Sylt oder Selters // Sylt oder solo // Sylt oder Sahne - Claudia Thesenfitz - E-Book

Sylt oder Selters // Sylt oder solo // Sylt oder Sahne E-Book

Claudia Thesenfitz

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Beschreibung

Sylt oder Selters: "Ein Buch zum Schmunzeln, Abtauchen und Wohlfühlen!" Nena Kein Spaß bei der Arbeit, keinen Kerl im Bett, keine Kohle auf dem Konto - so kann es nicht weitergehen für Nina Mertens. Die eigensinnige und temperamentvolle Hamburgerin fasst einen Plan, der es in sich hat: Sie wird sich einen attraktiven Millionär angeln. Und zwar auf Sylt, wo die Millionärsdichte am höchsten ist. Ein Ferienhaus ist unbezahlbar. Also campen in Kampen! Kaum angekommen visiert Nina potentielle Kandidaten an und stellt fest, dass nicht alles glänzt, was Gold ist. Gut, dass ihr Elli, ihre 83-jährige Zeltplatznachbarin, mit Lebenserfahrung und altersuntypischer Frechheit zur Seite steht. Waghalsig stürzt sich Nina in ein Chaos aus Whiskymeile, SUV-Fahrern und Rolexuhren. Aber ist im echten Monopoly wirklich das Glück zu finden? Sylt oder solo: Liebe, Geld und ein Leben auf Sylt – Nina hat alles, wovon sie früher nur träumen konnte: Sie lebt zusammen mit ihrem Traummann Jan auf Deutschlands schönster Insel. Die Tage in der Surfschule und dem kleinen Strandbistro sind märchenhaft. Doch wie hält man die Liebe fest? Geht das überhaupt? Als Jan urplötzlich eine Auszeit will, Ninas Ex auftaucht und das Leben noch einige andere Überraschungen für sie parat hält, begreift sie, dass nichts selbstverständlich ist. Und sie beginnt, um ihr Glück zu kämpfen. Sylt oder Sahne:  Nur die Liebe ist kalorienfrei Die Liebe prallt an Nele ab wie ein Flummi an einer Betonwand. Schuld daran ist ihr Gewicht – denkt Nele. Und meldet sich auf Sylt zu einer Fastenkur an. Die soll Körper und Seele angeblich auf Werkseinstellung resetten und dadurch ein vollkommen neues Lebensgefühl schaffen. Doch kann Verzicht wirklich Veränderung bewirken? Auf Sylt kommt alles anders als erwartet. Nele begreift: Perfekt aussehen muss man nur, wenn man sonst nichts kann. Ein turbulenter Smoothie aus Kalorien, Kulinarik, Chaos, Genuss und Leidenschaft...

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Sylt oder Selters // Sylt oder solo // Sylt oder Sahne

Die Autorin

CLAUDIA THESENFITZ kann auf eine lange journalistische Karriere zurückblicken, hat unter anderem festangestellt als Chefreporterin bei TEMPO und Petra gearbeitet, bevor sie sich 2001 als freie Autorin und Journalistin selbstständig machte. Sie schreibt für alle großen Frauenzeitschriften und Magazine (emotion, Brigitte, petra, Für Sie, Gala u.v.m.) und hat unter anderem die Autobiografien von und mit Nena (2005, Luebbe), Dieter Wedel (2008, Luebbe) und Uwe Ochsenknecht (2013, Luebbe) geschrieben.

Claudia Thesenfitz

Sylt oder Selters // Sylt oder solo // Sylt oder Sahne

Drei Sylt-Glücksromane in einem Bundle

Ullstein

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Sonderausgabe im Ullstein TaschenbuchApril 2023© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023

Sylt oder Selters:

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: Leuchtturm: Getty Images/© Heinz Wohner; Frau: Getty Images/© Oleh Slobodeniuk

Sylt oder solo:

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Martin Stumpf/getty images (U1 ohne Frau); © FinePic®, München (Frau)

Sylt oder Sahne:

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung: Favoritbuero GbR, München 

Titelabbildung: Landschaft © Drepicter / shutterstock; Segelschiff: © Olesya Kuznetsova / shutterstock; Möwen: © Roman Sigaev / shutterstock; Krabbe: © ekkapon / shutterstock; Blumen: © Maksym Bondarchuk / shutterstock; Cupcake: © Ruth Black / Shutterstock; Himmel: © Elenamiv / shutterstock; Frau springend: © Ana Silva / EyeEm / getty images; Frau tanzend: © Sean Justice / getty images

Autorinnenfoto: © Hans ScherhauferISBN 978-3-8437-3000-6

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Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Sylt oder Selters

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Rezepte

Danksagung

Anhang

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Cover

Titelseite

Inhalt

Sylt oder Selters

Sylt oder Selters

   

Für Annemarie – und Gisela, Bärbel und Frauke

   

»Besser ein toller Teppichals ein nicht so toller Teppich.«Käthe Lachmann

1

Nina hatte die Nase voll: Um sie herum schwelgte die Welt in Reichtum und Jetset, während sich bei ihr die Rechnungen stapelten, Inkassobescheide addierten und ihr Schufa-Score stetig sank. Ihr Job als Graphikerin in der Redaktion einer großen Frauenzeitschrift war nicht schlecht, aber in letzter Zeit hatte ihre Arbeitsmotivation bedenklich nachgelassen. Essen gehen, ein paar Klamotten und Kurzreisen – die kleinen Extras eben, die ihr Leben schöner machten – trieben ihr Konto ständig ans Dispolimit. Ihr bescheidenes Monatsgehalt würde ihr nie ein Leben in Saus und Braus ermöglichen – sosehr sie sich auch abrackerte. Und diese Erkenntnis war deprimierend.

Bockig stieß Nina die Tür zum Redaktionsgebäude auf und strafte den Opi am Empfangstresen, der nun wirklich nichts dafür konnte, mit einem grimmigen Blick. »Morgen, Frau Mertens«, rief er Nina hinterher, während sich die Fahrstuhltüren vor ihr schlossen.

Als sie sich im fünften Stock wieder öffneten, erkannte Nina schon von weitem die schrullige Gestalt von Redaktionssekretärin Zemke am Kopierer. Als sie Nina erblickte, schaute sie demonstrativ auf ihre Armbanduhr. »Frau Mertens! Ich hab mir schon Sorgen gemacht!«

»Wie schön! Ich mir Rührei!«

Mit offenem Mund ließ Nina Frau Zemke am Kopierer zurück, während sie im Stechschritt den Gang hinuntereilte. Zehn Minuten zu spät. Schon wieder. Die alte Zemke konnte sich ihre Schadenfreude sonst wohin stecken, anstatt vorwurfsvoll wie eine moralinsaure Gefängniswärterin auf ihre Billiguhr zu tippen.

Während sie an ihren Schreibtisch hetzte, pushte Nina sich gedanklich in Rage, und ihr Schuldgefühl übers Zuspätkommen wandelte sich in absurde Wut. Wut auf irgendwas. Wut auf alles. Erhitzt und abgehetzt warf sie sich auf ihren Stuhl, riss den Hörer vom schrill klingelnden Telefon und schrie so empört in die Muschel, als wäre ihr gerade jemand ins Auto gefahren:

»Ja?? Was gibt es denn???«

»Solltest du dich nicht mit vollem Namen und Arbeitgeber melden, Nina?«, fragte am anderen Ende der Leitung mit skalpellscharfer Stimme Anne Soltau, die Art-Direktorin.

