Tabuthema sexualisierter Kindesmissbrauch. Mit welchen Herausforderungen ist die Kinder- und Jugendhilfe konfrontiert? -  - E-Book

Tabuthema sexualisierter Kindesmissbrauch. Mit welchen Herausforderungen ist die Kinder- und Jugendhilfe konfrontiert? E-Book

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Beschreibung

Sexueller Missbrauch in der Familie ist ein aktuelles, aber tabuisiertes Thema in unserer Gesellschaft. Der fehlende öffentliche und fachspezifische Diskurs führt dazu, dass adäquate Hilfeleistungen fehlen. In der freien Kinder- und Jugendhilfe kann dies zu einem verspäteten Eingriff in der Familie führen und schwerwiegende Konsequenzen haben. Warum versteht jede Person etwas Anderes unter dem Begriff sexueller Missbrauch? Mit welchen Herausforderungen wird die Kinder- und Jugendhilfe bei der Zusammenarbeit mit betroffenen Familien konfrontiert? Diese Publikation leistet einen Beitrag, sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen unter dem Deckmantel der Familie näher zu beleuchten. Dabei geht sie insbesondere auf Vorgehensweisen der Täter, Ursachen und Auswirkungen in der Familie sowie Herausforderungen für die Jugendhilfe ein. Aus dem Inhalt: - Sozialpädagogik; - Prävention; - Aufklärung; - Kindeswohl; - Kindeswohlgefährdung

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Seitenzahl: 140

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Begriffsklärung

2.1 Begriffsdefinitionen zum Themenbereich

2.2 Definitionskriterien zum Themenbereich

2.3 Persönliche Begriffsbenutzung und deren Erläuterung

2.4 Rechtliche Perspektive sexuellen Missbrauchs

2.4.1 Das Grundgesetz

2.4.2 Das Strafgesetzbuch

2.4.3 Das achte Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe

3 Empirie sexuellen Missbrauchs

3.1 Die Betroffenen

3.1.1 Inzidenz

3.1.2 Prävalenz

3.2 Besondere Gefährdungslage

3.3 Die Missbrauchenden

4 Die Vorgehensweise

4.1 Die allgemeinen Strategien der Missbrauchenden

4.2 Die Strategien der Missbrauchenden im innerfamiliären Kontext

5 Sexueller Missbrauch und Familie – Erklärungsmodelle

5.1 Traditionelles Ursachenverständnis

5.2 Feministisches Ursachenverständnis

5.3 Das Drei-Perspektiven-Modell

5.4 Der familiendynamische Ansatz

5.5 Der psychopathologische Ansatz

6 Die pathogene Dynamik des sexuellen Missbrauchs

6.1 Parentifizierung

6.2 Die Rolle der Geliebten

6.3 Lieblose Familienstruktur

6.4 Wehrlosigkeit

6.5 Seelische Schmerzen des Kindes

6.6 Verrat, Vertrauensbruch und die Rolle des passiven Elternteils

6.7 Ambivalenzen

7 Fallbeispiel

7.1 Heikos Kindheit

7.2 Familienverlauf

7.3 Der Anfang eines Geheimnisses

7.4 Interpretation und Verknüpfung

8 Kinder- und Jugendhilfe und sexueller Kindesmissbrauch

8.1 Das sozialpädagogische Handeln

8.1.1 Das Mandat zwischen Hilfe und Kontrolle

8.1.2 Kompetenzanforderung

8.1.3 Schnittstelle Familie – Jugendamt

8.1.4 Subjektorientierung

8.2 Handlungsorientierung

8.2.1 Orientierung am Kindeswohl/ Kinderrechten

8.2.2 Parteiliche Haltung

9 Hilfen für Familien

9.1 Definition Prävention

9.2 Präventionsaufklärung in der Schule

9.3 Kein Täter werden

9.4 Die Hilfen zur Erziehung – SGB VIII

9.5 Erziehungsberatung

9.6 Inobhutnahme

10 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abs.                                        Absatz

Aufl.                                       Auflage

BGB                                       Bürgerliches Gesetzbuch

Bspw.                                     Beispielsweise

Bzgl.                                       Bezüglich

Bzw.                                       Beziehungsweise

Ca.                                          Circa

i.V.m                                       In Verbindung mit

ISR                                         Individuelle soziale Repräsentation

KFN                                       Kriminologisches Forschungsinstitut

PKS                                        Polizeiliche Kriminalstatistik

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Dunkelfelduntersuchungen zum Ausmaß des sexuellen Missbrauch an Kindern (Bange, 2004).

