Tanzen unterm Mistelzweig - Katharina Sommer - E-Book
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Tanzen unterm Mistelzweig E-Book

Katharina Sommer

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Beschreibung

Ballett, Big Apple und ein kleines Weihnachtswunder! Für alle die noch an die große Liebe glauben. In New York feiert die junge Primaballerina Maddison Clark erste Erfolge. Doch als sie sich bei einem Sturz eine schwere Knöchelverletzung zuzieht, steht ihre Karriere als Profitänzerin auf dem Spiel. Zur Genesung kehrt Maddie auf die Familienranch in das verschneite Kanada zurück und wird prompt mit einigen Überraschungen, schmerzhaft wie gefrorene Schneebälle, bombardiert. Denn ihr Exfreund Adam ist verlobt und die Auserwählte kennt Maddie nur zu gut. Als wäre damit das emotionale Chaos noch nicht vollkommen, tritt Rancharbeiter Dylan in ihr Leben und bringt ihr Herz wieder zum Tanzen. Bei einer Ballettaufführung an Weihnachten muss sich Maddison entscheiden - die Liebe oder ihre Karriere?

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© 2019 Piper Verlag GmbH, MünchenRedaktion: Diana NapolitanoCovergestaltung: Traumstoff Buchdesign traumstoff.atCovermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

 

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Epilog

Danksagung

Widmung

Für alle, die eine Pause von der stressigen Vorweihnachtszeit brauchen.

Prolog

Drei Wochen zuvor

Das Blitzlicht der Fotografen blendete mich, während Nicolai mir seinen Arm reichte und wir gemeinsam auf der Treppe posierten. Von dort aus hatten wir einen guten Überblick auf die zahlreichen Gäste, die in der prunkvollen Eingangshalle an kleinen Büfetttischchen zusammenstanden und sich angeregt über die gelungene Aufführung unterhielten.

Über uns. Über mich.

Stolz erfüllte mich, und mein Lächeln wurde noch strahlender. Die langen Abendroben der Damen funkelten im goldenen Kerzenlicht, und die Männer in ihren adretten Anzügen erinnerten mich an eine Armee von Pinguinen. Es berauschte mich, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, und mein Herz flatterte vor Aufregung, obwohl ich eigentlich todmüde sein sollte.

»Ah, da sind ja meine zwei Stars«, rief Troy, der Intendant der Oper, in der unsere Premiere aufgeführt worden war. »Die Menschen sind begeistert.« Seine roten Wangen und die glasigen Augen bestätigten meine Annahme, dass der Gute während der Aufführung vor allem mit Champagnergläsern anstatt dem Ballett an sich beschäftigt gewesen war. Aber Troy war ein netter und lustiger Kerl, auch wenn er mehr den wirtschaftlichen als den künstlerischen Wert des Opernhauses vertrat. Begleitet wurde er von Alexis, unserem Choreografen. Die zwei Männer waren von Grund auf verschieden, weswegen sie sich vermutlich auch nicht sonderlich gut verstanden. In der Liebe hätte es wohl nach dem Motto »Gegensätze ziehen sich an« geklappt, aber das hätte Troys Frau wohl nicht so gerne gesehen.

»Maddison, mein Engel«, zwitscherte Alexis mit seiner typisch nasalen Stimme. »Ihr habt euch heute selbst übertroffen.« Er küsste die Luft links und rechts neben meinen Wangen. Das Ballett hatte mich schon immer gefordert. Aber seit ich als Profitänzerin an der Oper engagiert war, stand ich unter enormen Druck. Nun den Erfolg vor Augen geführt zu bekommen, erleichterte mich unglaublich.

»Darauf wird jetzt ordentlich gefeiert.« Troy hob sein fast leeres Glas und prostete uns zu, während ich ein Gähnen nur schwer unterdrücken konnte. Das Adrenalin schwächte langsam ab, und der Champagner machte mich müde und erschöpft.

»Danke.« Ich lächelte. Die Aufführung hatte mir meine ganzen Kräfte abverlangt. Sobald der offizielle Teil erledigt war, würden wir zurück in unser Apartment gehen und schlafen, um für die morgige Aufführung ausgeruht zu sein. Troy gegenüber erwähnte ich das nicht, und Alexis und Nicolai wussten ohnehin, wie der Hase im Berufsalltag lief.

Dennoch gesellten wir uns unter die Gäste, ließen uns fotografieren und führten Small Talk, der mich nicht interessierte. Gerne hätte ich nach einem der Brötchen am Büfett gegriffen. Aber die Mayonnaise darauf leuchtete wie ein rot blinkendes Gefahrenschild, und der zu hohe Fettanteil darin schreckte mich ab.

