofort rast eine neue Woge aus Schmerz durch meinen ohnehin schon pochenden Kopf. Als Nächstes bekomme ich einen Eimer eiskaltes Wasser ins Gesicht.

»Aufwachen!«, schreit mich die schattenhafte Silhouette eines Mannes an. »Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten, Miss Elizabeth Dawsey.«

Ich zucke zusammen und erschauere. »W-wo bin ich?«

»Ich stelle die Fragen, und du beantwortest sie mir. So läuft das hier.«

»Ist das alles denn wirklich nötig?«, fragt die Frau mit dem britischen Akzent. Ihre Stimme kommt von weiter hinten aus dem Raum. »Er wird nicht erfreut sein.«

»Du hältst den Mund«, blafft der Mann.

Da mir das blendende Licht noch immer in die Augen scheint, kann ich kaum etwas erkennen. Unter meinen nackten Füßen spüre ich Beton, und die Luft im Raum ist staubig. Ich könnte mich so ziemlich überall befinden. »Ich verstehe nicht. Wer sind Sie eigentlich?«

Schwere Schritte kommen auf mich zu. Dann: klatsch! Seine Hand fährt auf meine Wange nieder. Dreckskerl. Mich hat noch nie jemand geschlagen. Es ist ein Riesenschock. Mein Gesicht pocht schmerzhaft, und ich schmecke Blut. Anscheinend habe ich mir auf die Zunge gebissen. Allerdings tut mir sowieso mehr oder weniger alles weh.

»An deiner Stelle hätte ich das nicht getan«, sagt die Frau.

Doch der Mann beachtet sie nicht weiter und tritt wieder hinter die Lichtquelle zurück. »Was fällt dir zu dem Wort ›Wolf‹ ein?«

»Wolf?«, frage ich.

»Beantworte die Frage.«

»Ich weiß nicht … Was meinen Sie damit?« Ich zittere, und das nicht nur vor Angst, sondern auch, weil mir unter meinen durchnässten Kleidern eisig kaltes Wasser über die Haut rinnt. »Das Tier?«

»Was denn sonst?«

»Fell? Zähne? Haus Stark? Keine Ahnung.«

Die Frau lacht auf.

»Erzähl mir von deinem Verlobten«, fordert er. »Sag mir alles, was du über diesen Mann weißt.«

Das ergibt für mein ohnehin benebeltes Hirn alles absolut keinen Sinn. »Aber warum? Thom hat nichts verbrochen. Herrgott, er ist Versicherungsgutachter. Wann immer es gebrannt hat oder es eine Überflutung gab, geht er hin und hilft den Leuten bei der Feststellung ihrer Versicherungsansprüche. Das tut er momentan auch. Er ist in Florida, um Schäden zu begutachten, die dieser Wirbelsturm hinterlassen hat. Es kam doch in den Nachrichten.«

»Bist du dir da sicher?«

»Was wollen Sie damit andeuten?« Plötzlich bekomme ich Angst. »Es geht Thom doch gut, oder? Ich meine, es kann ihm bei der Explosion nichts passiert sein. Er hält sich auf der anderen Seite des Landes auf.«

»Nein, bei der Explosion war er nicht in der Nähe. Erzähl mir mehr über ihn.«

»Ähm, wir haben uns in einer Bar in der Innenstadt kennengelernt und sind etwas über ein Jahr zusammen. Er arbeitet viel und fleißig. Er sieht sich gern Footballspiele an und mag es, morgens laufen zu gehen. Sein Lieblingsessen ist Lasagne, und er trinkt gern Bud Light, obwohl es wie Spülwasser schmeckt.«

»MEHR.«

»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen«, schreie ich. Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben solche Angst.

»Beschreib ihn mir.«

»Er ist ein ganz gewöhnlicher Mann. Mittelgroß. Sportlich, aber nicht muskulös. Braune Augen und braune Haare. Er ist einunddreißig.«

»Ticktack, ticktack«, sagt die Frau. »Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.«

»Und wessen verdammte Schuld ist das?«, faucht der Mann.

»Ich habe ihr anscheinend etwas mehr von dem Schlafmittel verpasst als beabsichtigt. Hoppla.«

Er schnaubt. »Red weiter, Miststück.«

Ich habe hämmernde Kopfschmerzen. »Ich, ähm … Er schläft auf der rechten Seite des Bettes.«

»Welche Waffen bewahrt er im Haus auf?«

»Meinen Sie so was wie Pistolen? Keine. Ich hasse diese Dinger. Das tun wir beide.«

Die Frau lacht schon wieder. »Sie ist nicht besonders helle, was?«

»Red weiter«, wiederholt der Mann.

