Tee? Kaffee? Mord! Die kleinen Leute von Pittlewood - Ellen Barksdale - E-Book

Tee? Kaffee? Mord! Die kleinen Leute von Pittlewood E-Book

Ellen Barksdale

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Beschreibung

Folge 10: Im kleinen Dorf Pittlewood nahe Earlsraven hält sich bis heute der Aberglaube an Kobolde, die im Wald neben dem Dorf leben. Eines Tages wird einer der Dorfbewohner ermordet aufgefunden - und überall sind die Abdrücke winzig kleiner Schuhe zu sehen. Ist wirklich einer aus dem kleinen Volk der Mörder? Nathalie und Louise können das nicht glauben und machen sich auf die Suche nach einem normal großen Täter. Dann passiert ein weiterer Mord - und wieder weist alles auf die Kobolde hin. Jetzt haben es die beiden Ermittlerinnen nicht nur mit einem Dorf in Angst zu tun, sondern auch mit einer jahrhundertealten Legende - und ihren eigenen Zweifeln!

Über die Serie: Davon stand nichts im Testament ...

Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel - das ist Earlsraven. Mittendrin: das "Black Feather". Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante - und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung


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Ähnliche


Inhalt

Cover

Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Epilog

In der nächsten Folge

Leseprobe – BUNBURRY

Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie

Davon stand nichts im Testament …

Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel: das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante – und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie …

Über diese Folge

Im kleinen Dorf Pittlewood nahe Earlsraven hält sich bis heute der Aberglaube an Kobolde, die im Wald neben dem Dorf leben. Eines Tages wird einer der Dorfbewohner ermordet aufgefunden – und überall sind die Abdrücke winzig kleiner Schuhe zu sehen. Ist wirklich einer aus dem kleinen Volk der Mörder? Nathalie und Louise können das nicht glauben und machen sich auf die Suche nach einem normal großen Täter. Dann passiert ein weiterer Mord – und wieder weist alles auf die Kobolde hin. Jetzt haben es die beiden Ermittlerinnen nicht nur mit einem Dorf in Angst zu tun, sondern auch mit einer jahrhundertealten Legende – und ihren eigenen Zweifeln!

Über die Autorin

Geboren wurde Ellen Barksdale im englischen Seebad Brighton, wo ihre Eltern eine kleine Pension betrieben. Von Kindheit an war sie eine Leseratte und begann auch schon früh, sich für Krimis zu interessieren. Ihre ersten Krimierfahrungen sammelte sie mit den Maigret-Romanen von Georges Simenon (ihre Mutter ist gebürtige Belgierin). Nach dem jahrelangen Lesen von Krimis beschloss sie vor Kurzem, selbst unter die Autorinnen zu gehen. »Tee? Kaffe? Mord!« ist ihre erste Krimireihe.

Ellen Barksdale lebt mit ihrem Lebensgefährten Ian und den drei Mischlingen Billy, Bobby und Libby in der Nähe von Swansea.

Ellen Barksdale

Tee? Kaffee?Mord!

DIE KLEINEN LEUTEVON PITTLEWOOD

Aus dem Englischen von Ralph Sander

beTHRILLED

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Kirstin Osenau

unter Verwendung von Motiven © shutterstock/SJ Travel Photo and Video © Mary Ro/Shutterstock © Mary Ro/Shutterstock © Milan Zygmunt/Shutterstock © Stefano_Valeri/Shutterstock

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-7455-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen »Bunburry – Ein Idyll zum Sterben. Zu tot, um schön zu sein« von Helena Marchmont.

Prolog, in dem sich etwas Bizarres zuträgt

»Hm?« Barry Hartman ächzte leise. Irgendetwas hatte ihn aufgeweckt, aber er kniff die Augen zu, um nicht ganz aus dem Schlaf gerissen zu werden. Ein kurzes Blinzeln in Richtung des Radioweckers verriet ihm, dass es halb zwölf war. Er konnte es sich nicht leisten, richtig wach zu werden, weil er dann für Stunden nicht mehr würde einschlafen können. Da er am nächsten Morgen bereits um fünf Uhr aufstehen musste, brauchte er jede Minute Schlaf, die er bekommen konnte. Nach den letzten viel zu warmen Nächten fühlte er sich ohnehin wie gerädert. Und wenn er dann auch noch übermüdet war, war es fast vorprogrammiert, dass er mit seinem Wagen im Graben oder womöglich sogar an einem Baum enden würde.

Was immer es auch war, das von seinem Unterbewusstsein aufgeschnappt worden war – es musste warten. Er wickelte sich wieder in das dünne Laken ein, das wegen der Wärme als Ersatz für die Bettdecke herhielt, und atmete tief und gleichmäßig durch. Barry merkte, wie er langsam wieder in einen tieferen Schlaf sank.