»Du siehst heute übrigens ganz bezaubernd aus«, flüsterte mir Nicolai zu und küsste meinen Nacken. Er roch nach einem betörenden Aftershave und verdrängte damit den intensiven Geruch nach Essen in meiner Nase.

Ich lächelte verhalten. Die Stylistinnen hatten für die große Premiere ganze Arbeit geleistet. Mit dem golden schimmernden Abendkleid passte ich genau in das glitzernde und funkelnde Bild, das das elegante Innere der Oper bot. Die hochhackigen Stöckelschuhe machten mich beinahe so groß wie Nicolai, und ich überragte den kleinen Troy um zwei Köpfe.

»Ich störe unsere Turteltauben nur ungern. Aber ich möchte eine kleine Ansprache halten. Bitte kommt dafür mit mir mit«, sagte Troy und legte seine Arme um unsere Schultern, wobei er sich so strecken musste, dass der Stoff seines Anzugs gefährlich spannte. Zwar hatte er eine recht schmale Statur, aber um die Mitte herum ließ sich ein Bierbäuchlein nicht verstecken.

»Sehr gerne«, antwortete ich und stellte mein Glas an einem der Stehtische ab.

Troy tapste versehentlich auf den Saum meines Kleides und hätte mich beinahe bäuchlings auf den Boden geworfen. Aber Nicolai fing mich auf. Er grinste amüsiert.

»Huch, Entschuldigung«, rief Troy aus und wurde vor Verlegenheit noch röter im Gesicht. Die knollige Nase glich bereits der von Rudolf dem Rentier – er hätte locker in einem Zeichentrickfilm die Hauptrolle spielen können.

»Nichts passiert«, sagte ich und winkte ab. Obwohl ich Eröffnungsevents normalerweise nicht ausstehen konnte, war ich heute ausgesprochen gut gelaunt. »Geh voraus. Wir folgen dir.«

Ein wenig wacklig auf den Beinen bahnte sich Troy einen Weg durch die Menge. Vom Foyer führten unzählige mit rotem Teppich überzogene Stufen eine Empore nach oben. Dort, wo sich die Treppe teilte und in zwei Bögen in die Galerie hinaufführte, stellte sich Troy nun hin, um von allen gut gesehen zu werden.

»Miss Clark, dürfte ich Sie um ein kurzes Interview bitten?«, fragte mich plötzlich jemand und hielt mich damit zurück. Unentschlossen blickte ich zwischen einem braunhaarigen Mann in den Dreißigern und dem Opernleiter hin und her.

Nicolai war schon ein Stückchen weiter vor mir, um Troy davor zu bewahren, die Balustrade hinunterzufallen.

»Kann das warten?« Nervös sah ich zu Troy, der nun ein Löffelchen gegen den Rand seines Glases schlug und damit die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Reporter und ich standen auf halber Höhe der Treppe und waren somit im Blickfeld aller Umstehenden. »Ich kann im Moment nicht.«

Aber der junge Mann schien darin nur einen Versuch zu sehen, ihn vollkommen abzuwimmeln, denn er ließ nicht locker. »Miss Clark, wie stehen Sie zu den Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegenüber Frauen in der Tanzbranche? Ich wurde darüber informiert, Sie selbst hätten genauso mit dem Choreografen Lionel Leroy zusammen …«

Bei seiner Frage begann sich mein Magen unangenehm zu drehen und mir wurde schlecht. Automatisch fuhr ich meine inneren Schutzmauern hoch und blockte ab.

»Dazu werde ich nichts sagen. Bitte lassen Sie mich in Ruhe«, unterbrach ich ihn forsch und wandte mich ab.

In dem Moment griff er nach meinem Arm und drückte eine Spur zu fest zu. »Bitte, warten Sie.«

»Ich habe Ihnen nichts zu sagen«, zischte ich und riss mich los. Da Troy bereits mit seiner Rede begann, wollte ich nicht hier vor aller Augen eine Szene veranstalten. Anstatt nach oben zu gehen, würde ich in der Menge untertauchen, um dem aufdringlichen Journalisten zu entgehen. Hektisch setzte ich einen Schritt nach vorn. Dabei verhedderte ich mich mit dem Stöckel meines Schuhs im bodenlangen Stoff meines Kleids und knickte mit dem Knöchel um. Innerhalb einer Sekunde verlor ich meine Balance. Fahrig versuchte ich, mich zu halten, doch ich griff ins Leere und fiel.

