Tausend kleine Schmetterlinge - Ala Sommer - E-Book
SONDERANGEBOT

Tausend kleine Schmetterlinge E-Book

Ala Sommer

0,0
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine Träumerin, ein Chaot und Tausend kleine Schmetterlinge.

Soll das schon alles sein? Bea leitet eine PR-Abteilung, hat eine schöne Wohnung - und einen unsagbar langweiligen Freund. Da steht plötzlich Fabian vor ihr, erfolgreicher Anwalt, chaotisch ... und vor allem: Beas Exfreund. Ein übergriffiger Chef, eine liebestolle Studentin und eine juristisch fragwürdige Kündigung tun ihr Übriges, um Beas Welt ordentlich ins Wanken zu bringen. Und Tausend kleine Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen plötzlich fröhlich um die Wette ...

Eine romantische Komödie voller Witz, Charme und Leidenschaft. EBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

Dieser Roman ist bereits unter dem Titel »Recht leidenschaftlich« erschienen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 332

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorenTitelImpressumMein Anblick ist heute astralLeg die Pizza ins TiefkühlfachIch denke bestimmt dran, ich schwöre!Dann geh doch mit deinem Chef ins Bett!Fall vor ihr auf die KnieOh, what a beautiful morningWeil du dich auf mich verlassen kannst, BabyDie Hauptsache ist doch immer noch die Liebe, oder?Wie geht’s mit deiner Klage voran?Wer liebt hier genau wen?Today’s the day

Über dieses Buch

Eine Träumerin, ein Chaot und tausend kleine Schmetterlinge.

Soll das schon alles sein? Bea leitet eine PR-Abteilung, hat eine schöne Wohnung – und einen unsagbar langweiligen Freund. Da steht plötzlich Fabian vor ihr, erfolgreicher Anwalt, chaotisch … und vor allem: Beas Exfreund. Ein übergriffiger Chef, eine liebestolle Studentin und eine juristisch fragwürdige Kündigung tun ihr Übriges, um Beas Welt ordentlich ins Wanken zu bringen. Und tausend kleine Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen plötzlich fröhlich um die Wette …

Eine romantische Komödie voller Witz, Charme und Leidenschaft.

Über die Autoren

Hinter Ala Sommer verbergen sich:

Dr. Anja Stiller, Jahrgang 1966, studierte an den Universitäten Hannover und Salzburg Deutsche Literaturwissenschaft und Philosophie und promovierte mit einer Dissertation am Institut für Ältere deutsche Literatur und Sprache an der Uni Salzburg. Sie arbeitete zehn Jahre lang als freischaffende Kulturjournalistin. Inzwischen ist sie als Lektorin für verschiedene Sachbuchverlage sowie als PR-Texterin tätig.

Alexander Rudow, geboren 1972 in Münster/Westfalen, ist Jurist. Während seines Studiums und anschließenden Referendariats schrieb er außerdem als freier Journalist für verschiedene regionale Tageszeitungen, nach Absolvierung des zweiten Staatsexamens arbeitete er einige Zeit als Anwalt in eigener Kanzlei. Darüber hinaus war er in einer Warschauer Kanzlei tätig. Ebenfalls in Warschau unterrichtete er Deutsch als Fremdsprache am Österreich-Institut. Mittlerweile arbeitet er als Lektor und freier Autor.

ALA SOMMER

TAUSEND KLEINE SCHMETTERLINGE

beHEARTBEAT

Digitale Lizenzausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright der Originalausgabe: © 2016 by Dr. Anja Stiller-Reimpell und Alexander Rudow, Weltbild Verlag GmbH & Co. KG, Augsburg

Titel der Originalausgabe: Recht leidenschaftlich

Copyright dieser Ausgabe:

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Projektmanagement: Anne Pias

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Aboard | Cozy nook

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-4659-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Mein Anblick ist heute astral

Direkt neben den Küchenrollen stand er. Fabian. Na klasse. Das erste Wiedersehen nach sechs Jahren ausgerechnet zwischen Klorollen, Taschentüchern und Küchenpapier! Andererseits, was soll‘s. So konzentriert wie er die Küchenrollenpackungen studierte, schien er dringend welche zu brauchen. Oder er kannte sich damit nicht aus, war ausgeschickt worden zum Kauf von Küchenrollen. Was für eine verantwortungsvolle Tätigkeit!

»Wenn du die dreilagigen suchst, bist du da richtig«, sagte sie und freute sich diebisch über den Gesichtsausdruck, mit dem er sich zu ihr umdrehte.

»Bea?« Sie sah, wie sein Blick an ihr von oben nach unten wanderte. So was hatte er noch nie dezent hinbekommen, er hatte es aber auch nie für nötig gehalten. Dann hob er kaum merklich die Augenbrauen. »Bea.« Er nickte wie zur Bestätigung. »Keine andere Frau würde mit solchen Knöchelverstauchern zum Einkaufen gehen.« Jetzt grinste er breit. »Wie schön!«

»Du kannst aber auch die mit vier Lagen nehmen. Die haben noch eine etwas umfassendere Saugfähigkeit. Die daneben würde ich liegen lassen, die sind auf halbe Größe vorgestanzt, da hast du immer so kleine Läppchen in der Hand.«

»Danke. Man kann hier wirklich den Überblick verlieren.«

»Apropos Überblick. Hast du eigentlich mein silbernes Armband noch gefunden?« Sie hatte ihn damals gleich nach ihrem letzten gemeinsamen Abend angerufen. Das Armband war weg, aber sie wusste genau, dass sie es bei ihm noch getragen hatte. Dabei war es eines ihrer Lieblingsschmuckstücke gewesen. Logisch, dass immer genau die verlorengehen mussten. Drei Mal hatte sie nachgefragt, kein Erfolg. Wahrscheinlich hatte er in den zwei Wochen, die sie ihrem Armband hinterhertelefonierte, nicht ein einziges Mal aufgeräumt. Vor lauter Ärger über so viel Schlamperei hatte sie irgendwann kapituliert.

»Das silberne?«, er schüttelte den Kopf. »Du hast dich wirklich kein bisschen verändert.«

Und du hast wahrscheinlich immer noch nicht aufgeräumt, entgegnete sie in Gedanken. Aber, nun gut, inzwischen hatte sie das Armband durch Scharen auffälligerer und vor allem entschieden teurerer ersetzt.

Irgendwo an ihm klingelte ein Handy. Er wühlte sich vorbei an Hemd und Shirt in die Tasche seiner Jeans und fingerte es heraus.

»Ja, Lissy … nein, das habe ich natürlich nicht vergessen. Ja … ja, na sicher sehe ich einigermaßen nach was aus … was denkst du denn von mir … Danke auf alle Fälle fürs Erinnern.« Er pfriemelte das Handy zurück in die Hosentasche.

