Tempel, Logen, verschworene Brüder - Helmut Borth - E-Book

Tempel, Logen, verschworene Brüder E-Book

Helmut Borth

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Beschreibung

Die Wurzeln der mecklenburgischen Freimaurerei finden sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Beeinflusst wurde die Entwicklung der Königlichen Kunst im Land wesentlich durch die Brüder der in Mirow geborenen englischen Königin Charlotte. Als Gouverneure ihres Mannes in Hannover und Celle wurden die Prinzen Carl und Ernst Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft, als kaiserlicher Offizier auch Georg August. Letzterer nutze als einflussreicher Maurer das verschwiegene Netzwerk der untereinander verbundenen Logen auch, um hinter den Rücken seiner Familie eine heimliche Hochzeit mit der unehelichen Tochter des Kurfürsten von Pfalz-Bayern einzufädeln. Die nicht standesgemäße Ehe sollte den überschuldeten kleinen Bruder der Königin eines Weltreiches finanziell sanieren. Als das nicht gelang, war er wenige Monate später tot. Vereint waren alle vier Brüder in der Rostocker Loge Zu den drei Sternen. Die folgte nicht dem schlichten englischen System von Lehrling, Geselle und Meister, sondern einem sich auf den Templerorden berufenden hierarchischen Hochgradsystem. 1772 hatte eine Abordnung der Rostocker Loge Dörchläuchting in seinem Mirower Schloss als Freimaurer angenommen und mit ihm in einer einzigen Nacht alle Grade bis zum Meister durchlaufen. Zwei Jahre später wurde wegen der häufigen Aufenthalte des Landesherrn in Neubrandenburg die Loge Zum gekrönten goldenen Greif gegründet, die neun Jahre wirkte und der viele Mitglieder des Neustrelitzer Hofes angehörten. Unter dem Einfluss von Georg Christoph Röpert, eines dem Okkultismus anhängenden Rosenkreuzers und erster Meister vom Stuhl in Neubrandenburg, entstand 1776 in der Viertorestadt die Herzog Adolph Friedrich IV. gewidmete Schottenloge Adolph zum Ritteringe. In sie wurden Brüder berufen, die bereits den Meistergrad erreicht hatten und sich mit weiterführenden Graden wie Geheimer Meister oder Vollkommener Meister vom Gleichheitsgebot der Freimaurer abheben wollten, und das nicht nur während der Tempelarbeit in der Loge. Das Buch enthält neben verschiedenen Essays auch eine sprachlich der heutigen Rechtschreibung angepasste und um informative bzw. erklärende Fußnoten ergänzte Ausgabe der 1915 veröffentlichten Festschrift zum 100. Gründungsjubiläum der Neubrandenburger Loge Zum Friedensbunde, die deren Geschichte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wiederspiegelt.

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2016

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For Janes

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Inhalt

Geheimes Wissen braucht geheime Orte

Belvedere war ein Freimaurertempel

Der kleine Bruder der großen Königin

Wo Wikipedia irrt

Die Dichterin und der Stuhlmeister

Geschichte der unter der Ehrw. Großen Loge von Hamburg arbeitenden Johannisloge „Zum Friedensbunde“

Bruder Walther

Bruder von Langermann

Bruder Mehncke

Bruder Müller

Bruder Dolle

Bruder Brünslow

Bruder Kneifel

Bruder Kessow

Bruder Brockmanns und Bruder Schaafs

Anlage 1: Das gebe der große Baumeister aller Welten!

Anlage 2: Aus der g. u. v. St. Joh.[Loge]

„Zum Friedensbunde“

Fotonachweise

Über den Autor

Geheimes Wissen braucht geheime Orte

War Belvedere der erste Freimaurertempel Neubrandenburgs?

Geheimes Wissen braucht geheime Orte, braucht Räume, um magische Rituale vor profanen Blicken zu schützen. Solche der Öffentlichkeit verborgenen Rückzugsmöglichkeiten bot das Mirower Schloss des Mecklenburg-Strelitzer Herzogs Adolph Friedrich IV. allemal.