»Oh, Anne, guten Morgen«, stammelte Nina, »ich dachte, es wäre meine Mutter!«

»Privatgespräche sollten bevorzugt zu Hause geführt werden«, entgegnete Anne trocken. »Ich brauche die Layouts zur Testino-Ausstellung – und zwar sofort!«

Klack. Aufgelegt. Hektisch klickte Nina sich durch die Dateien auf ihrem Bildschirm, während sie sich aus dem Mantel wand. Ausstellung, Ausstellung – scheiße! Die Layouts hatte sie ja noch gar nicht gemacht! Super: Ein Manic Monday, wie er im Buche stand.

Anne war ihre unmittelbare Vorgesetzte, ihre Chefin. Im Grunde ein netter Typ, aber in letzter Zeit extrem angespannt. Es gab Gerüchte, ihr Stuhl würde wackeln. Nina war das ziemlich egal. Sie hatte im Laufe ihres mittlerweile über 15-jährigen Arbeitslebens schon so manchen Chefredakteur und so manche Art-Direktorin kommen und gehen sehen. Das Personalkarussell hatte sich oft und schnell gedreht – nur sie selbst war merkwürdigerweise immer an ihrem Platz geblieben.

Zwei hektische Stunden später, nach einem eilig zusammengezimmerten und schnell versendeten Layout, schlürfte Nina ihren Kaffee. So konnte es nicht weitergehen. Jeden Tag Annes Launen ertragen, gelangweilt auf die öde Hauswand nebenan gucken und nur heimlich Privatgespräche führen dürfen? Als einziger Spaß eine virtuelle Shoppingtour bei Zalando, MyTheresa oder Stylebop, bei der sie Artikel in den Warenkorb legte, die sie sich nicht leisten konnte? Sie war jetzt 41, der Job war okay, sogar mehr als das, aber es war klar, dass sie damit nie richtig reich werden würde. Keine Aussicht auf den Jackpot – niemals. »Alltag ist nur durch Wunder erträglich«, hatte Max Frisch in einem seiner begnadeten Bücher geschrieben, aber Wunder waren in Ninas Lebensentwurf ausgeschlossen. Sie würde alt und grau werden, irgendwann eine spärliche Rente beziehen und jeden Einkauf bei Aldi sorgfältig durchkalkulieren. Das war eindeutig nicht das Leben, von dem sie als Teenie geträumt hatte …

Frustriert blätterte sie durch das aktuelle Heft: Ein schon etwas verblühtes Ex-Model hatte sich doch tatsächlich diesen supersmarten (und superreichen) Bundesligakicker geschnappt. Respekt! Die Frau war weit über 30, hatte eindeutig Übergewicht und außerdem noch zwei Kinder – und dennoch hatte sie sich den Fußballmillionär geangelt. Nina dachte nach: Hatte die Kronprinzessin von Schweden nicht ihren Fitnesstrainer geheiratet – und der lief jetzt in Maß- statt Jogginganzügen durch den Palast? Ein Leben in Saus und Braus, mit dem einzigen Problem, ob man lieber im Strandhaus in den Hamptons, der Villa in der Toskana oder dem New Yorker City Loft verweilen wollte. Überall First Class, Senator-Lounge, bevorzugte Behandlung und Weine mit hoher Parker-Punktzahl. Wie war das noch in diesem Song von Cro:

»Baby, bitte mach dir nie mehr Sorgen um Geld,gib mir nur deine Hand, ich kauf dir morgen die Welt.

Sie will Kreditkartenund meine MietwagenSie will Designerschuhe und davonganz schön viel haben»MANOLO BLAHNIK, PRADA, GUCCI, und LACOSTE«Kein Problem, dann kauf ich haltfür deine Schuhe gleich ein ganzes Schloss

Sie will in Geld baden,und sie will Pelz tragenSie will schnell fahrenEinmal um die Welt jagenSie kann sich kaufen, was sie wollte, doch nie hattedenn ich hab jetzt die American Express, und zwar die schwarze«

Das Leben genießen ohne finanzielle Sorgen – das wär’s!

WÄRE??

Eine Idee glomm in Ninas Kopf auf – erst schummrig flackernd und dann immer gleißender: Was dieses Ex-Model und der Fitnesstrainer konnten, konnte sie schon lange, oder? Die Mechanismen von Liebe waren schließlich überall gleich – Kontostand-unabhängig: Man lernte sich kennen, verliebte sich – oder auch nicht. Man musste sich einfach nur auf die richtigen Erntefelder begeben, um die Beute-Auswahl zu korrigieren. Wer einen Steinpilz auf einem Champignonfeld suchte, mühte sich vermutlich vergebens, denn Steinpilze gab es nur im Wald. Wenn sie also einen Millionär kennenlernen wollte, musste sie nicht durch ihre bevorzugten Nachtclubs ziehen, die überwiegend von arbeitslosen Webdesignern frequentiert wurden, sondern sich dort hinbegeben, wo die Millionärsdichte am höchsten war. Und wo war das? Nina checkte schnell im Netz: Zum Beispiel in Kampen auf Sylt!

Sylt – das wären gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens die Aussicht auf den privaten Jackpot, und zweitens wollte Nina immer schon mal auf diese Insel, die ihr ihre Hippiemutter als Kind eisern verwehrt hatte – genauso wie Monopoly. »Da fahren nur Bonzen hin, skrupellose Kapitalisten, die sich gegenseitig im Reichsein übertrumpfen wollen!« Gut so! Genau deswegen wollte sie da jetzt hin.

Natürlich war sie nicht so beknackt, schulmädchennaiv an Wunder zu glauben. Aber wenn sie einfach so weitermachte wie bisher, würde gar nichts passieren – das stand fest. Damit Wunder geschehen konnten, musste man etwas Wunderliches tun: Und sie würde jetzt eben versuchen, sich einen Millionär zu angeln – genau wie die Fußballer-Freundin. Wie beschworen einen die Alten doch immer so weise: »Man bereut nur das, was man nicht getan hat.« Einen Versuch war es immerhin wert. Geniale Ideen hörten sich ja oft erst mal bekloppt an.

Beflügelt von ihrem Plan, füllte Nina einen Urlaubsantrag aus: Sie hatte noch vier Wochen Resturlaub – und die würde sie jetzt nehmen. Am Stück! »Hast du kurz fünf Minuten Zeit, Anne?«, fragte sie ihre Vorgesetzte am Telefon. »Wenn, dann jetzt sofort«, lautete deren knapp gebellte Antwort. Eilig schnappte Nina sich ihren Zettel und rannte über den Flur in Annes Büro.

»Ah, Nina, das ging ja schnell.« Zerstreut und mit etwas derangiertem Pferdeschwanz, schaute Anne von ihrem Bildschirm hoch. Sie sah ziemlich gestresst aus. »Was gibt’s denn?«

»Ich würde gerne Urlaub nehmen.«

»Kein Problem, reich ihn bei Oliver ein.«

Oliver war der Chef vom Dienst, der Herrscher über alle administrativen und organisatorischen Fragen innerhalb der Redaktion.

»Mach ich, aber ich wollte vorher mit dir den Zeitrahmen klären. Ich würde gerne nächste Woche losfahren – für 28 Tage.«

»28 Tage?? Nächste Woche??« Entgeistert nahm Anne ihre schwarze Ray-Ban-Nerdbrille ab, die jetzt auf einmal alle trugen, und schaute Nina an.