»Thom ist ein anständiger Mensch. Er ist nett … höflich. Hält nichts von sozialen Medien. Hat keine nahen Angehörigen.« Was ich ihnen erzähle, ist weder verfänglich noch irgendwie interessant. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich überhaupt etwas sage. Aber was um alles in der Welt soll ich sonst tun? »Warum wollen Sie das wissen? Ich verstehe das alles nicht. Was hat er getan? Worin ist er verwickelt?«

»Wer sagt, dass er in irgendetwas verwickelt ist?«

»Die Tatsache, dass ich hier bin und Sie mich verhören, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist.«

»Pass bloß auf. Ich glaube, du weißt es gar nicht richtig zu schätzen, wie nett ich zu dir bin«, droht der Widerling. »Es könnte für dich auch sehr schnell sehr viel unangenehmer werden. Du ahnst nicht, wie unangenehm.«

»Ich weiß nicht, was Sie wollen. Haben Sie die Wohnung in die Luft gejagt?« Mein Herz schlägt wie wild, und ich bekomme nicht genug Luft. »Werden Sie mich töten?«

»Du stellst mir schon wieder Fragen. Tss. Du kapierst es einfach nicht. Vielleicht würdest du gern mal eine Runde Waterboarding ausprobieren? Klingt das unterhaltsam für dich?«

Ich schluchze erstickt.

»Ich kann dir sagen, das setzt einem heftig zu. Es fühlt sich für dich genau so an, als würdest du ertrinken. Du bekommst keine Luft mehr, und Wasser dringt in deine Lunge ein. Glaub mir, das tut verdammt weh. Deine Nasennebenhöhlen fühlen sich an, als würden sie explodieren. Irgendwann, Betty, verlierst du schließlich das Bewusstsein. Dann werde ich dich nicht gerade sanft aufwecken, und wir fangen wieder von vorne an.« Der sadistische Mistkerl lacht. »Ich tue das wirklich sehr ungern. Aber, weißt du, ich glaube einfach, dass du mir gegenüber nicht ganz aufrichtig bist. Wirklich bedauerlich. Dieser ganze Football- und Lasagne-Blödsinn. Das sind nur oberflächliche Informationen. Du musst mehr wissen über diesen Mann, mit dem du zusammenwohnst. Den Mann, den du heiraten wirst. Inzwischen müsstest du eigentlich all seine Geheimnisse kennen, oder?«

Ich schüttle den Kopf. »Thom hat keine Geheimnisse.«

»Jeder hat Geheimnisse.«

»Nein, Thom nicht. Ich meine, er hasst seinen Chef und trinkt seinen Kaffee schwarz«, plappere ich los. Die Worte sprudeln so hastig aus mir heraus, dass sie geradezu übereinanderstolpern. »Er ist etwas einzelgängerisch. Hat nur wenige Freunde, die er v-vom College kennt, von der Arbeit … Ich weiß nicht … Oh Gott.«

»Redest du mit deinen Freunden über Thom?«

»Na ja, ich rede mit meiner Freundin Jen. Moment mal, wo ist Jen? Haben Sie sie auch verschleppt?«

»Die Freundin ist aus der Sache raus«, sagt die Frau. »Sie ist sauber.«

»Geht es Jen gut?«, wiederhole ich. »Haben Sie ihr etwas getan?«

»Deiner neugierigen kleinen Freundin geht es bestens. War nicht einfach, sie davon zu überzeugen, nicht in den Rettungswagen zu steigen«, sagt der Mann. »Vielleicht hätten wir sie mitnehmen sollen. Ich glaube, um deinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, brauchst du etwas mehr Ansporn.«

»Bist du sicher?«, fragt die Frau.

»Schalt mal deinen Kopf ein«, fährt er sie an. »Wenn sie die Wohnung gefunden haben, dann wissen sie auch über sie Bescheid. Und wenn sie von ihr wissen, haben sie sicherlich versucht, sie zu kompromittieren. Leg sie auf den Boden.«

»Oh nein. Ich bin nur Zuschauer«, sagt die Frau. »In dieser Sache bist du auf dich allein gestellt.«

Das Licht wird ausgeschaltet, und vor meinen Augen tanzen weiße Flecken. Ich blinzle und blinzle, aber es dauert trotzdem eine Weile, bis ich wieder etwas sehen kann. Derweil höre ich Geräusche. Ein Wasserhahn, der aufgedreht wird. Wieder schwere Schritte. Das kaum hörbare Zischen der Klimaanlage, die sich einschaltet.