Kapitel 1

Anstatt die Landschaft hinter den Glasfenstern verschwinden zu sehen, wie es bei den New Yorker U-Bahnen mit den grell beleuchteten Bahnstationen der Fall war, starrte mir gähnende Leere entgegen. Mit der Geschwindigkeit einer altersschwachen Weinbergschnecke tuckerte der Bus über die Landstraße – nicht ohne Grund hatten meine Schwester und ich in unserer Kindheit das in die Jahre gekommene Gefährt als Bummelbus bezeichnet. Aber das war kein Wunder, da der alte Busfahrer Barry mehr darauf bedacht war, ein Gespräch in Gang zu setzen, als auf die Straße zu achten. Das Schild Sprechen Sie nicht mit dem Fahrer lächelte mir nur mitleidig zu, während ich seufzend aus dem Fenster sah.

»Meine Frau will schon seit Jahren nach New York, aber ich sag ihr immer, das ist nichts für uns. Viel zu groß und voll. Außerdem schmutzig, und die Leute sollen unhöflich sein«, führte Barry Blake seinen Monolog weiter aus.

Auch auf die Gefahr hin, wie ein unhöfliches New Yorker Großstadtgör zu reagieren, zog ich missmutig die Brauen hoch. »New York ist eine ganz zauberhafte Stadt, besonders im Winter.« Small Talk war nicht so meine Stärke, und ich verfluchte meine eigene Wenigkeit dafür, mich so weit vorne hingesetzt zu haben. Die Schuld lag dabei allerdings bei meinen Krücken, mit denen es eine Tortur gewesen wäre, den langen Gang nach hinten zu gelangen.

»Ach, aber Maple Valley hast du doch bestimmt trotzdem vermisst – nicht?«, antwortete Barry und winkte ab. »Die Landschaft und die Weite, so frei kann man sich in New York unmöglich fühlen. Aber das muss ich dir ja nicht sagen, immerhin bist du wieder da. So ist es mit den meisten. Bilden sich ein, in der großen Stadt zum Erfolg zu kommen, und nach einem Jahr sind sie wieder zurück.« Er schüttelte melancholisch den Kopf. »Mit zerplatzten Träumen.«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Fünf Jahre«, verbesserte ich ihn.

»Was?« Beinahe etwas überrascht, dass ich mich doch noch mal zu Wort meldete, warf er mir einen kurzen Blick zu. Dabei verriss er das Lenkrad, und ich musste mich an die Armlehne klammern, wobei meine Krücken zur Seite rutschten und klappernd auf den Boden fielen. »Wie schnell die Zeit vergeht.«

»Fünf Jahre war ich in New York, und nach Hause komme ich nicht wegen zerplatzten Träumen, sondern, um mich kurzzeitig von einer Verletzung zu erholen. Lange werde ich nicht hierbleiben.« Das hoffte ich zumindest inbrünstig.

»Schade, schade, das muss man schon sagen. Gerade bei eurer schönen Ranch. Dein Vater hat es nicht leicht. Nur Töchter, und alle gehen weg – wer soll da die Farm übernehmen?«

Darauf wusste ich nicht viel zu erwidern. Nachdem ich bereits mit 16 Maple Valley verlassen hatte, um die National Academy of Dance zu besuchen und fortan nur noch die Wochenenden und Ferien zu Hause verbrachte, wohnte meine Schwester Ally wenigstens während ihres Studiums weiterhin bei meinen Eltern. Als sie dieses jedoch vor einigen Monaten abbrach und einen Job in einem kleinen Laden in unserem Dorf begann, zog sie ebenfalls aus. Einzig Jessy, die Jüngste, lebte mit Mom, Dad und unseren Großeltern auf der Ranch. Aber da sie ein Freigeist war, würde auch sie sich nicht mit Maple Valley zufriedengeben und stattdessen in die Welt hinausziehen. Davon war ich überzeugt.

»Im Grunde haben wir doch alle gedacht, du und Adam würdet heiraten und die Ranch fortführen.«

Meine Laune wurde, wenn möglich, noch schlechter. Mein Ex-Freund hatte mir gerade noch gefehlt. Der eine Tag, den wir verlobt gewesen waren, zählte nicht wirklich, und vom Heiraten waren wir damit weit entfernt gewesen. Dennoch war er meine große Jugendliebe gewesen, und folglich würde ich ihn nie ganz aus meinem Leben und meinen Gedanken streichen können. »Ich wollte schon immer tanzen und etwas erreichen«, entgegnete ich eine Spur zu forsch. »Aber glücklicherweise geht es meinen Eltern gut, und sie werden die Ranch noch lange am Laufen halten«, fuhr ich nun etwas versöhnlicher fort.

