Camminer Gespräche - Helmut Borth - E-Book

Camminer Gespräche E-Book

Helmut Borth

0,0

Beschreibung

850 Jahre Geschichte(n) seit der ersten urkundlichen Erwähnung 1170 widerspiegeln sich nicht nur im zu Burg Stargard gehörendem Dorf Cammin selbst, in der Region um Neubrandenburg oder in Mecklenburg-Vorpommern. Sie reichen bis Kassel, Koblenz, Stuttgart, Frankfurt M., Dresden, Leipzig, Berlin, München oder Emden ebenso wie nach Polen, Russland, Frankreich oder in die damalige Tschechoslowakei. Verbunden sind die Überlieferungen auch mit Persönlichkeiten wie der Königin Louise, dem Militärreformer Carl von Clausewitz, dem Komponisten Carl Maria von Weber, den Künstlern Otto Dix und Oskar Kokoschka bzw. Lyonel Feiniger. Und nicht zu vergessen den Familien von Behr und von Jasmund, Hoth, Böhmer, Diederichs, Praefcke, Schrieber, Rochow, Meyer, Neumann, Rust, Bock, Henniges oder Zarhnt. Sie alle hinterließen wie viele hier Ungenannte kleinere und größere Spuren in den zurückliegen Jahrhunderten und Jahrzehnten. Dieses Buch widerspiegelt zwei Jahre Spurensuche.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 240

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

HAUS AM SEE

NOMEN EST OMEN

EINE FESTE BURG

EINFLUSSREICHE BÄREN

GESCHNITZTE GLAUBENSZEUGNISSE

SCHLÜSSELGEWALT FÜR SCHWERIN

KLOSTERHAUPTMANN HEXENBRENNER

EIN BAROCKENSEMBLE

KÖNIGLICHER STAATSMINISTER

VERKAUF VON GODENSWEGE

AM STERBELAGER KÖNIGIN LUISES

ADJUTANT BEI CLAUSEWITZ

DIE AUFSTEIGER

ERBPACHTKONTAKT SCHRIEBER

BILD DIR EIN BILD!

SELBSTMORDSPEKULASTIONEN

DER GRÖßTE GUTSBESITZER

ZUCKERANNING

LEHNSEID 1914

DAS BETT DER EHRE

PRINZESSIN, BOHEME UND DOMINA

ZEITGEIST HAUSSEGEN

CAMMIN 1927

RIEPKE 1927

GODENSWEGE 1927

SAGENHAFT AM SCHIENENSTRANG

BLUT UND BODEN-BEGIERDEN

EIN „BRAUNSCHWEIGER“

NEUANFÄNGE

DEM STAAT VERPFLICHTET

SOZIALVERHALTEN

BAUER, NICHT LANDARBEITER

DANKE!

Vier Groschen kostete die Karte, auf der Cammin mit „K“ geschrieben wurde, 1782 in Berlin. Für das Geld konnte man auch fast 1,5 Kilogramm Schweinefleisch kaufen.

Haus am See

„Und am Ende der Straße steht ein Haus am See“, singt Peter Fox über ein erträumtes Anwesen. Im kleinen „mecklenburgischen Dorf Cammin ist solch ein Haus Realität. Hier liegen zwar nicht wie bei Fox Orangenbaumblätter auf dem Weg, stattdessen aber steigt dem Besucher der aromatische Duft von Lindenblüten in die Nase, wenn er zwischen Juni und August unter dem grünen Blätterdach über das alte Kopfsteinpflaster schreitet. Und dann erblickt er das stattliche, 1862 von Schinkel-Schüler Friedrich Wilhelm Buttel im neogotischen Stil erbaute Herrenhaus, gelegen am idyllischen Camminer See. Mehr als acht Jahrzehnte war es Heimstatt verschiedener Gutsbesitzerfamilien, auch Administration des Gutsbetriebes und weiterer zur Besitzung gehörender Güter. Ab 1945 bot es Flüchtlingen und Vertriebenen Schutz, für manche wurde es für viele Jahre ein Zuhause. Als Sitz der Gemeindeverwaltung, Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft, LPG-Küche, Poststelle und Jugendklub blieb es zu DDR-Zeiten Dorfmittelpunkt. Auch wenn ihm während dieser Zeit sein kompletter baulicher Schmuck geraubt und ein mausgrauer Putzmantel angelegt wurde.