Seit 1753 Regent seines Landes, lebte der junge Fürst längst nicht mehr in seinem bescheidenen Elternhaus vor der Mirower Schlossinsel und auch nicht im komfortableren barocken Schlösschen seiner Großmutter Christiane Aemilie Anthonie, einer geborenen Prinzessin von Schwarzburg-Sonderhausen, auf der Insel. Dorthin war seine Familie nach dem Tod der alten Dame 1751 gezogen. Seit 1761 Schwager von König Georg III. von Großbritannien und Irland, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Hannover), residierte der den aufkommenden Naturwissenschaften gegenüber aufgeschlossene Landesherr des kleineren der beiden Mecklenburgs standesgemäß im großen Neustrelitzer Residenzschloss, das er nach dem Vorbild von Versailles hatte aufwendig umgestalten lassen.

Im Mirower Schloss wurde Herzog Adolph Friedrch IV. in die Reihen der Freimaurer aufgenommen.

Er hielt großzügig Hof, beköstigte alle interessanten Besucher seines Residenzstädtchens, kleidete sich nach neuestem Pariser Chic und frönte der Bauleidenschaft. Im Weisdiner See schuf er sich 1762 mit Adolphslust ein Refugium der Entspannung, in Ratzeburg 1766 ein nie von ihm besuchtes Herrenhaus als sommerlichen Residenzsitz. Der Bruder der Königin von England und erster Mecklenburger Träger des britischen Hosenbandordens, The Most Noble Order of the Garter, fühlte sich zum Repräsentieren verpflichtet. Auch wenn die Mäuse beim Blick in die Kassen in Tränen ausbrachen.

450.000 Taler in Gold betrugen die Kabinettschulden, 50.000 Taler die Rückstände bei der Rentei. Dazu hatte der ewige Junggeselle rund 250.000 Taler private Verbindlichkeiten, als 1772 mit „kaiserlicher Genehmigung“ eine Geheime Kommission ins Leben gerufen wurde, um das Haus Mecklenburg-Strelitz vor dem gänzlichen Ruin zu bewahren. Doch was störte den frommen Herzog die Ebbe in seinen Kassen, solange er bei seinen Hauptgläubigern Hannover, dem Kurfürstentum seines königlichen Schwagers Georg III., sowie bei Juden aus Berlin und Strelitz-Alt noch ausreichend Kredit besaß. Neidvoll blickte er nach Ludwigslust, wo auf Anordnung seines Schweriner Vetters Friedrich gerade mit dem Bau eines neuen Residenzschlosses begonnen wurde. Ihm war klar, dass er auch eines neuen Residenzensembles bedurfte. Die Vorderstadt Neubrandenburg hatte er sich dafür auserkoren.

Das älteste Stadtbild Neubrandenburgs aus dem Jahr 1774 zeigt in Broda (im Bild ganz links) auch das Belvedere Herzog Adolph Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz. Foto: Wikipedia

Vielleicht boten ihm die Freimaurer neue Finanzierungsmöglichkeiten. In den Logen der Bruderschaft sammelten sich Mitte des 18. Jahrhunderts Adlige, die keine Aussicht auf das väterliche Erbe hatten und gezwungen waren, in fremden Diensten ein standesgemäßes Auskommen zu finden. Dazu kamen Verwaltungsbeamte mit mindestens einem Titel und Aufstiegswünschen, Künstler und reiche Bürger, die sich nach mehr gesellschaftlichem Ansehen sehnten. Die Logen der Strikten Observanz, das heißt des unbedingten Gehorsams, boten den neuen Brüdern nicht nur die Gelegenheit, sich mit einem (nicht weltlichen) Rittertitel zu schmücken. Sie boten auch ein Netzwerk der tausend Möglichkeiten. Das begann mit Unterkünften auf Reisen oder Kontakten bei privaten oder kleineren diplomatischen Missionen. Das Logensystem der Freimaurer der Strikten Observanz bot (fast) jedem Mitglied, was es suchte. Nachgeborene Fürstensöhne fanden Ansehen und Machtpositionen. Ihre durch Geburt begründete herausgehobene gesellschaftliche Stellung verschaffte ihnen in der Bruderschaft reiche und kluge Freunde und Bewunderer.