»Warum das denn?«

»Ich glaub, ich brauch einfach mal ’ne längere Pause«, sagte Nina.

»Stimmt was nicht?«, fragte Anne.

»Doch, doch«, antwortete Nina.

»Hast du Burn-out?«, hakte Anne nach.

Höchstens Bore-out, dachte Nina. »Quatsch! Ich will einfach mal raus«, beruhigte sie ihre Chefin.

Anne dachte nach. Versuchte, Ninas Psyche durch fixierende Blicke zu röntgen.

»Okayyyyy …??«, sagte Anne so lang gezogen und gedehnt, als hätte eine Verrückte ihr gerade erklärt, dass sie sich in ihrer Freizeit gerne Schals aus Regenwürmern strickte. »So kurzfristig geht das aber nur, wenn du eine Vertretung organisierst, dein Laptop mitnimmst und im Notfall die Layouts gegencheckst.«

»Kein Problem!«, versprach Nina und ließ die verwirrte Anne allein.

2

»Wir hätten noch ein schönes Häuschen – für 290 Euro pro Nacht!« Die Stimme der Mitarbeiterin der Kampener Appartementvermittlung klang so euphorisch, als hätte sie Nina gerade einen Lottogewinn verkündet.

»Äh«, sagte Nina, während sie auf ihren Taschenrechner eintippte: 290 mal die 28 Tage ergab: eine unglaubliche Zahl! 8120 Euro erschienen auf dem Display.

Nina bedankte sich bei der netten Frau und legte auf. Achttausend Euro – hätte sie diese absurde Summe mal eben so übrig, bräuchte sie keinen Millionär mehr. Dann wäre sie vermutlich selbst einer.

Auch beim anschließenden Internetcheck stellte sich schnell heraus: Ein Ferienhaus auf Deutschlands teuerstem Pflaster konnte sie sich definitiv nicht leisten. Doch zu ihrem Erstaunen entdeckte sie, dass Kampen einen Campingplatz hatte! »Zelten unter Millionären – wie absurd«, dachte Nina. Und beschloss, in Kampen zu campen.

Da sie zuletzt als Kind in einem Zelt geschlafen hatte, musste sie erst mal die nötige Ausrüstung organisieren: Bei eBay stieß sie auf das Iglu-Zelt »Mallorca 3«. Kostenpunkt: 39,95 Euro. »Mallorca 3 ist ein kompaktes 3-Personen-Zelt mit praktischem Vorzelt bzw. Stauraum. Dank der klassischen Tunnelform erreicht das Mallorca 3 dabei die optimale Balance zwischen Windfestigkeit und Komfort.

Der Eingang zur Schlafkabine ist mit einem Moskitonetz versehen und schützt Sie somit zuverlässig vor ungebetenen Gästen, ebenso wie die praktische Dauerventilation einen Hitzestau im Innenraum des Zeltes verhindert. Die großzügige Schlafkabine gewährt zudem ausreichend Platz für bis zu 3Personen.

Insgesamt bietet das Mallorca 3somit ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis.«

Nina drückte den »Sofort Kaufen«-Button und wurde dadurch zur stolzen Eigentümerin eines Zweitwohnsitzes aus grün-grauenhaftem Nylon.

Einen Schlafsack wollte sie nicht, sie hasste es, wenn ihre Füße nachts eingesperrt waren und sie sie nicht aus der Decke herausstecken konnte. Sie würde deshalb einfach ihre Bettdecke und ihr Kopfkissen mitnehmen. Als Matratze kaufte sie noch drei Isomatten.

3

Abends stand sie mit einem Glas Weißwein vor ihrem Ganzkörperspiegel und hatte plötzlich große Zweifel: War sie mit ihren 41 Jahren überhaupt hübsch genug? Konnte diese etwas verknitterte Beute noch jemanden locken? Nina hatte ein schönes Gesicht, grüne Augen, eine schmale Nase, volle Lippen – und wilde schwarze Haare, die sie zu einem lässigen Strubbelschnitt hatte schneiden lassen. Ihr eigentlicher Joker aber war ihre Haut: Die war glatt und samtig und wurde schon bei geringer UV-Strahlung dunkelbraun. Ihre Schwachstelle war eher ihre etwas zu kräftige Figur. Nina zog sich aus und machte eine Bestandsaufnahme nackter Tatsachen: Der Bauch, der Hintern – bestimmte Körperzonen waren meilenweit von Modelmaßen entfernt. Aber sollte man nicht seine Schwachstellen lieben? Selbstbewusstsein wirkte wie ein Aphrodisiakum auf Männer. Und nur wer sich selbst liebte, hat die Chance, von jemand anderem geliebt zu werden. Wenn Sie also als Siegerin aus Sylt zurückkehren wollte, würde sie sich mit ihren vermeintlichen Unzulänglichkeiten arrangieren müssen.

Nina zog sich wieder an, setzte sich in die Küche und schenkte sich Wein nach. Dann schnappte sie sich einen Block und schrieb:

»Mein lieber Arsch, du bist prall und rund wie der Vollmond – oder die Erde. Oder ein frisch gebackenes Brötchen. Du siehst super aus in Jeans und du hast dich noch nie hängen lassen. Okay, mit der Zeit hast du ein paar Dellen gekriegt, aber die sieht man ja nicht, wenn du angezogen bist. Dafür hast du keine Falten! Du bist zu dick, finden manche. Ich finde das nicht. Wären wir beide in Afrika, würden wir auf Knien verehrt werden. Weil wir so begehrt wären. Mindestens zehn Kühe würde ich für dich kriegen – und einen Mann noch dazu, natürlich … Ich habe das Gefühl, wenn ich erst mal anfange, an dir rumzumäkeln, ist unsere Beziehung nur noch Arbeit bzw. Sport. Und irgendwann bist du fort … Das könnte ich nicht ertragen! Ich will uns glücklich sehen! Deshalb bleib, wie du bist! Ich liebe dich.«

Nina lachte laut, zerknüllte das Papier und warf es in den Müll. Positive Affirmation – wer sollte diesen Mist denn glauben? Es würde sich schon irgendein Millionär in sie verlieben – trotz zu großem Hintern. Der von der Fußballer-Freundin war schließlich auch nicht klein – und außerdem hatte sie Cellulitis. Schien den Profi-Kicker ja nicht zu stören …

4

Vier Tage später fuhr sie in ihrem 22 Jahre alten Mercedes in Stellingen auf die A 7 Richtung Niebüll. Es war Mitte Juli, die Sonne knallte aufs Autodach, und der Sommer tanzte über die vorbeifliegenden Felder und Wälder. Der Himmel war blau und Ninas Laune blendend. Aus ihrem altmodischen Autoradio dudelten die Oldies ihrer Kindheit, und Nina sang laut mit. »Girls, girls, girls …«

Der Sylt Shuttle war genau so spannend, wie Nina erwartet hatte: Man musste sich mit seinem Auto in eine von acht Spuren einreihen und an einem Automaten ein Bahnticket ziehen. Hatte man bezahlt, öffnete sich die Schranke, und man durfte weiterfahren und wurde auf eine von vier langen Warteschlangen geleitet, in denen die Autos auf die Verladung auf den Zug warteten. Nina fand es aufregend. Sie liebte solche Sachen: Mit dem Auto auf die Fähre, den Nachtzug oder sogar das Parkhaus – überall, wo man sich einreihen und ein Ticket ziehen musste, fühlte Nina sich wohl. Würde sie vielleicht mal mit ihrer Therapeutin drüber sprechen müssen. Vielleicht war das ein Zeichen für irgendwas?

