Täglich zu Tiffany - Christine Weiner - E-Book

Täglich zu Tiffany E-Book

Christine Weiner

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Beschreibung

Sie ist unangepasst, sie hat Charme und ein untrügliches Gespür für Stil. Bis heute fasziniert die unvergessene Audrey Hepburn alias Holly Golightly in dem Filmklassiker »Frühstück bei Tiffany« Generationen von Frauen. Die gute Nachricht: Jede Frau kann etwas von Holly lernen!

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Kupfer, Carola; Weiner, Christine

Täglich zu Tiffany

Vom Vergnügen anders zu sein

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2007. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

E-Book ISBN: 978-3-593-40290-1

»Ich habe eine prima Idee: Wir tun heute einmal alles das, was wir noch nie getan haben.«

|9|Vorwort

Ein schwarzes Kleid, eine Perlenkette, ein gekonnter Augenaufschlag und eine Zigarettenspitze, und jeder weiß, wer gemeint ist: Holly Golightly alias Audrey Hepburn. Von Postern lächelt sie herab, auf zahlreichen Buch- und Zeitungscovern findet man ihre elegante Silhouette – und ihr unverwechselbarer Augenaufschlag schmückt Kaffeebecher, Handtaschen und Tagebücher. Eine Roman- und Filmfigur, die sich verselbstständigt hat. Sie wurde zu einer zeitlosen Stilikone, also etwas, das es in unserer von schnellen Trends geprägten Zeit kaum mehr gibt. Sie ist ein Phänomen und ein Mythos: jung, schön, eigensinnig und unglaublich sexy, ohne nackte Haut zu zeigen. Sie ist erstaunlich individuell, ohne auf Biegen und Brechen mit schriller Kleidung auf sich aufmerksam zu machen. Dabei gleichzeitig begehrenswert und mädchenhaft, Männer verschlingend und schutzbedürftig – kurz: eine gekonnte Mischung aus vielen Träumen und Bildern, die Frauen und Männer schon immer beschäftigen.

Das Erstaunliche daran ist das Durchhaltevermögen dieser ungewöhnlichen Stilikone: Seit sie Anfang der 60er Jahre weltweit das gesellschaftliche Parkett betreten hat, ist sie von dort nicht mehr wegzudenken. Weder die Hippies der 70er Jahre, noch die Disco-Welt der 80er oder die computergeprägten 90er Jahre konnten dieses zierliche junge Ding im kleinen Schwarzen aus unseren Köpfen vertreiben.

|10|Heute feiert sie geradezu ein Revival. Plötzlich ist sie wieder überall: Ihr Kleidungsstil – der letzte Schrei auf jeder Party. Ihre tiefschwarz getuschten Wimpern – ein Muss für jedes Make-up. Die Perlenkette – schon Teenies tragen sie als unechte Imitate. Der dem Film zugrunde liegende Roman von Truman Capote wurde neu verlegt, und das Leben der sie verkörpernden Schauspielerin in der x-ten Version dokumentiert. Und alle schauen hin: die Generation unserer Großmütter und Mütter, die mit ihr erwachsen wurde. Wir, die wir seither so viele Trends mitgemacht haben, ohne sie dabei zu vergessen. Und unsere Töchter, die zwar eigentlich in tief hängenden Jeans herumlaufen, doch trotzdem gern in Ballerinas durch die Gegend tänzeln.

Das alles sind Gründe, über das Phänomen nachzudenken. Wir sind dabei nicht nur einer erstaunlichen Filmfigur näher gekommen, sondern auch uns selbst und diese Erfahrung möchten wir gern weitergeben – stilvoll und ein wenig exzentrisch, versteht sich.

Die Idee zu diesem Buch entstand, wie die schönsten Ideen und Geschichten immer zum Leben erweckt werden: im trauten Kreis lieber Menschen. Wir planten mit unseren engsten Freundinnen einen wunderbaren Kinoabend im Wohnzimmer.

Für Pizza, Popcorn und guten Wein hatte die Gastgeberin gesorgt. Von vornherein stand für uns alle fest, dass wir einen Filmklassiker sehen wollten. Jede brachte also ihren Lieblingsfilm mit. Für Christine war dies Das Feld der Träume, für Julia Über den Dächern von Nizza, Barbara wollte unbedingt wieder einmal Vom Winde verweht sehen, und Sophia wünschte es sich skurril und hatte Trio Infernal mitgebracht.