Spätestens nach der Ersten Teilung Polens 1772 entdeckten auch regierende Fürsten die Nützlichkeit eines solchen Netzwerkes und ihren Bedarf daran. Bei Adolph Friedrich IV. dürften die Beispiele seiner Brüder keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Carl, drei Jahre jünger als Adolph Friederich und schon mit vier Jahren vorgesehen für einen Dienst in der Armee Hannovers, machte nach der Heirat von Sophie Charlotte mit König Georg III. Karriere. Er wurde britischer Generalleutnant und Gouverneur von Hannover. 1766 wurde er in einer außerordentlichen Loge in Celle Freimaurer. 1772 nahm er als Superior et Protector ordinis, das heißt als oberster Beschützer des Ordens, in Hannover eine leitende Stellung bei der Strikten Observanz ein. Zwei Jahre darauf folgte mit Georg August der jüngste Bruder, den während seiner Kavalierstour die Brüder der neapolitanischen Loge „Della Vittoria“ in die drei Grade des Maurerbundes aufnahmen. 1770 war es dann mit Ernst Gottlob, großbritannischer Generalmajor und Gouverneur in Celle, der dritte Bruder, der sich den Freimaurern anschloss.

Herzog Carl zu Mecklenburg-Strelitz in britischer Generalsuniform auf einem Gemälde von Johann Georg Ziezenis um 1770.

Carl und Ernst sollen 1772 die Rostocker Loge „Zu den drei Sternen“ bewegt haben, ihren regierenden Bruder als Maurer anzunehmen. Die Rostocker Loge war 1760 durch Hofrat Gustav Christian Handtwig gegründet worden. 1761 nahm sie ihre ersten Brüder auf und konstituierte die Schottenloge „Zur Sonne“. Bis 1764 schwang der Gründer der Loge als Meister vom Stuhl den Hammer. Dann wurde die Loge der Strikten Observanz zugeführt.

Vier Tage vor Heiligabend 1772 erreichte die Abordnung der Rostocker Freimaurer Mirow. Obwohl es kurz vor Weihnachten war, stand in der Eingangshalle des Schlosses kein geschmückter Weihnachtsbaum. Ein simpler Baum aus dem Wald, das wäre Herzog Adolph Friedrich IV. zu ordinär gewesen. Zum Weihnachtsfest die Natur ins Haus zu holen und mit Rosinenketten, roten Äpfeln, Nüssen und leuchtenden Kerzen zu schmücken, hatte in Mecklenburger Landen noch keine Verbreitung gefunden. Allerdings stammt aus dem Jahr 1772 das erste schriftliche Zeugnis für einen solchen Weihnachtsbaum in Mecklenburg. Der Greifswalder Geschichtsprofessor Kosegarten hatte 1758 als 14-Jähriger in Grevesmühlen ein solches Bäumchen beim Organisten der Stadtkirche gesehen.

Herzog Ernst zu Mecklenburg-Strelitz als britischer Gouverneur von Celle.

Ernst Werner von Raven, Erbherr auf Nossentin, Sparow und Rahnenfelde, Joachim Heinrich von Schröder auf Groß Nienhagen bei Rostock und Georg Christoph von Röpert, Erbherr auf Trollenhagen, dürften als Rostocker Abgesandte auch weniger an die vorstehende Heilige Nacht gedacht haben. Ihre Mission war subtiler. Sie hatten mit dem Herzog in einer Nacht die Zeremonien aller drei Maurergrade zu durchlaufen.

Im März 1774 gründete der Trollenhagener Gutsbesitzer von Röpert, der übrigens 1762 in Hannover Freimaurer wurde und 1766 in die Rostocker Loge wechselte, im Auftrag der Hansestädter Brüder in Neubrandenburg die Loge „Zum gekrönten goldenen Greif“, die sich aber bald von ihrer Mutterloge trennte, sowie 1776 die Schottenloge „Adolph zum Ritterringe“.