Abbildung 1: Bekanntheitsgrad der sexuell missbrauchenden Personen (in Prozent).

Vorwort

Sie hat so viele Jahre geschwiegen und wir haben nichts gemerkt! – wie konnte es nur so weit kommen?

So ähnlich könnte der Gedankengang einer Person aus dem nahen Umfeld der missbrauchten Person sein. Sexueller Missbrauch am Kind oder am Jugendlichen ist schwierig aufzudecken, vor allem wenn dies im familiären Bereich geschieht.

Aber warum?

Würde ich mich als betroffene Person nicht selbst jemanden anvertrauen? Das Geschehen offenbaren, auch wenn vielleicht das eigene Elternteil die Tat begangen hat? Warum hat niemand etwas gemerkt? Oder wollte es niemand merken? Wie kommt der Vater auf die Idee seine eigene Tochter sexuell zu missbrauchen?

1   Einleitung

Ziel der Arbeit

Sexueller Missbrauch ist ein gravierendes und bedauerlicherweise auch in unseren gesellschaftlichen Verhältnissen ein aktuelles Thema.

In der vorliegenden Bachelorarbeit soll dieser umfangreiche Themenkomplex behandelt werden und einen Beitrag leisten, die Dimension sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen näher zu beleuchten. Im Allgemeinen soll mit dieser Bachelorarbeit auch eine gesellschaftliche Problematik aufgezeigt werden. Sexueller Missbrauch wird im alltäglichen Leben tabuisiert und verhindert somit einen öffentlichen und fachspezifischen Diskurs, um adäquate Hilfeleistungen anzubieten und weiterzuentwickeln.

Fachliche Zugänge sollen eine Übersicht verschaffen und gleichzeitig die problematische und herausfordernde Situation der Kinder- und Jugendhilfe beleuchten. Wie sich im Verlauf dieser Arbeit feststellen lassen wird, bietet die Kinder- und Jugendhilfe bereits (präventive) Maßnahmen an, die in der praktischen Umsetzung mit Schwierigkeiten verbunden sind. Damit diese minimiert werden ist es notwendig, sich mit dem Thema der sexualisierten Gewalt, vor allem unter dem Deckmantel der Familie, zu beschäftigen, um in der Umsetzung eine methodisch ähnliche und transparente Vorgehensweise einzurichten.

Folgende Fragestellungen geben der vorliegenden Bachelorarbeit einen Rahmen:

· Weshalb versteht jede Person etwas anderes unter „sexuellen Missbrauch“?

· Warum vergeht eine lange Zeit bis sexueller Missbrauch aufgedeckt wird?

· Welche Strategien nutzen die Tatbegehenden?

· Welche Ursachen und Dynamiken führen zu einem sexuellen Missbrauch am (eigenen) Kind?

· Wie wirkt sich sexueller Missbrauch auf das Zusammenleben in der Familie aus?

· Mit welchen Herausforderungen und problematischen Situationen wird die Kinder- und Jugendhilfe bei der Zusammenarbeit mit den Familien konfrontiert, in denen sexueller Missbrauch stattfindet?

Abgrenzung

Zu Beginn dieser Arbeit befasse ich mich mit allgemeinen Fakten und dem Ausmaß sexualisierter Gewalt. Hierbei werden sowohl der fremde Personenkreis, als auch Personen aus dem nahen Umfeld angesprochen. Im Fortgang werden im Kontext des sexuellen Missbrauchs innerhalb der Familie speziell nur der sexuelle Missbrauch zwischen Elternteil und Kind veranschaulicht. Ebenfalls werden bei den Opfern sowohl, Mädchen als auch Jungen betrachtet sowie bei den Missbrauchspersonen Männer als auch Frauen. Zu vermerken ist, dass Forschungen bzgl. weiblicher Missbrauchsgruppen eher weniger durchgeführt wurden. Dementsprechend liegt der Fokus in dieser Arbeit, vor allem auf dem männlichen Geschlecht. Sobald sich Kapitel oder Abschnitte dieser Arbeit speziell auf einen Personen- oder Geschlechterkreis fokussieren, wird dies kenntlich gemacht.

