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Namibia, das ehemalige Deutsch Südwestafrika, ist wirklich eine Reise wert. Genau das denken sich auch Elsbeth Weckerle und ihr Sohn Lausi, als sie eine Rundreise buchen. Wie so häufig bei Elsbeth wird aus dem erhofften ruhigen Urlaub jedoch schnell eine Charakterstudie mit tödlichem Ausgang. Aber selbst "golfende" Adlige und unzufriedene Ehepaare trüben die Urlaubsfreude keineswegs, sondern sind neben der Schönheit der Landschaft und der faszinierenden Kultur des Landes das Salz in der Suppe.
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Seitenzahl: 243
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Elsbeth Weckerle
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Tatort Namibia
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Aus der Reihe
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Vorgeschichte
Die Abreise
Tag 1 - Sonntag
Tag 2 - Montag
Tag 3 - Dienstag
Tag 4 - Mittwoch
Tag 5 - Donnerstag
Tag 6 - Freitag
Tag 7 - Samstag
Tag 8 - Sonntag
Tag 9 - Montag
Tag 10 - Dienstag
Tag 11 - Mittwoch
Tag 12 - Donnerstag
Tag 13 - Freitag
Tag 14 - Samstag
Tag 15 - Sonntag
Tag 16 - Montag
Die Heimkehr
Das Danach
Danksagung
Tatort NamibiaElsbeth Weckerle Copyright: © 2014 Elsbeth Weckerle published by: epubli GmbH, Berlin www.epubli.de ISBN 978-3-7375-3042-2
Namibia, das ehemalige Deutsch Südwestafrika steht für unseren Urlaub zum Jahresende, leider dem einzigen in diesem Jahr, ganz oben auf unserer Reisewunschliste. Uns ist in diesem Fall mal wieder mein recht groß geratener Sohn Ladislaus, genannt Lausi und ich, Elsbeth, genannt Elli, die wie es so nett bei noch netteren Bekannten heißt, aussieht wie ein Dugong oder ein Nilpferd.
Beide sind wir mit dem schwäbischen Nachnamen Weckerle geschlagen, aber schließlich gehören wir gerade zu diesem, vor allem sprachlich nicht sehr beliebten Volksstamm. Wenn es aber darum geht, bei uns viel Geld zu verdienen, kommt man doch aus sehr vielen Bundesländern ganz gerne zu uns ins Ländle. Wir taugen dann wenigstens als das Volk der Erfinder, Denker und vor allem Firmengründer ganz gut oder sind sogar beinahe beliebt, vermutlich aber nur dafür, fürs Geldverdienen!
Da wir beide nicht wissen, wer von unseren, ansonsten liebend gern gesehenen, ehemaligen Mitreisenden auch an einer Namibiareise Interesse hat, starte ich einen allgemeinen Rundruf. Jedoch scheint keiner unserer ausgewählten guten Bekannten eben gerade da dieses Mal Zeit zu haben. Die einzige Ausnahme ist Kriminalkommissar Hans Köberle, der uns noch bei der Mekong Reise im vergangenen Jahr begleitet hatte. Sein Problem auch diesmal wieder:
Habe ich, wegen der vielen Einsparungen gerade bei der Polizei, eine Vertretung oder nicht!
Nach zwei Tagen bekomme ich telefonisch seine doch nicht sehr erfreuliche Antwort:
„Elli, so leid es mir tut und so sehr ich mich ärgere, es nützt alles nichts, ich kann zu dieser Zeit nicht in Urlaub gehen, wir haben sogar Urlaubssperre. Du weißt ja sicher, wie „Überpersonalisiert“ wir sind und zudem, wie du ja pressemäßig mitbekommen hast, wird gerade die allseits und rundum hervorragende und sinnige Polizeireform in unserem Ländle durchgeführt. Es wird also noch mehr gespart und noch weniger Polizeibeamte geben! Es ist zum Schweinemelken, aber so ist es nun mal!“
Wir verabreden uns dann eben für die nächste Woche zum Maultaschenessen bei der besten Maultaschengaststätte in unserer Nähe! Wenigstens etwas! Für alle diejenigen, denen Maultaschen nichts sagen oder die nicht wissen was dahintersteckt wenigstens soviel:
Katholiken essen oder sollen bekanntlich aus Glaubensgründen am Freitag kein Fleisch essen, aber ein katholischer Pfarrer, in einem Vorort, besser Stadtteil von Stuttgart, wollte auch an diesem Tag nicht auf sein Fleisch verzichten und so wies er seine Haushälterin an, doch einmal am Freitag das Fleisch zu zerkleinern, es mit verschiedenen Zutaten wie Zwiebeln, Petersilie und Spinat zu vermischen und es dann in einem Nudelteig zu verpacken. Das ganze sollte in einer Brühe gekocht werden und somit nichts mehr mit Fleisch zu tun haben. Damit wollte er seinen Herrgott etwas, also “å bissle“, hinters Licht führen und die Maultaschen, deren Inhalt heute sehr vielfältig sein kann, heißen deshalb auch in einigen Gegenden Herrgottsbscheißerla! Allerdings gibt es zu dieser Geschichte natürlich noch einige andere Variationen, aber die obige ist die, die bei uns zu Hause immer erzählt wurde.