Mitten in diesem Durcheinander legte Carola Frühstück bei Tiffany auf den Tisch. Ein freudiges Juchzen ging durch den Raum, und alle anderen Filme waren schnell zur Seite geschoben. Ja, das war das Richtige für diesen Abend: die zarte |11|Audrey Hepburn als liebenswert-exzentrische Holly Golightly mit ihrem Kater ohne Namen und dem unvergleichlich elegantglamourösen Stil.

»Der Film ist wunderbar, den schauen wir uns an!«, entschied Barbara für uns alle, und so tauchten wir ein in die Welt der 60er Jahre. Wir lachten und litten mit Holly Golightly, wir träumten und feierten mit ihr – und nach einem gelungenen Hollywood-Happy-End kehrten wir tief berührt, aber auch etwas verwundert aus dem verregneten New York ins heimische Wohnzimmer zurück.

Was war da gerade mit uns geschehen? Wir hatten den Weg der bezaubernden Holly mitverfolgt und eine tiefe Sehnsucht empfunden, die über den Film hinweg im Raum spürbar hängen blieb. Jede von uns fühlte ein Sehnen nach ... – ja, wonach eigentlich? Ein unbestimmter Traum von mehr Leichtigkeit im Leben, von Abenteuerlust und Erlebniskitzel, von Stil und Glamour hatte begonnen uns zu verzaubern und brachte uns gleichzeitig zum Nachdenken.

Diese Figur, diese wunderbar kindlich-anspruchsvolle Holly Golightly, ließ uns nicht mehr los. Sie hatte mehr Liebhaber als Ringe an den Fingern und wirkte doch einsam und verlassen; sie war verwegen, wagemutig, draufgängerisch – und doch gleichzeitig zerbrechlich und naiv-anrührend. Einfach faszinierend und bezaubernd.

Noch am nächsten Tag dachte jede von uns immer wieder einmal an den Film zurück: Julia suchte ihr kleines Schwarzes hervor, Christine trug eine Perlenkette, Carola steckte ihre Haare kunstvoll hoch und Barbara schrieb ein wunderschönes (und tief melancholisches) Gedicht. Wir waren in die Welt der Holly Golightly eingetaucht und schlenderten mit ihr traumverloren durch die New Yorker Filiale des Juweliers Tiffany.

|12|Den Traum ins Leben holen

Es gibt Menschen, die scheinen uns ganz nah und vertraut, obwohl wir sie gar nicht persönlich kennen. Manchmal ist sogar gleichgültig, ob dieser Mensch noch lebt, und manchmal kann er sogar reine Fiktion sein: eine Märchenfigur, eine Frau auf einem bestimmten Bild, eine Figur aus einem Film – sie können uns zu Schwestern werden. Ihr Name fällt, und schon steigen vor unserem inneren Auge klar umrissene Bilder auf, vielleicht sogar ganze Geschichten. Wir fühlen uns zu dieser Figur hingezogen, fühlen uns mit ihr verbunden.

So ergeht es uns und vielen anderen Frauen mit Holly Golightly, gespielt von der unvergleichlichen Audrey Hepburn in dem weltbekannten Film Frühstück bei Tiffany. Diese Figur fasziniert Frauen (und Männer) nun schon in der dritten Generation. Offenbar finden wir uns alle ein wenig in ihr wieder. Sie weckt unsere Träume und Sehnsüchte nach einem anderen Leben, nach Leichtigkeit und Lebensfreude, nach Stil und Charme, aber auch nach Liebe und Geborgenheit. Träume und Sehnsüchte, die nur darauf warten, erfüllt zu werden. Reflektiert man den Filmgenuss genau, so bleiben jedoch seltsamerweise vom Film nur wenige Bilder und Szenen im Gedächtnis haften. Sehr viel intensiver aber können sich die meisten Menschen an ihre Gefühle und vagen Wünsche erinnern, die sie mit dem Film verbinden.