»Verdammt«, murmelte er, als ihn gleich darauf erneut etwas hochschrecken ließ. Was war das für ein Geräusch gewesen? Es war, als würde jemand einen Gegenstand über einen Holzboden schieben oder … oder hatte er das vielleicht nur geträumt? Murrend versuchte er, wieder einzuschlafen, aber innerlich war er längst in Alarmbereitschaft gegangen und lauschte angestrengt, ob wieder etwas zu hören sein würde. Womöglich war es ja die Katze aus dem Nebenhaus, die einen Weg in sein Cottage gefunden hatte und sich im Erdgeschoss umsah. Na ja. Solange sie dabei nichts umwarf …

Und solange sie sich beim Gehen nicht so anhörte, als marschierte da unten ein Heer aus Spielzeugsoldaten hin und her …

Barry setzte sich und horchte immer noch fast im Halbschlaf auf etwas, das sich wie Schritte anhörte. Kleine Schritte von kleinen Füßen. Von Leuten mit kurzen Beinen, die viele kleine Schritte machen mussten. Er rieb sich die Augen und stand missgelaunt auf. »Kleine Schritte?«, brummte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. Unsinn. Vermutlich war das dieser Waschbär, der angeblich in der Gegend sein Unwesen trieb. Einen Beweis für seine Existenz gab es zwar immer noch nicht, doch das hieß nicht, dass er deshalb auch bloß ein Hirngespinst war. Da reichte es, ein Fenster nur zuzudrücken, anstatt es zu verriegeln, und schon hatte man einen Waschbären am Hals.

Auf der Bettkante sitzend, beugte sich Barry vor, um die Lampe auf dem Nachttisch anzuknipsen. Er wollte erst seine Augen an die Helligkeit gewöhnen, bevor er nach unten ging.

»Immer dann, wenn man’s am wenigsten brauchen kann!«, grummelte er, als die Lampe nicht anging. Offenbar hatte ausgerechnet jetzt die Glühbirne den Geist aufgegeben.

Er stand auf, ging zur Tür und schaltete die Deckenbeleuchtung ein, aber wieder blieb alles dunkel. »Das kann doch nicht wahr sein!«, schimpfte er leise, konnte jedoch nicht verhindern, dass ein ungutes Gefühl in ihm aufstieg. Es war eine Ewigkeit her, dass in seinem Cottage eine Sicherung rausgeflogen war. Aus diesem Grund hatte er auch nicht daran gedacht, für alle Fälle im Schlafzimmer eine Taschenlampe zu deponieren. Das hatte er nun davon. »Na ja, bestimmt wären dann die Batterien leer«, sagte er sich.

Ob er wollte oder nicht, er würde im Stockfinstern nach unten steigen müssen, nach den Sicherungen sehen und nach der Ursache für die Schritte und die anderen undefinierbaren Geräusche suchen, die noch etwas lauter geworden waren.

Barry öffnete die Schlafzimmertür und versuchte am Lichtschalter im Flur sein Glück, jedoch ebenfalls vergeblich. Er blieb stehen und lauschte auf die Geräusche. Die waren jetzt zwar deutlicher zu vernehmen, aber sie gaben ihm nach wie vor Rätsel auf. Zwar hatte er keine Ahnung, welche Laute ein Waschbär von sich gab, doch sein Gefühl sagte ihm, dass der sich wohl kaum so anhörte wie das da unten. Barry stellten sich mit einem Mal die Nackenhaare auf. Das klang nach Schuhabsätzen, die beim Gehen auf den Holzboden trafen … nach Absätzen kleiner Schuhe, in denen kleine Füße steckten, zu denen kurze Beine gehörten, die nur kleine Schritte machen konnten. Trotz der Wärme im Haus fröstelte Barry.

Unwillkürlich musste er an die Sage von den kleinen Leuten denken, doch die war ihrem Namen entsprechend nur eine Sage, sagte er sich. Die kleinen Leute gab es nicht, und selbst wenn sie existierten, warum sollten sie ausgerechnet in seinem Haus ihr Unwesen treiben?

Einen Moment lang fühlte er sich wie in einem Horrorfilm, in dem das nächste Opfer des maskierten Killers sehenden Auges ins Verderben läuft, weil es durch die Dunkelheit tappt, anstatt nach einem anderen Fluchtweg zu suchen.

Natürlich könnte er einfach hier oben warten, bis im Erdgeschoss Ruhe eingekehrt war. Aber was, wenn es doch keine harmlose Erklärung für die Geräusche gab, wenn jemand in böser Absicht in sein Haus eingebrochen war und der Eindringling beschloss, da unten ein Feuer zu legen? Dann saß er hier oben in der Falle, denn das Schlafzimmerfenster war zu klein, um sich auf diesem Weg ins Freie zu retten.