»Deine Frau?«

»Meine Sekretärin. Ich habe heute noch einen Termin bei Gericht.«

Zu dem du also mit Jeans erscheinen willst. Das passte zu ihm. Allerdings würde es genauso zu ihm passen, wenn er im Gerichtsgebäude einen Anzug hängen hatte, Second-hand, nur zur Sicherheit. Und eine Robe.

»Du bist tatsächlich Anwalt geworden?«

Er nickte. Dann erklärte er ohne jeden Zusammenhang: »Heute Morgen ist die blöde Kaffeekanne kaputtgegangen. Peng, auf einmal stand sie in zwei Hälften auf dem Tisch, und der ganze Kaffee … na ja. Ich kann ja keine Geschirrtücher dafür nehmen, das lässt sich ja nie wieder rauswaschen.«

Sie sah es vor sich: Kaffee auf dem Tisch. Kaffee auf dem Fußboden, garantiert auch Kaffee auf irgendwelchen Dokumenten, die er beim Frühstück noch eben schnell hatte durchsehen wollen. Und es gab nicht mal Küchenrollen. Was allerdings auch darauf schließen ließ, dass es keine Frau gab.

Und wieso interessiert mich das? Ob er Frau, Tante, Cousine oder Schwester bei sich hat? Sie hatte es satt gehabt, damals, sie, nicht er. Die Unordnung, das Chaos, den ganzen Mann. Wie lange willst du noch Kleinkind spielen, hatte sie ihn damals angeschrien. Ich werde den Teufel tun und mich zu deinem Coach machen. Ich bin für nur mich zuständig!

»Ach, Bea …«, hatte er gesagt und gelacht. Vom Sofa aus. Mit irgendeinem Wälzer auf den Beinen. Am nächsten Tag war Prüfung. So arbeitet man nicht, hatte sie ihren Wutausbruch fortgesetzt, so wohnt man nicht und so bringt man auch nichts weiter.

Offenbar hatte er es ja doch weitergebracht. Immerhin bis zu einer Lissy, die ihn daran erinnerte, dass man zu einer Gerichtsverhandlung nicht in knallgelben Crocs und ausgeleierten Jeans ging.

»Vielleicht wischt es deine Putzfrau ja morgen auf.« Oder deine Freundin? Vielleicht die. Sag. Es. Nicht.

Halt mal. Sag, was du willst. Sag, verdammt noch mal, was du willst.

Irgendwo in der hintersten Ecke ihres Gewissens machte sich jetzt auch Tim bemerkbar. Tim hatte immer Küchenrollen parat. Und eine Putzfrau. Die zur Not sofort auftauchen würde, um seinen Sieben-Zimmer-Palast aufzuräumen. Ach ja, Tim …

»Die kann leider erst nächste Woche.«

»So lange machen sich Kaffeeflecke auf den Fliesen nicht so gut, stimmt.«

Wieder das Handy. »… doch, Lissy, doch, die Akte habe ich auch dabei. Nein, die kann nicht mehr bei dir in der Kanzlei liegen, das muss eine andere sein. Natürlich. In meiner Tasche, wo sonst … Um elf, klar.«

Zum zweiten Mal fummelte er das Handy zurück in die Hosentasche. Dann sah er sie an. »Wenn du auch gerade nichts anderes zu tun hast, als hier einzukaufen, was hältst du von einem Cappuccino?«

Kommt nicht in Frage! »Ja, gerne. Ich habe heute frei, allerdings muss ich nachher trotzdem noch dringend in die Bank.«

Er winkte ab. »Ach, Bea …«

Er machte sich auf den Weg in Richtung Kasse, sie hob die Packung mit den Küchenrollen hoch. »Die wirst du brauchen.«

Schon wieder das Handy. Lissy war ganz eindeutig nervtötend. Oder scharf auf ihren Chef.

»Natürlich habe ich Meinert gestern noch zurückgerufen, wieso, beschwert sich der etwa? Ja … ja, ich bin längst auf dem Weg, logisch. Ich stehe schon fast vor dem Gericht. Wir sehen uns nachher.«

Er sah sie irritiert an. »Sag mal, hast du zufällig eine Uhr dabei?«

»Viertel vor elf.«

»Viertel vor … was?«

Sie zeigte auf seine Füße. »Zieh dir wenigstens andere Schuhe an.«

»Ach du Scheiße. Ich müsste längst … ich ruf dich an.«

Sie hielt die Küchenrollen hoch. »Ich zahl sie erst mal.« Der letzte Teil des Satzes war mehr ein Murmeln gewesen. Er war schon längst draußen.

Tschüs, Cappuccino.

Okay, jetzt noch eine knappe Viertelstunde bis zum Gericht, das war locker zu schaffen. Vor allem mit seinem schicken neuen Faltrad. Da hätte er ja fast doch noch mit Bea so einen kleinen Espress… Mist! Das war doch unglaublich! Wie die Autofahrer einen immer wieder schnitten! Er hatte 1A den Fahrbahnwechsel angezeigt, ein bisschen spontan vielleicht, aber eindeutig. Und dann auch noch so ein dämlicher Jeep. Ups! Das war Meinert, da in dem Jeep. Passionierter Jäger, nicht unbedingt Fabians Fall. Aber wichtig als Mandant. Inhaber von »Würstchen Meinert KG«. Wenn das gleich so klappte, wie Fabian sich vorstellte, dann hatte der bestimmt noch mehr Mandate für ihn. Richtig große.

Der Termin heute war für Anfänger.

Also, das Mädel in dem Twingo hatte ihn jetzt aber wirklich geschnitten! Nochmal ups. Das war Frau Kammervorsitzende Lechnik. Konnte zickig sein bei Verhandlungen. Peinlich. Fabian lächelte und winkte freundlich. Jetzt nur noch ein paar kräftige Tritte in die Pedale, und er stand vor der Treppe zum Gericht. Die Robe auf dem Gepäckträger sah vielleicht ein ganz kleines bisschen verkrumpelt aus, aber übergeworfen fiel die picobello. Jetzt brauchte er nur noch die Ak… Und Lissy hatte ihn extra noch mal angeklingelt deshalb. Hm. Die war wohl doch in der Kanzlei. Oder zu Hause … auf dem Küchen… mitten im Kaffee …

Fabian hechtete die Treppenstufen hinauf. Was hätte Cicero jetzt getan? Der hatte gar keine Akten. Der brauchte keine!