Bis zu unserem Urlaub habe ich schon noch etwas Zeit, um mich näher, wenn auch nicht zu nahe und intensiv, mit unserem Urlaubsland auseinander zu setzen. Namibia war schon immer eines meiner Wunschländer, vielleicht auch wegen des Namens Deutsch Südwestafrika, den ich zwar noch so in der Schule gelernt hatte, mich jedoch, warum auch immer, nie näher damit beschäftigt hatte. Ich hatte lediglich irgendwann registriert, daß es in Namibia umbenannt wurde und als ein sehenswertes Reiseziel gilt.
Namibia hat heute den Ruf, ein absolut friedliches Land zu sein und liegt, wie ich nun in meinem alten Schulatlas erkenne, sogar auch großenteils in einer Höhe von über 1000 m. Dazu kommen viele Wüstengebiete, hohe Berge und natürlich im Westen der Anschluß ans Meer, was ich besonders gerne mag. Schon wegen meiner oder unserer vergangenen Tauchzeiten ist mir einfach „Meer“, also Wasser, neben den Bergen, auch ans Herz gewachsen.
Doch nun im Vorab ein kleines, schwäbisches Bißchen zur Geschichte dieses Landes, von der ich nur eine ganz grobe Vorstellung hatte, vielleicht auch immer noch habe.
Im Gebiet des heutigen Namibia lebten schon seit Jahrtausenden die sogenannten Buschmänner, also die San, die Nama (später auch Hottentotten genannt) und die Damara. Die heute zusätzlich in Namibia ansässigen Stämme der Hereros, der Himbas, der Kavangos, der Ovambos und noch viele andere kamen erst im 17. Jahrhundert ins Land.
Portugiesische Seefahrer entdeckten 1486 bereits als erste Europäer die Küste Namibias und schon damals stellte Diego Cão bei Cape Cross ein Steinkreuz auf, die damals gültige Visitenkarte. Jedoch war diese Küste für die Europäer eigentlich uninteressant, da sie sich als absolut lebensfeindlich darstellte, wie auch der Name Skelettküste für einen Teil davon deutlich macht. An diesem Teil der Küste kommt durch den kalten Benguela-Strom häufig plötzlicher Nebel auf, der zu vielen Schiffsunglücken führte und die Schiffbrüchigen konnten, selbst wenn sie das Land erreichten, dort in der Wüste nicht überleben.
1883, im Zuge der weltweiten Kolonialisierung, schickte der Bremer Kaufmann Franz Adolf Eduard Lüderitz seinen Kaufmannskollegen Heinrich Vogelsang nach Südafrika, um dort Land für den Aufbau einer Kolonie zu erwerben. Vogelsang wurde aber dort dahingehend beraten, sich doch in Südwestafrika um die Bucht von Angra Pequena am Atlantik zu bemühen, zudem gäbe es gerade dort in Südwestafrika verschiedene Bodenschätze.
Vogelsang erwarb sodann von den Stammeshäuptlingen in Südwestafrika das Gebiet um die Bucht von Angra Pequena, nicht ganz ehrlich wie die Geschichte sagt, denn es ging den Stammeshäuptlingen um englische Meilen und nicht um die längeren deutschen wie dem Käufer. Bei seinem Erwerb handelt es sich um das Gebiet des heutigen Lüderitz.
1884 lassen die beiden Herren dieses Gebiet auch sogleich unter den Schutz des Deutschen Reichs stellen und Deutsch Südwestafrika entsteht. Man schließt Schutzverträge mit einheimischen Völkern, kann diese jedoch mangels Soldaten und Polizei eigentlich nicht einhalten, so daß sich einige einheimische Volksgruppen bei ihren Streitigkeiten im Stich gelassen fühlen und diese Verträge aufkündigen.