Bzgl. der Altersgrenze der Kinder und Jugendlichen soll beachtet werden, dass die gesetzliche Grenze des sexuellen Missbrauchs nach § 176 StGB bei Vollendung des 14. Lebensjahres festgelegt wurde. In dieser Arbeit erfolgt keine punktuelle Einschränkung an Kinder und Jugendlichen, da mir bewusst ist, dass der Entwicklungsstand jedes Kindes oder Jugendlichen stark variieren kann.

Aufbau der Arbeit

Die Einleitung soll eine Heranführung an die Thematik und die vorhandene Fragestellung darstellen, hierdurch wird eine Eingrenzung des Themas möglich.

Das zweite Kapitel betrachtet die diversen Begriffsbestimmungen sexuellen Missbrauchs, sowie deren Definitionskriterien. Damit ein gemeinsames Begriffsverständnis vorliegt, wird eine persönlich passende Definition vorgestellt und erläutert. Im Weiteren werden die rechtlichen Perspektiven in Deutschland bzgl. des sexuellen Missbrauchs aufgezeigt.

Das Ausmaß sexualisierter Gewalt hinsichtlich der Missbrauchenden sowie der missbrauchten Personen, wird im dritten Kapitel veranschaulicht. Zusätzlich werden Personen mit besonderer Gefährdungslage aufgezeigt.

Das darauffolgende Kapitel beschäftigt sich mit den allgemeinen Strategien der Tatbegehenden und geht im weiteren Verlauf speziell auf das Vorgehen im familiären Kontext ein.

Nach der Beschreibung der Strategien, soll ein Überblick gegeben werden, welche Ursachen und Impulse dem sexuellen Missbrauch zugrunde liegen. Diese werden auch mithilfe von Literatur und eigenen Gedankengängen kritisch gewürdigt.

Kapitel sechs geht besonders auf die Auswirkungen sexualisierter Gewalt hinsichtlich der familiären Beziehungsgestaltung und Konstellation ein.

Im nachfolgenden Abschnitt wird ein reales Fallbeispiel aufgezeigt und mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen verknüpft und interpretiert.

Im achten Kapitel wird aufgezeigt, welchen herausfordernden Situationen die Kinder- und Jugendhilfe ausgesetzt ist, wenn sie mit Familien zusammenarbeitet, in der sexueller Missbrauch vorherrscht.

Der vorletzte Abschnitt definiert zunächst primäre, sekundäre und tertiäre Präventionsmaßnahmen. Hierbei sollen nicht nur (potentiell) missbrauchte Personen Hilfe erhalten, sondern auch die Missbrauchspersonen sowie die Familie im Allgemeinen.

2 Begriffsklärung

In diesem Abschnitt sollen die vielfältig angewandten Begriffsbestimmungen innerhalb des Themenkomplexes der sexuellen Gewalt an Kindern beleuchtet und voneinander abgegrenzt werden. Hinsichtlich der reichlichen Termini und Definitionen bzw. Definitionsansätzen und dem daraus entstehenden großem Spektrum an Bedeutungen, bestrebt der folgende Abschnitt zur Verringerung von Unstimmigkeiten und Verwechslungen.

2.1  Begriffsdefinitionen zum Themenbereich

In der Literatur existieren diverse nebeneinander oder auch synonym verwendete Termini und Definitionen für den Problembereich des sexuellen Missbrauchs an Kindern. Die individuelle Betrachtungsweise der einzelnen Begrifflichkeiten führt zu unterschiedlichen Interpretationen und entsprechenden Lösungsansätzen, sodass von einem regelrechten „Begriffs- und Definitionswirrwarr“[1] die Rede ist.[2] Neben dem bisher geläufigsten Begriff, dem „sexuellen Missbrauch“ wird eine Vielzahl von weiteren Begrifflichkeiten, wie „sexuelle Gewalt“, „sexuelle Ausbeutung“, „sexuelle Misshandlung“, „Inzest“, „Pädosexualität“, „sexuelle Belästigung“ oder gar „Seelenmord“ verwendet.[3]

Diese Begrifflichkeiten versuchen im Grunde genommen, das gleiche Geschehen aufzuzeigen, wobei es aufgrund der großen Bandbreite an Definitionsunterschiedlichkeiten und den daraus resultierenden Merkmalen, leicht zu Missverständnissen und entsprechenden Problematiken kommen kann. Demzufolge sind präzise und vergleichbare Definitionen für die Forschung, Diagnostik, Behandlung und vor allem in öffentlichen Diskursen von essentieller Relevanz.[4]