Uns, die Autorinnen dieses Buches, hat genau dieser Aspekt mehrere Tage lang sehr beschäftigt. Schließlich lieben wir nichts mehr, als den Spuren interessanter Frauen nachzugehen. Was berührt uns an Holly Golightly, dieser exzentrisch-süßen Traumgestalt, die doch auch Dinge tut, die wir moralisch verurteilen? Was macht sie zum bewunderten und verehrten Mythos?

|13|Sind es bestimmte Eigenschaften? Werden bestimmte Saiten in uns angeschlagen und ganz spezifische Träume geweckt? Welche Facetten ihrer Persönlichkeit ziehen uns in ihren Bann? Wenn wir die Wünsche und Sehnsüchte benennen könnten, hätten wir vielleicht die Möglichkeit, diese Träume in unser Leben zu integrieren und zu erfüllen – welch eine wundervolle Idee.

Wir begannen also zu recherchieren und zu überlegen. Dabei gerieten wir uns in schönster Regelmäßigkeit in die Haare, wenn wir beschreiben wollten, wer oder was Holly eigentlich »ist«. Jede von uns hatte andere Facetten dieser Figur entdeckt – und jede hatte andere Träume und Sehnsüchte in sich verspürt. Vielleicht hatten wir damit ja schon den ersten Punkt entdeckt: Jede Frau erkennt in Holly etwas von sich selbst – von ihren geheimen Wünschen, ihren versteckten Visionen. Und weil die Figur so widersprüchlich ist, lässt sie viel Raum für den ganz persönlichen Blick auf das, was sie ausmacht.

Doch in manchen Dingen waren wir uns auch sehr einig: der Stil, der Glamour, die Leichtigkeit, die Selbstsicherheit und Unbekümmertheit – das macht uns zu Bewunderern dieser liebenswerten jungen Frau. Mit ihrem zauberhaften Auftreten und ihrer charmanten Ausstrahlung regt sie uns an, über ein anderes Leben nachzudenken. Und sie schenkt uns die Idee, unsere Träume in unser Leben hereinzuholen.

Das Ergebnis unserer Recherchen halten Sie in den Händen. Ein Buch, das zeigt, wie wir uns und unsere Möglichkeiten neu entdecken können. Eine Anregung, die uns dabei unterstützt, nach und nach unsere Einzigartigkeit zu erkennen. Eine Ermunterung, Charme und Lebensfreude in unseren Alltag zu integrieren – für ein tägliches Frühstück bei Tiffany.

Wir hatten eine enorme Freude daran, in die Glamour-Welt der Holly Golightly einzutauchen. Kommen Sie mit uns und lassen Sie uns gemeinsam auf Perlensuche gehen.

|15|»Nicht, dass ich mir etwas aus Schmuck mache – höchstens aus Brillanten natürlich«

oder: Film und Mythos

Frühstück bei Tiffany gehört zu den wenigen Filmen, die beinahe jeder Mensch kennt. Wahrscheinlich brauchen wir auch Ihnen kaum noch etwas über den Film und seine Hauptfigur zu erzählen – allein der Titel reicht, damit Sie Audrey Hepburn in dieser Rolle sehen: eine zierliche junge Frau mit unwiderstehlich unschuldigem Blick, die mit kokett-fragendem Augenaufschlag grazil über den oberen Rand ihrer Sonnenbrille lächelt oder im kleinen Schwarzen vor den Schaufensterauslagen von Tiffany ein Croissant aus einer Papiertüte angelt und an ihrem Kaffee im Pappbecher nippt. Nahezu gleichzeitig stellt sich die Erinnerung an die helle (Synchron-)Stimme ein. Wir fühlen uns augenblicklich in eine ganz bestimmte Stimmung versetzt: ein bisschen wehmütig, ein wenig verträumt, ganz dem Alltag entrückt.

Sicherlich kennen auch Sie diese Bilder aus dem Film. Doch würden wir Sie jetzt nach der konkreten Handlung fragen, dann könnten Sie wahrscheinlich lediglich in Bruchstücken wiedergeben, worum es geht. Alle kennen den Film, und doch erinnert sich niemand daran, was tatsächlich passiert. Das ist das ganz Besondere an diesem Film, haben wir bei unseren Recherchen immer wieder festgestellt.

»Wie war das noch einmal ...?«, fragten sich unsere Interviewpartnerinnen – und dann fielen ihnen nach und nach verschiedene |16|Versatzstücke ein: die extrem lange Zigarettenspitze, das hochgesteckte Haar, die wunderbaren Hüte, das elegante kleine Schwarze. Aber die Handlung – die konnte uns keine unserer Gesprächspartnerinnen von Anfang bis Ende erzählen.