Nach und nach schärft sich mein Blick. So, wie es aussieht, befinden wir uns in einem leeren Keller. Die weit oben liegenden schmalen Fenster sind vernagelt. Er hat unverputzte Backsteinwände und einen Betonboden. Der Mann steht ein Stück weit weg neben einer Waschwanne und hat mir den Rücken zugewandt. Er ist groß, komplett in Schwarz gekleidet, und sein Kopf ist kahl rasiert. Die Frau hat sich lässig an eine Wand gelehnt und inspiziert ihre Fingernägel. Sie ist klein, hat kurzes dunkles Haar und goldbraune Haut.

Das ist alles nicht real. Das kann es nicht sein. Mir tut alles weh. Und in Kürze werden noch mehr Schmerzen auf mich zukommen.

Jemand trabt die Treppe hinunter und kommt nach und nach in Sicht. Zuerst schwarze Stiefel. Dann eine Jeans. Dann ein weit geschnittenes graues T-Shirt. Schließlich sehe ich sein Gesicht …

Es ist Thom.

Ich bin unendlich erleichtert. Er ist hier. Es geht ihm gut. Oh, Gott sei Dank. Obwohl: Jetzt, da ich ihn mir genauer betrachte, fällt mir auf, dass etwas an ihm anders ist als sonst. Mein benebeltes Hirn kommt nicht dahinter, was genau nicht stimmt. Als wäre dieser Mann Thoms Doppelgänger. Er sieht zwar aus wie er, aber sein Gesichtsausdruck …

Oh liebe Güte. Was, wenn sie ihm auch etwas antun?

»Thom«, keuche ich, »nicht.«

Er bedenkt mich lediglich mit einem flüchtigen Blick. »Was geht hier vor?«

Der Widerling dreht sich um und sieht äußerst angesäuert aus. Er lässt noch immer das Wasser laufen, vermutlich in einen Eimer. Außerdem hält er ein abgerissenes Stück von einem Handtuch in der Hand. »Wolf.«

»Spider«, sagt Thom.

»Da wir sie mitnehmen mussten, wollten sie, dass wir eine Gefährdungsabschätzung durchführen«, sagt die Frau. Sie lehnt noch immer lässig an der Wand.

»Die Aktion ist genehmigt«, knurrt der Mann.

»Und ihr wart der Ansicht, das würde bedeuten, dass ihr sie fesseln und foltern sollt?«, fragt Thom. »Das wage ich zu bezweifeln.«

Die Frau seufzt. »Damit das klar ist – ich habe ihm gleich gesagt, dass das keine gute Idee ist.«

»Damit hattest du recht.«

»Hey, jetzt mal langsam.« Der Mann hebt beschwichtigend die Hände. »Ich hatte ja nicht vor, es wirklich zu tun. Ich habe sie damit nur unter Druck setzen wollen. Du weißt doch, wie das läuft. Man muss –«

Alles geht unfassbar schnell. Es ist nur eine Angelegenheit von Sekunden, mehr nicht. Thoms Hand schnellt vor und trifft Spiders Luftröhre. Der Mann krümmt sich und schnappt keuchend nach Luft.

Thom zieht unterdessen in aller Seelenruhe eine Pistole aus dem Gürtel.

In einer fließenden, anmutigen Bewegung holt er aus und schlägt dem Mann den Pistolengriff seitlich gegen den Kopf. Der geht sofort zu Boden.

»Genau das wollte ich auch schon seit Jahren tun«, sagt die Frau. »Für meinen Geschmack hat er immer etwas zu viel Freude daran, Frauen wehzutun. Was für ein mieser Kerl.«

Jetzt wird es mir endgültig zu viel. Diese ganzen Drohungen und die Angst und die Gewalt, das bin ich nicht gewohnt. Aus Filmen vielleicht, aber nicht in der Realität. Galle steigt meine Kehle hoch, und ich beuge mich rasch zur Seite und übergebe mich. Erbrochenes spritzt mir seitlich ans Bein. Aber ich bin zu entsetzt, um mich zu ekeln. Stattdessen fühle ich mich zerbrechlich und leer. Als könnte ich jeden Augenblick einfach zusammensacken.

»Fox, schaff ihn hier weg«, befiehlt Thom ganz ruhig.

»Herrgott, ich hasse diese Schlepperei.« Die Frau, Fox, zückt ein Handy und beginnt, mit den Daumen etwas zu tippen. Statt Thoms Anweisungen zu befolgen, schickt sie anscheinend jemandem eine Nachricht. Vielleicht muss sie auch erst mal ihre Social-Media-Konten checken. Keine Ahnung. Das alles ergibt überhaupt keinen Sinn.