Zum allgemeinen Verständnis und als Grundlage dient zunächst die Annäherung vom Begriff des „sexuellen Missbrauchs“.[5] Für die Benutzung dieser Wortwahl sind drei Argumente ausschlaggebend. Zunächst wird mit dieser Bezeichnung jegliche Assoziation, die eine Verantwortung des betroffenen Kindes am Geschehen beinhalten entgegengesteuert. Des Weiteren wird dieser Begriff auch in der juristischen Fachsprache verwendet. Zuletzt hat sich der Begriff auch im öffentlichen Sprachgebrauch durchgesetzt.[6] Zu kritisieren ist an dieser Begriffsnutzung, dass das Wort „Missbrauch“ „die Möglichkeit eines ‚richtigen bzw. legitimen (sexuellen) Gebrauchs‘ von Kindern suggeriere. Außerdem habe der Begriff eine stigmatisierende Wirkung, die die Betroffenen schmutzig erscheinen lasse. Schließlich spiegle er ihre Gefühle nicht wider.“[7]

2.2  Definitionskriterien zum Themenbereich

Wie bereits erkennbar wird, gibt es an der bisher geläufigsten Begrifflichkeit kritische Anmerkungen. Entsprechend wird es nie eine allgemein anerkannte Definition für den sexuellen Missbrauch an Kindern geben. Was jedoch unter einem sexuellen Missbrauch verstanden werden kann, lässt sich in diverse Kategorien einordnen. Damit soll ein einheitliches Verständnis von Missbrauchsmerkmalen erzielt werden. Zunächst wird zwischen „engen“ und „weiten“ Definitionen unterschieden, anschließend erfolgen Differenzierungsmöglichkeiten nach normativen-, klinischen- und Forschungsdefinitionen.

Unter den weiten Begriffsbestimmungen, wird jegliches potenziell schädliches Handeln angesehen. Hierzu zählen auch sexuelle Übergriffe ohne Körperkontakt[8], den sog. „Hands-Off“- Taten. Formen ohne direkten Körperkontakt, lassen sich bspw. an folgenden Kriterien erkennen: „Hands- Off“ – Taten ist eine Form der sexuellen Belästigung auf verbaler Ebene. Aber auch das Aufzeigen von sexuellen Aktivitäten, wie bspw. pornographische Darstellungen oder exhibitionistische Taten. Film- oder Fotoaufnahmen, die das Kind auf eine sexualisierte Art darstellen sowie Handlungen, die Kinderprostitution ermöglichen, gehören ebenfalls zu dieser Kategorie.[9]

Ergänzend dient die Definition des „National Center for Diseases Control and Prevention“ als weite Definition. Hier wird versucht eine möglichst breit gefächerte Definition sexuellen Missbrauchs darzustellen. Es berücksichtigt nicht nur die unterschiedlichen Missbrauchsgruppen, sondern auch die Art der Handlung.

„Als sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen wird jeder versuchte oder vollendete sexuelle Akt und Kontakt von Bezugs- und Betreuungspersonen am Kind aufgefasst, aber auch sexuelle Handlungen, die ohne direkten Körperkontakt stattfinden.“[10]

Enge Definitionen hingegen versuchen „bereits als schädlich identifizierte bzw. nach einem sozialen Konsens normativ als solche bewertete Handlungen einzubeziehen“[11] Hierzu zählen auch die sexuellen Formen mit direktem Kontakt, den sog. „Hands-On“- Taten. Diese beziehen sich auf:

Penetrative Handlungen: Diese bezeichnen alle abgeschlossenen oder versuchten, Handlungen vaginaler oder analer Penetration mit dem Penis, den Fingern oder Gegenständen. Gleichermaßen gilt auch der Kontakt zwischen Mund und Genitalien oder dem Anus.[12] Diese Art des sexuellen Missbrauchs wird auch als intensiver Missbrauch verstanden.[13]