Nina reihte sich hinter einen espresso-farbenen BMW X 5 (die Farbe war ja jetzt wieder schwer angesagt, früher hieß sie nussbraun) und stellte den Motor ab. Noch zehn Minuten bis zum Verladen.

Um sie herum standen tatsächlich fast nur Luxus-SUVs von Porsche, BMW, Range Rover oder Mercedes – so absurd konnte das Leben doch nicht sein, oder? War das hier echt ein Reichenghetto? Nina musste an die Stern-Kolumne von Meike Winnemuth denken, die auf Sylt für große Empörung gesorgt hatte. »Ich will Sylt toll finden«, hatte Meike darin geschrieben. »Und Sylt ist ja auch toll: die Dünen, die Heide, der Strand, der Wind, die Wolken. Aber die Leute. Die Leute. Die verzweifelten Leute. Die Männer mit ihren roten Hosen und Dieter-Bohlen-Hemden, bedruckt mit Jetsetquatsch, United States Polo Tournament Jeux Olympiques 1924 Player, Herrgott. Die Frauen so blond, so rundstirnig, so behängt. Und alle zu braun. Und alle zu laut.«

Nina schaute sich um: Auffällig viele Männer trugen rosa. Rosa Polohemden von Ralph Lauren, rosaweiß-gestreifte Hemden, umgeknotete rosa Pullis. Und die Frauen waren tatsächlich oft blond – und sehr dünn. Ob Nina unter diesen Umständen ins Beuteschema passte?

Die Ampel sprang auf Grün, und die Autoschlange setzte sich in Bewegung. Nun ging es also auf den Zug – Nina war aufgeregt. Ein Mann in gelber Signalweste winkte die Autos auf den unteren oder oberen Teil des Shuttles, während ein anderer jedem Fahrzeug eine Lidltüte durchs Fenster reichte. Eine Tüte eines Billigdiscounters für die Millionäre? Sehr merkwürdig. Auch Nina nahm eine der gelbblauen Stofftaschen entgegen.

Sie hatte Glück, sie durfte nach oben. Unter Geschepper und Geruckel lenkte sie den alten Mercedes auf den Zug. Motor aus, Gang raus, Handbremse anziehen. Gemessen an der Länge der Autoschlange ging es erstaunlich schnell los. »… Allen Syltern sagen wir: Herzlich willkommen zu Hause!«, beendete eine Frauenstimme ihre Durchsage aus den überall an der Brüstung angebrachten Lautsprechern. Nina war irgendwie gerührt darüber, dass die Sylter sich offenbar so freuten, wenn ihre Landsleute heim zum Rudel kehrten, dass sie es per Lautsprecher verkünden mussten.

Nina inspizierte die Tüte. Sie enthielt diverse Hochglanz-Sylt-Magazine – und den aktuellen Sonderangebotsprospekt von Lidl. Sie packte die Tüte wieder weg. Sie wollte nicht zu Lidl, sondern zu Leysieffer.

Der Zug setzte sich in Bewegung, und Nina wunderte sich über die zahlreichen Apfelbäume an der Strecke. Ob das die Nachkömmlinge all der Bio-Apfelgripse waren, die die Besserverdiener im Laufe der vergangenen Jahrzehnte aus ihren SUVs geschmissen hatten?

Vorbei ging es am Bahnhof Niebüll, durch Rotklinker-Reihenhäuser, durch weite Kornfelder, gespickt mit riesigen Solaranlagen (Energiepark nannte sich das) und schließlich auf den Hindenburgdamm, der mitten durch die Nordsee, mitten durchs Meer lief, wie es schien. Nina kurbelte (ja, der Mercedes hatte noch Fenster zum Kurbeln) das Fenster runter und genoss die salzige Luft. Frisch, prickelnd wie Champagner.

Etwa eine halbe Stunde später fuhr der Zug in Westerland ein – der »Hauptstadt« Sylts. Nina war unangenehm überrascht. Westerland sah scheußlich aus. Betonklötze wie in der ehemaligen DDR, Hochhäuser, Funkmasten. Und das kickte nun die Reichen und Schönen? Irritiert fuhr sie vom Zug und fädelte sich auf die Straße nach Kampen ein. Sie fuhr durch Keitum, ein idyllisches Reetdachdörfchen, dessen kleine Bauernkaten Luxusboutiquen wie Hilfiger, Polo Ralph Lauren, Lacoste und Co. beherbergten. Edles im Alten – ein merkwürdiger Kontrast.

Auf der Schnellstraße trat Nina aufs Gas und wunderte sich über die Temperaturanzeige auf einer Brücke. 28 Grad. Gut zu wissen. Rechts flog das Watt, links eine wunderschöne Dünenlandschaft vorbei.

Und dann passierte sie das gelbe Ortsschild von Kampen, dem Ziel ihrer Träume. Nun war sie also hier, und es sah so aus, als wäre sie in Schlumpfhausen gelandet. Absolut uniforme Reetdachhäuser hinter uniformen Friesenwällen und weißen Friesentoren. Dank des Navis auf ihrem Handy fand Nina den Campingplatz am Ortseingang sofort.

Der Platz war wunderschön: Direkt an den Dünen gelegen, klein, sauber, überschaubar. Nina parkte, ging in die Rezeption und meldete sich bei Herrn Sörensen, dem grillhuhnbraunen Platzwart, an. 10 Euro würde sie pro Nacht für »Mallorca 3« zahlen müssen – für Kampener Verhältnisse ein Spottpreis.

Gespannt stapfte Nina hinter Herrn Sörensen her, der sich dickbäuchig und ächzend auf den Weg gemacht hatte, um Nina einen Platz zuzuweisen. Er lag direkt neben den Restmüllcontainern. »Was anderes ist nicht mehr frei, wir haben hier nicht so viele Zelte«, sagte Sörensen, und Nina meinte, eine gewisse Arroganz aus seiner Tonlage herauszuhören. Egal. Der Fettsack konnte sie mal. Hauptsache, sie war jetzt hier.

Immer wieder die Gebrauchsanweisung studierend, errichtete Nina »Mallorca 3« und stand schließlich schweißüberströmt vor ihrem neuen Zuhause, einer etwas windschiefen grau-rotzgrünen Scheußlichkeit. Unbegeistert machte Nina sich daran, ihr Bett zu richten. Den Koffer ließ sie lieber im Auto – »Mallorca 3« konnte sie schließlich nicht abschließen.

Mittlerweile hochrot im Gesicht, kramte Nina Badehandtuch und Bikini aus ihrem Gepäck und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Meer. Hinter dem Campingplatz führte ein Fußpfad direkt an den Strand. Während sie durch die Dünen kraxelte, sog sie den Duft der Heide ein – wunderbar! Ein Dünenkamm noch – und dann sah sie es: Das grüne Meer! Die wilde Brandung von Sylt mit dem weißen Puderzuckerstrand davor. Die Gischt brach das Licht, so dass alles leicht milchig-pastellig wirkte, wie mit Weichzeichner aufgenommen. Nina war fasziniert. Barfuß rannte sie die Treppe runter, die vom Kliff zum Strand führte.