»Zum Glück. Nicht jeder kann das in dem Alter behaupten.« Und schon redete er die darauffolgenden Minuten ohne viel Beihilfe meinerseits über seine Gesundheit und die Gebrechen des Älterwerdens.

Da außer mir kein Mensch im Bus war – und in den nächsten 20 Meilen in der Einöde vermutlich auch niemand mehr einsteigen würde – machte Barry einen kleinen Umweg und lieferte mich direkt bei der Kreuzung zu unserer Hofeinfahrt ab. Von dort aus musste ich nur ein paar Hundert Meter zum Haus gehen, die für Barry wohl mit dem Jakobsweg gleichzusetzen waren.

»Es tut mir so leid, aber wenn ich mit dem Bus da hineinfahre, kann ich unmöglich wenden. Ich kann dich aber gerne tragen«, bot er an und machte bereits Anstalten, sich abzuschnallen.

»Nein, nein. Das geht schon«, antwortete ich schnell, in der Angst, er könnte sich vor der Haustür dann selbst auf einen Kaffee einladen. Außerdem konnte ich mir gut vorstellen, wie sich meine Schwestern totlachen würden, sollte ich in Barrys Armen über die Türschwelle getragen werden.

»Aber wenigstens die Tasche«, bat er.

Ich schüttelte vehement den Kopf und hob umständlich meine Krücken vom Boden auf. »Auf Wiedersehen, Mr. Blake«, sagte ich zur Verabschiedung und schulterte meine Reisetasche. Das Ding sah einfach unmöglich aus, aber wenn man keine Hand frei hatte, war es eine Lebensaufgabe, mit dem Koffer zu reisen. Daher hatte ich diesen notgedrungen gegen Nicolais überdimensional große Sporttasche ausgetauscht.

»Tschüss, Maddie. Man sieht sich bestimmt die Tage bald wieder«, rief Barry und winkte vergnügt.

»Maddison«, verbesserte ich ganz automatisch, aber er hörte mich nicht.

Zwar waren es nicht mehr als ein paar Hundert Meter, aber als ich mit meinen Krücken über die schlecht asphaltierte Straße humpelte, kam es mir tatsächlich wie das finale Stück des Jakobswegs vor.

Beim Haus angekommen, brauchte ich erst mal einen Moment, um mich wieder zu fangen. Schwer atmend ließ ich meinen Blick schweifen. Eigentlich hatte ich erwartet, meine Eltern im Freien arbeiten zu sehen, aber der Hof war geradezu wie leer gefegt. Am Koppelzaun erspähte ich Cimi und Papagena, wie sie neugierig ihre Köpfe reckten, und ich überlegte, den Pferden einen kurzen Besuch abzustatten. Schlussendlich entschied ich mich allerdings dagegen, da ich noch immer ganz außer Atem war. Ich erklomm die letzten Stufen und öffnete die Eingangstür, die wie üblich nicht abgesperrt war.

»Mom? Dad?«, schrie ich, aber jegliche Antwort blieb aus. »Jessy? Grandpa?« Ich ließ die Tasche auf den Boden fallen und zog meinen Mantel aus. »Grandma? Ist irgendjemand hier?«

Das konnte doch nicht wahr sein. Sie waren nicht zu Hause. Schlimm genug, dass mich niemand vom Flughafen abgeholt hatte. Jetzt war meine Heimreise nicht mal wichtig genug, dass sie mich begrüßten. Verärgert ließ ich mich auf einen Küchenstuhl sinken, um mir eine kurze Verschnaufpause zu gönnen. Wenigstens wurde so niemand Zeuge meines ramponierten Äußeren.

Plötzlich horchte ich überrascht auf und zog die Stirn kraus. War das nicht Musik? Sie schien aus dem oberen Stockwerk zu kommen. Nun doch neugierig hievte ich mich hoch und ging durch das Wohnzimmer auf die Treppe zu. Die Holzdielen knarrten unter dem Gewicht meiner Krücken jedes Mal unangenehm laut.

Als ich es in den ersten Stock geschafft hatte, schnaufte ich wie nach dem Erklimmen des Mount Everest, und ich wischte mir mit dem Ärmel meines Pullovers über die Stirn. Hier oben war die Musik lauter, und ich hatte das Gefühl, mit jedem Schritt näher an die Quelle zu gelangen. Misstrauisch lief ich an den Zimmern meiner Schwestern vorbei und stellte fest, dass der Beatles-Song aus meinem alten Kinderzimmer zu kommen schien. Hatte mich meine Familie vielleicht doch nicht vergessen?