Thom kommt auf mich zu. Seine Miene ist streng, sein Blick kalt. Ich habe mich bisher noch nie vor ihm gefürchtet, aber jetzt bekomme ich Angst. Urplötzlich hat er ein Messer in der Hand, geht in die Knie und zerschneidet die Fesseln an meinen Handgelenken. Dann nimmt er mein Kinn und betrachtet mich ganz genau.

Ich stoße ihn weg und wische mir den Mund mit dem Handrücken ab. Meine ganze Welt ist plötzlich auf den Kopf gestellt. Thom entpuppt sich als versierter Kämpfer, und ich werde um ein Haar in die Luft gesprengt und das Opfer von Waterboarding. Was zum Teufel soll das alles?

»Thom«, flüstere ich.

Sein dunkles Haar ist nicht so langweilig und ordentlich frisiert wie normalerweise, sondern sieht zerzaust und cool aus. Und er ist so fokussiert, entschlossen. Nein, vor allem selbstbewusst. Das ist der Unterschied zwischen diesem Mann und meinem ehemaligen Verlobten. Er ist selbstsicher und stark. Bereit, ganze Nationen zu unterwerfen, es mit allen aufzunehmen und zu siegen.

Heiliger Bimbam. Wer ist dieser Mann?

Mein Thom ist das jedenfalls nicht. Das kann unmöglich sein.

»Deine Augen sind blau«, sage ich.

»Ich trage in deiner Gegenwart Kontaktlinsen.«

»Nein. Du bist sein böser Zwillingsbruder.« Das klingt vollkommen logisch. Na ja, zumindest einigermaßen. »So muss es sein.«

»Sei nicht albern«, entgegnet er knapp. »Ich bin’s, Betty. Dein Verlobter.«

»Ich kenne Thom. Er ist ganz anders als du. Er würde niemals …«

Er schweigt kurz, seufzt. »Du hast meine Narben gesehen. Du kennst sie.«

»Ich kenne Thoms Narben, aber …«

Ohne ein weiteres Wort zieht er das T-Shirt über den Kopf. Thom war schon immer fit, doch jetzt, im Zwielicht des Kellers, mit der Pistole, die in seinem Hosenbund steckt, wirkt sein durchtrainierter Oberkörper irgendwie hart und gefährlich. Wie auch immer, die Narben sind jedenfalls da. Jede einzelne. Eine an der Schulter. Eine an seinem rechten Oberarm. Vier auf seinem Bauch, die in einem kleinen Grüppchen angeordnet sind.

Ich schüttle den Kopf. »Thom würde niemals in der Öffentlichkeit das Oberteil ausziehen. Dafür ist er zu gehemmt. Wir haben noch nicht mal beim Sex das Licht angelassen.«

»Er hatte Hemmungen wegen der Spuren, die der Autounfall bei ihm hinterlassen hat, nicht wahr?«

»Ja, und wegen der Narben, die er durch Sportverletzungen und eine Operation in jüngeren Jahren zurückbehalten hat.«

»Sie sind mir egal.« Er seufzt. »Aber die Gefahr war zu groß, dass jemand sie womöglich als Schuss-, Stich- und Granatsplitterverletzungen identifizieren könnte.«

Na, so was. »Thom?«

»Hi, Schatz.« Er lächelt bedrückt und etwas zerknirscht. Jetzt sieht er zum ersten Mal genau wie mein Thom aus.

»Was um alles in der Welt geht hier vor?«

Er sagt nichts. Aber er mustert mich, lässt den Blick über mein lädiertes Gesicht und meinen zerschrammten Körper wandern. Dann bleibt er an meinen Händen hängen. »Betty, wo ist dein Ring?«

»Ich – ich habe ihn abgenommen. Ich habe dich verlassen.«

Nun sieht diese unheimliche alternative Version von Thom zum ersten Mal fast ein bisschen verblüfft aus. Sogar leicht schockiert. »Du hast mich verlassen? Aber warum solltest du …« Er sieht rasch zu Fox hinüber, die gerade Spider wegträgt. Sie hat ihn sich über eine Schulter gehängt, wie Feuerwehrleute es tun. Offenbar ist sie deutlich stärker, als sie aussieht. Thom beugt sich dicht zu mir und raunt mir mit heiserer Stimme zu: »Erzähl niemandem davon. Hast du verstanden?«

»Was? Aber warum denn?«

»Niemandem. Dein Leben hängt davon ab.«

Fox kehrt ohne Spider zurück und gesellt sich zu uns. »Alles geregelt.«

»Gut«, antwortet Thom.