Es half nichts, er musste hinuntergehen und nachsehen, was da los war. Um nicht im Dunkeln durch einen falschen Schritt aus dem Gleichgewicht zu geraten und zu stürzen, hielt Barry sich an beiden Handläufen der schmalen Treppe fest, während er eine Stufe nach der anderen bewältigte. Wieder machte er einen Schritt, griff nach und … rutschte mit beiden Händen gleichzeitig ab, da die Handläufe so glatt waren, als hätte man sie mit Schmierseife oder Öl bestrichen. Die Vorwärtsbewegung zwang ihn dazu, auf die nächste Stufe zu treten, doch die lieferte ihm nicht den erhofften Halt. Vielmehr erschien es Barry, als träte er in ein Netz, in dem sich sein Fuß verfing. Obwohl sich das Ganze innerhalb von Sekundenbruchteilen abspielte, kam es Barry so vor, als verstriche die Zeit extrem langsam. Sein Verstand war noch in der Lage, alles ganz deutlich wahrzunehmen und zu dem Schluss zu gelangen, dass er nichts anderes mehr tun konnte, als die Arme auszustrecken und den Sturz so gut wie möglich abzufedern.

Im gleichen Moment flammte eine Taschenlampe auf, die den Bereich auf dem Fußboden beschien, in dem er zu Boden gehen würde. Im ersten Moment wollte sein Verstand nicht akzeptieren, was ihn dort erwartete.

Das Letzte, was Barry Hartman in dieser Nacht und zugleich in seinem Leben sehen sollte, war seine große Sammlung hochwertiger Küchenmesser aus aller Welt, die jemand in eine seltsame Konstruktion aus kleinen Schraubzwingen eingesetzt hatte – und die alle mit der Klinge nach oben ausgerichtet waren. Unmittelbar bevor sein eigenes Gewicht dafür sorgte, dass er von über einem Dutzend Messern durchbohrt wurde, glaubte er noch, ein seltsames helles Lachen zu hören. Und dann nichts mehr …

Erstes Kapitel, in dem die kleinen Leute zum ersten Mal zuschlagen

»Darf ich vorstellen? Najib Westmore. Mein Neffe«, rief Jean-Louis Talradja, als er an diesem Montagmittag Nathalies Büro im Pub Black Feather betrat. »Najib, das sind Nathalie und Fred, Freunde von mir.«

Nathalie sah von der aufgeschlagenen Akte hoch, die auf einem dicken Stapel zuoberst lag. Ihr Freund Fred und sie saßen trotz der hochsommerlichen Temperaturen mit einem großen Krug Eistee am Schreibtisch vor einem Berg Akten.

Die Fenster standen offen, aber kein Luftzug drang ins Zimmer. Die dicken Gemäuer des alten Gebäudes in Verbindung mit den kleinen Fenstern sorgten zwar für eine gute Isolierung, doch wenn es zu viele Tage hintereinander derart heiß war, drang die Hitze irgendwann doch ins Haus vor und konnte nicht wieder so leicht daraus vertrieben werden.

Nathalie sah den hochgewachsenen Gerichtsmediziner an, der mit seinem gewaltigen Wuschelkopf überall auffiel. »Wer? Was?«, fragte sie verwundert. In diesem Moment kam hinter Talradja ein junger Mann zum Vorschein, der fast genauso groß, aber noch viel schlaksiger war. Seine Verwandtschaft zu Jean-Louis und damit seine indischen Ursprünge konnte der Junge nicht leugnen.

»Extravagante Frisuren scheinen wohl in der Familie zu liegen«, erwiderte sie augenzwinkernd, während sie Najib freundlich zunickte. Der etwa sechzehnjährige Junge hatte zwar nicht die lockige Mähne seines Onkels, dafür waren die mit Gel glatt nach hinten gekämmten Haare mit den abwechselnd roten, weißen und blauen Strähnen mindestens genauso auffällig.

»Das sind die Farben des Union Jack«, erklärte der Junge mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. »Die Farben meiner Heimat.«

»Ist ja schon gut, wir haben begriffen«, gab Jean-Louis zurück und verdrehte die Augen.

Nathalie schaute erst den Gerichtsmediziner, dann ihren Freund Fred an, der wie sie selbst in die Unterlagen auf dem Schreibtisch vertieft gewesen war. Er zuckte nur mit den Schultern und schaffte es nicht ganz, sein breites Grinsen hinter einem Stapel Akten zu verstecken.