Die Tür war nur leicht angelehnt, und mit dem Fußende meiner Krücke gab ich ihr einen kleinen Schubs, sodass sie nach innen aufschwang. Aber anstatt auf meine Familie zu stoßen, die Überraschung schrie, wurde der Blick frei auf einen jungen Mann, der mir den Rücken zugewendet hatte. Genau genommen seinen Knackarsch in Boxershorts.

Ein Einbrecher hat es auf mein Puppenhaus abgesehen, war mein erster Gedanke. Das kommt davon, wenn man die Tür nie zusperrt, mein Zweiter. Und erst einen Herzschlag später, begriff ich, dass ein Dieb wohl kaum in Unterhosen meine Kindersachen durchwühlen würde.

Aber da hatte ich schon aufgeschrien. »Hände hoch oder … oder …« Ich begann zu stammeln.

Kurzzeitig überrascht, drehte sich der vermeintliche Dieb um und blinzelte mich irritiert an. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem amüsierten Grinsen. »Hände hoch oder was? Erschlägst du mich mit der Krücke?«

Erst jetzt realisierte ich, dass ich das graue Plastikding drohend auf ihn gerichtet hielt. »Wer bist du? Und was machst du in meinem Zimmer?«

Mittlerweile hatte er sich umgedreht, sodass mich sein heißer Hintern nicht mehr ablenken konnte. Nun stellte ich jedoch fest, wie durchtrainiert sein Oberkörper war. Ihm schien es nichts auszumachen, sich so unbekleidet zu geben, und er machte auch keine Anstalten, sich etwas überzuziehen. Lässig strich er sich eine weizenblonde Haarsträhne, die wohl von der Dusche noch ganz feucht war, zurück.

»Barbara hat mir heute Morgen gesagt, dass du zu Besuch kommst. Aber Bobby brauchte überraschend meine Hilfe mit der Futterlieferung, und ich musste unter die Dusche. Daher bin ich noch nicht dazu gekommen, meine Sachen hinüber in den Stall zu tragen. Das erledige ich gleich.« Er zuckte mit den Schultern.

»Barbara«, wiederholte ich den Namen meiner Mutter, als wüsste ich nicht, von wem er sprach. Dabei wusste ich viel eher nicht, warum er sie beim Vornamen nannte. »Wer zum Teufel bist du?«, fuhr ich ihn verärgert an.

»Die Ranchaushilfe, ich habe im Frühjahr hier angefangen.«

»Und warum wohnst du dann nicht im Zimmer über dem Stall oder in Allys?«, entgegnete ich verständnislos.

»Deine Schwester übernachtete an manchen Wochenenden noch hier, und im Stall hat es im Sommer an die 50 Grad, und dein Zimmer hier war immer frei. Barbara hat es vorgeschlagen.«

Einen Moment lang irritierte es mich, dass er offenbar von Grad Celsius und nicht von Fahrenheit sprach, dann schüttelte ich schnell meinen Kopf und konzentrierte mich auf das Wesentliche. »Mrs. Clark«, verbesserte ich ihn mit zusammengebissenen Zähnen leise. »Aber jetzt ist nicht mehr Sommer und es hat auch keine 50 Grad mehr.«

»Aber bald kommt der Winter, und es ist kalt draußen«, gab er zurück. Seine Mundwinkel zuckten. Es schien ihm ganz offensichtlich zu gefallen, mir auf die Nerven zu gehen.

»Und wo sind alle anderen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.

»Dein Vater ist mit deiner Großmutter beim Arzt. Nur die Gelenke«, fügte er hinzu, als er meinen erschrockenen Gesichtsausdruck sah. »Deine Mutter ist ebenfalls mit in der Stadt, für das Mittagessen einkaufen. Jessy ist in der Schule, und dein Großvater ist in der Nähe von River Blake und repariert Zäune«, gab er mir eine kurze Zusammenfassung. »Und zu dem bin ich übrigens gerade auf dem Weg. Also, du kommst die nächste Stunde hoffentlich allein zurecht?«

»Wolltest du nicht auch gleich deine Sachen in den Stall bringen?«, fragte ich und setzte mich demonstrativ auf das Fußende meines Bettes. Verdutzt kniff ich für einen kurzen Moment meine Augen zusammen. Dann zog ich eine Socke unter der Bettdecke hervor. Er hatte mein altes Kinderzimmer in einen einzigen Saustall verwandelt. »Na großartig.« Meine angespannten Nerven kochten, aber das ignorierte er frech. Solch lässiges Gehabe hatte mich schon immer genervt.

»Machen wir aus dem Gleich besser ein Später. Wir sehen uns dann beim Mittagessen«, sagte er nur und lächelte entschuldigend.