Das Deutsche Reich verteilte nun großzügig Land an die ehemaligen Soldaten der Schutztruppe und an Siedler. 1894 waren bereits 1200 europäische Siedler im Land. Immer wieder gab es aber Ärger mit den Hereros und Namas wegen der Siedlungspolitik der Weißen und der Behandlung der Einheimischen. Der Krieg dauerte von 1904 bis 1908 und scheint ein nicht gerade erfreuliches Ende genommen zu haben, denn es wurden auf Seiten der Einheimischen zu viele Tote beklagt. Die Auseinandersetzungen dazu, zwischen vor allem den Hereros mit der deutschen Regierung, dauern scheinbar immer noch an.
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs mußten die dort stationierten deutschen Truppen, auch Schutztruppen genannt, bereits 1915 kapitulieren. Viele deutsche Siedler wurden in Internierungslager nach Südafrika gebracht und deutsche Soldaten in Kriegsgefangenenlager im nun ehemaligen Deutsch Südwestafrika.
Nach Beendigung des Krieges wurde das Land Mandat des Völkerbundes und Südafrika unterstellt. Zwischen 1946 und 1966 wurde Südafrika mehrfach von der UNO aufgefordert, das Land in die Unabhängigkeit zu entlassen, aber dies geschah erst 1988 und ein Jahr später also 1989 gab es dann die ersten freien Wahlen.
Seinen Namen bekam Namibia ebenfalls erst nach der Unabhängigkeit und zwar abgeleitet von der Wüste Namib. Damit wollte man keinen der vielen Stämme und Volksgruppen im Lande verärgern.
So in etwa ist also der Stand der groben Nachforschungen meinerseits, vor allem über die Vorgeschichte von Namibia.
Wir buchen mal wieder bei unserem Lieblingsreisebüro und werden da auch bestens beraten, denn wir wissen noch nicht, welchen Veranstalter wir diesmal für die Reise wählen sollen. Es gibt schließlich recht viele davon, aber nicht alle bieten Reisen zu dem von uns gewünschten Zeitraum an und auch nicht genau dahin und genauso wie wir es uns eigentlich dann vorgestellt haben. Der Vorschlag von Herrn Mahr ist ein Veranstalter aus der Bundeshauptstadt, den wir bisher noch nicht kannten. Das Angebot klingt sehr gut und dann heißt es nur noch:
„Bis dahin abwarten und dann auf ins Ungewisse!“
Der große Vorteil der von uns gewählten Reise und generell dieses Veranstalters sollte zum einen eine kleine Gruppe sein und zum anderen eben genau das beinhalten, was wir wollen, nämlich einen guten Eindruck und einen Überblick von dem und über das Land erhalten. Für intensivere Einblicke weiß man dann nach solch einer Reise viel besser, was man vertiefen und zusätzlich bei weiteren Reisen in diesem Land sehen möchte.
Kurz nach unserer Buchung ruft mich meine Freundin Gerlinde an und erzählt, daß sie und Ehemann Uwe Ende Oktober, Anfang November endlich nach Namibia fliegen werden und dort mit einem Fahrer allein das Land erkunden wollen. Na ja, schade, aber die beiden möchten eigentlich nicht oder nur ungern über die Weihnachtsfeiertage weg sein, wir schon, denn für Lausi und seinen rechtslastigen Beruf ist das eine absolut passende Urlaubszeit, zumal er da meist eine sehr gute Vertretung hat.
Mein Nochehemann, „noch“ weil er nun zusätzlich auch noch altersbedingt total abgedreht ist und sich noch weniger mit uns abgibt als jemals zuvor, also Johann Weckerle, genannt Wecki, hat wie meist oder fast immer in den letzten Jahren, bessere Urlaubspläne, vor allem solche, die weder seinen Sohn, noch mich auch nur ansatzweise interessieren. Wir beide wollen andere Länder, Kulturen und eben die dort lebenden Menschen, Tiere und die Naturschönheiten kennenlernen und möglichst viel darüber erfahren.
Wecki dagegen braucht, warum auch immer, seit seinem Rentendasein plötzlich nur noch angebliche sportliche Betätigungen, also bloße Bestätigungen seines Egos, wofür und von wem auch immer. Wenn ich so böse sein will, wie man es mir vorwirft, dann muß ich doch feststellen, daß es heute bei vielen älteren Menschen vor allem darum geht, gerade dieses Ego, das durch den Berufsaustritt oft darniederliegt oder so was in der Richtung, ständig und mindestens stündlich aufzupäppeln.
Dies geschieht bei sehr vielen dieser älteren Herrschaften mit irgendwelchen sogenannten sportlichen Herausforderungen, bei meist sehr unsportlicher Vergangenheit und natürlich den vielen Events, spaßig, pseudosportlich, „pschycholgisch“ oder ernährungsnichtwissenschaftlich, die für noch mehr Geld angeboten werden und bei denen man sich gegenseitig so schön beim nichtssagenden Parlieren aufstacheln und natürlich bestätigen kann.