Vor dem Gerichtssaal wartete Meinert. Sah irgendwie unzufrieden aus. Was zum Teufel Fabian denn da eben auf der Straße …? Und wo er seine Akte habe? Fabian lächelte. Gewinnend und souverän. So sollte es zumindest aussehen. Tippte sich an die Schläfe: »Hab ich alles hier gespeichert.«

Aber Meinert reagierte nicht richtig überzeugt. Nicht mal das Hubba Bubba nahm er an, das Fabian ihm anbot, und dabei war es das Bubble Tape Triple Mix mit Wassermelonengeschmack – ach was, Perlen vor die Säue!

Warum rief denn die Lechnik heute so früh auf? Das war ja geradezu pünktlich! Eieiei … Auch die Lechnik schaute ihn so genervt an. Blickte jetzt außerdem demonstrativ auf seine Crocs. Zeit für ein bisschen Smalltalk vor der Eröffnung: »Die neue Frisur steht Ihnen gut, Frau Vorsitzende.«

»Welche neue Frisur?«

Okay, an dieser Stelle sah auch Fabian es ein: Die Lage war ernst. Aber nicht hoffnungslos.

Die Anklage wurde verlesen. Die kannte er, da brauchte er nicht weiter zuzuhören. Was Bea wohl gerade machte? Sie hatte wirklich hübsch ausgesehen, vielleicht ein bisschen zu adrett in ihrem Kostüm. Aber hübsch. Die Sauerei in seiner Küche … Kaffee war bestimmt schwierig zu entfernen, wenn er erst einmal eingetrocknet war.

Mit Meinert hatte er vereinbart, dass der einfach die Klappe hielt. Die Verhandlung konnte vorerst also gut ohne Fabian laufen. Bea war wirklich süß gewesen. Ach, Bea … Hm, vielleicht sollte er jetzt wenigstens ein bisschen interessiert tun, die Verhandlung war in vollem Gange.

Auf einmal hörte er, wie sich die Tür zum Gerichtssaal öffnete. Das gab’s doch nicht! Da stand Bea. Mit seinem Küchenpapier. Fabian lächelte ihr zu und winkte ein wenig. Seine kleine Bea … Klein im physischen Sinn. Kommst du alleine an die Türklinke heran oder soll ich die Tür aufmachen? Diese Frage hatte ihm regelmäßig Prügel eingebracht. Gut, ganz so klein war sie nun auch nicht, aber ihm reichte sie gerade bis zur Schulter. Wer war eigentlich dieser Typ, der gerade aussagte? Ach richtig, der Sachverständige. Zeit für Fabians Auftritt. Bea hatte Platz genommen. Mein Gott, war die süß.

Die Lechnik konnte wirklich nerven: »Hat die Verteidigung vielleicht jetzt irgendwelche Fragen?«

Fabian räusperte sich: »Ja, in der Tat, Frau Vorsitzende: Herr Dr. Steuer, Sie haben also das Reh und das Kitz aus der Scheune meines Mandanten untersucht.«

Der Sachverständige Dr. Steuer schaute nur wie sein Corolla bei Gegenwind. Richterin Lechnik seufzte: »Ja, Herr Rechtsanwalt Zimmermann, das hat Herr Dr. Steuer eben ausführlich dargestellt, und darum ist er als Sachverständiger geladen. Und es heißt im Sinne des Bundesjagdgesetzes nicht ›Reh‹; und ›Kitz‹;, sondern ›Mutter-‹; und ›Jungtier‹;.«

Wie gesagt, die Lechnik konnte nerven. Aber gut, Fabian sagte, was man als Anwalt in solchen Fällen immer sagt: »Die Verteidigung bedankt sich für den gerichtlichen Hinweis.

Herr Dr. Steuer«, fuhr er dann fort, »Sie haben also das Jungtier und das Muttertier in der Scheune meines Mandanten untersucht und dabei festgestellt, dass das erste vom zweiten abstammt.«

Dr. Steuer nickte: »Ja, das habe ich eben gesagt.«

Fabian lächelte. »Haben Sie auch den Todeszeitpunkt untersucht, Herr Doktor?«

Es folgte ein »Wie bitte?« unisono von Sachverständigem, Staatsanwaltschaft und der Lechnik.

»Lassen Sie die Mätzchen, Herr Rechtsanwalt«, schob die Lechnik nach.

Fabian blieb freundlich. »Hohes Gericht: Mein Mandant ist eines qualifizierten Verstoßes gegen die Schonzeiten angeklagt, der strafbaren Wilderei also: Er soll außerhalb der Jagdzeit ein zur Aufzucht notwendiges Muttertier erlegt haben. Dazu brauchen wir den Todeszeitpunkt von Reh und Kitz.«

»Hä?« Richterin Lechnik ließ ihre Eloquenz kurz vermissen.

Fabian blickte triumphierend zu Meinert: »Selbst wenn mein Mandant beide Tiere erlegt hätte – hätte er dann zuerst das Kitz oder das Reh, das Muttertier, getötet? Wenn er nämlich zuerst das Kitz geschossen hat und dann das Reh, dann war das Reh im Zeitpunkt des Erlegens nicht mehr zur Aufzucht notwendig, denn das Kitz war ja dann bereits bei Bambis Mama & Co. und konnte nicht mehr aufgezogen werden. Und von dieser Variante ist in dubio pro reo zugunsten meines Mandanten auszugehen, hohes Gericht. Damit bliebe es bei einem Verstoß gegen die Schonzeit als reiner Ordnungswidrigkeit.« Fabian lächelte der Lechnik zu. »Mein Mandant ist daher freizusprechen.«

Fabian schaute sich um und bemerkte, dass er durch K.O. gewonnen hatte. Meinert warf ihm einen Blick zu, aus dem klar wurde, dass er zwar nicht wusste, was genau Fabian gerade gesagt hatte, dass es aber unerwartet gut gewesen sein dürfte. Die Lechnik war vollkommen perplex, die Staatsanwältin dampfte vor Zorn aus den Ohren – und Bea schien wirklich beeindruckt. Wurde ja vielleicht doch noch ein netter Tag.

Am schönsten war immer die kurze Stille nach solchen Knockouts. Staatsanwältin Felicitas »das Fallbeil« Amundsen rang um Fassung. Bevor sie auf Freispruch plädiere, verkaufe sie lieber eine Niere, prahlte sie immer in Kollegenkreisen. Aber das würde sie sich diesmal anders überlegen, das wusste Fabian.

Die Lechnik beugte sich vor: »Also, ich weiß ja nicht, wie Sie das machen, Herr Rechtsanwalt Zimmermann. Man denkt immer, Sie hörten gar nicht zu. Und eben … ich hätte wetten können, Sie interessieren sich viel mehr für die junge Dame dort hinten im Zuschauerraum als für dieses Verfahren … Aber gut …«

Fabian wurde rot. Doof das. Aber als er einen vorsichtigen Blick in Beas Richtung riskierte, sah er, dass es ihr genauso erging.