Nina liebte es, im Wasser zu sein. Begeistert schmiss sie sich in die Wellen. Die Brandung prickelte auf ihrer Haut, während sie sich durch die wild schäumenden Wellen kämpfte. Kopfüber tauchte sie durch einen Wellenkamm und schwamm sich von der Brandung frei. Das Wasser war überraschend kalt, aber sie gewöhnte sich schnell daran. Schwimmen war wie Fliegen! Nina liebte das Gefühl der Schwerelosigkeit, das Treiben und Schweben. Und das Tauchen.

Als Kind hatte sie sich, zum Entsetzen ihrer Mutter, oft von den Wellen mitreißen und ans Ufer spülen lassen. Eine Flugbahn im sprudelnden schaumigen Gequirl der Gischt. Wellenreiten ohne Bord, nur mit dem Körper. Oft war sie dabei bis zu einer Minute unter Wasser gewesen …

Erfrischt und seltsam aufgeladen, wundersam energetisiert, kletterte Nina ziemlich viel später wieder aus dem Meer und ließ sich pitschnass auf ihr Handtuch fallen. Die Menschheit unterteilte sich in »Nach-dem-Schwimmen-sofort-mit-dem-Handtuch-Abrubbler« und »Nass-in-der-Sonne-Trockner«. Nina gehörte zu Letzteren. Das Salzwasser auf der Haut trocknen lassen – auch eine ihrer unmädchenhaften Leidenschaften.

Die warme Sonne auf der kalten Haut, die noch von der Brandung nachprickelte – ein unglaublicher Genuss! Das schäumende, wirbelnde Meer war wie eine Massage gewesen. Wohlig schlief Nina ein – und wachte erst eine Stunde später wieder auf, weil ihre Stirn brannte. Sonnencreme – Shit – die hatte sie ganz vergessen.

Leicht benommen zog sie T-Shirt und Jeans an und schlenderte am Wassersaum entlang, in Richtung eines Restaurants, das sie in der Ferne gesehen hatte.

Das Laufen im Sand war anstrengender als erwartet. Erstens war der Ufersaum sehr schräg, und zweitens sackte man beim Gehen ziemlich tief ein. Nina war froh, als sie die Holztreppe zum »Grande Plage« erklomm. Sie hatte schrecklichen Durst – und Hunger.

Sie setzte sich an einen Tisch mit Blick aufs Meer, bestellte sich eine große Apfelschorle und bat um die Karte.

Spontan gönnte sie sich ein Glas Champagner und scharfe Spaghetti mit Scampi. Wer nicht nach den Sternen griff, der bekam sie auch nicht. »Zum Wohl«, strahlte die szenig aussehende Bedienung sie an, während sie das prickelnde Glas Moët vor ihr auf dem Tisch platzierte. »Zum ersten Mal hier?«

»Wieso?«, fragte Nina erstaunt.

»Weil Sie irgendwie so fasziniert aussehen. So geflasht. Das ist ganz typisch für Menschen, die das erste Mal auf der Insel sind.«

»Stimmt«, sagte Nina. »Ich bin heute erst angekommen.«

»In Bezug auf Sylt gibt es kein Mittelding«, sagte die gutgelaunte Kellnerin. »Entweder man ist sofort schock-verliebt – oder man hasst es hier.«

»Ich bin schockverliebt«, sagte Nina, lächelte die Kellnerin an und nahm einen Schluck Champagner, der herrlich auf ihrer Zunge perlte.

»Kommen Sie von hier?«, fragte sie die nette Bedienung in den cool kaputten Jeans.

»Ja, ich bin gebürtige Sylterin«, antwortete die sichtbar stolz. »Ich wohne in List.«

»Toll«, sagte Nina, weil ihr nichts Intelligenteres dazu einfiel.

»Viel Spaß noch«, wünschte die Kellnerin und eilte zu einer verzweifelt winkenden Dame mit riesiger Prada-Sonnenbrille, die es endlich geschafft hatte, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Na, die ist ja nett, dachte sich Nina, schon leicht beschwipst vom Alkohol. Vollkommen unarrogant. War wohl doch nicht so snobistisch hier.

Als die duftenden Spaghetti kamen, merkte sie, wie ausgehungert sie war. Wann hatte sie denn eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? In Hamburg, zum Frühstück – und jetzt war es sieben.

Gierig verschlang Nina die leckere Pasta, schüttete fast den ganzen Inhalt des Parmesanschälchens darüber und merkte, als sie satt war, wie müde sie war. Zeit für »Mallorca 3«. Im milchigen Abendrot schlenderte sie zurück zum Campingplatz. Satt, beschwipst, sonnenverbrannt, glücklich. Wie herrlich es hier doch war.

Auf dem Campingplatz nahm sie in den überraschend sauberen Sanitärräumen noch eine heiße Dusche, kletterte danach seltsam entspannt in Malle 3, versuchte, noch ein paar Seiten zu lesen, gab es aber schnell auf, weil ihr die Augen zuklappten – und fiel in einen tiefen Schlaf.

6

Nina erwachte von einem ohrenbetäubenden Geklapper und Getöse. Kreischend wie phonverstärkte Möwen wütete der Sturm und fetzte an den Nylonwänden ihres Zeltes. Nina zitterte und hoffte, wenn sie sich selbst möglichst still verhielte, dass es der Sturm dann vielleicht auch tun würde.

Plötzlich knallte es, und das halbe Zelt flog davon. Die andere Hälfte krachte augenblicklich über Nina zusammen, und sie floh panisch in den Waschraum.

Nach etwa dreißig Minuten war der Spuk schlagartig vorbei, und der Wind tat, als wäre er niemals da gewesen.

Nina legte sich zwischen Spülbecken und Waschmaschinen auf den Boden – wo sollte sie auch sonst hin – und verbrachte den Rest der Nacht im Waschraum, zusammengekauert mit angezogenen Beinen in ihre Bettdecke geschlungen.

Sie musste eingenickt sein, denn sie wurde von der entsetzten Stimme von Herrn Sörensen geweckt: »Um Himmels willen, Frau Mertens! Was machen Sie denn da?« Mit erbarmungswürdigem Gesichtsausdruck schaute Nina Herrn Sörensen an: »Wonach sieht es denn Ihrer Meinung nach aus?«

»Komm erst mal mit, Deern. Du brauchst einen heißen Kaffee!«

Sprach’s, zog Nina hoch und nahm sie mit in seine kleine Platzwartwohnung.

Nina wärmte sich am dampfenden Kaffee und war Sörensen außerordentlich dankbar dafür. »Heute ist dein Glückstag, Mädel«, strahlte Sörensen sie an. »Mirco, mein Platzhelfer, wohnt den ganzen Sommer über bei seiner neuen Freundin. Du kannst seinen Wohnwagen haben – 400 Euro für vier Wochen.«

Nina konnte ihr Glück nicht fassen und fiel Sörensen spontan um den Hals, was wegen seines dicken Bauches nicht ganz einfach war. »Ist gut, min Deern«, sagte der verlegen. »Ich zeig dir das gute Stück erst mal!«

Zusammen gingen sie zu einem Tabbert Wohnwagen aus den siebziger Jahren, der direkt am Dünenrand stand – beste Lage des Campingplatzes. Nina war restlos begeistert von dem kleinen Kühlschrank, dem Gasherd, der Sitzecke und vor allem von dem großzügigen Bett mit den Rundumfenstern und fiel Sörensen noch mal um den Hals, diesmal schon etwas geübter. Über die Geschmacklosigkeit des Siebziger-Jahre-Designs mit seinen zahnbelagfarbenen Sichtschutzgardinen und der durchfall-braunen Kunstholzvertäfelung sah sie großzügig hinweg. Genau wie über die olivgrün-geblümten Cordbezüge der Sitzkissen.