Bestimmt tauchen nun auch bei Ihnen weitere Momentaufnahmen vor Ihrem inneren Auge auf, einzelne Szenen und Gesprächsfetzen: der Kater ohne Namen, die ausgelassene Party, die langen schwarzen Handschuhe und eine bezaubernde Frau, die scheinbar mühelos alle gesellschaftlichen Konventionen sprengt, um ihren Traum zu verwirklichen. Exzentrisch, doch liebenswert, anspruchsvoll und natürlich, beeindruckend und unvergesslich.

Der Inhalt des Films

Der Film Frühstück bei Tiffany schildert die Geschichte der jungen Frau Holly Golightly, die als Single im New York der 60er Jahre lebt. Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive des Schriftstellers Paul Varjak, einem Nachbarn Hollys, der sich in die hübsche Frau verliebt und ihre Eskapaden beobachtet.

Und diese sind reichlich: Für einen Mafiaboss schmuggelt sie ahnungslos verschlüsselte Nachrichten aus dem Gefängnis, von ihren zahlreichen Verehrern lässt sie sich zum Essen ausführen – und stets 50 Dollar »für die Toilettenfrau« in die Hand geben –, ihre Nachbarn quält sie mit ausgelassenen nächtlichen Partys.

Das alles tut sie, um einen Millionär zu finden, der sie heiratet und von Armut sowie Sorgen erlöst. Dabei geht es ihr nicht allein um sich selbst, sondern sie hofft auch, auf diese |17|Weise ihren Bruder Fred zu versorgen, für den sie sich verantwortlich fühlt.

Nicht Liebe ist es also, was Holly sucht, sondern ein warmes Zuhause und Schutz – und das kann ihr am besten ein Mann bieten, der das mitbringt, was Holly als notwendig für die Absicherung erachtet: Geld. Paul, der arme Poet, hat von Anfang an keine Chance bei Holly. Doch auch Paul, der seit Jahren unter einer Schreibblockade leidet, sucht finanzielle Sicherheit und findet sie bei einer großzügigen Mäzenin, mit der er gelegentlich das Bett teilt.

Während Paul staunend – manchmal traurig-eifersüchtig, aber immer erfüllt von warmer Zuneigung und Freundschaft – das wilde Treiben seiner unschuldig-verderbten Nachbarin beobachtet, entdeckt er unter deren selbstbewusster Maske nach und nach die zarte, verletzliche Frau, die von Heimat und Geborgenheit träumt. Ein Symbol für den Ort ihrer Sehnsucht ist für Holly der Juwelier Tiffany. Hier findet sie die Ruhe und die Sicherheit, die sie im Leben vergeblich sucht.

Eines Tages muss Paul feststellen, dass Holly nicht ausschließlich dieses bezaubernde Wesen ohne Vergangenheit und mit großen Zukunftsträumen ist, das er bislang in ihr gesehen hat: Er lernt Hollys Exmann kennen, einen gutmütigen und sehr viel älteren Landarzt aus einem Provinznest in Texas, und erfährt, dass Holly, die eigentlich Lulamae heißt, einst vor Ehe, Familie, Eintönigkeit und Langeweile flüchtete.

Diese überraschenden Neuigkeiten charakterisieren das Mädchen Holly sehr gut: Man glaubt, die junge Frau zu durchschauen, doch dann entdeckt man eine weitere Facette an ihr – und wie bei einer russischen Matroschka-Puppe verbirgt sich in Holly immer noch eine weitere Holly und in dieser noch eine und wiederum eine, bis ganz zum Schluss ein kleines zerbrechliches Püppchen sichtbar wird, das sich ängstlich vor der Welt verstecken möchte. |18|Der Film endet – wie alle US-amerikanischen Liebesfilme – versöhnlich und mit Happy End: Holly erkennt am Schluss den Wert der wahren Liebe und entscheidet sich für Paul. In einer herzbewegenden, großen (und sehr kitschigen) Szene finden Holly, Paul und der Kater im Regen zusammen.

Geschichte und Mythos

Der Film schließt mit einer wirklich gelungenen Szene, die so gut wie jeden – Frauen wie Männer – zu Tränen rührt. In der literarischen Vorlage ist dieser glückliche Ausgang nicht zu finden. Auf eine sehr geschickte Weise beginnt der Roman mit dem Ende des Films, der Geschichte. Aber lesen Sie selbst... Der Kurzroman Frühstück bei Tiffany stammt von niemand anderem als vom großen Truman Capote.