Bea merkte, dass sie die Luft anhielt. Tickte diese Richterin da vorne noch richtig? »Die junge Dame dort«! Waren sie in der Grundschule? Da sagte man das vielleicht. Die junge Dame dort! Und überhaupt. Der ganze Auftritt war wieder mal typisch gewesen für Fabian. Er hing mehr auf seinem Stuhl, als dass er saß. Starrte Löcher in die Luft oder in das Fenster ihm gegenüber. Machte dann eine Stippvisite in die Realität und sagte etwas. Irgendetwas. Bei dem man immer fürchtete, dass es überhaupt nicht zum Thema passen könnte. Was es aber meistens doch tat, genauso wie gerade eben. Die Richterin war eine Mischung aus genervt und beeindruckt, die Staatsanwältin schien Feuer zu spucken, der Mandant wirkte auf einmal deutlich weniger gereizt als noch vor ein paar Minuten. Und Fabian?

»… beantrage ich, den Angeklagten freizusprechen.« Das war die Staatsanwältin. Teil eins des Satzes hatte Bea offenbar verpasst. Jedenfalls grinste Fabian breit und schob seinen Kaugummi deutlich sichtbar von einer Ecke des Mundes in die andere. Wenigstens diese kindische Kaugummikauerei hätte er inzwischen ablegen können. Die Robe sah gar nicht mal schlecht aus an ihm, wenn auch die Crocs … aber egal. Einer wie Fabian änderte sich nicht. Früher waren es diese ausgeleierten Sandalen gewesen.

Gut, Leute, dachte Bea. Dann können wir jetzt wohl alle gehen. Ich gebe ihm diese dämlichen Küchenrollen, und damit hat sich‘s. Jetzt hatte sie die schon mal gekauft, und so desorientiert, wie Fabian vorhin im Supermarkt gewirkt hatte, würde er sich in zehn Jahren noch keine neuen Küchenrollen besorgen. Für den Kaffee würde wahrscheinlich eines seiner alten T-Shirts herhalten müssen. Und sie wusste schließlich nicht, wo er inzwischen wohnte. Und ihm in die Kanzlei nachlaufen, um dort womöglich dieser schrecklichen Lissy zu begegnen … Obwohl, zwischen in die Kanzlei nachlaufen und ins Gericht nachlaufen war der Unterschied auch nicht so groß. Doch, war er! Sie würde ihm das Krepppapier überreichen, feierlich vor der zickigen Richterin und der feuerspuckenden Staatsanwältin. Hier, Fabi, für deine kaputte Kaffeekanne! Er hatte es immer gehasst, wenn sie ihn Fabi genannt hatte.

Stühlescharren. Die Verhandlung war vorbei. Bea stand auf. Schön reserviert bleiben. Kühl. Worum war es eigentlich gegangen in der Verhandlung? Wilderei? Irgendein Reh und sein Kitz waren erschossen worden, offenbar von Fabians Mandanten. Und womit hatte Fabian den Mann herausgehauen? Wohin bloß mit dem doofen Küchenpapier? Plötzlich kam sie sich dämlich vor mit dieser Dreierpackung in der Hand, hier mitten im Gerichtssaal.

Auf einmal Arme um ihre Schultern. Der Geruch von Fabians Rasierwasser. Viel zu nah. »Bealein, das ist aber süß von dir.«

Zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Minuten vergaß sie, Luft zu holen. Sie schob ihn von sich weg. »Ich dachte bloß, ohne nimmst du T-Shirt oder Jeans.«

»Hätte ich auch. – Wie war ich eigentlich?«

»Ich dachte zwischendurch, du weißt gar nicht, wo du bist und was du da sollst.«

Wieder grinste er. »Das ist mein Trick, den kennst du doch noch, oder? Die Columbo-Masche.«

»Nein! Das ist kein Trick. Du bist so. Alles bei dir sind Zufallstreffer. Das war nie anders. Und das wird auch nie anders sein.« Als wären da keine sechs Jahre gewesen. Jahre, in denen sie ihr Studium abgeschlossen, sich vom Trainee zur Leiterin der PR-Abteilung hochgearbeitet hatte. Als hätte es nie Johann gegeben, diesen Mistkerl. Und nach ihm Tim, vernünftig, verlässlich. Bis jetzt gab es Tim. Fabian war ein Lieber gewesen, ein ganz Lieber. Eigentlich. Abgesehen davon, dass er sie in die Raserei getrieben hatte mit seiner Dauerschlamperei. Sie hob die Küchenrollen hoch, schob sie zwischen sich und ihn. Bloß nicht dieses Rasierwasser riechen. Sein Rasierwasser. Bloß nicht seine Haare an ihrer Wange. Meine Güte, das ist doch alles sechs Jahre her. Sechs Jahre. Fabian war lieb. Und er roch genau wie früher. »Ich muss jetzt wirklich los.« Sie drückte ihm die Küchenrollen entgegen.

»Moment mal, junge Dame«, er hielt sie fest. Mit beiden Händen. »Du kommst mir nicht so einfach davon. Du hast mir Küchenrollen ins Gericht nachgeschleppt, das ist fast schon ein Heiratsantrag.«

Jetzt lachte sie. Trotz der jungen Dame. »Vom Heiraten bin ich aber weit entfernt.« War sie das? Es kam wohl drauf an, was man unter einem Heiratsantrag verstand. Wenn Tims »Weißt du, Beatrice, wir sind jetzt schon zwei Jahre so gut miteinander ausgekommen, ich finde, wir sollten das Ganze allmählich verbindlich machen«, wenn das ein Heiratsantrag war und wenn ihr etwas vorsichtiges Nicken ein »Ja« gewesen war, dann war sie vom Heiraten eigentlich nicht mehr so richtig weit entfernt.

»Komm mich besuchen, Bealein, nächste Woche Mittwoch, da habe ich Zeit und kann was zum Essen vorbereiten. Ich wohne noch immer in der alten Wohnung.«

Sie musste sehr verhalten reagiert haben, denn der Druck seiner Hände verstärkte sich noch. »Ich lasse dich sowieso nicht los, bevor du nicht zusagst. Ich kann inzwischen wirklich ganz gut kochen.«

»Hat Lissy dir das beigebracht?«

»Lissy?!«

Verdammt! »Ich kann das jetzt nicht einfach so zusagen, ich muss in meinen Terminkalender schauen.« Jetzt bloß ganz reserviert bleiben.

»Und wenn da etwas steht, dann verschiebst du es. Sag jetzt Ja, sonst kommst du hier nicht weg.« Er lachte. »Ich bin stärker als du.«

Sie sagte Ja. Und sie sagte nichts von Tim.