»Das alles ist selbstverständlich allein deine Schuld«, sagt Fox. »Du warst derjenige, der unbedingt einen weißen Gartenzaun und eine spießige Familie als Tarnung haben wollte. Gähn.«

Thom zieht mich auf die Füße. Ich wanke, als stünde ich mitten in einem Sturm. Er legt mir seinen starken Arm um die Taille und drückt mich an sich. Ich möchte ihn nicht berühren, diesen Fremden, der ohne Skrupel Gewalt einsetzt. Aber wenn ich weiterhin aufrecht stehen bleiben und hier rauskommen möchte, sind meine Möglichkeiten begrenzt.

»Das interne Leck wird bereits untersucht«, sagt Fox. »Wir müssten bald etwas für dich haben.«

Thom nickt nur.

»Was soll ich Spider erzählen, wenn er wieder zu sich kommt?«, fragt Fox.

»Sag ihm, dass er nie wieder meine Verlobte anfassen soll, sonst bin ich beim nächsten Mal ihm gegenüber nicht mehr so diplomatisch.«

Fox schnaubt. »Meinetwegen. Mach’s gut, Betty. Nichts für ungut, ja?«

Thom schiebt mich so schnell er kann aus dem Keller hinaus.

»Ich weiß, dass du einige Fragen hast.«

Was für eine Untertreibung. Wir befinden uns in einem der zahlreichen Schlafzimmer des weitläufigen alten Ranchhauses. Ich schätze, es steht irgendwo in einem der Canyons mitten in der Wildnis. Es sind keine benachbarten Gebäude zu sehen. Außer Fox, dem bewusstlosen Spider und einem Mann, der im größten Zimmer vor unzähligen Computern sitzt, scheint niemand hier zu sein. Es sind nur die nötigsten Möbel vorhanden. Es gibt keine Bilder oder irgendwelche Andenken. Nichts deutet darauf hin, dass hier jemand wohnt.

Alles ist so unwirklich. Am liebsten würde ich mich kneifen, aber mir tut sowieso schon alles weh. Apropos: »Gab es bei der Explosion noch andere Verletzte?«

»Nein.«

»Sie sollte tödlich sein?«

»Soweit wir feststellen konnten, hatte die Bombe eine Fehlfunktion. Sie ging zu früh hoch.«

»Jemand hat also tatsächlich versucht, uns in die Luft zu sprengen. Ich frage mich … Ich habe Klebeband gesucht und war deshalb in deinem Büro. Normalerweise gehe ich dort nie hinein.«

Er bläht die Nasenlöcher. »Das könnte es gewesen sein.«

»Dann gibt es ein Leck in deiner Organisation, und jemand will dich töten«, sage ich mit zittriger Stimme. »Oder uns beide?«

»Du hast vorhin aufmerksam zugehört.«

»Ich bin nicht so dumm, wie du vielleicht glaubst.« Fast könnte ich lachen. Oder weinen. Das eine oder das andere. »Zumindest hoffe ich das.«

»Schatz –«

»Komm mir nicht mit Schatz.«

Er atmet tief durch und fährt sich mit einer Hand durchs Haar. In den vergangenen Monaten hatte er so viel zu tun, dass es inzwischen länger ist als gewöhnlich. Er hat längst einen Haarschnitt nötig. »Ich habe dich nie für dumm gehalten, Betty.«

»Nein. Nur für verzweifelt.«

Er sagt nichts. Eine deutliche Bestätigung für meine Vermutung. Nicht, dass das nötig gewesen wäre.

»Und?«, frage ich.

»Solange wir die Person, die Informationen weitergibt, nicht identifiziert haben, können wir auch nicht wissen, ob nur ich das Ziel bin. Allerdings wäre das am logischsten.«

»Außer, sie wollen mich töten, um dich damit zu verletzen. Obwohl es dich nicht besonders hart treffen würde, oder?«

Er presst kaum merklich die Lippen aufeinander. »Angesichts dessen, dass ich den letzten Kerl, der dir wehgetan hat, fast kaltgemacht habe, können wir wohl davon ausgehen, dass ich schon ein bisschen was für dich übrighabe.«

»Ein bisschen was. Wie großzügig von dir.« Ich sitze auf der Kante des Kingsize-Betts und kämpfe mit meinen angespannten Nerven, meiner Müdigkeit und meinen Schmerzen. Ich würde jetzt einiges für eine Kopfschmerztablette geben oder auch etwas Stärkeres. Vielleicht eine Flasche Heil-Wodka. »Wie geht es jetzt weiter?«

»Jetzt warten wir erst einmal ab, was Badgers Computer-Nachforschungen ergeben. Momentan sind wir hier in Sicherheit.«

»Badger«, sage ich amüsiert. »Habt ihr auch einen Otter?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Du und deine Freunde seid ja ein richtiger Zoo.«

Die Stille, die nun entsteht, ist erdrückend. Absolut unangenehm. Nicht auszudenken, dass ich vorhatte, mein Leben mit diesem Mann zu verbringen. Diesem Wildfremden.