Über 150 Jahre alt sind die Bäume der Lindenallee, die in Cammin zum Gutshaus führen.

Das Haus am See trotzte der Zeit und deren Verläufen, bis in den 1990er Jahren ein Unternehmer den verborgenen Charme des alten Gutshauses entdeckte und ihm mit einer denkmalgerechten Sanierung 1998 zu altem Glanz und neuer Schönheit verhalf. Er gab dem inzwischen längst als Denkmal anerkannten architektonischen Kleinod seine Funktionen als großzügiges familiäres Wohnhaus auf der einen und Firmenverwaltung auf der anderen Seite zurück. Nach dem Tod des Gutshausretters Carsten Henniges erfuhr das romantische Haus am See mit der neuen Besitzerin Kirsten Zahrnt eine weitere ihm wohltuende Nutzung. Es wurde zu einem Hort von Kunst und Kultur, sowohl des Sammelns und Bewahrens als auch des Förderns und Schaffens. Dem Fördern von Kunst und Kultur ist auch dieses Buch zu verdanken, das Geschichte und Geschichten des Camminer Gutshauses und seiner Vorgängerbauten sowie seiner Eigentümer, Bewohner und Nutzer vereint. In zweijährigen Recherchen wurden sie aufgespürt und bieten manches Aha-Erlebnis.

Helmut Borth

NOMEN EST OMEN

Nomen est omen. Namen sind Zeichen Und diese haben eine Bedeutung. Der Name des Dorfes Cammin soll aus dem Slawischen stammen und übersetzt „Steinort“ bedeuten.1 Urkundlich erwähnt wurde er erstmals am 16. August 1170 in der Stiftungsurkunde für das zur Keimzelle für die Stadt Neubrandenburg gewordene Kloster Broda. Damals schenkte Herzog Kasimir von Pommern-Demmin dem Domstift Havelberg zur Gründung eines Klosters „aus Dank für die Reichtümer und Ehren, mit denen die Gnade Gottes ihn vor vielen andern Sterblichen überhäuft habe“, laut Urkunde 34 Dörfer, die bis zur Müritz reichten und auch Gebiete umfassten, auf denen heute Städte wie Neustrelitz, Burg Stargard oder Penzlin liegen.2 Doch es wäre zu schön, um wahr zu sein. Die Urkunde von 1170 ist eine Fälschung der Mönche.

Als Herzog Kasimir 1182 ohne Leibeserben starb, bestätigte sein Bruder Bogislaw von Pommern-Stettin die Schenkung, nannte aber neben Broda nur sechs weitere Dörfer. Kamino, der Steinort Cammin, gehörte nicht dazu. Auch nicht Riepke. Das benachbarte Dorf ist ebenfalls in der falschen Urkunde erwähnt.3 Auffallend ist, dass die 27 von den Mönchen später in ihre Urkunde aufgenommenen Dörfer in Gebieten lagen, die Pommernherzog Wartislaw 1236 an die Brandenburger Markgrafen Johann und Otto abtreten musste bzw. die an das fürstliche Haus der Herren von Werle verpfändet waren. Insofern war es für den Demminer Herzog Wartislaw und den Stettiner Herzog Barnim 1244 kein Problem, den gefälschten Stiftungsbrief des Klosters Broda zu bestätigen.4 Man konnte zwei ungeliebten Nachbarn eins auswischen. In der Urkunde war aus Kamino übrigens Caminov geworden. Der Neubrandenburger Gymnasiallehrer Paul Kühnel, ein Altphilologe, leitete den Namen Cammins später vom altslawischen kamy, kamenĭ (Stein) ab. Namen polnischer Städte und Dörfer wie Kamień Krajeński (Kamin in Westpreußen), Kamień Pomorski (Cammin in Pommern), Kamień Śląski (Groß Stein) bzw. von Kamin-Kaschyrskyj, einer Kleinstadt in der Ukraine, sowie von fünf Kamien-Dörfern tiefer im Land scheinen die These ebenso zu belegen wie die 108 Hektar große „Steininsel“ (Kamenny) im nördlichen Newa-Delta St. Petersburgs.