Er wollte allerdings mehr schreiben als nur eine romantische Geschichte über den Weg zur Liebe. Ihm ging es weit stärker um eine Abrechnung mit der oberflächlichen, verlogenen und materialistischen Welt der oberen Zehntausend im New York der Nachkriegszeit. Der Roman ist als Erinnerung Pauls an Holly geschrieben, der sich am Ende fragt, wo sie wohl sein mag – die Frau, mit der er einmal im selben Haus in New York lebte und die dann, nach einem sehr ausgelassenen, glamourösen und bunten Leben, eines Tages nach Südamerika verschwand.

Der Kurzroman erschien 1958, die Dreharbeiten zum Film begannen bereits zwei Jahre später. Von Anbeginn konzentrierte sich die Verfilmung auf die schillernde Figur der Holly Golightly. Die gesellschaftskritischen Aspekte wurden entschärft und die Geschichte versöhnlicher geformt.

Der Film machte Holly Golightly zum Inbegriff für positiv |19|besetzte Exzentrik – nicht zuletzt dank ihrer Verkörperung durch Audrey Hepburn, deren Image als zerbrechliches, zartes Wesen mit dem der Hauptfigur verschmolz. Eine Symbiose, die in dieser Intensität nicht allzu häufig anzutreffen ist: Marilyn Monroe erlebte es mit ihrer Rolle im Film Manche mögen’s heiß – trotz hoher Intelligenz blieb sie zeitlebens das naive Sexsymbol; Romy Schneider wurde trotz anspruchsvoller Rollen immer mit der österreichischen (Film-)Kaiserin Sissi identifiziert; und in ähnlicher Form erging es auch Jaqueline Kennedy, die noch als First Lady der USA betrachtet wurde, als sie schon längst mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis verheiratet war.

Und Audrey Hepburn blieb in den Augen der Öffentlichkeit stets das entzückende, exaltierte Ding aus Frühstück bei Tiffany auf der Suche nach Geborgenheit – ganz gleich, welche weiteren Rollen sie annahm oder wofür sie sich in ihrem Leben engagierte. Dass das Image der Kindfrau mit der echten Audrey Hepburn nicht allzu viel zu tun hatte, störte und stört ihre Fans bis heute übrigens wenig.

Der Film begründete einen Mythos und schuf eine unvergessliche Frauenfigur, die zur Stilikone wurde: Für die Holly des Films scheint das Leben ein Spiel zu sein. Sie kümmert sich nicht um gesellschaftliche Konventionen und lebt für ihr Vergnügen. Berufliche Ambitionen hat sie keine; einst träumte sie wohl davon, Schauspielerin zu werden, doch während wir ihr zusehen, nutzt sie die Tage, um auszuschlafen und abends lässt sie sich von Männern zum Essen ausführen oder feiert wilde Partys. Holly trägt extravagante Kleidung, verstaut ihre Schuhe in der Obstschale oder im Kühlschrank und hat ihre Schminkutensilien im Briefkasten untergebracht. Ihre Wohnung sieht aus, als wäre sie gerade erst eingezogen und sei schon wieder auf dem Sprung zu neuen Zielen – im Kurzroman von Capote |20|steht auf ihrer Visitenkarte: »Holly Golightly – auf Reisen«, und ihr Kater, der treu mit ihr lebt, hat noch nicht einmal einen Namen. Und doch geht es ihm sogar besser als dem zweiten Tier des Glamourgirls, einem ausgestopften Papagei, der auf einer Stange in seinem Käfig angenagelt ist.

Audrey Hepburn gelang es, dieser quirligen und widersprüchlichen Figur ewiges Leben einzuhauchen. Nicht umsonst wurde sie mit dieser Rolle für den Oscar als beste Schauspielerin nominiert. »Wenn sie als Holly ein Taxi herbeipfeift, alle Darling nennt, die längste Zigarettenspitze der Welt benützt, ihre Schuhe in der Obstschale aufbewahrt, von einem Warenhauswühltisch eine komische Maske stiehlt (...), das alles rundet Audrey zu einer überzeugenden Persönlichkeit ab, die zugleich gewagt, kindlich und verletzlich ist«, schrieb nach der Filmpremiere der amerikanische Kritiker Charles Higham enthusiastisch.