»Sie hat mich und unser gemeinsames Leben als Tarnung bezeichnet. Heißt das, du bist ein Spion oder ein Regierungsbeamter, oder was?«

»Etwas in dieser Art.«

»Oh mein Gott, bist du ein Landesverräter?«

»Nein, Betty. Die Leute, für die ich arbeite … gehören zu einer internationalen Gruppierung, deren Ziel es ist, dass so wenig Scheiße wie möglich passiert. Das ist wirklich alles, was ich dazu sagen kann.«

»Und für diese Leute tötest du?«

Er zögert kaum merklich, bevor er antwortet. »Wenn nötig. Es gibt gefährliche Menschen auf dieser Welt. Aber manchmal sammle ich auch nur Informationen. Jeder Auftrag ist anders.«

»Aber sie beinhalten alle, dass du vorgibst, jemand zu sein, der du nicht bist, richtig? Dass du andere Menschen belügst?«

»Ja.«

»Hm. Das kannst du sehr gut.« Ich beobachte ihn aufmerksam. »Tust du das alles zum Wohle der Menschheit oder für Geld?«

»Geht nicht beides?«, fragt er lässig. Der neue Thom ist aalglatt.

»Was hast du vorhin damit gemeint, mein Leben würde davon abhängen, dass ich niemandem verrate, dass ich dich verlassen habe?«

»Du weißt inzwischen zu viel. Das Einzige, was dich momentan noch am Leben hält, ist die Tatsache, dass sie – die Leute, die das Sagen haben – glauben, dass du mir gegenüber loyal bist und ich eine Beziehung mit dir habe. Wenn sich das allerdings ändern sollte, dann werden sie das Risiko-Nutzen-Verhältnis, dich am Leben zu lassen, neu bewerten.«

»Alles, was ich weiß, ist, dass ihr euch selbst Tiernamen gebt und einer mysteriösen Organisation unterstellt seid, die ihr als ›sie‹ bezeichnet.«

»Das genügt.«

»Es ist doch lächerlich, dass sie mich nur, weil ich das weiß, töten würden.« Ich möchte am liebsten mit Fäusten auf ihn einschlagen. Schreien und vor Wut brüllen. Vielleicht mache ich das später, wenn ich genug Energie dafür habe. »Ist Thom Lange überhaupt dein richtiger Name?«

»Thom ist mein Vorname.«

»Aber Lange nicht dein Nachname.«

»Nein.« Er schweigt kurz. »Warum wolltest du weggehen?«

»Spielt es denn überhaupt noch eine Rolle, warum ich versucht habe, dich zu verlassen, nachdem wir nun aneinander gekettet sind?«

»Ich dachte, du wärest glücklich.« Seltsamerweise klingt er fast ein wenig gekränkt. Was vollkommen verrückt ist. »Ich weiß, dass ich in letzter Zeit sehr beschäftigt war, aber –«

»Du weißt schon noch, dass es hier um eine vorgetäuschte Beziehung geht«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Eine Lüge, die du mich hast glauben lassen, indem du mich manipuliert und getäuscht hast.«

Einen Augenblick lang sehen wir einander nur an. Keiner von uns ist glücklich.

»In Anbetracht dessen, wie schnell ich eingeknickt bin, als ich unter Druck gesetzt wurde, kann ich es dir fast nachsehen, dass du mir nicht die ganze Wahrheit gesagt hast. Aber ich glaube wirklich nicht, dass ich dir jemals vergeben kann, diese Beziehung überhaupt angefangen zu haben.«

»Jeder bricht unter Folter ein. Es ist nur eine Frage der Zeit.« Den zweiten Punkt spricht er nicht an. Mit keiner Silbe.

»Na toll.«

»Du bist erschöpft. Du solltest schlafen.« Er nickt in Richtung einer Tür auf der gegenüberliegenden Seite des großen Schlafzimmers. »Falls du dich waschen möchtest, ist dort drüben das Bad. Ich sehe später wieder nach dir.«

»Okay.«

»Ich bin in der Nähe. Du bist in Sicherheit, Betty.«

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich fühle mich bei diesem neuen Thom absolut nicht sicher.

Dann ist er verschwunden.