Ein Jahr nach Gründung der Neubrandenburger Loge malte der 1751 in Eberswalde geborene Sohn eines Apothekers und Stadtkämmerers, Carl Gottlob Heinrich Arndt, von „oberhalb der Poggenkuhle“ aus eine Stadtansicht Neubrandenburgs. Der Hauslehrer beim Hofrat Adolph Friedrich Quinckardt in Klein Nemerow hatte von 1770 bis 1772 in Halle Theologie studiert, bevor er über Berlin nach Mecklenburg-Strelitz kam. 1785 zog er mit seinem Schützling dann ganz nach Neubrandenburg, da sein Schutzbefohlener hier aufs Gymnasium gehen sollte. Arndts Aquarell-Bild lässt auch einen Blick auf Broda zu. Der zeigt auf der linken Seite das Amtshaus mit seinen Wirtschaftsgebäuden sowie ein Stück darüber Belvedere in der von Herzog Adolph Friederich IV. errichteten Form. Zu sehen ist ein achtachsiges verputztes Fachwerkhaus mit einem zweiachsigen Mittelrisalit, das frontal zum Hochufer des Tollensesees steht. Davor ist eine eingezäunte barock gestaltete Gartenanlage zu erkennen. Im Rückraum Belvederes zeigen sich schemenhaft weitere kleinere Gebäude. Oberkirchenrat Georg Krüger spricht in seiner Beschreibung der „Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz“ 1925 von „Baracken für die Dienerschaft“. Er beschreibt Belvedere als „einstöckiges Fachwerkgebäude auf hohem Sockelgeschoß unter Satteldach. Im Mittelrisalit liegt unter einem Dreiecksgiebel ein mit drei Fensterachsen durchgehender Saal, beiderseits schließen sich, ebenfalls mit hohen Fensterachsen, die Nebenräume an. Länge 26 m.“ Dabei bezieht er sich auf ein während des Zweiten Weltkrieges verschollenes Gemälde.

Herzog Adolph Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz um 1770.

Viele Indizien sprechen dafür, dass Dörchläuchtings Belmandür, wie die schöne Aussicht bei Fritz Reuter genannt wurde, der erste Neubrandenburger Freimaurertempel war. Adolph Friedrich IV. wechselte 1774, also mit Fertigstellung von Belvedere, von der Rostocker Loge „Zu den drei Sternen“ in die Neubrandenburger Loge „Zum gekrönten goldenen Greif“. Deren Name selbst könnte ein Hinweis auf die Person des Herzogs sein, der gekrönte [Ehren-]Rektor der Greifswalder Universität. Mit 15 hatte er auf der Flucht vor seinem Schweriner Verwandten in der zu Schweden gehörenden vorpommerschen Universität Schutz gefunden. Ebenso sprechen die Länge des Gebäudes und seine Ost-West-Ausrichtung für die These. Mit 26 Metern ist Belvedere fast so groß wie der salomonische Tempel, der das fiktive freimaurerische Urgebäude darstellt, dessen Länge in der Bibel mit 60 Ellen angegeben wird. Darüber hinaus war das Brodaer Holz, in dem Belvedere gebaut wurde, noch nicht durch gebahnte Wege erschlossen. Vielmehr lag es am Rande der herzoglichen Domäne Broda versteckt vor neugierigen Blicken am Steilufer des Tollensesees.

1775 gehörten übrigens 26 Angehörige des Hochadels in den deutschen Landen zu den Freimaurern, darunter alle vier Brüder des Hauses Mecklenburg-Strelitz. Eine Einmaligkeit.

Auch wenn 1782 mit dem Wilhelmsbader Konvent der Anfang vom Ende der Strikten Observanz eingeläutet wurde und immer mehr Logen der Organisation entsagten und sie sehr schnell zerfiel, die Neubrandenburger Loge löste sich auf, blieben alle vier Mecklenburg-Strelitzer Herzogsbrüder ihr Leben lang Freimaurer.