Holly Golightly ist ein Partygirl, das mit emotionaler Tiefe gezeichnet wurde, ohne allzu stark in Klischees abzurutschen. Sie hangelt sich von Chaos zu Chaos, mal oberflächlich-naiv vor ernsthaften Fragen flüchtend, mal tief melancholisch und von Lebensangst erfasst. Bei aller Flatterhaftigkeit ihres Lebens hat sie sich eine Unschuld des Herzens und persönliche Integrität bewahrt. Trotz ihrer materialistischen Ziele wirkt Holly nie berechnend, sondern stets natürlich und warmherzig.

Die junge Singlefrau verkörpert ein neues Frauenbild: lebenslustig, ungebunden, sexy und unkonventionell; eine Befreiung nach den verklemmten 50er Jahren. Und am Ende – so will es zumindest der Film – wird sie sogar glücklich und findet, was sie sich sehnlichst wünscht.

Das Bild dieses quirligen Flatterwesens, dieser jungen, freien Frau, die nach eigenen Regeln lebt und Eleganz stilvoll mit Lebendigkeit verbindet, hat bis heute tief im Denken und Fühlen |21|zahlreicher Frauen Wurzeln geschlagen. Obwohl der Film bald 50 Jahre alt ist, durchziehen immer noch Fotos und Filmsequenzen unseren Alltag. Holly Golightly lächelt uns von Postern, Taschen, Schreibtischunterlagen entgegen. Die Erinnerung an sie ist auch heute noch sehr wach.

Holly Golightly, das Partygirl hat etwas erreicht, was heutige Nachahmerinnen vergeblich versuchen: Sie verbindet Klasse mit Leichtigkeit, Sehnsucht mit Unbekümmertheit, Glamour mit Warmherzigkeit, Unschuld mit Zielstrebigkeit – und das alles, ohne auch nur einen Moment lang aufdringlich oder billig zu wirken. Aktuelle Partygirls verblassen daneben. Auf die Frage, ob zum Beispiel Paris Hilton heute die Antithese zu Glamour wäre, antwortete der Fotograf David LaChapelle: »Das ist sie tatsächlich, sie ist die ideale Verkörperung einer obsessiven, substanzlosen Selbstzurschaustellung, sozusagen Image in Reinform.« Eine hohle Form ohne Persönlichkeit, ein Abziehbild ohne Stil und Klasse – so entsteht kein Mythos, der Jahrzehnte überdauert.

Auch Paris Hiltons zahlreiche Mitstreiterinnen, die mit glitzernden Juwelen und dem Kleintier an der Leine den Medienrummel suchen, haben nichts von dem Charme einer Holly Golightly in Frühstück bei Tiffany. Sie können ihr nicht einmal das Wasser reichen. Hollys Anziehungskraft wird nicht aus Sex und Inszenierung gespeist. Im Gegensatz zu den Partygirls und Boxenludern unserer Zeit scheint sich Holly Golightly nie bewusst und berechnend in Szene zu setzen. Wo jene den Auftritt suchen, ist Holly einfach: Sie steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ohne dass die Scheinwerfer auf sie gerichtet sein müssen. Sie verfügt über eine natürlich Präsenz, die ihr innewohnt und die entwaffnend ehrlich wirkt.

Was ist nur das Geheimnis dieser Figur? Wie können wir das »Konzept Holly« entschlüsseln, um ein bisschen zu werden wie sie?

|22|»Moon river and me«

oder: Wie Vorbilder wirken

Viele Frauen tragen in ihrer Seele das Bild einer anderen Frau. Meist handelt es sich um eine berühmte Persönlichkeit: eine Schriftstellerin, einen Film- oder Theaterstar, eine Malerin, eine Sängerin, vielleicht eine Tänzerin. Es kann sich aber auch um eine Frau aus dem direkten persönlichen Umfeld handeln – eine bewunderte Lehrerin oder vielleicht eine wagemutige Verwandte, die unkonventionell und verrucht lebte. Manchmal haben wir das Bild schon in Kindertagen in unser Herz aufgenommen, mitunter wurde es erst im Erwachsenenalter eingelassen.

Mit diesem Vorbild ist immer eine bestimmte Sehnsucht verbunden. Uns erinnerte Holly sehr an diese Sehnsucht, wie sie mit der Ukulele im Fensterrahmen sitzt und verträumt dieses wunderbare Lied »Moon river« singt, dessen Töne und Text bis heute Menschen melancholisch und sehnsuchtsvoll stimmen. Das Lied, der Titelsong des Films, ist bezaubernd schön und verführt zum Träumen und Spinnen von Zukunftsvisionen.