Doch noch alles geschafft, dachte sie, als sie drei Stunden später im Erdgeschoss der Bank auf den Fahrstuhl wartete. Sie hatte sich für diesen freien Tag eine Menge vorgenommen und nach dem unerwarteten Wiedersehen mit Fabian schon befürchtet, dass sie außer einer Verabredung, von der sie nicht wusste, wie sie sie einhalten sollte, nicht mehr viel hinbekommen würde. Aber nun war das Kleid bei der Schneiderin, das neue Sofa bestellt, das Gerät zum Teppichshampoonieren in ihrem Auto, sie hatte verabredet, dass sie es zwei Tage später wieder im Geschäft abgeben würde. Die Briefe waren auf der Post, und das Geschenk für Giulias Geburtstag hatte sie auch gekauft.

Zeit genug, um noch einmal die Unterlagen für ihre Präsentation in der kommenden Woche durchzugehen. Es ging um eine neue, groß angelegte PR-Kampagne, die nicht nur bankintern, sondern auch einigen wichtigen Geschäftspartnern präsentiert werden sollte. Die Fahrstuhltür öffnete sich, und sie drückte auf den Knopf für den vierten Stock. Ihr Zimmer lag ganz am Ende des Gangs.

Eigentlich müsste sie die Unterlagen nicht noch einmal durchsehen, sie hatte alles gründlichst vorbereitet. Aber zu Hause warteten heute ohnehin nur ihre Pflanzen. Und die Lateinhausaufgaben ihrer Nichte Sandra, zu denen sie sich hatte breitschlagen lassen. Fabian hatte Latein auch nie leiden können, er war in lautes Wehgeschrei ausgebrochen, wann immer in seinen Büchern auch nur ein klitzekleiner lateinischer Ausdruck vorkam. Fabian … Was er wohl gerade machte? Was schon? Bestimmt war er von dem kleinen Auftritt bei Gericht völlig erledigt. War nach Hause gefahren, hatte eine CD aufgelegt und ruhte sich erst mal aus. Machte sich langsam mit dem Gedanken vertraut, dass so ein Kaffeefleck nicht einfach von alleine verschwinden würde. Ob er wenigstens die Küchenrollen aus dem Gericht mitgenommen hatte?

Der Fahrstuhl hielt im zweiten Stock. »Bea! Du hast doch heute frei, dachte ich.« Ihre Kollegin Susanne, beladen mit einem Stapel Aktenordner. »Kannst du mal eben …« Die Hälfte der Ordner landete auf Beas Arm.

»Nächste Woche ist doch meine Präsentation, und ich habe gerade Zeit«, gab sie zurück und lächelte. Sie mochte Susanne. »Aber ich bin gleich wieder weg.«

Die Tür des Fahrstuhls ging ein zweites Mal auf, diesmal im vierten Stock. Jemand hatte offenbar gerade Kaffee gekocht, der ganze Flur roch danach.

Bea blieb unschlüssig stehen. Kaffee wäre jetzt keine schlechte Idee. Aber sie musste ihn sich selber kochen, Kaffee gehörte nicht in den Aufgabenbereich der Sekretärinnen. Ob Fabians Lissy ihm wohl welchen …? Was will ich denn mit seiner Einladung? Mich davon überzeugen, dass er es immer noch nicht schafft, sein Bett zu machen? Das war auch einer dieser Streitpunkte gewesen. Als wäre es so eine Herausforderung, einmal am Tag das Bettzeug auszuschütteln. Der Kaffee roch wirklich verlockend. Und sie hatte doch Zeit heute. Zu ihrem Büro ging es geradeaus, zur Küche nach links. Bea ging links. Vielleicht räumte er ja auf, bevor er sie hereinließ. Wenn er sie schon einlud. Wenn er noch irgendwas an mir findet. Stopp! Wenn, dann müsste ich diejenige sein, die an ihm … Allerdings, wenn sie in dem Tempo weiterfraß, spielte es bald keine Rolle mehr, ob sie noch was an ihm fand. Oder an irgendeinem anderen Mann. »Ist noch ein bisschen was dazugekommen, hm?« Er hatte sie angegrinst, als er ihre Taille umfasst hatte. Idiot. Sechs Kilo, nur sechs. Gut, sechs zu viel zu den ohnehin schon zu vielen. Idiot. Tim würde so was nie sagen. Oder gar nicht bemerken? Schon im eigenen Interesse nicht, weil sie sonst vielleicht auf Diätküche umsteigen könnte.

Wer um alles in der Welt hatte die Kaffeemaschine dermaßen eingesaut zurückgelassen? Bea sah sich in der Küche um, irgendwo gab es doch garantiert Spülmittel, in dem verdreckten Ding würde sie jedenfalls keinen Kaffee kochen. Aha, Spülmittel war da, sogar einen Schwamm fand sie, auch wenn der sicher schon appetitlichere Zeiten erlebt hatte. Mindestens im Supermarkt, bevor ihn irgendeiner der Mitarbeiter hier durch den Schlamm gezogen hatte.

Fabian hatte süß ausgesehen vorhin beim Regal mit den Küchenrollen. Ungekämmt, zerwuschelt und reichlich konfus. Sie öffnete die Tür des Schranks oberhalb vom Spülbecken. Natürlich! Und ich hatte das hier letzte Woche doch alles so schön geordnet. Und das Kaffeepulver? Bis vor Kurzem hatte es noch im Regal links gestanden. Aber da stand jetzt nichts mehr. Sie sah sich um. Da. Direkt oberhalb des Wasserkochers. Oh Leute, der Dampf verklebt doch das Pulver! Immerhin war noch genug Mandelkaffee da. Fabian hatte sich über ihren Tick mit dem Kaffeepulver immer lustig gemacht. »Versuch es doch mal mit Limo, die schmeckt auch nicht wie richtiger Kaffee.«

»Was haben wir denn da für eine appetitliche kleine Frau, und dann auch noch beim Abwasch, ganz wie es sein soll.« Sie wusste, zu wem die Hand gehörte, die da mit der Wucht der geballten Männlichkeit auf ihrer Schulter gelandet war. Bea seufzte innerlich. Herbert Zeisigs größtes Problem war, dass er sich für unwiderstehlich hielt. Sein zweitgrößtes, dass er tatsächlich nicht schlecht aussah. Ihr größtes, dass er ihr Chef war. Und dass sie ihn partout nicht leiden konnte. Alles zusammen ergab eine schlechte Kombination. Eigenartig war nur, dass er ausgerechnet hier in der Küche hinter ihr aufgetaucht war. Bea beschloss, die Hand auf ihrer Schulter fürs Erste zu ignorieren.