Das ist und war noch nie etwas für mich! Ich hasse derartige Oberflächlichkeiten und bin vermutlich dazu einfach zu sehr Schwäbin. Die Aussage, die man uns Schwaben andichtet:
“Mr gäbbåt neks“, also: wir geben nichts,
trifft insoweit auf mich zu, daß ich nie für Dinge, auch nicht für sogenannte soziale, die mich kaum oder nicht interessieren, Geld ausgebe!
Vielleicht bin und war ich auch schon immer die geborene Außenseiterin, weil ich einfach nicht so in ein Schema passe und dies auch nicht möchte.
Ich habe eigentlich seit jeher viele Interessen oder wie es neudeutsch heißt „Hobbys“, die mich ausfüllen und ausfüllen können. Ich brauche also nicht irgendwelche Anreize oder „Generelle Amüsements“, um mich zu beschäftigen oder gar zu befriedigen.
Durch viele negative Erfahrungen in meinem Leben habe ich gelernt, mir selbst heute auch einmal am nächsten zu stehen und ich muß und will das tun, was mir behagt und nicht irgendwelchen anderen Menschen und sei es auch nur Wecki. Den hatte ich viel zu lange hofiert und bedient und ihm den Rücken versucht freizuhalten, während er nichts für seinen Sohn und mich tat, geschweige denn sich für uns und unsere Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse interessierte.
Auch das mit den „anderen“ habe ich viel zu lange betrieben, nicht nur beruflich sondern auch privat. Dabei dachte ich immer, ich tue etwas Richtiges, Gutes und Sinnvolles. Nur leider ist dem nicht so. Meist wird man nur ausgenutzt und bekommt, wenn es ganz gut endet, nur einen Tritt in den Allerwertesten. Auch das mußte ich unerfreulicher weise viel zu oft, eben privat wie beruflich, erfahren! Aber nun Schluß mit den dummen Gedanken, zudem klingelt das Telefon und ich sehe den Namen Gerlinde, also ran!
Gerlinde erzählt ganz begeistert von ihrem gerade beendeten Urlaub in Namibia. Auf meine Bitte hin jedoch soll sie nicht zu viel berichten, sonst wird unsere Reise für mich ja nicht mehr spannend. Schließlich können wir nach unserem Aufenthalt dort gemeinsam über alle Erlebnisse reden. Ich möchte nur einige für mich wichtige Dinge wissen und dazu gehört zum einen das Wetter, wegen der Klamotten, gibt es zwar auch im Internet, aber so ganz persönlich ist es besser und sicherer und dann die Frage der Medikamente und einiger Unterkünfte!
Gerlinde gibt dazu die Antworten und meint, da es bereits irgendwo bei ihrer Abreise geregnet habe und weiterer Regen nach drei Jahren Trockenheit angekündigt sei, wäre vielleicht etwas Wetterfestes oder Regendichtes nicht schlecht und auch am „Wasser“ wäre etwas Wärmeres zu empfehlen, denn dort könne es ganz schön frisch werden und enorm winden. Ansonsten beschließen wir, uns sofort nach unserer Rückkehr wieder zu sprechen.
Es ist später und doch früherer Samstagnachmittag als wir unsere Fahrt mit der DB antreten. Die DB bekommt jetzt ja, nach den letzten Presseberichten, einen neuen weiteren Chef, diesmal nicht einen aus der Großindustrie wie den absolut „kompetenten“ derzeitigen, sondern einen von dort, wo man die noch richtigeren, noch wichtigeren Leute kennt, die man braucht, um alles so zu beeinflussen, daß man das bekommt, was man will. Genau das braucht die Bahn weiterhin ganz dringend, sogar auch einen Herrn Pofalla! Wie man aus den Medien weiß, der Superpolitiker aus Berlin und sonstwoher!
Terminal 2 in Frankfurt, unserem Abflughafen, ist angesagt und das geht, wie man leidgeprüft weiß, sehr gut mit einer unsäglichen Busfahrt, die sogleich wieder einmal deutlich macht, wie genial Architekten und sonstige Wissende planen können. Das alles geschieht nicht nur heutzutage, wie die Beispiele Berlin, Stuttgart und Bremen zeigen, sondern das passierte auch schon vor Jahren, als man nämlich dieses Meisterwerk in Frankfurt plante und fertigstellte oder etwas in der Richtung wenigstens behauptete! Die vielen Baustellen hier, schon seit jeher und immer noch, zeigen viel von der genialen Planung auch dieses Jahrhundertbauwerkes.