Ein Vorbild verkörpert die Sehnsucht danach, was wir gern in unserem Leben hätten, etwas, das wir derzeit vermissen. Das kann ein bestimmter Lebensstil sein, ein Haus am Meer, ein Beruf, eine Beziehung, Erfolg, Selbstbewusstsein, aber auch äußerliche Merkmale wie Kleidung , Frisur, Figur oder bestimmte Fähigkeiten wie Schlagfertigkeit, Mut oder Selbstbewusstsein. Vielleicht haben wir auch bei einem anderen Menschen eine |23|Reaktion oder eine Verhaltensweise beobachtet, die uns beeindruckt hat – das konsequente Eintreten für eine Sache oder die Lösung eines Problems.

Nicht nur Filmmelodien und Songs, auch ganze Handlungssequenzen oder Filmszenen können sich tief in unsere Seele eingegraben haben und Ausdruck eines Wunsches sein. Bei unserer Freundin Julia ist es eine Szene aus dem Film Zimmer mit Aussicht: Das Liebespaar hat sich endlich gefunden und sitzt gemeinsam in Venedig am Fenster – im Zimmer mit Aussicht. So eine Liebe wollte auch Julia finden, und das ist ihr gelungen.

Spielfilme, Stars und Sternchen dienen sehr oft als Leitbilder – und das bei Menschen jeden Alters. Mit sechs tanzen kleine Mädchen vor dem Spiegel und singen in Mamas Rundbürste; und als Teenager hängen sie sich Poster von angehimmelten Film- und Popstars an die Wand. »So will ich werden!«, steht unsichtbar unter jedem einzelnen Bild.

Im Laufe unseres Lebens wechseln die Vorbilder einander ab und mehren sich gleichzeitig, denn oft steht ein Vorbild nur für eine bestimmte Sehnsucht. Da wir jedoch viele – und auch widersprüchliche – Träume in uns tragen, schaffen wir uns auch viele Vorbilder. Das Leben und die Medien bieten uns eine reiche Auswahl. Im Beruf wollen wir vielleicht so durchsetzungsstark sein wie Sigourney Weaver im Film Alien, in der Liebe so keck wie Carry aus der Serie Sex and the City, und auf einer Party würden wir gerne so glänzen wie Holly Golightly.

Sich ein Vorbild wählen

Wenn Menschen ein Vorbild suchen, das sie in bestimmten Lebenssituationen unterstützt, dann stellen sich oft sehr schnell |24|Bilder vor ihrem inneren Auge ein, und sie sagen sich: »Ich möchte am liebsten so sein wie ...« Dabei spielt es keine Rolle, ob es letztendlich darum geht, mehr Ausstrahlung zu gewinnen, mehr Kraft zu zeigen, ein harmonisches Familienleben aufzubauen, Karriere zu machen oder die spielerischen Qualitäten einer Liebesbeziehung zu vertiefen.

Wir suchen uns Vorbilder für jeden Bereich unseres Lebens, den wir irgendwie verbessern möchten. Und es ist vollkommen egal, ob unser Vorbild lebt, jemals gelebt hat oder ob es nur eine Fantasiegestalt ist. Pu der Bär kann für mehr Gelassenheit stehen, Pippi Langstrumpf war in unserem letzten Buch ein Modell für mehr Neugier; Hillary Clinton ist für manche Frau ein Vorbild dafür, wie man auch in turbulenten Zeiten seinen eigenen Weg geht und zu seinen persönlichen Zielen steht. Vielleicht träumen Sie auch von Schneewittchen oder Aschenputtel – alles ist erlaubt.

Eine unsere Freundinnen liebte ihre Großmutter, weil diese sich bis ins hohe Alter (und das waren damals bereits Frauen um die Vierzig) als Rennfahrerin einen Namen machte. Unsere Freundin bewunderte den Mut und die Durchsetzungskraft dieser Frau und wählte sie immer dann als Modell, wenn es darum ging, neue Ziele anzusteuern.