»Herr Doktor Zeisig, ist Ihre Sekretärin in Streik getreten, darf vielleicht ich Ihnen stattdessen einen Kaffee servieren?«

Die Hand blieb, wo sie war. »Es war Ihr Anblick, liebste Frau Lammert, der mich hierher geführt hat. Hierher gezogen hat, genaugenommen.«

»Mein Anblick ist heute astral«, gab sie zurück. »Ich habe frei.« Und nimm endlich deine beschissene Hand da weg!

»Ich finde Sie faszinierend physisch«, erwiderte er. War der jetzt übergeschnappt? Wenn sie nicht alles täuschte, war seine andere Hand in Richtung ihres Hinterns gewandert. Rein zufällig natürlich. Es gab Grenzen, sogar für einen wie Zeisig, attraktiv, Chef und was auch immer er sonst noch sein mochte. Bea hielt ihre Hand so unter den Wasserstrahl, dass das Wasser in alle Richtungen spritzte. Zwar auch auf ihr Kostüm, aber das war jetzt zweitrangig. Wichtiger war, dass Zeisig eine gehörige Dusche abbekam. Hände weg! Dalli! Na bitte, er ließ sie los. Sie wischte sich mit dem Ärmel das Wasser aus dem Gesicht.

»Tut mir leid«, erklärte sie mitleidlos und drehte sich in seine Richtung. Sie hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. »Ich glaube, da oben im Schrank sind die Handtücher.« Sie deutete auf einen der Hängeschränke.

»Ist ja nur Wasser«, entgegnete Zeisig. Sein Lächeln wirkte nicht mehr ganz so strahlend, wie sie es sonst von ihm kannte. »Aber wenn Sie hier fertig sind, könnten Sie mir dann wohl tatsächlich einen Kaffee in mein Zimmer bringen? Ich würde gerne noch einmal mit Ihnen über die Präsentation sprechen.«

»Die ist erst in einer Woche.«

»Genau«, er schrubbte mit dem Geschirrtuch über sein Hemd. »Dann können wir eventuelle Pannen noch rechtzeitig ausbessern. Sie wissen, wie wichtig dieser Termin ist. Es muss alles perfekt verlaufen, perfekt, verstehen Sie?!« Wieder seine Hand, dieses Mal auf ihrem Arm.

»Meine Güte«, sagte sie, »so viel Altruismus!« Du hast viel weniger Überblick als ich, mein Lieber.

Sie nahm den Schwamm, der bis eben im Waschbecken mit dem Seifenwasser gelegen hatte. »Darf ich mal eben, das sieht ziemlich schmutzig aus«, sie drückte den Schwamm gegen seinen bis eben sauberen Kragen. Jetzt sieht es schmutzig aus, dachte sie. Seifenwasser auf weißem Hemd macht sich gar nicht gut. Und er hatte garantiert kein zweites Hemd zum Wechseln in seinem Büro. Sie lächelte so gewinnend, wie sie es ihm gegenüber fertigbrachte. »Kaffee kommt gleich, gehen Sie ruhig schon vor. Aber die Pannen müssen wir ein anderes Mal ausbessern, heute habe ich noch den Gallischen Krieg vor mir.«

Eine Ausrede, dachte sie, als sie wenige Minuten später an ihrem Schreibtisch saß. Ich brauche eine Ausrede für den Mittwoch. Tim rechnete fest damit, dass sie ihn zu seinem Geschäftsessen begleitete. Ihr Blick fiel auf den italienischen Kalender, den ihre Freundin Giulia ihr zum letzten Silvester geschenkt hatte. »Damit du wenigstens auf den Fotos siehst, was Urlaub ist«, hatte sie dazugeschrieben.

Giulia war die Lösung!

»Bea, gut, dass du anrufst!« Giulia ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich habe da einen wahnsinnig niedlichen …«

Bea wusste, was jetzt kam. Niedlich war tatsächlich die treffendste Bezeichnung für Giulias Männer. Alle erst knapp über zwanzig, keinen behielt sie länger als ein paar Wochen. Giulia nannte das ein variantenreiches Liebesleben, Bea hielt es eher für ein Bindungsproblem. Von einem dieser ungeheuer süßen Jungs hatte Giulia vor drei Jahren ein Kind bekommen, und da sie nicht die Absicht hatte, auf ihr variantenreiches Liebesleben zu verzichten, hatte Bea inzwischen gelernt, wie man ein Kleinkind fütterte, angemessen bei Laune hielt und gegen seinen Protest ins Bett verfrachtete.

»Tut mir leid«, unterbrach sie ihre Freundin, noch bevor die anfangen konnte, die Vorzüge des ganz besonders großartigen neuen Lovers in allen Farben auszuschmücken. »Oder vielmehr, tut mir nicht leid. Denn natürlich komme ich am nächsten Mittwoch und sitte deinen kleinen Haustyrann. Jedenfalls, sollte Tim dich zufällig fragen, mache ich das. Verstehst du?«

Giulia verstand. »Wie heißt er?«

»Unwichtig.«

»Für unwichtig gebe ich dir kein Alibi.«

»Fabian.«

»Der Fabian? Der? Dein ewiger, einziger, angebeteter, großartiger, genialer, hinreißender …«

»Er hat mich nur zum Essen eingeladen.«

»Ich dachte, über Pizza von der Tankstelle bist du raus.«

»Er kocht inzwischen ganz gut. Sagt er. Aber egal, Hauptsache, ich kann am nächsten Mittwoch offiziell auf Tobias aufpassen.«

»Kannst du«, bestätigte Giulia.

»Du hast einen Abend bei mir gut«, versprach Bea.

»Im Gegenteil. Ich habe eine Menge Abende Schulden bei dir.«

»Lissy! Die gerechte Sache hat gesiegt!«, rief Fabian, als er die Tür seiner Kanzlei aufsperrte.

»Okay – ich bereite schon mal die Berufung vor.«

Fabian mochte Lissys trockenen Humor, aber das war schon ein bisschen gehässig. Musste er sich das gefallen lassen? Schließlich war er der Chef, irgendwie. Besser gesagt, er war der Arbeitgeber. Lissy zahlte ihren penetrant roten Lippenstift von seinem Geld. Also war er der Boss, und dem Boss gebührte doch wohl ein klitzekleines bisschen Respe…

»Hast du an das Kopierpapier gedacht, Fabian?«

Verflucht! Hatte er nicht. Aber warum in drei Teufels Namen musste er eigentlich das Kopierpapier besorgen? Fabian trat in Lissys Büro und hob mahnend die Hand, um wieder einmal seine Ansicht über die Hierarchie in der Rechtsanwaltskanzlei Zimmermann kundzutun.