Ich habe keine Ahnung, wo wir uns befinden und wie weit wir wohl von der Zivilisation entfernt sind. Ich habe weder Geld noch Schuhe. Meine Chancen, zu fliehen, sind gering bis nicht vorhanden.

Im Moment habe ich eigentlich keine andere Wahl, als zu bleiben und meine Lage zu überdenken. Mein angeblicher Verlobter möchte offensichtlich, dass ich am Leben und unverletzt bleibe. Das ist doch schon mal was.

Die Frau im Badezimmerspiegel sieht bleich und ziemlich mitgenommen aus. Ich drehe die Dusche auf und prüfe mit der Hand die Wassertemperatur. Rote Striemen ziehen sich um meine Handgelenke. Eine weitere, deutlich sichtbare Erinnerung an den verrückten, brutalen Tag, der hinter mir liegt. Meine Kleider stinken nach Rauch und Erbrochenem. Aber immerhin gibt es hier Seife und Shampoo, Handtücher und einen weichen weißen Bademantel. Das muss erst mal genügen. Ich muss mich am Riemen reißen und irgendwie mit der Situation klarkommen.

Nur die erste Träne hinterlässt eine Spur in meinem verrußten, schmutzigen Gesicht. Rasch folgt ihr eine zweite. Schon bald ist mein Blick verschleiert, und ich stelle mich rasch unter die Dusche, damit das Rauschen des Wassers mein Weinen übertönt. Es wäre toll, wenn ich es schaffen würde, mit dieser Situation umzugehen und stark zu bleiben. Aber anscheinend brauche ich vorher erst mal einen Augenblick, um alles herauszulassen. Die Wut, den Stress und das Grauen der vergangenen Stunden. Meine Angst.

Denn ich sitze in der Falle. Auf nichts anderes läuft es hinaus.

2. KAPITEL

In aller Frühe weckt mich ein Klopfen an der Tür. Fahles morgendliches Dämmerlicht stiehlt sich zwischen den Kanten der Vorhänge hindurch, die dunkle Schatten auf die kahlen weißen Wände werfen. Nachdem ich um ein Haar in die Luft gesprengt und gefoltert wurde und ein Verhör über mich ergehen lassen musste, sollte ich doch zumindest ausschlafen dürfen. Aber offensichtlich wird das nicht klappen.

Ich setze mich langsam auf und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Dabei achte ich auf das Klammerpflaster auf meiner Stirn und meine weiteren Verletzungen. Thom geht währenddessen mit gezogener Waffe zur Tür. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er bei mir im Bett gelegen hat. Als mich vor einigen Stunden ein Albtraum geweckt hat, war er jedenfalls noch nicht da. Bizarr, wie entspannt er mit der Waffe umgeht. Als wäre sie lediglich eine Verlängerung seines Körpers. Nachdem er nachgeschaut hat, wer draußen vor der Tür steht, lockert er seinen Griff um die Waffe und signalisiert mir mit einem Nicken, dass alles in Ordnung ist.

Schlafen hat nichts geändert. Er wirkt auf mich noch immer wie ein Fremder mit Thoms Gesicht. Mehr als je zuvor. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals daran gewöhnen kann, in diese kalten blauen Augen zu blicken.

»Wolf.« Der Mann, der das Zimmer betritt, ist groß und hager, hat schwarze Haare und braune Haut. Ich schätze ihn auf Ende zwanzig. Er trägt einen schicken Anzug und ein weißes Hemd, das er am Kragen aufgeknöpft hat. In den Händen hält er zahlreiche Einkaufstüten. Außerdem sieht er richtig gut aus. »Und das ist bestimmt deine wunderschöne Verlobte.«

Ich ziehe den Ausschnitt des Bademantels enger über meinem üppigen Dekolleté zusammen, weil – hallo.

»Das ist Crow«, erklärt mir Thom und steckt die Waffe zurück in den Hosenbund. Seine Füße sind nackt, ebenso wie sein Oberkörper. Wieder mal kann ich seine Narben deutlich sehen.

Er hat immer darauf bestanden, nur im Dunkeln Sex zu haben, und wenn er geduscht hat, hat er die Badezimmertür abgeschlossen. Ich dachte immer, das läge daran, dass er total verklemmt ist. Ich meine, wer hat denn bitte schön keine Makel? Nach all den Ausreden, die er vorgeschoben hat, um mich auf Distanz zu halten und seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen, ist es seltsam, ihn jetzt so zu erleben. Eins steht definitiv fest: Ich möchte ihm noch immer für die ganzen Lügen und den Mist, den er während unserer Beziehung verzapft hat, eine kleben.