Von manchen Vorbildern schwärmen wir ganz offen: »Ich wäre gern so sexy wie Madonna.« Andere Bilder behalten wir lieber für uns – zum Beispiel »Ferien machen wie Hanni und Nanni«. Doch wir sollten uns keines unserer Vorbilder schämen, niemand hat das Recht, als Zensor aufzutreten oder Urteile zu fällen. Denn wir suchen uns unsere Vorbilder nach unseren ganz persönlichen Sehnsüchten aus.

|25|Wer dient uns als Vorbild?

Bestimmt haben Ihre Eltern früher auch einmal zu Ihnen gesagt: »Nimm dir doch ein Beispiel an ...« oder »Schau dir XYZ an, die ist ein gutes Vorbild für dich!« Haben Sie auf Ihre Eltern gehört, oder wollten Sie von deren Vorschlägen nichts wissen?

Vielleicht hat Ihre Mutter Sie immer wieder aufgefordert, doch ein bisschen mehr wie das Nachbarsmädchen zu sein. Ihre Mutter fand die Kleine ganz bezaubernd, stets so hilfsbereit und höflich – während für Sie diese Langweilerin, die immer beim Abwasch half und das Vereinsblättchen austrug, als ein abschreckendes Beispiel für absolute Fadheit galt.

Vorbilder lassen sich nicht aufdrängen. Sich ein Vorbild zu wählen ist eine höchstpersönliche und ganz intime Angelegenheit. Denn es geht dabei um unsere Wünsche und Sehnsüchte – und nur Sie wissen, welche Bilder Ihr Unterbewusstsein wählt, wenn Sie über sich selbst nachdenken. Wenn uns jemand ein Vorbild anempfiehlt oder womöglich versucht, es uns einzutrichtern, dann versucht dieser Mensch, uns seine Träume zu diktieren – und damit können wir eher wenig anfangen. Gleichzeitig bäumt sich etwas in den meisten Menschen auf, denn sie empfinden diesen Ratschlag als Bevormundung und als Kritik an der eigenen Person. Kein Wunder, dass Menschen mit Widerstand reagieren, soll ihnen ein Vorbild aufgedrängt werden. Das gilt vom Kindesalter an bis in die Seniorenzeit hinein. Sie können ja einmal versuchen, Ihrer Oma vorzuschlagen, dass die Großmutter Ihrer Freundin flotter ist und sie sich an der vorbildhaften Frau doch orientieren könnte. Viel Spaß bei dieser Unterhaltung!

Empfehlungen dieser Art erleben wir häufig als einen Übergriff auf die Intimsphäre. Unsere Träume gehören uns, und wir |26|wollen sie uns nicht durch die Wünsche anderer Menschen verderben lassen. 

Es lohnt sich, unsere Vorbilder ein wenig genauer anzuschauen, denn jede Figur, die wir uns als Modell suchen, hat eine Botschaft für uns. Ein Leitbild, dem wir folgen möchten, hat eine Fähigkeit oder verkörpert etwas, das wir gern in unserem Leben hätten. Das kann in vielen Lebenssituationen sehr hilfreich sein. Dafür müssen wir dieses Modell aber präsent haben und uns immer wieder an das Vorbild erinnern. Sind wir mit diesen Bildern in Kontakt, dann können wir uns unser Vorbild vor Augen rufen, wenn wir eine neue, eine ungewöhnliche oder eine verunsichernde Situation zu meistern haben. Wir erinnern uns dann, wie das Modell in einer vergleichbaren Situation agiert hat, welche Lösungen es gefunden hat und können eine Strategie ausprobieren oder sogar übernehmen.

|27|Manche Vorbilder leben lange in unseren Herzen, weil sie eine Gültigkeit in einem größeren Zusammenhang haben. Sie sagen zum Beispiel etwas über unsere Werte und grundsätzlichen Ziele im Leben aus. Sie zeigen uns, wie wir heute und in Zukunft gern sein möchten. Andere Vorbilder begleiten uns nur kurz – wir benötigen sie nur für eine bestimmte Situation, vielleicht für eine Prüfung, ein schwieriges Gespräch, eine aufregende Einladung. Haben wir diese Situation gemeistert, erübrigt sich auch das Vorbild und verflüchtigt sich.

Fantasiefiguren eignen sich übrigens besonders gut als Vorbilder, denn sie lassen sich formen. Sie können sie aus einer fiktiven Welt in absurde und gefährliche Situationen schicken, ohne dass Sie sich Sorgen machen müssen – und auch ohne dass Ihre Fantasiefigur dagegen protestieren würde.