Nach Christian Ludwig Friedrich Theodor Sponholz, Mitte des 19. Jahrhunderts Pastor zu Rühlow, soll hier übrigens der sagenhafte Slawentempel Rethra gestanden haben, wie er in einer 1861 bei Carl Brünslow veröffentlichten Schrift nachzuweisen versuchte. Sein Büchlein muss der namhaften Schriftstellerin Ricarda Huch bekannt gewesen sein. Im Neubrandenburg-Porträt ihrer 1930 erschienenen „Lebensbilder mecklenburgischer Städte“ kann man lesen: „An der Stelle von Dörchläuchtings allzu klassischem Belmandür stand vielleicht ein hölzerner Tempel mit grotesken, buntbemalten Schnitzereien, in dem ein Götzenbild verehrt wurde, das nun seit Jahrhunderten auf dem Grunde des Sees ruht.“ Was die reisende Schreiberin dabei außer Acht ließ ist die Tatsache, dass ihr „Belmandür“ nicht das von Dörchläuchting war, sondern das, welches 1823 durch den Schinkelschüler und großherzoglichen Baumeister Friedrich Wilhelm Buttel im Auftrag von Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz errichtet wurde.

Dörchläuchtings Belvedere wurde nach seinem Tod 1794 abgetragen und durch einen Neubrandenburger Bürger in der Beguinenstraße wieder als Fachwerkhaus aufgebaut. Wann genau der Umzug erfolgte, ist nicht klar. Fakt aber ist, er muss eine Erlaubnis des regierenden Herzogs gehabt haben. Adolph Friedrichs IV. Bruder Carl, der ihm auf den Thron folgte, war ein einflussreicher Maurer, seit 1786 Provinzialgroßmeister des Kurfürstentums Hannover. Als englischer Großmeister stiftete er am 31. Oktober 1815 die neue Neubrandenburger Loge „Zum Friedensbund“, für die das vom Steilufer des Tollensesees in die Innenstadt Neubrandenburgs verlegte Belvedere als Loge diente. Bei ihrer Gründung hatte die neue Loge 24 Mitglieder. Zeitweise war das Haus, 1844 erstmals als Gastwirtschaft benannt, im Besitz der Loge. Dann mussten sie es verkaufen. Die Freimaurer blieben aber Mieter, bis sie sich Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen Neuem Tor und Pferdemarkt ein neues Logenhaus bauten.

Nach dessen Fertigstellung wurde aus dem alten Logendomizil in der Beguinenstraße 7, das zeitweilig auch die Namen „Zur Börse“ bzw. „Restaurant Loge“ führte, das „Tivoli“. Hier wurde getanzt, Theater gespielt und sich vergnügt, bis der Erste Weltkrieg das Unterhaltungsprogramm änderte. Nun standen vaterländische Unterhaltungsabende, religiöse Vorträge und Versammlungen nationaler Parteien im Kalender.

Nach dem Machtantritt der Nazis wurde das „Tivoli“ im Juli 1933 Sturmlokal des SA-Sturms 6/60. Während des Krieges wurde das Haus, bedingt durch den großen Saal und seine Küche, Außenstelle des Kriegsgefangenenlagers Stalag II A. Die überwiegend französischen Kriegsgefangenen arbeiteten tagsüber bei Lythall, im Gaswerk am Pferdemarkt oder in Neubrandenburger Handwerksbetrieben. Nachts wurden sie im „Tivoli“ eingeschlossen und von Landsturmsoldaten bewacht. Ende April 1945 endete nach 171 Jahren die Geschichte des ersten Logenhauses.