Lissy blickte nicht einmal von ihrem Monitor auf. »Kaffee ist alle, Chef. Kannst du mal neuen machen? Du stehst gerade.« Unglaublich, dieser Ton.

»Und wir brauchen neuen Toner. Hatte ich dir doch aufgeschrieben. Denkst du heute Mittag daran? Und lass die Zeitschriften für die Mandanten bitte nicht immer so versuddelt rumliegen, wenn du gehst, Fabian.«

Er streckte die Waffen. Lissy hatte ja recht. Ihre Arbeitszeit war viel zu kostbar für Nebensächlichkeiten wie Kopierpapier, Toner und Zeitschriften. Er brauchte sie für Wichtigeres. Genaugenommen war er ohne Lissy und ihr Organisationstalent nichts. Vielleicht war es besser, das mit der Hierarchie auf ein anderes Mal zu verschieben. Bis zu einem günstigeren Moment. Aber ein kleiner Stups in die richtige Richtung konnte nicht schaden. Steter Tropfen höhlt den Stein.

»Es soll Kanzleien geben, in denen sich Sekretärinnen ihren Kaffee selbst kochen, wusstest du das schon?« Fabian hoffte, dass sie sich wenigstens ein bisschen schuldbewusst geben werde, aber als Lissy ihren Kopf jetzt langsam in seine Richtung drehte, wurde ihm klar, dass sie selten so weit von Schuldgefühlen entfernt gewesen war wie gerade jetzt. Er korrigierte sich schnell: »… in denen Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte ihren Kaffee selbst kochen, liebe Lissy.« Betonung auf »lieb«. Aber das überhörte sie.

»Nennst du mich vielleicht demnächst auch noch Tippse?!«

»Nein, nein!«

»Und darf ich dem hohen Herrn dann auch noch Kekse servieren?«

»Ich wollte doch nur …«

»O mein Gott, du bist so Fifties! So Krypto-Macho!«

»Liebe Lissy, ich möchte mich jetzt nicht streiten. Gerade habe ich das Meinert-Mandat erfolgreich abgeschlossen.«

»Du? Ohne mich hättest du nicht einmal gewusst, dass heute der Termin war!«

Sie hatte recht. Und wenn Lissy in dieser Stimmung war, legte man sich ohnehin besser nicht mit ihr an. Einmal in einem ähnlichen Moment hatte Fabian angedeutet, da könnten womöglich monatliche Hormonschwankungen bei ihr im Spiel sein, und das weitere Gespräch war gar nicht gut gelaufen. Der kluge Arbeitgeber musste sich auch auf Deeskalation verstehen: »Wir. Haben natürlich wir das Meinert-Mandat erfolgreich abgeschlossen.«

Lissy zog einen Flunsch. »Hast du ein Glück, dass ich heute so gut drauf bin. Mit wem hast du eigentlich gerade gequatscht, als ich anrief?«

Jetzt bloß ganz beiläufig bleiben! »Ach, das war eine alte Bekannte. Ich hab sie im Supermarkt beim Küchenpapier getroffen.«

Eine von Lissys vielen wertvollen Eigenschaften war ihre Menschenkenntnis. Sie konnte zehn nautische Meilen gegen die Brise bei Bodennebel wittern, ob ein Mandant Schwierigkeiten beim Honorar machen würde. Das war beinahe schon unheimlich. Dummerweise machte ihr Instinkt auch jetzt keine Pause. »Du klingst aber ganz anders, Fabian. Das ist mir schon am Handy aufgefallen.«

Mist! Mistmistmist! Heute kündige ich dir, TIPPSE!

»Äh, ja, och …«

Wenn Habichte Hornbrillen und blonde Pferdeschwänze trügen, sähen sie genauso aus wie Lissy jetzt. Die hatte Witterung aufgenommen. »Wie heißt denn deine alte Bekannte?«

Verdammt! »Warum? Du kennst sie sowieso nicht.«

»Ihr Na-me!«

»Beatrice Lammert.«

»Bea?! Die Bea? Die dich vor sechs Jahren so schmählich hat sitzen lassen und von der du neulich mit diesem«, sie ahmte seinen Gesichtsausdruck nach, »diesem traumverklärten Blick geschwärmt hast? Die Bea?«

Lissy, ich hasse dich. Dass ich Bea mal nebenbei erwähnt habe, ist Monate her, und ich habe absolut nicht geschwärmt, und was merkt ihr Frauen euch eigentlich für Nebensächlichkeiten?

»Bea und ich haben uns gegen Ende des Studiums in aller Freundschaft getrennt. Und wir sind eben immer noch gute Freunde.«

»Was war denn das für ein Satz? Guckst du heimlich ›Desperate Housewives‹;?« Jetzt drehte sie auch ihren Stuhl in seine Richtung und breitete pathetisch die Arme aus. »Mensch, Fabian! Nach sechs Jahren zufällig beim Küchenpapier! Das ist ein Zeichen!«

Das war eine von Lissys weniger wertvollen Eigenschaften – ihr Aberglaube. Lissy hatte Fabian trotz zahlreicher Versuche bis jetzt nicht davon überzeugen können, das chinesische Orakel in seine anwaltliche Tätigkeit zu integrieren.

»Liebste Lissy, erstens: Es gibt keine Zeichen. Und zweitens, hilfsweise: Wenn es eine esoterische Kraft gäbe, die Bea und mich wieder zusammenführen wollte, dann hätte sie sich dazu sicher einen romantischeren Ort als das Regal mit Küchenpapier ausgesucht.«

»Lästere nicht die Mächte, die du nicht verstehst, Unberufener! Das Schicksal kennt viele verschlungene Wege. Und ganz nebenbei: Es ist für dich an der Zeit, dir endlich was Beständiges zu suchen. Was Reelles. Denk doch mal an deine Zukunft, Junge!«

Auf einmal sah Fabian seine selige Tante Irmgard vor sich. Bei solchen Visionen war es an der Zeit, abzubrechen.

»Ich geh Kaffee machen.«

»Wollt ihr euch denn wiedersehen?«

»Haben wir schon. Sie hat mir das Küchenpapier ins Gericht nachgebracht.«

»Heilige Mariamuttergottes und Josef!« Das Faszinierende und unbestreitbar Vorteilhafte an Lissys Einstellung war, dass sie beliebige Elemente aus Glauben und Aberglauben frei kombinieren konnte. »Das ist schon das zweite Zeichen.«

»Quatsch. Bea ist einfach nur praktisch veranlagt. Wahrscheinlich brauchte sie selbst kein Küchenpapier.«

»Und danach? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Habt ihr euch verabredet?«

»Nächsten Mittwoch zum Essen.«

»Versau es nicht wieder! Nicht so wie bei der Netten neulich …«

»Ich geh Kaffee machen.«

Lissys Arbeitszeit war schon deshalb so kostbar, weil sie sozialstaatlich limitiert war - weil Lissy also um halb sechs ging. Fabian nicht. Er musste so lange bleiben wie nötig. Aber jetzt war Feierabend. Dubidu.