Handlungen mit sexuellem Kontakt: Zu dieser Form zählen alle absichtlichen Annäherungsversuche und Berührungen – auch über der Kleidung – insbesondere an den inneren Oberschenkel, der Genitalien, der Leistengegend, des Anus und der Brüste. Hierzu zählt auch das Verlangen der tatbegehenden Person, an diesen Stellen berührt zu werden. Berührungen, die zur Erfüllung der Grundbedürfnisse dienen, wie etwa die Unterstützung beim Waschen, werden hierbei nicht mit einbezogen.[14] Der Missbrauch wird hier als weniger intensiv erfasst. Dennoch muss auch hier berücksichtigt werden, dass die weniger intensive Art sexuellen Missbrauchs das Kind schädigt.[15]

Die sog. „Hands-On“ Form besteht nicht nur aus dem direkten Kontakt und der Handlung zwischen der tatbegehenden Person und der betroffenen Personen. Bei mehreren gleichzeitig betroffenen Kindern und Jugendlichen, erzwingen die missbrauchenden Personen auch sexuelle Interaktion zwischen Kindern und Jugendlichen.[16]

Normative Definitionen finden ihren Gebrauch in der Rechtsvorschrift oder in Normen und Werten. Daraus resultiert eine zuvor festgelegte Bewertung von Handlungen oder Ergebnissen. Entsprechend dieser Grundlage erfolgt eine bewusste Benachteiligung traumatisierender Umstände und der sich daraus entwickelnden Folgen für die betroffene Person. Die klinische Definition dagegen nutzt genau den Aspekt der subjektiven Wahrnehmung und bildet den Baustein für Therapie und Beratung. Die Forschungsdefinition vereint sowohl die normativen Bewertungen als auch die klinischen Erfahrungen und bildet eine Sondergruppe. Für die Nutzung einer jeweiligen Definition sind hierbei die Fragestellung und das Erkenntnisinteresse von zentraler Bedeutung.[17]

Die aufgeführten Kategorisierungen sollen aufzeigen, dass ein einziges Definitionskriterium nicht ausreicht um den Themenkomplex des sexuellen Missbrauchs aufzuzeigen. Entsprechend wird es nie eine vollkommen einheitliche Definition geben, da es immer wieder Grenzfälle gibt, die zu Kontroversen in der Fachsprache führen.[18]

2.3  Persönliche Begriffsbenutzung und deren Erläuterung

Diese Arbeit befasst sich mit der sexualisierten Gewalt in der Familie als Herausforderung der Kinder- und Jugendhilfe. Dementsprechend ist eine enge Definition hilfreich, um die Handlungsmöglichkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe möglichst präzise aufzuzeigen.

Eine persönlich passende Definition sexualisierter Gewalt soll im Folgenden vorgestellt werden: „jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“[19]

Ergänzend zu diesem Definitionsansatz wäre aus meiner Sicht die Intention der missbrauchenden Person als weiteres Kriterium hinzuzufügen, da immer mit einer bestimmten Absicht gehandelt wird. Ebenfalls könnte meiner Meinung nach der Aspekt der Geheimhaltung hinzugefügt werden, da diese den Prozess zugunsten der missbrauchenden Person verlängert und die Tat somit unentdeckt bleibt. Bedeutsam ist, dass die Ungleichheit der betreffenden Personen zum Ausdruck gebracht wird. Diese Ungleichheit zeigt in dieser Konstellation das deutliche Abhängigkeitsverhältnis von Kindern zu Erwachsenen auf.

Kinder sind rechtlich sozial, emotional und finanziell abhängig von erwachsenen Personen, sodass ein großes Beziehungs- sowie Machtgefälle entsteht. Sexualisierte Gewalt ist somit immer auch ein Machtmissbrauch.[20]

Für die vorliegende Arbeit wurde sich bewusst für die Nutzung der Begriffe sexueller Missbrauch und sexualisierter Gewalt entschieden. Sexualisierte Gewalt wird in der wissenschaftlichen Sichtweise als zunehmend korrekt bezeichnet und veranschaulicht, dass es sich vor allem um eine Form der Gewalttat handelt, welche mittels sexueller Übergriffe ausgeübt wird. Dabei wird die Autorität, die Macht oder das Vertrauen gegenüber des Kindes oder der jugendlichen Person benutzt, um eigene sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen.[21] Kritisch zu betrachten ist bei der Verwendung dieses Begriffes, dass Missbrauch nicht zwingend gewalttätig sein muss. Der von der Missbrauchsperson ausgeführte Gewaltakt kann äußerlich nicht immer gesehen werden, da es nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf psychischer Ebene erfolgen kann.