Die Lounge unseres Fliegers, im Nebengebäude, sehr versteckt, wir fliegen diesmal Business Class, da ein Nachtflug angesagt ist, ist ziemlich karg und man bekommt leider kaum etwas von irgendwelchen Abflügen mit. Also müssen wir dann doch viel zu frühzeitig das ach so nette und noch bequemere Sitzen hier aufgegeben und uns mit vielen anderen Passagieren anstellen, um an Bord zu kommen.
Der Flieger, ein ganz neuer Airbus A 330-200, also nagelneu, hoffentlich aber ohne rausstehende Nägel, ist was die Sitzplätze anbelangt sehr angenehm, wobei damit vor allem die Liegeeigenschaft gemeint ist. Man liegt absolut flach und kann sich sogar noch ganz gut bewegen, wichtig für unseren anstehenden Nachtflug. Lediglich die Verstellbarkeit des Sitzes ist etwas ungewöhnlich und entspricht nicht so ganz dem üblichen Standard.
Auch das Personal scheint nicht ganz so „üblich“, denn man gibt sich entweder gelangweilt, leicht unfreundlich und manchmal sogar etwas zu schnell. Letzteres ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, weil man uns rasch in den ungestörten Schlaf loswerden möchte!
Das Bordsystem an Multimedia ist in dieser Maschine ebenfalls nicht so ganz das Übliche, eher sehr karg, deshalb ist ein früher Schlafversuch unsererseits angesagt!
Sollte das doch zusätzlich stimmen, was uns mehrere gute, namibiaerfahrene Bekannte erzählt hatten, daß man nämlich bei dieser Airline auf alles gefaßt sein muß? Na ja, unsere Rückreise wurde ja schon verschoben, da man am 30. und 31.12. nicht fliegt und auch sonst manchmal nicht immer! Aber wir wollen nicht unken und versuchen also zu schlafen.
Als wir morgens erwachen, oder besser von der „freundlichen“ Besatzung recht abrupt durch das unsanfte Öffnen der Sonnenblenden aus dem Schlaf gerissen werden, begrüßt uns die von weitem erkennbare, weißstrahlende Etosha Pfanne unter uns. Wir befinden uns also bereits über Namibia. Der wolkenlose Himmel begleitet uns auch die letzten Flugkilometer bis nach Windhoek und so bekommen wir einen ersten positiven Vorgeschmack von oben für dieses und von diesem Land. Dazu wechseln sich im Morgenlicht golden- und rotschimmernde Gebirgsketten mit weiten, leicht grün erscheinenden Ebenen ab.
Auf dem Flughafen von Windhoek, dem Hosea Kutako International Airport, kommen wir wenig später auf gut 1.700 m Höhe bei strahlend blauem Himmel an und werden sogleich nach dem Gepäckband von unserem Reiseleiter Erich, einem weißen Namibier, also einem von ehemaligen Deutschen abstammenden und in der 4. Generation hier lebenden, jungen Mann, freundlichst empfangen.
Nach und nach treffen in der recht heißen Ankunftshalle auch die restlichen Teilnehmer unserer Reisegruppe ein. Nur ist alles bisher etwas unkoordiniert, da jeder in einer anderen Ecke steht oder sitzt und einige versuchen sogleich Geld zu tauschen, das man laut Vorgabe des Reiseunternehmens hier tauschen sollte und es auch sehr gut und günstig tun kann. Einige Mitreisende suchen in der Ankunftshalle aber auch etwas Frischluft und da immer noch nichts passiert, weil anscheinend weiterhin bei uns noch drei Personen fehlen, stöbere ich in dem einzigen Shop in Greifnähe herum, zur Vorinformation, was es hier im Lande so Einheimisches gibt und was angeboten wird!
Lausi und ich warten dann etwas abseits des Ausgangs, da weht durch einige geöffnete Türen etwas frische Luft, und von da kann ich meine Studien der Mitpassagiere des Fluges voll ausleben. Bei doch einem Großteil davon kann ich nur hoffen, daß die nicht ausgerechnet zu unserer Reisegruppe gehören werden, denn Erich ist nicht der einzige Reiseleiter hier in der Halle, der seine Schäfchen zusammensucht.
Als dann endlich anscheinend doch alle da sind, wird unser Kleinbus, passend zur Kleingruppe, der direkt vor dem Ausgang des Flughafens parkt, ganz schnell von Erich und einem Helfer beladen. Da wir beide nichts tun können und im Moment auch nichts tun wollen, suchen wir uns einen Sitzplatz, wie immer, das heißt wenn es möglich ist, bevorzugter weise ganz hinten im Bus.