»J.L.?«, fragte sie daraufhin und warf Talradja einen forschenden Blick zu. »Ehrlich gesagt … ich habe nicht ›begriffen‹. Dein Neffe hat doch nichts Verkehrtes gesagt, oder?«

Der Gerichtsmediziner kratzte sich verlegen am Kopf. »Ihr könnt das nicht wissen, aber der Kleine lässt keine Gelegenheit aus, um mir einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben.« Als er Nathalies ratlose Miene sah, seufzte er leise. »Okay, ich muss wohl weiter ausholen. Also, Najib ist der Sohn meiner Halbschwester Genevieve.« Er lachte. »Die originelle Namensvergabe durch meine Eltern ist nicht auf mich beschränkt geblieben, wie ihr seht. Najib ist der Sohn aus Genevieves erster Ehe mit Khan Poonesh; seit ein paar Jahren ist sie mit Nate Westmore verheiratet. Der ist ein waschechter Engländer und arbeitet für eine Softwarefirma, und in ein paar Wochen wird er einen neuen Posten übernehmen, für den er allerdings mit seiner Familie umziehen muss, weil es mit dem Pendeln etwas schwierig werden würde.«

»Lass mich raten«, warf Fred ein und sah Najib an. »Es geht nach Indien, richtig?«

Der junge Mann verzog missmutig den Mund, was Antwort genug war.

»Du siehst nicht so aus, als würdest du dich auf den Umzug freuen«, sagte Nathalie mitfühlend.

»Ich will gar nicht da hin«, bestätigte der Junge. »Dort kenne ich niemanden, und ich glaube auch nicht, dass es mir da gefallen wird.«

»Das weißt du aber doch erst, wenn du mal dort gewesen bist«, gab Fred zu bedenken.

»Wir waren da. Für zwei Wochen«, antwortete Najib. »Um uns umzusehen und um uns die Wohnungen anzuschauen, die meinem Dad von seiner Firma angeboten worden sind. Ich finde es da überhaupt nicht schön. Es ist zu heiß, und es ist zu voll.« Er schüttelte sich. »Dort sind überall so schrecklich viele Menschen! Lieber fahre ich jeden Morgen um acht mit der U-Bahn einmal durch ganz London.«

Talradja nickte verstehend. »Ich weiß, wie Najib sich in Indien gefühlt hat. Mir ist es nicht anders ergangen, wenn ich schon mal für eine wichtige Familienfeier in die Heimat meiner Eltern gereist bin. Ich war jedes Mal froh zu wissen, dass es nur für ein paar Tage war und ich dahin zurückkehren konnte, wo ich mich wirklich zu Hause fühle.«

Nathalie fasste hinter ihren Kopf und band den langen Pferdeschwanz neu zusammen, da sich etliche Strähnen daraus gelöst hatten. »Bist du jetzt auf einer Art … Abschiedstour, Najib? Bevor es nach Indien geht?«

Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Ich bin auf der Suche nach einem neuen Zuhause.«

»Bei mir«, ergänzte Talradja.

»Du nimmst ihn bei dir auf, J.L.?«

Er hob abwehrend die Hände. »So weit sind wir noch nicht. Erst einmal wird Najib für zwei Wochen bei mir bleiben, damit wir herausfinden, ob wir beide überhaupt miteinander auskommen.«

»Ich mag die Musik der Achtziger«, sagte Najib hastig. »Duran Duran, Kate Bush, Human League und den ganzen Rest. Und ich mag Jäger des verlorenen Schatzes. Und Das Imperium schlägt zurück. Und das A-Team und MacGyver und Star Trek: The Next Generation. Und Flashdance. Ich liebe Jennifer Beals. Total heiß, die Frau.« Er zuckte flüchtig mit den Schultern. »Damals jedenfalls.«

»Heute auch noch, mein Lieber«, konterte sein Onkel ein wenig beleidigt. »Heute auch noch. Außerdem kannst du bei mir nicht mit Wissen über die Achtziger punkten. Schließlich kann sich das jeder anlesen. Da musst du schon mehr liefern.« Er klopfte dem Jungen aufmunternd auf die Schulter. »Aber darum kümmern wir uns noch. Erst mal musst du entscheiden, ob du tatsächlich in einem Dorf wie Earlsraven leben willst, wo es so gut wie keine Zerstreuungen für Jugendliche gibt.«

»Alles ist mir lieber als Indien«, erklärte Najib und sah seinen Onkel hoffnungsvoll an.

»Du wirst mit J.L. sicher gut auskommen«, meinte Nathalie. »Da müsstest du schon irgendwas ziemlich Übles anstellen, um bei ihm in Ungnade zu fallen.«

»Oh, das ist gar nicht mal so schwierig«, warnte Talradja sie. »Dieser junge Mann ist nämlich völlig in Verschwörungstheorien vernarrt.«

»Verschwörungstheorien?«, warf Fred ein. »So was wie die über die Aliens von Roswell?«

Najibs Augen leuchteten auf. »Eigentlich dient Roswell mit der Area 51 nur als Ablenkung, um die Öffentlichkeit mit Fotos von Aliens zu unterhalten, die dort angeblich gefangen gehalten werden, während sich das in Wahrheit alles in Point Zero abspielt, einer streng geheimen Anlage tief unter Las Vegas, Nevada. Das wussten Sie bestimmt noch nicht, Mr … ähm …«

»Estaire«, antwortete Fred. »Aber bleib ruhig bei Fred.«

»Astaire?« Najib lachte. »Sie … Sie heißen wirklich Fred Astaire?«

»Ja, aber ich schreibe mich mit ›E‹ nicht mit ›A‹. Was meinen Vornamen angeht, musst du dich schon mit meinen Eltern unterhalten. Die können dir besser erklären, was sie auf diese Idee gebracht hat.«

»Bestimmt der gleiche Grund, aus dem die Tochter von Mr und Mrs Roger, mit der ich in der Grundschule in einer Klasse war, den Namen Ginger hatte«, antwortete Najib nachdenklich. »Ich habe natürlich erst viel später begriffen, warum die Lehrer sich immer ein Grinsen verkneifen mussten, wenn ›Ginger Roger‹ aufgerufen wurde.«

Fred lehnte sich lächelnd zurück. »Na, dann bin ich ja nicht der Einzige, dem so was widerfahren ist.«

»Oh, die Verwendung von Namen, die denen von Prominenten zum Verwechseln ähnlich sind, ist eine gängige Methode der Geheimdie…«

»Habe ich zu viel versprochen?«, unterbrach Talradja seinen Neffen und zwinkerte Nathalie zu. »Ein falsches Stichwort, und das wandelnde Verschwörungslexikon öffnet sich.« Dann machte er eine Geste, als legte er einen Schalter um. Najib sah das und sprach den begonnenen Satz nicht zu Ende. »Wir verstehen uns schon ganz ohne Worte.«

»Tja, dann werden wir dich ja in nächster Zeit öfter in Begleitung deines Neffen sehen«, sagte Nathalie und deutete auf den Aktenstapel. »Wir werden uns weiter mit diesen Unterlagen befassen, um Battersfield endlich das Handwerk zu legen. Falls du bei Gelegenheit wieder mithelfen kannst …«

»Mach ich, Nathalie«, sagte der Gerichtsmediziner. »Es wird langsam Zeit, dass wir Beweise für seine üblen Machenschaften finden. Wir versuchen es ja jetzt schon seit Monaten.«

Sie nickte frustriert, da alle Bemühungen bislang vergebens gewesen waren.

»Was wir brauchen«, fuhr Talradja fort, »ist eine neue Perspektive. Wir benötigen ein unverbrauchtes Paar Augen, das diesen Wust von Unterlagen zum ersten Mal sichtet. Jeder von uns hat inzwischen jede Kopie und jede Notiz wohl schon zehnmal in der Hand gehalten. Wir nehmen gar nicht mehr richtig wahr, was da geschrieben steht.«

Nathalie konnte nicht anders, als ihm zuzustimmen. »Das ist richtig, doch wir können das keinem Außenstehenden übergeben, weil wir nicht wissen, was dann mit den Unterlagen geschieht. Ronald selbst hat ja in seiner Funktion als Polizist gesagt, dass das zwar alles sehr interessante Unterlagen sind, dass aber nichts davon ausreicht, um diesen Kerl festzunehmen. Ganz abgesehen davon würde die Polizei so viel Zeit mit der Auswertung verbringen, dass Battersfields Bauprojekt längst Wirklichkeit geworden ist, bis die Polizei sich einen ersten Überblick verschafft hat.«

»Eben«, bekräftigte der Gerichtsmediziner. »Wir können die Dokumente keinem Außenstehenden überlassen, aber wir können jemanden mit ins Boot holen, von dem ich weiß, dass wir ihm vertrauen können.«

Sie sah ihn skeptisch an. »An wen denkst du?«

Er packte Najib an den Schultern und schob ihn vor sich. »Dreimal darfst du raten.«

»Dein Neffe?«

Najib grinste sie breit an. »Onkel Bill meint, ich wäre der Richtige für den Job.«

»Onkel Bill?«

»Das bin ich«, antwortete Talradja und spähte um den schlaksigen Jungen herum. »Der ›Kleine‹ hat in jungen Jahren mit Begeisterung Endlos-Wiederholungen der Serie Lieber Onkel Bill geguckt, und seitdem bin ich sein ›Onkel Bill‹.«

Lachend warf Fred ein: »Dann sei froh, dass er sich nicht mit der gleichen Begeisterung die Addams Family angesehen hat, sonst wärst du jetzt ›Onkel Fester‹.«

Nathalie schüttelte den Kopf. »Okay, Leute, jetzt mal bitte ernsthaft: Wie soll Najib uns helfen?«

»Ganz einfach«, erwiderte Talradja. »Er weiß nicht, um was es geht, er hat keinen einzigen dieser Vorgänge jemals zu sehen bekommen. Ihm fallen vielleicht Dinge auf, die keiner von uns bislang bemerkt hat, und vor allem …«, er ließ eine lange Pause folgen, wohl um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, »… denkt er ganz anders als wir alle. Keinem von uns kämen die Verschwörungstheorien in den Sinn, die für ihn ganz normal sind.« Er sah seinen vor Freude strahlenden Neffen nachdenklich an. »So wenig ich von den Theorien halte, kann ich nicht abstreiten, dass zumindest dieser völlig andere Denkansatz interessant ist und zu anderen Ergebnissen führen könnte. Oder überhaupt zu Ergebnissen.« Er deutete auf den Aktenstapel auf Nathalies Schreibtisch.

Sie ließ sich den Vorschlag kurz durch den Kopf gehen, dann nickte sie bedächtig. »Es wäre zumindest einen Versuch wert.«

»Erst recht, da jetzt die Zeit drängt«, fügte der Gerichtsmediziner hinzu.

Nathalie runzelte verwundert die Stirn. »Wieso drängt die Zeit?«

»Ich dachte mir, dass ihr davon noch nichts gehört habt«, sagte er. »Bevor ich heute Morgen nach London gefahren bin, um Najib abzuholen, hat mich eine Freundin angerufen, die als Maklerin für hochwertige Immobilien arbeitet. Sie gehört zu den wenigen Auserwählten, die am fünfundzwanzigsten Juli, also in zehn Tagen, zu einer Pressekonferenz eingeladen sind.«

»Was für eine Pressekonferenz?«, wollte Nathalie wissen, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.

»Eine Pressekonferenz nur für ganz bestimmte Journalisten und Makler und ein oder zwei Banker, die sich verpflichten, über alles absolutes Stillschweigen zu bewahren, was sie dort erfahren, bis sie grünes Licht bekommen, selbst aktiv zu werden.«

Sie sah ihn abwartend an.

»Zu den Details hat sie sich nicht weiter geäußert – da muss ich noch mal nachhaken –, doch immerhin hat diese Einladung meine Freundin auf die Idee gebracht, mich anzurufen«, redete Talradja weiter. »Da ich doch in Earlsraven lebe, hoffte sie, von mir vielleicht Näheres über dieses Projekt zu erfahren … das Projekt mit dem Namen ›Raven’s Gate‹.«

»Raven’s Gate?«, rief Nathalie erschrocken. »Battersfield will bei dem Anlass sein Projekt öffentlich bekannt geben? Oh verdammt, das darf doch nicht wahr sein! Diese Pressekonferenz … Wir müssen …« Sie schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Wir müssten, aber wir können nicht, weil wir keinen Beweis in der Hand haben.«

»Eben, und da wir in diesen noch verbleibenden zehn Tagen vermutlich nicht die notwendigen Beweise finden werden, lassen wir Najib ran«, erklärte Talradja. »Weniger als wir kann er gar nicht zutage fördern.«

»Da hat er recht«, stimmte Fred ihm zu.

Nathalie rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. »Also gut, einverstanden. Wenn du das auch willst, Najib.«

Der Junge sah sie mit einem strahlenden Lächeln an. »Ob ich das will?«, wiederholte er. »Wann darf ich anfangen? Ich muss nur noch wissen, wonach ich suchen soll.«

»Ich habe ihn noch nicht eingeweiht«, erklärte der Gerichtsmediziner. »Das wollte ich dir überlassen, Nathalie, schließlich ist das Ganze dein und Louise’ Baby.«

Sie musste unwillkürlich lächeln. »Danke, das ist nett von dir.«

»So bin ich nun mal«, gab er amüsiert zurück. »Du kannst Najib jetzt alles in Ruhe erklären. Mich findet ihr im Pub, ich muss erst mal was essen.«

»Warte, ich komme mit«, rief Fred und sprang von seinem Platz auf. Er ging an Najib vorbei und deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Setz dich ruhig, Junge.« Dann sah er zu Nathalie und fragte beim Anblick ihrer verwunderten Miene: »Das ist doch okay, oder?«

»Wenn ihr alle nichts dagegen habt, mich mit einem wildfremden Mann allein zu lassen«, antwortete sie augenzwinkernd, »dann ist das natürlich okay.«

»Nein, wir haben nichts dagegen«, konterte Fred betont beiläufig, gab ihr einen Kuss auf den Mund und folgte Talradja aus dem Büro.

Nathalie lehnte sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurück. »Also schön, Najib. Ich werde das so gut wie möglich zusammenfassen, damit du weißt, um was es geht«, begann sie. »Hm … ja, ich fange am besten so an … Vor einiger Zeit wurde hier in der Nähe die Leiche eines Enthüllungsreporters namens Ewan Forrester gefunden, der von einem Auftragskiller ermordet worden war. Dieser Killer hatte den Auftrag dazu von einem Regionalpolitiker namens Sir Alfred Battersfield, was wir ihm jedoch nicht nachweisen können. Es gibt nur den Beweis, dass Battersfield von einem seiner Smartphones aus den Killer angerufen hat …«

»… was keinen Richter interessieren wird, weil das als Beweis halt nicht ausreicht«, führte Najib den Satz fort und nickte verstehend.

»Ganz genau, Najib«, sagte Nathalie. »Auf jeden Fall hat Battersfield etwas mit diesem Mordauftrag zu tun, denn der ermordete Journalist hatte unter anderem auch alles Mögliche zu diesem Projekt ›Raven’s Gate‹ zusammengetragen, von dem dein Onkel vorhin gesprochen hat. Das ist ein Bauprojekt für Superreiche, das hier ganz in der Nähe auf einem ehemaligen Militärflughafen realisiert werden soll. Battersfield ist nicht nur Politiker, sondern ›nebenbei‹ auch noch Geschäftsmann, dem eine ganze Reihe von Firmen gehören, die alle auf irgendeine Weise an diesem Bauvorhaben beteiligt sein und davon profitieren werden. Er wird dadurch um etliche Millionen Pfund reicher, ohne dass das irgendwem bewusst ist.«

»Das könnte man doch öffentlich machen«, gab Najib zu bedenken. »Damit wäre dieser Battersfield von einem Tag auf den anderen politisch erledigt.«

Sie rieb sich über das Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben, von der sie mit einem Mal befallen wurde. »Das haben wir auch schon überlegt, aber soweit wir bisher wissen, hat Battersfield alles so geschickt verschleiert, dass es aussieht, als wäre alles legal über öffentliche Ausschreibungen gelaufen. An wichtigen Stellen war zudem offenbar Bestechung im Spiel. Es wird schwer werden, jemanden zu finden, der gegen diesen Mann aussagt.«

»Der Politiker hat das Ganze clever eingefädelt«, sagte der Sechzehnjährige in einem Tonfall, als beschäftigte ihn dieser unerfreuliche Umstand schon seit zwanzig Jahren. »Wenn man ihm zuerst den Mordauftrag nachweist und dann die Gründe dafür nachliefert, wäre es sowieso viel wirkungsvoller.«

»Genau. Und dann können wir auch dieses irrsinnige Bauprojekt stoppen«, sagte Nathalie, die ganz begeistert davon war, in dem jungen Mann jemanden gefunden zu haben, der so scharfsinnig war. »Der einzige stichhaltige Beweis, den wir haben, ist der Mitschnitt einer Unterhaltung mit dem Elektriker, der die Eröffnung meines Landsupermarktes vereiteln sollte. Dieser Markt blockiert die Zufahrt zu der geplanten Siedlung und ist Alfred Battersfield deshalb ein Dorn im Auge. Auf der Aufnahme bedroht Battersfield den Mann, doch wir können daraus keinen Zusammenhang zu seinem Bauvorhaben ›Raven’s Gate‹ konstruieren, und solange das nicht geht, kann dieser Politiker sich immer noch rausreden und seinen Anruf anders auslegen.«

»Gut.« Najib nickte. »Wo soll ich anfangen?«

Nathalie sah sich um. »Mit diesen beiden Stapeln hier«, sie zeigte auf den Schreibtisch, »und dem Karton, der da drüben steht … Das sind die kompletten Unterlagen. Das ist jetzt alles ein bisschen durcheinandergeraten, aber die Mappen sind durchnummeriert. Wenn du sie also einmal neu sortierst, kannst du die Unterlagen von Anfang an durchgehen.«

Najib nickte beflissen. »Gut. Wo kann ich in Ruhe arbeiten?«

»Hier in meinem Büro, wenn du willst«, schlug sie vor.

Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte lieber irgendwo mit meinem Laptop sitzen, wo ich ungestört bin. Wo niemand reinkommt oder anruft.«

»Hm«, machte sie. »Das ist gar nicht so einfach …« Dann schnippte sie mit den Fingern. »Oder warte, es geht doch. Eines der Hotelzimmer kann im Moment nicht vermietet werden, da die Dusche komplett erneuert werden muss. Die Handwerker warten noch auf Ersatzteile und können sich erst in acht bis zehn Tagen darum kümmern. So lange kann ich das Zimmer niemandem geben, aber du könntest dich da tagsüber in die Unterlagen vertiefen. Wenn du etwas zu essen oder zu trinken möchtest, ruf einfach am Empfang an, dann wird dir was raufgebracht.«

»Wow, danke!«, erwiderte Najib und begann die Unterlagen zusammenzupacken, während Nathalie zum Telefonhörer griff, um an der Rezeption Bescheid zu geben, dass Talradjas Neffe bis auf Weiteres das Hotelzimmer nutzen durfte.

»Ein aufgeweckter Junge, muss ich sagen.« Nathalie nickte dem Gerichtsmediziner zu, der nach dem Essen wieder zu ihr ins Büro gekommen war, während sich Fred auf den Weg zu ihrem Landmarkt gemacht hatte, in dem er als Manager arbeitete.