Im Kloster Broda, von dem ein mittelterliches Kellergewölbe erhalten blieb, wurde die „Geburtsurkunde“ von Cammin gefälscht.

Sie gilt heute als traditionelles Naherholungsgebiet, war früher aber einmal im Besitz der Herzöge zu Mecklenburg-Strelitz. Großherzog Georgs Sohn Georg August, der in der Mirower Fürstengruft ruht, starb 1876 im Kamennoostrowskij-Palast auf der Steininsel.5 Spätestens seit Goethe seinem Doktor Faust die Worte in den Mund gelegt hat, sind Namen „Schall und Rauch“. Sie wären demnach ohne Bedeutung. Cammin müsste also kein „Steinort“ gewesen sein. Möglich wäre ja auch – alte Urkunden wurden in Latein verfasst – eine Ableitung aus der Amtssprache des Römischen Reiches. So wurzelt der Kamin im lateinischen caminus (Ofen). Zum waldreichen Land der Slawen würden Holz und Torf, die in einem Kamin verbrannt werden, schon besser passen als große Steinmengen. Aber Cammin ein Ort rauchender Schlote? Kamine sollen erst mit Beginn des 13. Jahrhunderts Verbreitung gefunden haben. Zu dem Zeitpunkt lebte in der Herrschaft Werle, die sich vom heutigen Güstrower Raum bis an die Müritz erstreckte, auch die adlige Familie de Kemmyn, die namensgebend für das Dorf Cammin knapp 15 Kilometer südlich von Rostock wurde. Der Kunsthistoriker Friedrich Schlie, Herausgeber des fünfbändigen Werkes „Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin“, nennt sie „fürstliche Vasallen“6. Die Historikerin und Romanistin Dörte Bluhm sieht in ihnen „vom Kollegiatstift Güstrow eingesetzte Vasallen“7. Sicher ist, dass es Ritter waren. Am 4. Oktober 1276 sind Echehardus und Herderus de Kemmyn in Schwan Zeugen, als der Fürst von Werle einem Vasallen die Dörfer Teschow und Koss zu Lehn gibt.8 Seit 1516 gilt das Adelsgeschlecht slawischer Abstammung als erloschen.9

1 Kühnel, Paul: Die slawischen Ortsnamen in Mecklenburg, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 46, 1881, S. 64.

2 Mecklenburgisches Urkundenbuch, Schwerin 1863, Bd. I, Urkunde 95, S. 89.

3 Ebenda, Urkunde 135, S. 135 f.

4 Ebenda, Urkunde 563, S. 541 f.

5 Kazakova, Svetlana: Der Grundbesitz der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz in Russland, in: Vom Anfang und Ende Mecklenburg-Strelitzer Geschichte, o. A. O. 2003, S. 188.

6 Schlie, Friedrich: Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin, Schwerin 1896, Bd. 1, S. 446.

7 Bluhm, Dörte: Kirchen in Mecklenburg, Rostock 2013.

8 Mecklenburgisches Urkundenbuch, Schwerin 1864, Bd. II, Urkunde 1409, S. 548.

9 Weltzien, Wolf Lüdeke von: Das Land Werle, Klein und Groß Tessin, o. A. O. 2003, S. 40.

EINE FESTE BURG

Seit fast 200 Jahren ist die Spur der Steine verschwunden. Gustav Hempel, um 1830 Lehrer der Söhne des Rittmeisters von Blücher auf Rosenow zwischen Neubrandenburg und Stavenhagen, ist bislang der Einzige, der nach Augenschein schriftliches Zeugnis von den Ruinen am Camminer See ablegte. „Neben dem unmittelbar am See gelegenen Herrenhause befinden sich auf einer Anhöhe, die eine weite Aussicht beherrscht, die Ruinen einer Burg, bestehend aus Mauerwerk von Feldsteinen und Kellergewölben.“1 Vielleicht hat ja der Mecklenburg-Strelitzer Hofbaumeister Friedrich Wilhelm Buttel, der als Schüler Karl Friedrich Schinkels in Berlin die Überbrückung des Opernkanals, den Bau der Neuen Wache und den Umbau des Doms als leitender Bauingenieur (Regierungsbaukondukteur) verantwortete, etwas zu den Steinen notiert oder sie gar gezeichnet? War er doch auch ein Meister der Feder und des Pinsels. Aber es gibt nicht eine einzige Zeile und leider auch kein Bild. Sicher jedoch ist, dass Baumeister Buttel das Feldsteinmauerwerk und die Kellergewölbe im Weg waren, als er 1862 für Ludwig Hermann Theodor Hoth ein neues Gutshaus genau auf der Anhöhe errichtete, auf der die Burg stand. Spätere Literatur erwähnt die Mauerreste nicht mehr. Wie sah die Burg aus? Hatte sie vielleicht Ähnlichkeit mit dem 1328 erstmals genannten festen Haus der Familie von Peckatel bei Weisdin?2 Die Lage beider Befestigungen weist deutliche Gemeinsamkeiten auf. Auch die Burg der Herren von Peckatel lag auf einer Anhöhe in der Nähe eines Seeufers. Bis zu zwei Meter stark sind dort die erhaltenen Mauern eines sieben Mal zehn Meter messenden rechteckigen Wohnturmes. Seine Reste ragen an der höchsten Stelle noch heute mehr als drei Meter über den vertieften Erdboden im Innern des Turmes hinaus. Die sichtbaren Teile des zweischaligen Mauerwerks sind aus roh behauenen und natürlich ebenen Feldsteinen gefertigt.3 Das Füllmauerwerk besteht aus kleinen Feldsteinen in Kalkmörtel. Bei den Leibungen zweier kleiner Kellerfenster wurden Backsteine verwendet4, wie sie auch an den Fenstereinfassungen der Camminer Kirche zu entdecken sind. Zufall ist das nicht.

Reste der Burgruine der Familie von Peckatel bei Weidsin

Im Mittelalter besaß der Grundherr eines Dorfes zugleich das Patronat, die Schirmherrschaft, über die Kirche. Er übernahm die Baulast für das Haus Gottes, blieb aber auch Eigentümer des Kirchengebäudes sowie von Grund und Boden, mit dem es für den Unterhalt des Pfarrers ausgestattet wurde. Die Kirche erhielt Nutzungsrechte. Dafür genoss der Grundherr Privilegien. Das waren ein besonderer Sitzplatz, das Patronatsgestühl, die Erwähnung im Gebet, die Möglichkeit, der Kirche bei Neubesetzung der Pfarrstelle einen neuen, von ihm ausgewählten Pastor zu präsentieren bzw. einen ihm nicht genehmen Zeitgenossen abzulehnen sowie sich und seine Familienmitglieder in der Kirche bestatten zu lassen. Näher konnte ein Kirchenherr Gott nicht kommen. Cammins Kirche ist um 1300 errichtet worden. Holzproben aus dem Bereich des Dachstuhls weisen nach, dass man die verwendeten Eichen im Winter 1325 geschlagen und entsprechend der mittelalterlichen Bauweise im Frühjahr bzw. Sommer 1326 verbaut hatte.5 Die Burg Cammin war sicher überschaubar, dürfte aber allein aufgrund ihrer kompakten Bauweise Eindruck erweckt haben. Der Wohnturm wird mehrgeschossig gewesen sein, im Erdgeschoss befanden sich Küche und Wirtschaftsräume. Eine größere Halle im ersten Stock diente vermutlich dem gesellschaftlichen Leben. Schließlich war die Burg nicht nur repräsentativer adliger Wohnsitz, sondern auch das Zentrum der lokalen bzw. einer regionalen Verwaltung und außerdem ein Wirtschaftsbetrieb.

Von hier aus wurde die Grundherrschaft der Familie von Behr, sie war nachweislich seit 1353 im Besitz des Dorfes6, organisiert. Alles war terminlich genau geregelt. Dazu gehörte auch, wann welcher Bauer zum Fron-, Spann- und Handdienst zu kommen hatte. Saat- und Erntezeiten waren dabei in der Regel ausgenommen. Das lag im Interesse des Burgherrn, dem ein Teil der Erträge seiner Untertanen zustand. Im zweiten Stock des Wohnturmes schliefen der Burgherr und seine Familie. Ein Abort-Erker galt damals als luxuriöses Accessoire. Aber gegeben haben könnte es ihn in der Camminer Burg. Das Gesinde lebte in kleineren, aus Holz gebauten und mit Stroh bzw. Schilf und Grasnarben gedeckten Häusern. Oft unterschied sich das Leben der einfachen Ritter kaum von dem ihrer Hörigen. Sie mussten selbst mit anpacken, um über die Runden zu kommen, verrichteten aber nicht jede Arbeit. Je wohlhabender und angesehener ein Ritter, je bedeutender seine Stellung am Hof des Landesherrn war, desto weniger wird er von seiner Hände Arbeit gelebt haben. Die Burg Cammin besaß wohl, wie die Burg bei Weisdin, keinen Wehrturm. Trotzdem stellte sie Burgruine Weisdin einen weithin sichtbaren Machtanspruch dar.

Durch ihre Größe und die ihres Wirtschaftshofes sowie die massive Bauweise der ritterlichen Bleibe klärte sie jedermann darüber auf, wer im Ort das Sagen hatte und wie wohlhabend die Familie war. Rittergeschlechtern wie den von Behr oder den von Peckatel ging es um eine möglichst große repräsentative Wirkung. Eine Burg aus Stein war nicht für Kleingeld zu haben. Sie kostete viel, weil für ihren Bau Spezialisten benötigt wurden, die angesichts der zahlreichen Burgenbauten in damaliger Zeit gut entlohnt werden mussten.

Allein im 15-Kilometer-Radius um Cammin lassen sich mindestens acht befestigte Rittersitze und Burgen nachweisen [Cölpin (2), Hinrichshagen, Burg Stargard, Prillwitz, Weisdin (Blumenhagen), Wolfshagen, Göhren]. Dazu umgaben Stadtmauern in der Nähe liegende Städte wie Neubrandenburg und Woldegk sowie Fürstenwerder. Hörige Bauern hatten beim Burgenbau in Cammin sicher als Helfer ihren Anteil. Sie werden Feldsteine auf den Feldern gelesen, unter Anweisung Lehm- und Kalkmörtel angerührt, Bäume gefällt und beschlagen bzw. Sand, Holz und Findlinge transportiert haben. Die Burg wurde jedoch nicht mit ihrem blutigen Schweiß errichtet. Wann hätten die Bauern sonst ihre Felder bestellen, hegen, pflegen und abernten sollen? Eine übermäßige Inanspruchnahme ihrer Hörigen wäre nachteilig für die in Cammin ansässigen Behren gewesen.

Geringere Abgaben hätten ihren Wohlstand gefährdet. Die Notiz von Lehrer Hempel, des einzigen überlieferten Zeugen der Burg Cammin, belegt aber, dass die von Behrs zu den begüterten Familien im Land Stargard gehört haben mussten. Burgen aus Stein waren deutlich kostspieliger als solche aus Holz, die in Form der so genannten Motte, eines Turmes auf einem (aufgeschütteten) Erdhügel, bis zum Ende des 13. Jahrhunderts weniger betuchten Rittern als Wohnstatt dienten. Das auf dem Hügel angelegte Plateau war von einer mit einem Wehrgang und hölzernen Zinnen ausgestatteten Palisade umgeben, die auch der aktiven Verteidigung dienen konnte. Bei kleineren Turmhügelburgen wurde die Plattform oft auch nur von einem einfachen Weidenflechtzaun umschlossen, der passiven Schutz vor Eindringlingen oder wilden Tieren bot. Im Findlingsgarten von Schwichtenberg nahe Friedland in der Mecklenburgischen Seenplatte haben ABM-Kräfte eine solche Motte rekonstruiert.

Rekonstruktion einer mittelalterlichen Motte in Schwichtenberg

Die im Findlingsgarten stehende Motte ist Teil des Museumsdorfes

Auf der Burg in Cammin wurden anscheinend keine Urkunden ausgestellt. Weder findet sich im Mecklenburgischen und im Pommerschen Urkundenbuch eine Spur noch im Codex Diplomaticus Brandenburgensis, einer 41-bändigen Sammlung von Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellen zur Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten. Selbst eine Nebenrolle in der Geschichte blieb der Burg Cammin verwehrt, im Gegensatz zum „festen Hof “7 im knapp zwei Kilometer entfernten Riepke. Der wird 1316 im Zusammenhang mit einem Kriegszug des brandenburgischen Markgrafen Waldemar erwähnt. Wegen eines Erbschaftsstreites mit dem Mecklenburger Fürst Heinrich II. wollte der Brandenburger das Land Stargard erobern. Das hatte Beatrix, Tochter von Albrecht III. von Brandenburg, 1292 bei ihrer Hochzeit mit dem Mecklenburger als Wittum8 in die Ehe eingebracht. Da sie bei ihrem Tod 1314 keinen männlichen Erben hinterließ, betrachtete Waldemar das Land als zurückgestorben und suchte sein Recht mit Waffengewalt durchzusetzen.

Er hatte die Rechnung jedoch ohne den mecklenburgischen Witwer gemacht, dessen Beiname „der Löwe“ für Kampferfahrung und Mut sprach. Fürst Heinrich gelang es, den Markgrafen aus dem Land zu drängen und auf dessen Territorium in einer Schlacht bei Gransee zu besiegen. Im darauf geschlossenen Frieden von Templin wurde ihm 1317 die Herrschaft Stargard mit Cammin und Riepke endgültig als brandenburgisches Lehen zugesprochen. In Riepke war es Waldemar damals übrigens nicht gelungen, den festen Hof im ersten Anlauf zu erobern.

Er zog unverrichteter Sache ab.9 Dass der Angriff auf Riepke in der Stargarder Landesgeschichte Erwähnung findet, es in diesem Zusammenhang aber kein Wort über einen festen Hof, ein festes Haus oder eine Burg in Cammin gibt, legt die Vermutung eines Baubeginns der Burg in Cammin nach 1316 nahe. Wie die Grundherren von Riepke – geschrieben 1170 Ribike, 1244 Ribke, 1393 Rybeke und 1496 Rypke10, 1352 Wohnsitz von Ritter Albrecht von Warburg, 1393 in Besitz von Hinrik Monduvel (Heinrich Manteufel)11 – werden die Besitzer von Cammin als Vasallen des Mecklenburger Fürsten Heinrich II. an der Seite ihres Landesherrn gefochten haben.

Als Lehnsträger waren sie zur Heerfolge verpflichtet. Ansonsten gehen Historiker davon aus, dass im Mittelalter vielleicht um jede zehnte Burg gekämpft wurde. Der Alltag auf den Burgen war eher vom Kampf gegen Kälte, Ungeziefer und Langeweile geprägt.

1 Hempel, Gustav: Geographisch-statistisch-historisches Handbuch des Mecklenburger Landes, Bd. 2, Parchim/Ludwigslust 1843, S. 491.

2 Krüger, Georg (Hrsg.): Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Bd.1, 1. Abteilung, Neubrandenburg 1921, S. 98.

3 Bock, Sabine: Herrschaftliche Wohnkultur auf den Gütern und Domänen in Mecklenburg-Strelitz, Bd.1, Schwerin 2008, S. 74.

4 Krüger, Georg (Hrsg.): Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Bd.1, 1. Abteilung, Neubrandenburg 1921, S. 100.

5http://www.kulturwerte-mv.de/Landesdenkmalpflege/Denkmal-des-Monats/Bisherige-Beiträgge/2014-02-Dorfkirche-von-Cammin/, abgerufen 18.02.2018.

6 Krüger, Georg (Hrsg.): Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Bd.1, Neubrandenburg 1929, S. 138.

7 Ebenda, S. 139.

8 In die Ehe eingebrachtes Gut, dessen Erträge für den Fall der Witwenschaft der Frau deren Unterhalt sichern sollten.

9 Boll, Franz: Geschichte des Landes Stargard bis 1471, Bd. 1, Neustrelitz 1846, S. 234.

10 Krüger, Georg (Hrsg.): Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Bd.1, 3. Abteilung, Neubrandenburg 1929, S. 139.

11 Ebenda.

EINFLUSSREICHE BÄREN

Burg Stargard

Das weitverzweigte uradlige Geschlecht von Behr leitet seinen Namen nicht etwa von kleinen Beeren, sondern von großen Bären ab, die noch Mitte des 18. Jahrhunderts die Wälder Mecklenburgs und Pommern durchstreiften. Tragen doch seine vier zu Beginn des 13. Jahrhunderts urkundlich nachweisbaren Stämme einen Bären im Wappen. Alle vier sehen ihren Stammvater in Eberhard Beere, einem Gefolgsmann des Welfenherzogs Heinrich des Löwen, den Urkunden zwischen 1189 und 1197 im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg bezeugen. Eberhards Söhne Hugo, Lippold, Hugold und Werner sorgten für Äste im Bistum Osnabrück, der Grafschaft Gützkow bei Greifswald, im Fürstentum Rügen und im Herzogtum Lüneburg.1 Aus den Ästen wuchsen Seitenlinien mit ihren Häusern, so auch in Cammin und Rödlin. Cammin war nachweislich seit 1353 im Besitz der Familie von Behr.2 Wahrscheinlich gehörten dieser Familie beide Dörfer bereits seit Ende des 13. Jahrhunderts. 1304 war der als Gründer des Hauses Rödlin geltende Henning von Behr3 einer der jüngsten Edelleute von 43 Rittern und sieben Knappen, die als Bürgen im Vietmannsdorfer Vertrag aufgezählt sind.4 Mit diesem Vertrag traten die Markgrafen von Brandenburg in der Nähe von Templin das Land Stargard an den Mecklenburger Fürsten Heinrich den Löwen ab. Henning von Behr wird wahrscheinlich der einzige Angehörige seiner Familie gewesen sein, der zu diesem Zeitpunkt im Land Stargard lebte, denn kein weiterer Namensträger ist in dem Dokument aufgeführt. Dem jungen Behren gehörte aber nicht nur Rödlin. Er war auch im Besitz von Möllenbeck sowie von dem bei Fürstenberg gelegenen Blumenow. Der reiche Henning wird zwischen 1337 und 1359 in Urkunden ununterbrochen als Knappe genannt, zwischen 1360 und 1366 dann als Ritter. 1337 verlieh der Mecklenburger Fürst Albrecht II. dem Knappen Henning von Behr in Gegenwart des Ritters Lippold von Behr ein Burglehn auf der Burg Stargard unter der Bedingung, dass er auf der fürstlichen Hauptburg wohne.5 Ritter Lippold gilt als Gründer des Hauses Cammin.6 Ihren Siegeln nach stammen sowohl der Ritter als auch der Knappe von Behr aus demselben Gützkower Ast. Sie waren aber keine Verwandten ersten Grades, wofür die Urkunde spricht. Lippold wird darin weder als Vater noch als Bruder angesprochen, sondern nur Ritter genannt. 