Für meinen Geschmack war das Lächeln allerdings viel zu selbstgefällig. Verärgert verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und hätte ihm gerne etwas Schlagfertiges geantwortet. Aber aus unerfindlichen Gründen war mein Hals wie zugeschnürt. An der Tür zog er sich noch eine Hose über und schnappte sich ein zerknittertes Karohemd vom mit Kleidung überhäuften Stuhl. Wie ein Holzfäller. Abschätzig sah ich ihm nach.

Sobald er weg war, stellte ich mich ans Fenster und beobachtete, wie er in den Stall ging. Vielleicht sollte ich doch noch die Polizei rufen und den vermeintlichen Dieb stellen. Aber während ich mich so in meinem Zimmer umsah, wurde mir klar, dass er ganz ohne Zweifel hier wohnte. Als er allerdings mit meiner Stute Sansa aus dem Stall zurückkehrte, wurde ich endgültig wütend. Da riss er sich nicht nur mein Zimmer, sondern sogar mein Pferd unter den Nagel. Das bedeutete Krieg.

Kapitel 2

Verärgert musste ich feststellen, dass der Eindringling in meinem Zimmer all meine Ballettposter abgehängt und gegen ein Regal voller CDs eingetauscht hatte. In einem Anflug kindlichen Trotzes hätte ich die Veränderungen gerne mit einem Hammer bearbeitet (Veränderungen gehörten nicht gerade zu den Dingen, die ich gerne mochte), aber da hörte ich glücklicherweise noch rechtzeitig, wie ein Auto im Hof vorfuhr. Da ich mit den Krücken die Gefahr sah, erneut die Treppe nach unten zu fallen, rutschte ich auf meinem Hintern sitzend die Stufen hinunter. Nur gut, dass mich dabei niemand beobachtete. Gleichzeitig mit dem Öffnen der Haustür richtete ich mich wieder auf.

»Maddie?«, rief Mom, als sie die Sporttasche neben dem Eingang stehen sah.

»Hallo.«

»Schatz, du bist schon hier! Was für eine schöne Überraschung. Wie wunderbar. Michael, schau! Maddie ist da.«

»Maddie?«, hörte ich Jessy rufen und keine Sekunde später sprang mich ein kleiner Zwerg an und drückte mich in eine Umarmung. Die Bezeichnung Zwerg passte für die 15-jährige Jessy allerdings nicht mehr ganz. Auch wenn ich sie noch immer gerne als meine kleine Schwester bezeichnete, wurde sie zunehmend zu einer erwachsenen Dame. Sie sah meinem eigenen 15-jährigen Ich unglaublich ähnlich. Die gleichen grünen Augen und Grübchen in den Wangen. Einzig ihre braunen Haare reichten ihr lediglich bis unters Kinn, während mir meine in langen Wellen über den Rücken fielen.

»Nicht so wild. Sie ist doch verletzt«, rügte Mom und zog Jessy von mir weg, um mich selbst zu umarmen. »Es ist so schön, dich zu sehen.«

»Ich freue mich auch«, sagte ich, während Mom sich eine Träne aus dem Auge wischte. Es war viel zu lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Aber das Training und die Proben hatten meine ganze Zeit beschlagnahmt.

»Unser Großstadtmädchen«, rief Dad erfreut und stapfte ins Wohnzimmer. »Es ist viel zu lange her.« Er drückte mich an sich. »Mein Gott ist das lange her!«

»Ich war doch zu deinem Geburtstag hier«, hielt ich dagegen.

»Eben, das war im April. Aber so viel zu tun, unsere Ballerina.« Stolz sah er auf mich hinunter. Mit seinen 1,95 war er der Inbegriff eines klassischen Riesen.

»Dann mach ich mich mal ans Kochen. Wir müssen dich ja wieder aufpäppeln«, sagte Mom und kniff mir in die Wange. »Du bist in New York viel zu dünn geworden. Komm mit in die Küche, und setz dich zu mir, dann können wir in der Zwischenzeit reden.« Ich verzichtete darauf hinzuweisen, dass meine Proportionen für eine Ballerina absolut normal waren. Denn Mom liebte es, uns zu verhätscheln wie aus dem Nest gefallene Küken. Ich konnte nur hoffen, Nicolai würde mich wiedererkennen, wenn ich nach meiner Genesung zwanzig Pfund schwerer zurückkommen würde.

»Jessy, bring Maddies Tasche doch schon mal in ihr Zimmer.«

Da kam mir ein Gedanke. »Mom?«, fragte ich und folgte ihr in die Küche. »Habt ihr mein Zimmer, während ich weg war, jemanden anderem gegeben?« Natürlich war die Frage blöd, immerhin war der junge Mann mit den weizenblonden Haaren ganz eindeutig kein Einbrecher. Dennoch wollte ich die Bestätigung aus ihrem Mund hören.

»Ja, bist du Dylan schon begegnet?«

Dylan. So hieß der eingebildete Mistkerl also. »Könnte man so sagen«, murrte ich leise.

»Er ist so eine große Hilfe auf der Farm. Glaub mir, du wirst ihn mögen.«

Das bezweifelte ich zwar stark, aber ich wollte ihr nicht widersprechen. »Woher kommt er? Er ist nicht von hier, oder?«

Unsere Gemeinde glich einem kleinen Nest. Ich hatte Dylan zuvor noch nie gesehen, daher lag es nahe, dass er aus einer anderen Stadt kam.

»Du wirst es nicht glauben, aber manche Menschen zieht es genauso von der Stadt auf das Land. Auch junge Leute«, antwortete Mom und hielt das Gemüse unter den Wasserhahn.

Obwohl ich nicht gerne zugab, dass Dylan mich interessierte, so war dennoch meine Neugierde geweckt. »In welcher Stadt hat er gelebt?«, bohrte ich weiter nach.

»Ich weiß nur, dass er ursprünglich aus Toronto kommt.« Sie grinste. »Woher dieses Interesse? Gefällt er dir?«

Ich wusste nicht, warum ich plötzlich den Drang verspürte, nicht ertappt wegzusehen. Schnell suchte ich nach Ausflüchten. Wobei mir nichts Überzeugendes einfiel.

»Nein, ganz bestimmt nicht«, widersprach ich sofort und schüttelte vehement den Kopf. »Aber ich mache mir Sorgen. Ihr könnt doch nicht einfach so einen Fremden im Haus wohnen lassen. Das ist gefährlich.«

»Das sage ich auch immer, wenn sie die Haustür nie abschließen«, sagte unvermittelt eine Stimme hinter mir, und erschrocken fuhr ich herum. Eine peinliche Vorahnung beschlich mich, und mein Herz flatterte nervös. Nun wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, ertappt wegzusehen. Aber ich konnte meinen Blick nicht von seinen faszinierend blauen Augen lösen.

»Hallo, Dylan. Maddie hast du ja schon kennengelernt«, begrüßte ihn Mom mit einem amüsierten Schmunzeln.

Es war klar, dass ihm unser Gespräch nicht entgangen war, und mein Gesicht lief so rot an, wie die Tomate, die Mom eben auf die Anrichte legte.

»Ja, wir kennen uns bereits.« Er wirkte nicht beleidigt, sondern nahm sich lediglich mit einem überheblichen Grinsen ein Glas und füllte es mit Wasser. Die Tatsache, dass er sich davon nicht beeindrucken ließ und sich damit viel erwachsener zeigte, als ich es in meinem ersten Anflug von Arroganz getan hatte, kratzte an meinem Ego. Das war fast noch schlimmer, als wenn er mir eine Szene gemacht hätte. Beschämt senkte ich meinen Blick.

***

Es war eine Wohltat, wieder in den Genuss von Moms Kochkünsten zu kommen. Das Abendessen schmeckte vorzüglich, und kurzzeitig konnte ich überdies sogar vergessen, wie elend ich mich eigentlich fühlte. Aufgrund meiner Verletzung wieder hier zu sein, war mit einem riesen Rückschlag gleichzusetzen. Meine Karriere lag fürs Erste auf Eis, und ich hatte Angst, nie wieder tanzen zu können. Zumindest nicht wie früher. Der würzige Geschmack der Bratensoße ließ meine Geschmacksknospen explodieren, und für einen Moment zählte ich keine Kalorien, dachte an keine Tanzschrittabfolgen, die ich mir merken musste, oder an Pressekonferenzen, die mich nervös machten. Das erste Mal seit Langem fühlte ich mich wie eine normale 23-Jährige, die mit ihrer Familie zu Abend aß. Jedoch endete das Hochgefühl abrupt, als das Tischgespräch auf mich zu sprechen kam.

»Aber jetzt erzähl mal, was passiert ist, Maddie«, forderte mich Grandma auf. Sie saß neben mir und tätschelte mir nun den Oberschenkel. Wenigstens nicht das verletzte Bein.

Mir behagte das Thema ganz und gar nicht. Allerdings konnte sie nicht wissen, dass ich die letzten Wochen von nichts anderem geredet hatte und mir langsam der Geduldsfaden riss. Jedes Mal, wenn mich jemand danach fragte, wäre ich am liebsten in Tränen ausgebrochen, und es kostete mich unglaublich viel Selbstbeherrschung, die Fassung zu wahren und meine toughe Fassade aufrechtzuhalten.

»Ich bin die Treppe hinuntergefallen und habe mir dabei eine Sprunggelenksfraktur zugezogen«, sagte ich kurz angebunden. Alle wichtigen Fakten in einem Satz. »Ein Bruch des Außenknöchels meines Fußes«, setzte ich hinzu, als ich nur in fragende Gesichter blickte. Auch für mich waren es früher nur nichtssagende Fremdwörter gewesen, nun waren sie jedoch mein Alltag. Fraktur. Wenn ich das Wort auch nur dachte, wurde mir schon schlecht.

Eine Woche Liegegips, sechs Wochen Gehgips, dann Sportverbot und eine nervenzehrende Physiotherapie. Die Wochen waren schrecklich gewesen, und ich dankte Gott (und vor allem Nicolai, der mich in der Zeit gepflegt und unterstützt hatte) dafür, dass diese nun vorüber waren. Zwar benutzte ich noch immer die Krücken, um den Knöchel zu entlasten, aber das Gröbste war überstanden, und ich trug nur noch einen elastischen Verband. Lediglich ein paar weitere Routineuntersuchungen beim Arzt, dann konnte ich das Training langsam wieder aufnehmen. Es hörte sich so leicht an. Aber das war es nicht. Ich bemerkte, wie verkrampft ich das Messer in meiner rechten Hand hielt und legte es schnell beiseite.

»Und was bedeutet das für dein Tanzen?«, fragte Jessy, wobei Dad ihr einen bösen Blick zuwarf. Er wusste, dass ich nicht darüber reden wollte.

Aber da mich nun alle gespannt ansahen, fühlte ich mich verpflichtet, zu antworten. »Die Operation ist gut verlaufen und ich darf das Bein langsam wieder belasten. In den letzten Wochen haben sich die Muskeln zurückgebildet, und ich muss mit Übungen anfangen. Innerhalb der nächsten zwölf Wochen sollte ich es wie gehabt voll beanspruchen dürfen.« Zumindest wenn alles gut lief. »Alexis war der Meinung, Zeit zu Hause würde mir guttun und …«, weiter kam ich nicht, denn plötzlich schluchzte ich auf. Die Angst, vielleicht meinen Platz in der Kompanie zu verlieren, schnürte mir die Brust zu, und alle unterdrückten Gefühle brachen wie ein Kartenhaus über mir zusammen.

***

So etwas Peinliches. Jetzt hielt mich auch meine Familie für eine Versagerin, deren Träume geplatzt waren, so wie Barry Blake. Ich hatte mich in meinem Bett zusammengerollt. Mein verletztes Bein nur leicht abgewinkelt, wie ein kaputter Käfer. Ich hatte das Gefühl, der mitleiderregendste Mensch auf Erden zu sein (obwohl das absoluter Blödsinn war) und ließ meinen Tränen freien Lauf. Die nächsten Tage über badete ich in Selbstmitleid und verbarrikadierte mich in meinem Zimmer.

Als ich mich Donnerstagabend noch immer nicht wieder gefangen hatte, berief Mom eine Intervention ein.

»So kann das nicht weitergehen«, sagte sie im strengen Tonfall und setzte sich zu mir an den Bettrand. »Tanzen war schon immer dein Traum, deswegen darfst du jetzt nicht aufgeben.« Natürlich hatte sie recht, aber ich brachte einfach kein Wort zustande. »Du musst an deinen Zielen dranbleiben. Was sagt Nicolai zu deinem Unfall? Kommt er uns zu Weihnachten besuchen?«

Ein bitterer Stich in meinem Herz ließ mich zusammenzucken, und ich versteckte die Tränen in meinem Gesicht hinter der Bettdecke. Selbst das Kissen, das ich an meine Brust gedrückt hielt, roch nach Zuhause. Nach einer Mischung aus Waschpulver und Schokolade. Als hätte Mom Kekse gebacken, während der Bettüberzug auf dem Wäscheständer trocknete. Aber auch Kakao und Kekse vermochten das Loch in meiner Brust nicht zu füllen. Ich vermisste Nicolai.

»Wir haben uns getrennt«, murmelte ich leise in mein Kopfkissen und schloss die Augen. Ich schmeckte salzige Tränen auf meinen Lippen. »Vorübergehend und in Freundschaft.« Aber es tat trotzdem weh.

Für einen Moment wusste auch Mom nichts zu erwidern, dann rüttelte sie an meiner Schulter. »Schluss damit. Ab jetzt wird nach vorne geschaut. Ich will dich wieder lachen sehen.«