Weshalb wir das bevorzugen hat vielerlei Gründe. Zum einen muß man sich da nicht ständig unterhalten mit wem auch immer, man ist auch nicht gezwungen, den Unterhaltungen der anderen notgedrungen zuhören, man hat meistens noch einen freien Sitz neben sich und fast in jedem Bus sind die Fenster optimal, um aus dem Bus heraus zu fotografieren. Zudem mag ich ganz vorne gar nicht gerne sitzen, vor allem nicht in einem Bus. Vermutlich hat das mit meiner Höhenangst zu tun! Ich finde das unangenehm! Schon deshalb versuchen wir auch stets auf unseren Busreisen das ach so beliebte Rotieren im Bus zu vermeiden und bezeichnen es auch als das modische Rollieren!
Erich hat, wie es scheint, bereits beim Beladen einen ständigen Blick auf seine Armbanduhr und meint, wir lägen nicht ganz in der Zeit. Dennoch rast er, nachdem wir losgefahren sind, nicht einfach durch die Gegend. Das würde dann auch irgendwann nicht mehr gehen, denn da wird der Weg plötzlich eng, sandig und steinig, als wir von der geteerten, kerzengeraden Straße in die „Landschaft“ abbiegen.
Am Ende des Weges, und nach Durchfahrung mehrerer Tore, erwartet uns dann die morgendliche Überraschung. Erich bringt uns als erstes zu einer sehr schönen, stilvollen, aber doch noch nahe dem Flughafen gelegenen Farm und dort werden wir von einem sehr sympathischen deutsch-namibischen Paar empfangen. Mit einem Drink in der Hand, am frühen Morgen natürlich ohne Alkohol, werden wir über das Farmleben im allgemeinen und über ihre Farm im Besonderen aufgeklärt und dann auf einer gepflegten Terrasse, mit Blick auf die wunderschöne Landschaft, mit einem hervorragenden Frühstück versorgt.
Der gut bewässerte Rasen vor dem Haupthaus eröffnet den Blick auf eine leicht hügelige Umgebung, mit einem Sammelsurium an trockenen Büschen, blühenden Bäumen und großen Büscheln von Gras. Dazwischen stehen vereinzelt Kühe, die irgendwie so gar nicht in diese Gegend passen wollen.
Hier könnte man es auch längere Zeit aushalten, so mein Kommentar zu Lausi. Obwohl, wie so üblich und häufig bei meinem Sohn, wenn er noch nicht ausgeschlafen ist, also leicht mürrisch, muß er mir doch zustimmen, da hier alles eigentlich so ist, wie wir es lieben:
Im und um das stilvolle Farmhaus ist Altes mit Neuem vermischt und liebevoll angeordnet, dazu findet man auch noch einen Schuß Humor und viel gepflegtes Grün!!
Das Vorstellen der Reiseteilnehmer untereinander kann auch hier leider nicht durch Erichs Initiative erfolgen, denn der ist rundherum total beschäftigt, deshalb macht jeder das so, wie er denkt. Erich trifft dabei keine Schuld, denn einige der Mitreisenden haben schon gleich zu Beginn, noch im Flughafen etwas zu lautstark und sehr selbstgefällig auf sich aufmerksam gemacht!
Es handelt sich dabei vor allem um die drei Personen, die erst als Letzte zu der Gruppe dazukamen. Wie man auch bereits im Bus und nun beim Frühstück mitbekommen hat und dies auch sollte, ist man von altem Adel. Es sind die „von Müllersdorf“, bestehend aus Mutter, ihrem Sohn und dessen Ehefrau.
Bevor es noch, nach dem Verlassen des Flugzeugs, durch den Zoll und die Einreise ging, hörte man noch vom Flugfeld her die befehlende Stimme von eben der Mutter, die überlaut rief:
„Jüüürgen, hast du auch das Flugzeug und den Flughafen richtig fotografiert? Du weißt doch, das brauchen wir für unsere Präsentation zu Hause!“
Bereits da drehten sich eigentlich die meisten der vor den Einreiseschaltern anstehenden Mitpassagiere um und grinsten. Aber dies nicht nur wegen des Rufes, sondern auch wegen des Anblicks, den die drei boten. Die Schwiegertochter, die arme graue Maus, trug oder besser schleppte das gesamte, natürlich von einem Designer gut beschriftete Handgepäck der „Familie“ hinter ihrer Schwiegermutter her. Diese edle Edelfrau trägt selbst nämlich nur ein kleines goldenes Handtäschchen, passend zum echten oder unechten rosaroten Chanel-Lagerfeld-Kostüm! Genau das Richtige für dieses Land hier! Sohnemann dagegen schleppt sich lediglich nicht mal einen Bruch mit seiner Kamera!
„Diese Familie oder diese drei, das kann wohl nicht wahr sein. Hoffentlich haben wir so etwas nicht in unserer Gruppe!“
Das war noch so ein Wunschtraum von mir, wie dieser auch noch mehrmals beim Betrachten einiger anderer, diesmal aber, wie man es aus schlechten Filmen kennt, echt safari-like gestylter Typen, unter unseren Mitanstehern bei der Einreise aufkommt.
Nur leider wird eben der Wunschtraum, speziell die drei betreffend, jetzt schon zum Alptraum! Diese drei sind und bleiben tatsächlich in unserer Reisegruppe. Na das kann heiter werden! Mit Adel waren wir bisher noch nie unterwegs gewesen!
Insgesamt sind wir zwölf Touristen mit eben einem Reiseleiter in unserer Gruppe. Dabei ist Erich Reiseleiter und Fahrer in einem.
Es gibt in dieser Gruppe also einmal gerade diese Herrschaften von Müllersdorf, bestehend aus Mutter Siglinde in Chanel, Sohn Jürgen im dunkelblauen Blazer und heller eleganter Hose und dessen Frau Claudia im dunkelgrauen Business-Kostüm - alle einfach „süß“!!
Dann haben wir Kurt und Beate, ein Ehepaar, wobei sie einiges jünger zu sein scheint als er und aus einem östlichen Europaland, ihrem Akzent nach zu schließen, kommt. Daß er sie nicht auf Händen trägt ist alles, obwohl sie ganz nett viele Haare auf den Zähnen zu haben scheint und mit ständigem Gequatsche und Bemerkungen zu allem und jedem bereits jetzt anfängt zu nerven.
Des weiteren ist eine Margarete dabei, die ebenfalls nicht wenig redet, dann Antonella, eine schlanke, sehr gepflegt und zurückhaltend wirkende Dame und Paul, der entweder nach dem ersten Eindruck zurückhaltend oder aber hochnäsig sein könnte, alle nicht mehr ganz jung. Last but not least gibt es noch Sören und Susanne, er sichtlich jünger als sie, jedoch auf Anhieb sympathisch und sie eigentlich ebenfalls. Wir werden sehen! Natürlich gehören wir zwei beide, mein Sohn Lausi und ich auch noch dazu. Bis auf unseren Adel sind alle übrigen, einschließlich uns, in normaler, leicht sportlicher Kleidung angereist.
Nach der freundlichen Verabschiedung auf der Farm geht es weiter mit dem Bus. Zunächst fahren wir, zurück auf der gut ausgebauten Hauptstraße, über die weiten Ebenen, auf der neben dem Flughafen auch viele Farmen liegen, in Richtung einer Bergkette. Durch ein Tal geht es dann etwas bergab in Richtung Windhoek.
Dort angekommen, macht Erich mit uns zunächst eine kleine Stadtrundfahrt, denn es ist immer noch recht früh am Morgen und Einchecken in unserer Unterkunft können wir daher noch nicht.
Windhoek ist Afrikaans und bedeutet Windecke oder windige Ecke. Andere Namen aus den unterschiedlichen Stammessprachen sind: Heiße Quellen, Ort des Dampfes und Namen wie Queen Adelaide's Bath, Barmen und Concordiaville. 1903 wurde amtlicherseits der Name Windhuk festgelegt, aber schon 1918 wurde er in Windhoek umgewandelt. Das Deutsche Auswärtige Amt benutzt aber heute noch den Namen Windhuk.
Die Gegend um Windhoek wurde schon seit Jahrtausenden von dem Buschmann-Stamm der San bewohnt. Erst Jonker Afrikaner, der damalige Kapitän (Häuptling) der Orlam Afrikaner in Südwestafrika gründete hier 1840, im heutigen Klein-Windhoek, die erste Ansiedlung und gab ihr den Namen Windhoek angeblich nach der Farm im Kapland, wo seine Familie eigentlich herkommt. Ein Grund für die Stadtgründung von Jonker Afrikaner waren die vielen heißen Quellen in der Umgebung. Danach entstand eine Stadt, die recht gut und schnell gedieh, bis die Nama und die Herero sich bekriegten und dadurch die aufblühende Stadt zerstörten.
Erst 1890 entschloß sich der Hauptmann der deutschen Schutztruppe, Curt von François, die Verwaltung nach Windhoek zu verlegen. Damit begann dann ein langsamer Aufstieg der modernen Stadt Windhoek.
Stets aber war die Trennung der weißen und schwarzen Bevölkerung ein großes Problem dieser Stadt. Nicht nur die deutsche Kolonialzeit spaltete die Bevölkerung in diese Hautfarben, auch die spätere Südafrikanische Besatzung machte es nicht anders oder gar besser. Bis Ende 1980 hatten die meisten Regierungsgebäude, Unternehmen und Geschäfte tatsächlich verschiedene getrennte Eingänge für die unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Erst 1990, mit der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika, änderte sich vieles, aber anscheinend noch nicht alles.
Wir fahren nun zuerst auf einen Hügel hoch zu den wichtigen historischen Bauten. Dazu gehört eine weithin sichtbare Kirche, der sogenannte Tintenpalast also der Sitz des Parlaments, ein Reiterdenkmal, eine Festung und nun, weniger historisch, ein gigantischer, meiner Meinung nach geschmackloser Museums-Neubau.
Die Christuskirche, 1907 bis 1910 von der Windhoeker Gemeinschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Namibia erbaut, gilt als das Wahrzeichen der Stadt. Etwas kurios mutet an, daß die Kirchenfenster beim Bau verkehrt herum, also Innenseiten nach außen, eingebaut wurden, dies aber erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts auffiel und man sie dann wendete. Ein Besuch der Kirche ist uns nicht möglich, da gerade eine Hochzeit stattfindet.
Auf der anderen Straßenseite hinter der Kirche haben wir einen hervorragenden Blick über eine sehr gepflegte Gartenanlage hin zum Tintenpalast, dem Sitz des Parlaments also der Nationalversammlung. Den Namen hat dieser, von Deutschen entworfene und 1912-1913 gebaute Palast deshalb bekommen, weil man spöttischer Weise behauptete, die zahlreichen Schreiberlinge darin würden zu viel Tinte verbrauchen.
Nicht weit entfernt davon steht das deutsche Reiterdenkmal mit seiner wechselvollen Geschichte. Es wurde 1912 eingeweiht und 2009 abgebaut. Das Denkmal sollte damals eigentlich abgerissen und vernichtet werden. Da es aber zu dieser Zeit noch ein Nationaldenkmal war, hat das Deutsche Kulturamt seinen Umzug vor die Festung organisiert und finanziert. Ein Großteil der farbigen Bevölkerung war gegen den Umzug und für den Verbleib. 2010 wurde das Denkmal dann 100 m weiter wieder aufgebaut und eingeweiht. 2013 hat jedoch Staatspräsident Prohamba den endgültigen Abbau des Denkmals empfohlen.
Am 25. Dezember 2013 wurde es tatsächlich abgebaut und „bei Nacht und Nebel“ unter großen Sicherheitsmaßnahmen in den Innenhof der Alten Feste gebracht. Es gibt weiter Streit und Empörung um die Versetzung und Zerstörungen an Sockel und Inschrift. Die Inschrift war zwar seit langer Zeit ein Grund für die Debatten um das Reiterdenkmal, da sie nur die weiße Bevölkerung ehrt und nicht auch die unzähligen Schwarzen, die bei den vielen Auseinandersetzungen im Land ihr Leben ließen.
Dieser Umzug sollte aber auch vor allem wegen des Neubaus des Unabhängigkeitsmuseums, wie es genannt wird, geschehen. Nur wird dieses Bauwerk aber anscheinend weder endgültig fertig noch scheint es bei der Bevölkerung besonders beliebt zu sein. Ein Grund für die geringe Beliebtheit ist sicherlich auch der Umstand, daß das ultramoderne riesige Gebäude von einem Nordkoreanischen Bauunternehmen geplant und von Nordkoreanischen Arbeitern gebaut wurde, wobei eigentlich gerade aber in Namibia große Arbeitslosigkeit herrscht.
Das Reiterdenkmal stört nun diesen Prunkbau und es stört angeblich auch zwei dazugehörende aber noch nicht aufgestellte Statuen, die ebenfalls von diesem Bauunternehmen angefertigt werden sollen oder sollten. Diese zwei Stauen sollen einmal den Gründungspräsidenten Namibias, Sam Nujoma, zeigen und die zweite soll an den Völkermord von 1904 erinnern. Aber anscheinend verschieben sich sowohl die Eröffnung des Museums wie auch das Aufstellen der neuen Statuen bis auf weiteres.
Auf und in die Alte Feste werfen wir aus Zeitgründen nur noch einen kleineren und kürzeren Blick. Der Bau zu dieser Festung begann am 18. Oktober 1890 und wird eben als Grundsteinlegung des heutigen Windhoek gesehen. Der Hauptmann der Schutztruppe, Curt von François, wollte mit dem Bau den Frieden zwischen den Namas und den Hereros zu sichern.