Die Begriffe sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt werden in der fortlaufenden Arbeit synonym verstanden.

2.4  Rechtliche Perspektive sexuellen Missbrauchs

In diesem Abschnitt soll der Umschwung von der sozialwissenschaftlichen Sichtweise hin zur juristischen Perspektive sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen aufgezeigt werden.

Im Allgemeinen soll zunächst auf die deutsche Gesetzgebung hinsichtlich sexuellem Missbrauch eingegangen werden. Hierzu dienen das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch als allgemeiner Rahmen. Das achte Sozialgesetzbuch hingegen veranschaulicht die Grundrechte von Kindern, Jugendlichen und Erziehungsberechtigten sowie der Aufgaben- und Schutzaspekt der Kinder- und Jugendhilfe.

2.4.1 Das Grundgesetz

Die Grundlage für eine gewaltfreie Erziehung ist im Grundgesetz verortet. Artikel 1 Abs.1 Grundgesetz beschreibt die unantastbare Würde eines jeden Menschen und die staatliche Pflicht diese zu schützen. Hier wird das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 2) und auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2) Bezug genommen. Resultierend ist im Grundgesetz eine gewaltfreie Erziehung zu erkennen, die folgend gegen den sexuellen Missbrauch ist.

2.4.2 Das Strafgesetzbuch

Vergehen gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung werden in der Bundesrepublik Deutschland im dreizehnten Abschnitt des StGB festgehalten und in §§ 174 - 184 als „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ definiert. Entsprechend ist sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Deutschland nicht nur verboten, sondern wird auch bestraft.

Im Allgemeinen dienen sie (altersunabhängig) dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung vor gewaltsamen Übergriffen (bspw. § 177, § 178 STGB) und der ungestörten Entwicklung der sexuellen Entfaltung (bspw. § 174, § 176 StGB). Der § 176 StGB – „Sexueller Missbrauch an Kindern“ bezieht sich auf sexuelle Handlungen mit oder an Kindern unter 14 Jahren und hat eine Freiheitsstrafe zufolge. Ergänzend dazu dient § 176a StGB „schwerer sexueller Missbrauch von Kindern“. Diese Rechtsnorm tritt in Kraft, wenn der Missbrauch eine penetrative Handlung aufweist, von mehreren Personen begangen wurde oder die Tat erhebliche körperliche oder seelische Auswirkungen auf das Kind hat. In § 182 StGB werden bei sexuellem Missbrauch an Jugendlichen alle Personen strafrechtlich verfolgt, welche Situationen von Jungen und Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren ausnutzen.[22] Ergänzend zu dieser Rechtsnorm sind in § 174 StGB Jugendliche bis zu einem Alter von 18 Jahren zu schützen, wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen oder der erwachsenen Person zur Erziehung, zur Ausbildung oder Betreuung anvertraut wurden. Im Fortgang besteht nach § 177 StGB„Sexuelle Nötigung“ und § 178 StGB„Sexuelle Nötigung mit Todesfolge“, unabhängig vom Alter des Opfers, ein Strafbestand. In § 179 StGB wird ebenfalls der Schutz widerstandsfähiger Personen bekräftigt, welche entweder unter einer geistigen und/ oder seelischen Erkrankung oder einer erheblichen Bewusstseinsstörung leiden, aber auch Menschen mit einer Suchterkrankung.[23]

2.4.3 Das achte Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe

Seit 1991 wird in Deutschland das Vorgehen der Kinder- und Jugendhilfe durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz geregelt. Verankert ist dies im achten Sozialgesetzbuch.[24] Dort bestimmt bereits § 1 Abs. 1 SGB VIII den gesetzlichen Rechtsanspruch von Kindern- und Jugendlichen auf Erziehung sowie die Förderung der persönlichen Entwicklung. Aus diesem Recht folgt die Pflicht der Eltern, diese umzusetzen. Als Kontrollinstanz hierfür dient die Kinder- und Jugendhilfe. Sie verhilft zu einer individuellen und sozialen Entwicklungsförderung und trägt zu positiven Lebensbedingungen der Familie bei, baut Benachteiligungen ab, berät und unterstützt Eltern in ihrer Erziehung. Durch § 1 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII