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Im Tao te king (Buch über Sinn und Leben) zeigt Laotse den Weg zur taoistischen Lebensweise auf. Laostse beschreibt eine Haltung, die im Einklang steht mit den Werten Genügsamkeit, Gewaltlosigkeit und Nachsicht gegenüber anderen Menschen. Die Lehre des Laotse wird in 81 kurzen, teils gereimten Sinnsprüchen dargelegt. In der zweiten Buchhälfte werden die Sinnsprüche durch den Übersetzer Richard Wilhelm einzeln erklärt und interpretiert. Laotse lebte vermutlich ca. 500 v. Chr. Er war ein Zeitgenosse von Konfuzius und wird auf vielen Gemälden gemeinsam mit dem Gründer des Konfuzianismus abgebildet. Der Name Laotse bedeutet: der alte Meister. Laotse gilt als einer der größten Weisen Chinas und ist ein Mitbegründer des Taoismus. Das Buch Tao te king wird in China hoch verehrt und häufig zitiert. Es ist eines der meistübersetzten Bücher der Welt.
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Seitenzahl: 86
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Anmerkung des Herausgebers: Im Kapitel Erklärungen werden zu den meisten Versen Interpretationen angeboten. Die Nummerierung der Interpretationen folgt den Versnummern des ersten Teils.
Der Sinn, den man ersinnen kann,
ist nicht der ewige SINN.
Der Name, den man nennen kann,
ist nicht der ewige Name.
Jenseits des Nennbaren liegt der Anfang der Welt.
Diesseits des Nennbaren liegt die Geburt der Geschöpfe.
Darum führt das Streben nach dem Ewig-Jenseitigen
zum Schauen der Kräfte,
das Streben nach dem Ewig-Diesseitigen
zum Schauen der Räumlichkeit.
Beides hat Einen Ursprung und nur verschiedenen Namen.
Diese Einheit ist das Große Geheimnis.
Und des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis:
Das ist die Pforte der Offenbarwerdung aller Kräfte.
Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,
so ist dadurch schon das Häßliche gesetzt.
Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,
so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.
Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander.
Schwer und Leicht vollenden einander.
Lang und Kurz gestalten einander.
Hoch und Tief verkehren einander.
Stimme und Ton sich vermählen einander.
Vorher und Nachher folgen einander.
Also auch der Berufene:
Er verweilt im Wirken ohne Handeln.
Er übt Belehrung ohne Reden.
Alle Wesen treten hervor,
und er verweigert sich ihnen nicht.
Er erzeugt und besitzt nicht.
Er wirkt und behält nicht.
Ist das Werk vollbracht,
so verharrt er nicht dabei.
Und eben weil er nicht verharrt,
bleibt er nicht verlassen.
Die Bedeutenden nicht bevorzugen:
so verhütet man, daß die Leute streiten.
Schwer zu erlangende Güter nicht wert halten:
so verhütet man, daß die Leute zu Dieben werden.
Auf nichts Begehrenswertes sehen:
so verhütet man, daß das Herz sich verwirrt.
Also auch ist das die Ordnung des Berufenen:
Er macht ihr Herz leer und ihren Leib tüchtig.
Er macht ihr Begehren schwach und ihre Knochen stark.
Er sorgt stets, daß die Leute ohne Erkennen und ohne Begehren sind,
und daß jene „Erkennenden“ nicht zu handeln wagen.
Das Nicht-Handeln üben:
so kommt alles in Ordnung.
Der Sinn faßt alles Bestehende in sich.
Aber durch sein Wirken geht er nicht etwa im Bestehenden auf.
Abgründig ist er, als wie aller Geschöpfe Ahn.
Er mildert ihre Schärfe.
Er löst ihre Wirrsale.
Er mäßigt ihren Glanz.
Er vereinigt sich mit ihrem Staub.
Unsichtbar ist er und doch als wie wirklich.
Ich weiß nicht, wessen Sohn er ist.
Er scheint früher zu sein als der HERR.
Nicht Liebe nach Menschenart hat die Natur:
Ihr sind die Geschöpfe wie stroherne Hunde.
Nicht Liebe nach Menschenart hat der Berufene:
Ihm sind seine Leute wie stroherne Hunde.
Ist nicht die Feste zwischen Himmel und Erde wie ein Blasebalg?
Es ist leer und fällt doch nicht zusammen.
Es bewegt sich, und um so mehr kommt daraus hervor.
Aber viele Worte erschöpfen sich daran.
Besser ist es, das Innere zu bewahren.
Der Geist der Tiefe stirbt nicht.
Das ist das Ewig-Weibliche.
Des Ewig-Weiblichen Ausgangspforte
Ist die Wurzel von Himmel und Erde.
Endlos drängt sich’s und ist doch wie beharrend.
In seinem Wirken bleibt es mühelos.
Der Himmel ist ewig und die Erde dauernd.
Die Ursache der ewigen Dauer von Himmel und Erde ist,
daß sie nicht sich selber leben.
Darum können sie dauernd Leben geben.
Also auch der Berufene:
Er setzt sein Selbst hintan,
und sein Selbst kommt voran.
Er entäußert sich seines Selbst,
und sein Selbst bleibt erhalten.
Ist es nicht also:
Weil er nichts Eigenes will,
darum wird sein Eigenes vollendet?
Höchste Güte ist wie das Wasser.
Des Wassers Güte ist es, allen Wesen zu nützen ohne Streit.
Es weilt an Orten, die alle Menschen verachten.
Drum steht es nahe dem SINN.
Beim Wohnen zeigt sich die Güte an dem Platze.
Beim Denken zeigt sich die Güte in der Tiefe.
Beim Schenken zeigt sich die Güte in der Liebe.
Beim Reden zeigt sich die Güte in der Wahrheit.
Beim Walten zeigt sich die Güte in der Ordnung.
Beim Wirken zeigt sich die Güte im Können.
Beim Bewegen zeigt sich die Güte in der rechten Zeit.
Wer sich nicht selbst behauptet,
bleibt eben dadurch frei von Tadel.
Etwas festhalten wollen und dabei es überfüllen:
das lohnt der Mühe nicht.
Etwas handhaben wollen und dabei es immer scharf halten:
das läßt sich nicht lange bewahren.
Mit Gold und Edelsteinen gefüllten Saal
kann niemand beschützen.
Reich und vornehm und dazu hochmütig sein:
das zieht von selbst das Unglück herbei.
Ist das Werk vollbracht, dann sich zurückziehen:
das ist des Himmels SINN.
Wer leuchtend seinen Geist bewahrt, daß er Eines nur umfängt,
der mag wohl innern Zwiespalt vermeiden.
Wer seine Seele einfältig macht und demütig,
der mag wohl werden wie ein Kindlein.
Wer reinigt und läutert sein inneres Schauen,
der mag wohl seiner Fehler ledig werden.
Wer seine Leute liebt als Herrscher des Reichs,
der mag wohl ohne Handeln wirken können.
Wenn des Himmels Pforten sich öffnen und schließen,
so mag er wohl rein empfangend sein.
Wer mit klarem Blicke alles durchdringt,
der mag wohl ohne Kenntnisse bleiben.
Erzeugen und ernähren,
erzeugen und nicht besitzen:
wirken und nicht behalten,
mehren und nicht beherrschen:
Das ist geheimes LEBEN.
Dreißig Speichen treffen sich in einer Nabe:
Auf dem Nichts daran (dem leeren Raum) beruht des Wagens Brauchbarkeit.
Man bildet Ton und macht daraus Gefäße:
Auf dem Nichts daran beruht des Gefäßes Brauchbarkeit.
Man durchbricht die Wand mit Türen und Fenstern, damit ein Haus entstehe:
Auf dem Nichts daran beruht des Hauses Brauchbarkeit.
Darum: Das Sein gibt Besitz, das Nichtsein Brauchbarkeit.
Die Farben machen der Menschen Augen blind.
Die Töne machen der Menschen Ohren taub.
Die Würzen machen der Menschen Gaumen schal.
Rennkampf und Jagd machen der Menschen Begehren wild.
Seltene Güter machen der Menschen Wandel irr.
Also auch der Berufene:
Er sorgt für den Leib und nicht für das Auge.
Darum tut er ab das Ferne und hält sich ans Nahe.
Gnade ist beschämend durch die Furcht.
Ehre ist ein großes Übel durch das Ich.
[Was heißt das: „Gnade ist beschämend durch die Furcht?“
Gnade ist etwas Erniedrigendes;
bekommt man sie, so muß man sich wie fürchten,
verliert man sie, so muß man sich wie fürchten.
Das heißt: „Gnade ist beschämend durch die Furcht.“
Was heißt das: „Ehre ist ein großes Übel durch das Ich?“
Der Grund, warum ich große Übel erfahre, ist,
daß ich ein Ich habe.
Wenn ich kein Ich habe,
welches Übel gibt es dann noch?]