»Ja, ich hoffe nur, dass er sich mit diesem Verschwörungskram nicht irgendwelchen Ärger einhandelt«, erwiderte er. »Ein bisschen an den Dingen zu zweifeln, die einem vorgesetzt werden, ist ja nicht verkehrt. Aber hinter jeder ungewöhnlichen Ampelschaltung gleich eine Hinterlist der Regierung oder der Geheimdienste zu sehen, ist auf Dauer ein wenig … anstrengend, wenn du mich fragst.«

Nathalie winkte ab. »Hier in Earlsraven wird es Najib nicht so leichtfallen, irgendetwas mit Geheimdienstaktivitäten in Verbindung zu bringen. Hier gibt es schließlich so gut wie nichts.«

Der Gerichtsmediziner seufzte leise. »Auch keine Gleichaltrigen«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob es ihm auf Dauer gefallen wird, dass er sich nicht mal schnell mit Freunden verabreden kann.« Er schüttelte den Kopf. »Durch Najib ist mir erst bewusst geworden, dass man in Earlsraven fast nirgends Kinder oder Jugendliche sieht. Hier in dieser Gegend wohnen offenbar gar keine jungen Familien.«

»Das ist ein Problem der Infrastruktur. Jeder Kindergarten und jede Schule müsste ein riesiges Einzugsgebiet haben, um mit Müh und Not genügend Kinder zusammenzubekommen, um als Einrichtung rentabel zu sein. Andererseits ziehen ohne Kindergarten und Schulen in der Nähe auch keine jungen Familien her.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich sehe leider auch nicht, wie …«

Das Klingeln ihres Smartphones unterbrach Nathalie, die das Gespräch sofort annahm. Hastig machte sie sich ein paar Notizen, dann legte sie auf. »Mutmaßlicher Toter in Pittlewood«, berichtete sie. »Ein Notarzt ist schon dorthin unterwegs. Kannst du mich begleiten, J.L.?«

»Klar, aber … wo ist unser Constable Strutner?«

»Der nimmt an einer zweitägigen Weiterbildung teil.«

»Müsste dann nicht ein anderer Constable herkommen, um ihn zu vertreten?«

»Müsste, ja«, bestätigte sie. »Doch der hat sich am Morgen für heute und morgen krankgemeldet.«

»Und Louise?«

»Unsere Köchin musste noch mal für ein paar Tage in Richtung Kontinent abreisen, weil noch Szenen für ihre Kochshow nachgedreht werden müssen. Sie wird wohl morgen wieder hier sein. So lange springt Paige aus dem Buchladen in der Küche für sie ein.« Nathalie fuhr den Computer herunter und suchte ihre Sachen zusammen. »Sie ist leidenschaftliche Köchin und hat sich unglaublich darüber gefreut, dass sie mir aushelfen kann, wenn Louise nicht da ist. Aber zum Glück drehen die ja sechs Episoden an jedem Tag, da ist eine komplette Staffel nach vier bis fünf Tagen im Kasten. Ich glaube, bei jedem anderen Drehplan würde Louise auch rebellieren.« Sie nahm die Wagenschlüssel an sich und verließ gemeinsam mit Talradja das Büro.

»Vielleicht haben wir es ja ausnahmsweise mal mit einer ganz natürlichen Todesursache zu tun«, meinte der Gerichtsmediziner. »Oder der vermeintlich Tote ist gar nicht tot.«

Nathalie lächelte ihn an. »J.L., du bist ein unverbesserlicher Optimist.«

Der angeforderte Notarzt hatte nur noch den Tod des Mannes feststellen können und war soeben wieder abgefahren.

»Eins steht für mich schon mal fest: Hier haben wir es mit keiner natürlichen Todesursache zu tun«, erklärte Talradja, als auch er einen ersten Blick auf den Toten warf, und verzog den Mund.

»Das sehe ich auch so.« Nathalie betrachtete den Mann, der leblos vor ihnen auf dem Boden lag und in der behaglichen kleinen Diele seltsam fehl am Platz wirkte.

Das Cottage, in dem sie sich befanden, strahlte etwas wohltuend Gemütliches aus. Außerdem war es im Haus dank der kleinen Fenster und der dicken Mauern immer noch vergleichsweise erträglich, während draußen vor der Tür über dreißig Grad herrschten. Soweit Nathalie bisher hatte sehen können, war alles mit viel Liebe zum Detail eingerichtet und farblich in Brauntönen perfekt aufeinander abgestimmt. Die vielen Aquarelle, die jeden freien Platz an den Wänden der kleinen Diele einnahmen, zeigten hübsche, skizzenartige Landschaften mit viel Grün unter blauem Himmel.

Was jedoch so gar nicht in dieses Idyll passen wollte, war der Tote auf dem Boden. Sechs lange Klingen hatten sich durch seinen Körper gebohrt, vier Messerklingen ragten links und rechts vom Kopf des Opfers in die Luft. Dadurch war gut zu erkennen, dass es sich bei ihnen um mehr oder weniger handelsübliche Küchenmesser handelte, die in einer eigenartigen Konstruktion befestigt waren.