Belvedere war ein Freimaurertempel

Jagdhaus, Sommerhaus, Schloss, Attika und Loge

Neubrandenburgs Belvedere gehört zu den Sehenswürdigkeiten der Vier-Tore-Stadt, die es zu Einträgen im Internetlexikon Wikipedia gebracht haben. Ernst Boll (1817–1868), Begründer der Mecklenburger Naturforschung, fand bereits 1852 für diese „schöne Aussicht“ folgende Worte: „Es ist auch ohne Zweifel der herrlichste Punkt am Seeufer, nicht allein wegen der Schönheit und Mannigfaltigkeit der Aussichten, welche man von dort aus genießt, sondern auch wegen des Anblicks, welchen dies Vorgebirge selbst von verschiedenen Standpunkten aus gewährt, ganz besonders zur Frühlingszeit, wenn der Hügel von den Blüten des Goldregens und des Flieders gleichsam umwogt wird. Die umfassendste Aussicht hat man, wenn man vor dem Pavillon selbst steht: vor sich und zur Rechten überblickt man den klaren Spiegel des Tollense[sees] in seiner ganzen Ausdehnung, so wie sein ganzes östliches Ufer; zur Linken die im weiten Tale gelegenen und von einem dichten Eichenkranze halbversteckte Stadt Neubrandenburg und hinter ihr die Höhen des Werder, welche dort den Horizont begrenzen. Es ist dies ein landschaftliches Panorama, dessen Totalwirkung von ergreifender Wirkung ist ...“

1822 gab die 26-jährige kunstsinnige Großherzogin Marie den Auftrag zum Bau eines neuen Belvederes. Das bezeichnete Johann Friedrich Kratzsch 1845 als „Schloß, nach Neu-Brandenburg eingepfarrt“, Ernst Boll 1856 als „Jagdhaus“, Dr. K. F. Robert Schneider 1857 als „Sommerschloß“, Franz Boll 1875 als „wohl eingerichtetes Sommerhaus“ und Bürgermeister Wilhelm Ahlers 1876 als „Attika“. Nach mehrmaligen umfangreichen baulichen Veränderungen ist es der griechisch anmutende Tempel, den im Jahr gut 30 Liebespaare für ihr Ja-Wort wählen.

1823 ließ Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz das neue Belvedere oberhalb von Broda erbauen.

Dass an Stelle dieses klassizistischen Belvederes ein Vorgängerbau stand, weiß jeder Reuter-Kenner. Der sieben Jahre in Neubrandenburg lebende Dichter bezeichnete ihn in seiner Humoreske „Dörchläuchting“ als „Belmandür“.

Ein Jahr nach Fertigstellung des herzoglichen Sommerhauses hielt es, wie bereits erwähnt, der 1751 in Eberswalde geborene Sohn eines Apothekers und Stadtkämmerers, Carl Gottlob Heinrich Arndt, von „oberhalb der Poggenkuhle“ auf einer Stadtansicht Neubrandenburgs fest.

Adolph Friedrichs IV. Belvedere war keine lange schöne Aussicht beschieden. Nach seinem Tod am 2. Juni 1794 wurde es auf Abbruch verkauft und von einem Herrn von der Lancken erworben, der es unverändert in der Beguinenstraße wieder aufbauen ließ. Als der Gutsbesitzer auf Göhren bei Woldegk 1812 Konkurs ging, kaufte 1814 der Ratskellermeister Adolf Georg Ahlers das inzwischen als Stadtpalais des Herrn von der Lancken genutzte Belvedere vom Konkursverwalter Adolph Mercker, einem Neubrandenburger Advokaten und Mitglied der am 31. Oktober 1814 durch den englischen Großmeister Herzog Carl von Mecklenburg-Strelitz neu gegründeten Freimaurerloge „Zum Friedensbunde“. Sie mietete das frühere Belvedere für ihre Arbeit und richtete es ein. Ratskellermeister Ahlers hatte für die festlichen Anlässe die Bewirtung der Brüder übernommen, nach Ablauf eines Jahres aber erklärt, dass ihn das in seiner sonstigen Tätigkeit zu sehr störe, so dass er es nicht mehr machen könne. Darauf übernahm Steuersekretär Adolf Wulfleff, Sohn des Neubrandenburger Bürgermeisters und Hofrats, die Aufgabe. Er mietete von Ahlers einige Räume im Erdgeschoss, die die Loge entbehren konnte, für einen sich aus den ersten Kreisen der bestehenden Neubrandenburger Gesellschaft zusammensetzenden geselligen Verein, Ressource genannt.