Er steht neben dem Bett und achtet darauf, zwischen mir und dem Fremden zu bleiben, obwohl er gleichzeitig sagt: »Er ist ein Freund.«

Crow lächelt. »Hast du nicht mal zu mir gesagt, dass es in diesem Geschäft keine Freunde gibt?«

Thoms Mundwinkel heben sich zu einem leichten zustimmenden Grinsen.

»Hi«, sage ich.

Crow stellt die Einkaufstüten auf dem Bettende ab. Die meisten tragen den Aufdruck der Nobelkaufhauskette Neiman Marcus. »Für dich, Betty. Kleider und so weiter. Da er mir deine Maße gegeben hat, sollten sie eigentlich passen. Ich freue mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen. Ich wollte dich schon seit geraumer Zeit gern kennenlernen, aber jemand hat festgelegt, dass du absolut tabu bist.«

»Das war zu ihrem Besten. Und ich hatte dich gebeten, ein paar Sachen zum Anziehen zu besorgen«, sagt Thom hörbar verärgert. »Und nicht, den ganzen verdammten Laden leer zu kaufen.«

»Die Einkaufsberaterin brauchte die Provision, und du kannst es dir problemlos leisten. Der Ersatzring ist in der kleinen blauen Tüte. Den habe ich persönlich ausgesucht.«

Thom stöhnt genervt. »Will ich überhaupt wissen, was er gekostet hat?«

»Wahrscheinlich nicht.« Der Mann beugt sich vor und findet in dem Haufen Einkaufstaschen sofort, was er gesucht hat. Tatsächlich: In einer Tiffany-blauen Tüte steckt eine Ringschatulle. »Die Ehre gebührt wohl dir.«

Thom nimmt sich kommentarlos die kleine Schachtel, die neben mir auf dem Bett steht. Ich weiß seinen Blick nicht zu deuten. Er greift nach meiner Hand, hält sie vorsichtig fest und schiebt mir den Klunker auf den Finger. Der Diamant ist riesengroß, und der Ring passt perfekt.

»Ich dachte, wir wollten niemandem erzählen, dass –«, setze ich an.

»Du kannst Crow vertrauen. Sollte jemand fragen, dann sagst du eben, dass du den alten Ring gestern Morgen bei der Hausarbeit abgenommen hast. Deswegen hattest du ihn bei der Explosion nicht mehr am Finger.«

»Ich persönlich hätte ja anständig um ihre Hand angehalten, wäre vor ihr auf die Knie gegangen und hätte es ordentlich gemacht. Das ist ein Platinring mit einem fünfkarätigen, quadratisch geschliffenen Diamanten«, verkündet Crow. »Wie findest du ihn, Betty?«

»Wow.«

»Ich glaube, er gefällt ihr«, sagt er lächelnd. »Ich habe einen hervorragenden Geschmack.«

Thom grummelt wütend: »Du kaufst dir von meinem Geld ihre Zuneigung. Ich mime einen normalen Versicherungsangestellten. Wie zum Teufel sollte ich mir so ein Ding leisten können?«

»Die einzigen Leute, die dieser Ring täuschen soll, wissen doch längst Bescheid, dass du kein normaler Versicherungsangestellter bist. Lass Betty sich daher doch an dem Stein erfreuen.«

»Er ist wunderschön, Crow. Vielen Dank.«

Der Mann lächelt mir kurz zu. »Gern geschehen, Betty.«

»Und danke, dass du mir die Kleider besorgt hast. Ich vergesse ständig, dass alles, was ich besessen habe, in die Luft geflogen ist.« Wenn ich überlege, was ich alles verloren habe – ein furchtbarer, ernüchternder Gedanke. Nicht, dass irgendetwas von meinen Sachen besonders wertvoll gewesen wäre. Aber ihr ideeller Wert … Wie zum Beispiel meine Lieblings-T-Shirts. Bücher mit gebrochenen Rücken und abgegriffenen Seiten, die ich in Ehren gehalten habe. Mein geliebter alter Plattenspieler und die Plattensammlung, die ich von meinem Großvater geerbt habe. Einfach all die Kleinigkeiten, aus denen mein Leben bestanden hat. Aber ich weiß auch, dass das nur Gegenstände waren und ich froh sein kann, dass ich noch am Leben bin.

»Deine Fotos hast du aber gesichert, oder?«, fragt Thom.

Ich nicke.

»Wenigstens etwas.«

»Ja«, sage ich wenig überzeugt.

Crow räuspert sich. »Du hast vermutlich schon von Scorpion gehört?«

Thom nickt. »Sie war eine gute Agentin.«

»Ich weiß, dass ihr beiden euch nahestandet. Wir müssen diesen Mistkerl finden. Sofort.«