Als Nina ihren Mercedes vor ihrem neuen Zuhause parkte und ihre Sachen auslud – endlich konnte sie ihre Koffer auspacken! – , wurde sie von ihrer Zeltplatznachbarin begrüßt, einer älteren Dame, die im Wohnwagen nebenan campierte.

»Hallo, ich bin Elli! Sind Sie Mircos Freundin?«, fragte die weißhaarige, knallbraune und ausgesprochen winzige Frau interessiert.

»Nein, ich mache hier nur Urlaub«, antwortete Nina. »Herr Sörensen hat mir Mircos Wohnwagen angeboten. Ich heiße Nina.«

Sie streckte Elli die Hand entgegen.

Die packte und schüttelte sie, und Nina wunderte sich, wie viel Kraft die rüstige Dame trotz ihrer zierlichen Statur besaß.

»Machen Sie hier auch Urlaub?«, fragte Nina.

»Ja«, strahlte Elli, »und zwar seit 15 Jahren!«

Nina sah sie irritiert an.

»Ich bin Dauercamperin«, erklärte Elli. »Ich lebe hier!«

»Ach so«, sagte Nina und fand diesen Status keineswegs selbstverständlich, sondern eher verwunderlich.

»Wenn Sie etwas brauchen, klopfen Sie gerne bei mir«, sagte Elli. »Ich bin fast immer da, und ich habe gerne Gesellschaft!«

»Okay! Vielen Dank«, antwortete Nina und fuhr fort, ihre Sachen auszupacken und sich in ihrem neuen Heim einzurichten.

Furchtlos schmiss sie sich später in die phänomenale Brandung, die der Sturm hinterlassen hatte. Unglaubliche Wellen, die einem sofort die Füße wegrissen, wenn man nicht schnell genug durch sie hindurchtauchte. Nina liebte das und stürzte sich kopfüber in die hohen Brecher.

Als sie sich wieder Richtung Ufer kämpfte und schon fast aus dem Wasser war, wurde sie plötzlich von etwas Hartem an der Hüfte getroffen! »Sorry!«, sagte eine Stimme. »Ich hab dich gar nicht gesehen! Hast du dich verletzt?«

Die Stimme gehörte einem Surfer mit Rastalocken und tiefbraunem Traumkörper. Er sah aus wie Tarzan in dem Musical, das sie vor ein paar Monaten in der »Neuen Flora« gesehen hatte. Tarzan – nur mit Tätowierungen und Bermudashorts statt Lendenschurz. Nina konnte nur wie gebannt starren. Ihr Gehirn schaltete auf Zeitlupe, als er näher kam und sie seine Schönheit, die samtig schimmernde Haut in sich aufsaugte.

Unter Tarzans Arm klemmte ein Surfbrett, und er strahlte sie mit blendend weißen Zähnen an.

»Äh, nein«, stammelte Nina. »Ist schon gut. Ist nix passiert!«

»Na, dann ist ja alles prima! Sorry noch mal«, freute sich Tarzan, drehte sich um und rannte in die Wellen.

Nina schaute ihm zu, wie er sich längs auf sein Surfbrett legte und gekonnt mit Armen und Händen über die Wellenkämme paddelte. Aber die eigentliche Attraktion war, wie er wenig später die Wellen absurfte. Was für ein Körpergefühl, was für eine Eleganz – und vor allem: Wie lässig war das eigentlich? Nina nahm sich vor, im Laufe ihres Urlaubs auf jeden Fall auch surfen zu lernen – es sah phantastisch aus. Und ganz abgesehen davon machte es sicher schlank. Nina war schon immer pragmatisch veranlagt …

Als sie bei ihrem Badehandtuch ankam, klingelte ihr Handy. Anne rief an. Ihr gefielen die Layouts, die Johanna, Ninas Vertretung, gebastelt hatte, nicht. Nina sollte bitte mal einen Blick drauf werfen und sie möglichst umfassend überarbeiten. Genervt eilte Nina zu ihrem Wohnwagen. Der Tag, der so schön begonnen hatte, würde offenbar noch sehr arbeitsreich werden.

In der Essecke ihres Wohnwagens richtete Nina sich ein provisorisches Büro ein. Laptop, WLAN-Station, Extra-Bildschirm. Das Blöde war nur: Nichts funktionierte. Sooft Nina auch neu verkabelte, aus- und wieder einstöpselte und die Fehlersuche aktivierte – der Computer hatte keinen Empfang.

Wütend packte Nina die WLAN-Station ein, schwang sich in ihren Mercedes und nahm Kurs auf Westerland. Dort hatte sie bei ihrer Ankunft einen Mobilfunkshop gesehen – und da sollte man ihr jetzt gefälligst Erste Hilfe leisten.

7

An der Verkaufstheke wartete sie ungeduldig auf einen »Berater«. Die Zeit lief ihr davon, sie konnte sich bildlich Annes genervtes Gesicht vorstellen.

»Hey, du schon wieder? Das bist du doch, oder?«

Nina stand Tarzan gegenüber – diesmal angezogen und mit zum Zopf gebändigten, noch nassen Rastalocken. Tarzan im Computerladen. Irgendwie absurd.

»Bin ich was?«, fragte Nina und ohrfeigte sich im Geiste für diesen Satzbau.

»Die Frau, die ich vorhin am Strand versucht habe, mit meinem Surfbrett umzubringen«, strahlte Tarzan Nina aus seinem albernen roten Vodafone-Hemd an – mit grünen Augen und dem sexiesten Lächeln, das sie je gesehen hatte. Er hatte diese unerhört erotische Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen, und seine unfassbar meeresgrünen Augen schielten mit einem leichten Silberblick. Seine Haare waren vom Salzwasser und der Sonne gebleicht, und an seinen tiefbraunen Unterarmen waren diese hellen, ausgebleichten Härchen …

»Ja«, sagte Nina krächzend. »Hat aber ja nicht so gut funktioniert!«

»Zum Glück!«, sagte Tarzan. »Ich bin Jan. Wie kann ich dir helfen?«

»Wie kommst du denn so schnell hierher?«, fragte Nina, die zuerst »Ich bin Jane« verstanden und beinahe laut losgeprustet hätte.

»Ich surfe oft vor meiner Schicht«, antwortete Jan. »Hast du sonst noch eine Frage?«

»Ja, natürlich, sorry«, sagte Nina und holte die WLAN-Station aus ihrer Tasche. »Das Ding funktioniert nicht! Mein Laptop hat damit keinen Empfang!«

»Hast du es dabei?«, fragte Jan.

»Nein«, sagte Nina.

Es gab viele unumstößliche Regeln im Leben einer Frau. Eine war, dass man irgendwann auf jeden Fall so wurde wie seine Mutter – ob man wollte oder nicht. Das war ein Naturgesetz, und es war klug, sich rechtzeitig damit abzufinden. Regel Nummer zwei lautete: Wenn man gut aussah, gut roch, frisch geduscht, top frisiert und endcool gestylt war, dann passierte es nie! Dann traf man nie ein Flirtobjekt. Das passierte grundsätzlich nur, wenn man zerzauste Haare hatte, ungeschminkt war, in Flipflops steckte und sich nur mal eben was übergeworfen hatte – so wie Nina jetzt. Die Haare noch nass und voller Sand, das offene Jeanshemd mit Flecken, aus dem ihr Bauch hervorlugte, als hätte sie sich dort eine halbe Melone implantiert. So sah es jedenfalls von oben – aus Ninas Perspektive – aus.

»Wo wohnst du denn?«, fragte Jan.

»In Kampen«, antwortete Nina.

Spöttisch verzog Jan den Mund. »Und dann brauchst du Hilfe?«

»Auf dem Campingplatz«, komplettierte Nina ihre Adressangabe.

»Ach so«. Jans Blick erhellte sich wieder. »Am sinnvollsten wäre es sicherlich, das Problem vor Ort zu lösen, damit es auch wirklich funktioniert. Ich bin ›Personal Supporter‹ und richte Computer und Netzwerke beim Kunden zu Hause ein. Kostet 30 Euro die Stunde.«

Nina kaufte ihn. Für 30 Euro hatte sie schon blöder geshoppt. »Ist aber super eilig«, sagte sie. »Du müsstest am besten gleich mitkommen.«

»Kein Problem!«, antwortete Jan. »Ich muss hier noch eine Sache fertig machen, und dann komme ich.«

»Super«, sagte Nina. »Dann bis gleich!«

Beschwingt vor sich hin lächelnd schlenderte sie aus dem Laden. Zum Glück hielt ihr eine ältere Frau in letzter Sekunde die Glastür auf, bevor sie frontal dagegengeprallt wäre.

8

Nachdem Nina in Westerland noch Lebensmittel eingekauft (sie besaß ja nun Kühlschrank und Herd) und in den praktischen Fächern des Wohnwagens verstaut hatte, sah sie Jan schon mit dem Rad ankommen. Unglaublich süß sah er aus mit seinem Kiter-Beanie, der ihm ausnehmend gut stand. Warum sahen Männer mit Mützen immer so gut aus? Ein ewiges Mysterium …

Geschickt und kundig stöpselte Jan Ninas Equipment aneinander. Seine braunen schlanken Finger flogen über die Tasten ihres Laptops, er schaltete hier etwas an und dort etwas aus – und schon stand ihre Verbindung. Der Mann war ein Genie!

Nina bot ihm einen Kaffee an, und sie setzten sich nebeneinander vor den Wohnwagen in die Sonne. Jan jobbte die Sommermonate als Surflehrer und Computer-Supporter, war Kommunikationswissenschaftsstudent in Berlin, Hobbykoch – und acht Jahre jünger als sie.

Als er schließlich ging, waren sie für den nächsten Tag in Ninas Wohnwagen zum Kochen verabredet. »Gas ist zum Kochen klasse, und ich muss ja noch etwas wiedergutmachen«, hatte Jan seine Selbsteinladung begründet.

Verwirrt und mit einem seltsam aufgeregten Gefühl im Bauch kletterte Nina zurück in ihren Wohnwagen und machte sich an die Arbeit. Anne tobte bestimmt schon. Nina hatte vorsichtshalber ihr iPhone ausgestellt. Sylt hatte ja bekanntermaßen gigantische Funklöcher …

Es war draußen schon fast dunkel, als sie ein Klopfen aus ihrer Konzentration riss. Schon fast zehn – das hatte sie gar nicht gemerkt. Etwas steif in den Gliedern, erhob sie sich und öffnete die Tür. Draußen stand Elli – mit einer Bratwurst in der Hand.

»Haben Sie Hunger?«, fragte sie lächelnd. Und ob Nina Hunger hatte! Beim Anblick der Wurst begann ihr Magen, derart laut zu knurren, als hätte sie einen Bären darin gefangen.

»Ich grille gerade. Haben Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«, fragte ihre betagte Nachbarin.

»Sehr gerne«, strahlte Nina, warf sich eine Jacke über und folgte Elli zu ihrer Parzelle. Für heute hatte sie eindeutig genug gearbeitet. Und: Hatte sie nicht eigentlich Urlaub?

Auf einem kleinen Grill brutzelten zahlreiche Würstchen und zwei Koteletts. Auf dem Campingtisch daneben standen zwei Teller und eine große Schüssel Kartoffelsalat. »Nehmen Sie doch Platz«, sagte Elli. Nina folgte der Aufforderung nur zu gerne.

»Wir können uns übrigens gerne duzen«, bot ihre Gastgeberin an. »Ich bin Elli!«

»Gerne! Ich bin Nina«.

»Nina, freut mich sehr«, sagte Elli und schüttelte Nina die Hand.

Wenig später aßen sie phantastisch leckere Würstchen und Ellis selbstgemachten Kartoffelsalat mit Gurken, Sardellen, Petersilie und Tomaten. Dazu gab es eiskaltes Bier aus der Flasche und Edelchips von Kampens einzigem Supermarkt, der fast ausschließlich Delikatessen und teure Weine im Angebot hatte.

»Warum wohnst du eigentlich im Wohnwagen, Elli?«, fragte Nina kauend.

»Ich hatte keine Lust auf Altersheim«, antwortete sie. »Nach Alberts Tod war mir das Haus zu einsam, da bin ich einfach hierhergezogen. Ich liebe das Leben unter freiem Himmel!«

Elli war 83, wie Nina erfuhr, und ihr Mann Albert war vor 15 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Kinder hatte sie keine.

»Na, Elli, grillste dir mal wieder was Feines?«

Sie hatten Sörensen gar nicht kommen hören. In der Hand hielt er eine Flasche Marillenschnaps, die er großzügig an Elli und Nina ausschenkte, als die ihn an den Tisch baten. »Marille« war Sörensens (nicht ganz) heimliche Leidenschaft und das Destillat dementsprechend lecker.

Der Mond war nur halb so voll wie Nina, als sie eine Stunde später lächelnd in ihr unglaublich komfortables Bett fiel. Wie sehr man sich doch über scheinbar Selbstverständliches freuen konnte: Vier stabile Außenwände, Sitzmöglichkeiten, ein Kühlschrank, ein Herd – und einen Schwips. Ninas Leben war perfekt luxuriös. Höchst zufrieden schlief sie ein. Es war einfach herrlich hier.

9

Nina hatte trotz heftiger Kopfschmerzen seit 8 Uhr morgens gearbeitet, als Jan um 17 Uhr an ihre Wohnwagentür klopfte. In der einen Hand hielt er ein Bund Koriander, in der anderen eine riesige Einkaufstüte.

»Hey, schon so spät«, begrüßte Nina ihn, »ich hab gar nicht mitgekriegt, dass schon Nachmittag ist. Setz dich! Ich räum nur schnell den Tisch frei!«

Jan stellte die Tüte ab und zog seine Jacke aus. Darunter trug er ein ziemlich enges, abgerocktes weißes T-Shirt, das seine Brustmuskeln perfekt herausmodulierte. Gewollt ungewollt. Nina musste innerlich grinsen. Aber sexy!