1912 wurde der Gruß aus dem Neubrandenburger „Tivoli“ verschickt. Das Gasthaus war das ursprüngliche Belvedere, das sich Herzog Adolph Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz bei Broda bauen ließ. Repro: Sammlung Wolfgang Heintze

Siegel der Neubrandenburger Loge „Zum Friedensbunde“

Auf die ursprüngliche Nutzung des alten Belvederes deutet der Restaurantname „Loge“ hin. Repro: Sammlung Wolfgang Heintze

1820 unterbreitete die Loge dem Ratskellermeister ein Kaufangebot. 220 Louisdor hatten die Brüder für das hinsichtlich seines baulichen Zustandes „nicht gerade befriedigende“ Haus geboten. Adolf Ahlers lehnte ab. Seine Witwe verkaufte 1845 das inzwischen als „Loge“ bezeichnete Gebäude für 3600 Taler in Gold an die Freimaurer. Die mussten allerdings vom Großherzog Georg zuvor die Genehmigung einholen, ein Grundstück erwerben zu dürfen, da die Loge keine juristische Person darstellte. Nachdem das geregelt war, begann im Sommer 1845 ein gründlicher Umbau der Räume, „durch die der Tempel die im gotischen Stile gehaltene, edle Ausstattung erhielt, die allein schon jedem Eintretenden in weihevolle Stimmung zu versetzen vermochte“.

1867 verkaufte die Loge ihr Haus einschließlich des Grundstückes mit großem Garten für 5730 Taler, einen Kaufpreis, der selbst damals als gering bezeichnet wurde. Sie wurde wieder Mieter ihres Tempels. Nach Abzug der Verbindlichkeiten, die auf der Immobilie lagen, blieben den Brüdern 3500 Taler. Die wurden 1869 als Grundstock einer mauerischen Witwenkasse in Neubrandenburg überwiesen.

Eine Zeit lang hieß das in der Beguinenstraße 7 stehende Gebäude auch „Zur Börse“. Repro: Sammlung Wolfgang Heintze

Am 1. Oktober 1907 endete der Mietvertrag der Freimaurer für ihre Logenräume in der Beguinenstaße 7. Die Brüder hatten sich am Schützenwall einen neuen Tempel gebaut, in dem am 25. April 1908 das Licht entzündet wurde.

Die 1908 geweihte neue Loge auf dem Neubrandenburger Schützenwall

Der kleine Bruder der großen Königin

Herzog Georg August ließ Logenbruder über die geheime Eheschließung mit einer 13-jährigen verhandeln

Walter Karbe (1877–1956), der in Neustrelitz als einer der bedeutendsten Heimatforscher verehrt wird, schrieb in seiner erst 2009 veröffentlichten „Kulturgeschichte des Landes Stargard“, dass sich der jüngste Bruder der in Großbritannien auf den Thron gekommenen Herzogin Sophie Charlotte „schuldenhalber“ als kaiserlicher Offizier im oberungarischen Tyrnau „erschoss“. Einen Beleg für seine Behauptung liefert der ehemalige „Konservator“ der Alten Bibliothek, zu der auch das Mecklenburg-Strelitzer Landes- und Hauptarchiv gehörte, das 1934 nach Schwerin ging, nicht. Dennoch könnte der geschichtsbesessene Freizeitforscher Quellenwissen besessen haben. Immerhin saß er 15 Jahre an der Quelle, nicht mitgerechnet die Jahre, die er zwischen 1908 und 1915 als unbezahlter Volontär bzw. zur Probe angestellter Bibliothekar dort verbrachte.

Der kleine Bruder, Herzog Georg August zu Mecklenburg

Fakt ist, der vier Jahre jüngere Bruder der Queen besaß Schulden in Größenordnungen. Am Tag seines Todes beliefen sie sich auf 22.314 Gulden und 34 ½ Kreuzer. Allein bei der Dienerschaft soll er Außenstände in Höhe von 8000 Gulden gehabt haben. Zum Vergleich: Die in 559 Häusern wohnenden 7340 Einwohner der nahe dem heutigen Bratislava gelegenen Stadt Tyrnau, des Herzogs Standquartier, bezahlten 1786 zusammen rund 13.000 Gulden Steuern.

Der kleine Bruder der großen Königin eines Weltreiches lebte deutlich über seinen Verhältnissen. Der Grundstein dafür dürfte in seiner Jugend gelegt worden sein.