Dummerweise lief er beim Verlassen der Kanzlei im Treppenhaus Nemesis 1 in die Arme: Leonie zu Putbus. Vor einem halben Jahr hatte sie ein Praktikum bei ihm gemacht, und seither lebte sie in der festen Vorstellung, sie und er seien füreinander bestimmt – seine ganz persönlichen Stalkerin also.

Leonies Kopf war hinter einem enormen Strauß langstieliger roter Rosen versteckt. Auch das noch.

»Ta-Ta!«, rief sie.

Einfach so tun, als wüsste ich nicht, wer sich hinter den Rosen verbirgt. »Sie sind von Fleurop? Sehr schön. Die Ayurveda-Praxis im Dritten erwartet das Pfund Rosenblätter schon.«

Sie ließ den Strauß sinken. Eigentlich war sie ganz süß, nur eben Jura-Studentin im dritten Semester, unter Realitätsverlust leidend und folglich tierisch nervig. Warum suchte sie sich nicht einen netten Kommilitonen?

»Dass du auch nie deine Gefühle zeigen kannst, Fabian.«

Bisher hatte sich Leonie noch unterhalb des strafrechtlich relevanten Bereichs bewegt, aber langsam arbeitete sie sich nach oben.

»Liebes Fräulein zu Putbus - meine Gefühle sind viel zu niedrig für Sie, und sie sagen eindeutig: Lassen Sie mich doch bitte endlich in Ruhe.«

»Erst wenn du mich erhört hast, Liebster.«

Vielleicht war es mal Zeit für einen Tonwechsel. »Leonie, das wird mir jetzt langsam zu bunt. Geh nach Hause und steck dein Näschen zur Abwechslung in ein paar Bücher. Ich empfehle die Struktur von § 238 StGB – Nachstellung.«

Sie lächelte selig. »Endlich sagst du Leonie zu mir!«

»Das – darf – doch – nicht – wahr – sein!« Fabian hob selten die Stimme, aber gerade war es doch passiert.

Eine Tür öffnete sich. Das passte ja ideal. »Guten Abend, Frau Kollegin Kärcher. Haben Sie zufällig Verwendung für 42 langstielige Rosen?«

Die Kollegin Kärcher war diplomiert humorlos. »Ich habe hier zu arbeiten, Herr Zimmermann. Würden Sie Ihr Gespräch bitte ins Innere Ihrer Kanzlei verlegen, es ist sehr laut im Treppenhaus.« Sie schloss die Tür. Alte Streberin.

»Wann gibst du uns endlich eine Chance, Fabian? Wenigstens ein klitzekleines Treffen. Wann?«

Fabian musste irgendwie an ihr vorbeikommen, möglichst ohne sie die Treppe hinunterzustoßen. Er stieg drei Stufen zu ihr hinab und beugte sich bis zur Grenze des sozialadäquaten Gesprächsabstands vor, also etwa bis zu den doofen Rosen.

»Mein liebe Studentin: Das liegt ganz in Ihrer Hand. An dem Tag, an dem Sie Ihr Zweites Examen bekommen, lade ich Sie bei Gambrinus auf ein Bier ein. So lange kann wahre Liebe warten.«

Sie sagte nichts. Unfassbar. Hatte er es geschafft? Sie ließ sogar die Rosen wieder sinken und trat einen Schritt zur Seite. Freie Bahn nach unten! Bevor Nemesis 1 ihren griechisch-mythologischen Feldzug fortsetzen konnte, sprintete Fabian nach unten und schlug die Haustür hinter sich zu.

Vielleicht war das heute doch nicht sein Glückstag. Oder zumindest nicht ausschließlich. Denn zu Hause lief er direkt in die Arme von Nemesis 2: Frau Sörensen.

Eigentlich war sie ganz umgänglich, eine ältere Dame auf Fabians Etage, bei der er sich manchmal eine Tüte Milch oder ein Päckchen Butter lieh, aber wenn sie sich vorgenommen hatte, mit Fabian eines ihrer »wichtigen Anliegen« zu besprechen, konnte sie zu einer alttestamentarischen Plage werden. Auch nicht viel besser als die griechische Mythologie.

»Herr Advocatus Zimmermann, beim Klabautermann!« Pfarrerstochter Erna Sörensen war eine halbe Ewigkeit mit dem seligen Käpten zur See Sörensen verheiratet gewesen, was ihre Nähe zur nautischen Terminologie erklärte.

»Fabian reicht völlig, Frau Sörensen.«

»Also, das mit den Briefkästen, das kann doch so nicht bleiben, Herr Advokat. Ich meine – an meinem Briefkasten klebt doch ganz groß so ein Sticker, dass ich keine Werbung wünsche.«

»Und?«

»Und heute waren da trotzdem drei Werbebroschüren drin.«

»Werfen Sie sie doch einfach weg, Frau Sörensen.«

»Kann man denn da nichts machen, Herr Advokat?«

»Das lohnt nicht.«

»Ich bin rechtsschutzversichert.«

Fabian zog den Wohnungsschlüssel aus der Jackentasche. »Man kann die Broschüren gut zum Fensterputzen nehmen. Oder zum Einwickeln von Fisch.«

»Und die jungen Leute unter mir, also, die sind ja ganz nett, aber heute war es bei denen wieder so laut!«

Der Schlüssel wanderte ins Schloss. »Die haben kleine Kinder, Frau Sörensen.«

»Aber so laut, das tut doch nicht not. Kann man da nichts machen? Ich bin rechtsschutzver…«

»Wir trinken am Wochenende mal eine Tasse Tee, ja?« Er öffnete die Wohnungstür und streckte seine Hand demonstrativ nach dem Lichtschalter in seinem Flur aus. »Jetzt habe ich leider noch ganz dringende Arbeit dabei. Tschüs.« Ohne weiter auf Frau Sörensens Rechtsschutzversicherungen einzugehen, schloss er die Tür hinter sich.

Endlich zu Hause. Nun fehlte nur noch sein Ritual, um den Arbeitstag hinter sich zu lassen. Fabian legte »Feierabend« auf, von »Ton Steine Scherben«. Der Text war zugegebenermaßen ein bisschen arbeitgeberfeindlich, aber er half Fabian immer wieder beim Abschalten. Außerdem hatte er gar keinen Mercedes - er hatte heute Bea wiedergetroffen.