Das Muskelspiel seiner Arme faszinierte Nina, als Jan den Inhalt seiner Tüte auf dem Tisch ausbreitete: Basmatireis, Lammfleisch, diverse Gewürze und Töpfchen, Brokkoli, frische Feigen, eine sündhaft kalorienlastige Daim-Torte und zwei Flaschen Wein. »Einen Sauvignon Blanc für vorweg«, erklärte Jan, »und einen Ribera del Duero zum Essen. ›Pesquera‹, der ist superlecker!«

Nina fand zusammen kochen eigentlich blöd. So 68er-mäßig. Aber heute war sie sehr froh darüber, etwas zu tun zu haben und Gemüse schneiden und Fleisch zerkleinern zu können, statt mit Hirn-Totalausfall nach Gesprächsthemen suchen zu müssen.

»Auf einen schönen Abend«, sagte Jan und drückte Nina ein Glas Sauvignon in die Hand. »Setz dich doch einfach – ich mach das schon!«

Professionell zerkleinerte er das Gemüse und hackte Kräuter. Er konnte das mit diesen superschnellen Profi-Zack-Zack-Zack-Bewegungen. Fasziniert guckte Nina ihm zu. »Ich will wissen, wie er riecht«, dachte sie und schlug sich dafür im Geiste sofort auf die Finger. Sie nahm einen Schluck Wein, der überraschend aromenreich war: Er schmeckte nach Stachelbeeren, Holunder und Grapefruit. Begeistert nahm Nina noch einen Schluck. Und noch einen.

»Du könntest schon mal den Reis machen«, sagte Jan. »Am besten erst mal in Butter anbraten, dann wird er körniger!«

Nina tat, wie ihr geheißen, begab sich an den Herd und verrührte den Reis in zerlaufender Butter. Jan stellte sich ganz dicht hinter sie und schaute ihr über die Schulter. Nina spürte seinen Atem in ihrem Nacken, seinen Körper an ihrem Rücken – und bekam unwillkürlich eine Gänsehaut! Wenn sie jemand von hinten in den Nacken küsste, wurde sie sofort willenlos – aber das wusste Jan zum Glück nicht.

»Mmmmhhh, riecht das gut«, brummte Jan mit tiefem Bass in ihr Ohr, und seine Stimme vibrierte ihren Rücken hinunter. Nina wandte sich ihm zu. Er grinste, ärgerlicherweise irgendwie wissend, und ging zurück zum Tisch.

Erhitzt rührte Nina weiter. Das Essen war nicht das Einzige, das hier kochte.

Jan hatte das Fleisch fertig und übernahm wieder den Herd. Nina kümmerte sich um die Weinflasche und schenkte sich großzügig nach. Wenn sie ehrlich war, würde sie ihn am liebsten jetzt und hier sofort auf den Küchentisch werfen und zwischen Korianderstengeln und Brokkoliröschen über ihn herfallen.

Jan schnappte sich Brokkoli und Feigen vom Tisch und hob sein Glas, um mit ihr anzustoßen. Nina nahm einen tiefen Schluck Wein. Na gut, Tarzan, dann drehen wir den Spieß jetzt einfach mal um! Sie stand auf und guckte Jan von hinten über die Schulter. »Mmmhhh, riechst du gut!« Das war ihr so rausgerutscht. Er roch aber auch wirklich verdammt gut. Nach Salz, Meer, Sonne, Moschus, Holz und Tabak. »Wenn du wissen willst, ob du jemanden riechen magst«, hatte ihre Lieblingskollegin Andrea ihr mal gesagt, »musst du hinter den Ohren an ihm riechen. Nirgendwo sonst riecht man so intensiv nach sich selbst!«

Jan drehte sich um, grinste und sagte: »Du aber auch!«

Nina fühlte, dass sie rot wurde. Und wurde deshalb noch röter. Nervös kramte sie in der Besteckschublade.

Phantastisch lecker roch mittlerweile auch das, was Jan da in der Pfanne zusammenschmorte. Alle möglichen Gewürze hatte er verwendet und immer wieder abgeschmeckt. »Probier mal! Ist das so fertig?«, fragte er und hielt Nina einen Löffel hin, auf den er immer wieder pustete.

Nina probierte, und der Geschmack haute sie um! Selten hatte sie erlebt, dass jemand so etwas atemberaubend Leckeres kochen konnte. So viele Geschmacksnuancen! So fein und raffiniert!

»Ja. Gut! Sehr!«, stammelte sie. Jan quittierte es zufrieden.

»Gut! Dann können wir ja essen!«

Ninas ganz privater Starkoch richtete auch noch die Teller perfekt an. Stülpte den Reis vorher in Tassen, wischte den Rand ab und streute Korianderblätter über seine Kreation.

»Voilà: Lamm in Rotwein mit Brokkoli und Feigen!«

Ninas Sinne schwelgten. Sinnlichkeit – so musste es sein. Jans Kreation war süß durch die Feigen, würzig durch Lamm, Knoblauch und Rotwein und scharf durch die Chilis. Aber irgendwie waren da noch tausend Aromen mehr. Nina dachte an die Gerichte, die sie in indischen Restaurants gegessen hatte. Schwarzkümmel, Tandoori, Kardamom – auch dort war sie nie hinter die Rezeptur gekommen.

Nina registrierte noch etwas Unbekanntes: Zum Genuss des Essens gesellte sich eine seltsame, befremdlich wohltuende Entspanntheit. So als ob sowieso vollkommen klar sei, was gleich noch passieren würde – und sie sich genau deshalb Zeit lassen konnten …

Nachdem sie aufgegessen hatten, nahm Jan ihre Hand und streichelte sie. Sanft, zärtlich, vorsichtig. Es fühlte sich gut an. Gut und aufregend. »Was machst du da?«, fragte sie Jan. »Ich lerne dich kennen!«, antwortete er und schenkte ihr sein sexy Lächeln.

Auf die rosa Wolken, auf denen Nina mittlerweile schwebte, schlich sich plötzlich noch ein anderes Gefühl: Angst! Was passierte hier? Mit ihr? Mit Jan? Sie war eindeutig drauf und dran, sich zu verlieben. Sich in Jans Arme fallen zu lassen und den Rest der Welt zu vergessen.

STOPP!

Mit Gewalt riss Nina sich aus der aufgeheizten Stimmung. Sie wollte doch keinen surfenden Studenten!! Sie wollte einen Millionär!! Und außerdem wollte sie nicht arbeitslos werden – Anne wartete sicher schon verzweifelt auf Ninas Mail.

»Shit! Ich muss noch die Layouts fertig machen«, zog Nina unvermittelt die Notbremse.

SCRATCH! Flirt interruptus.

Sie hatte laut gedacht, und es war, als hätte die Platte mitten beim romantischen Engtanz plötzlich einen Sprung bekommen.

»Kein Problem«, sagte Jan. »Ich spüle noch kurz ab und lass dich dann alleine.«

»Warst du schon mal in der Strandsauna?«, fragte Jan, als er auf sein Fahrrad stieg.

»Nein, was ist denn das?«, fragte Nina.

»Lass dich überraschen«, antwortete Jan. »Ich hole dich morgen um drei ab, okay?«

»Ja gut«, sagte Nina und war in Gedanken schon bei Anne und ihrer voraussichtlichen Kündigung, wenn sie die Layouts nicht heute noch fertig bekam.

10

Sich nach den prickelnden Stunden mit Jan wieder auf die öden Layouts zu konzentrieren war nicht leicht gewesen, aber gegen zehn war Nina endlich fertig. Um die Verspannung in ihrem Nacken zu lösen und den Tag zu verarbeiten, beschloss sie, sich eine lange, heiße Dusche zu gönnen.