1353 verlieh Herzog Johann von Mecklenburg-Stargard, er hatte ein Jahr zuvor das väterliche Erbe mit seinem älteren Bruder Albrecht II. geteilt, dem Knappen Henning von Behr die Würde des höchsten Amtes seines jungen Herzogtums. Er machte ihn zu seinem Landmarschall. Für den Fall des Aussterbens des Hauses Hennings belehnte Johann das „Geschlecht des Herrn Lippold Behr zu Cammin“. Wieder wird kein Verwandtschaftsverhältnis angesprochen.7 In einer 1384 ausgestellten Urkunde nennen sich Vertreter beider Häuser dann „Vettern“8. Der Camminer Lippold von Behr wird 1324 erstmals als Knappe auf der Burg Stargard genannt. Er trat als Zeuge in einem Rechtsgeschäft der Knappen Hamid und Erenbert von Wodenswegen [Godenswege] auf. Lippold war seit 1331 in der Umgebung Albrechts II. zu finden, vor allem seit dessen Volljährigkeit 1336. Er gehörte zu den Stützen und Vertrauten des jungen Landesherrn, der sich diese vor allem aus den Rittern des Landes Stargard wählte.9 Lippold dürfte nicht zuletzt aufgrund seiner verwandtschaftlichen Verbindungen in den Herzogtümern Pommern-Stettin und Pommern-Wolgast ein wichtiger Ratgeber im Krieg gegen den Brandenburger Markgrafen Ludwig gewesen sein. Historiker des 19. Jahrhunderts gehen davon aus, dass er ein Neffe des pommerschen Erblandmarschalls Henning von Behr aus der Gützkower Linie war, der einzige Sohn dessen Bruders Heinrich. Der Mecklenburger Fürst Albrecht II. focht zwischen 1331 und 1333 an der Seite der Pommern, um seine 1323 verloren gegangenen Eroberungen in der Uckermark und der Prignitz wett zu machen. Im Ergebnis des Krieges erhielt er dieses Land zwar nicht wieder zurück, er konnte aber seinen Besitz der Herrschaft Stargard festigen und sein Ansehen stärken. Am 8. Juli 1348 wurde Albrecht II. wie auch sein jüngerer Bruder Johann I. zum Herzog zu Mecklenburg und damit in den Reichsfürstenstand erhoben. Die Brüder teilten 1352 ihre Ländereien. Johann bekam die Länder Stargard, Sternberg sowie die Eldenburg (Lübz) mit dem Lande Ture zugesprochen und begründete die Linie der Herzöge von Mecklenburg-Stargard. Johann setzte jedoch nicht auf den Camminer Knappen Lippold, sondern auf dessen Vetter Henning. Am 20. Dezember 1353 verlieh er diesem, wie bereits erwähnt, erblich das oberste Marschallamt seines Landes Stargard und legte zum Erblandmarschallamt alle so genannten Angefälle des Landes Lieze. Das waren Anwartschaften auf Lehngüter entfernter Behren-Verwandter im Gebiet zwischen Wredenhagen, Wittstock, Ruppin, Rheinsberg und Zechlin für den Fall, dass die bisher Belehnten ohne Erben sterben würden. Kurze Zeit später gehörten Netzeband und Rossow nahe Wittstock dem Erblandmarschall des Landes Stargard.10 Der Erbfall war eingetreten. Doch der Marschall hatte im Land südlich der Müritz mit dem Bischof Burchard von Havelberg, einem geborenen Grafen von Lindow, den Grafen von Lindow selbst und deren Vasallen, vor allem der Familie von Rohr, mächtige Feinde. Obwohl Herzog Johann I. von Mecklenburg-Stargard sich 1353 mit den Grafen von Lindow zu Wesenberg über die Handhabung des Rechts und einen Landfrieden geeinigt hatte und Henning von Behr als Marschall mit dafür bürgte, wurde 1360 während einer Fehde sein „Haus“ in Netzeband gestürmt, sein Sohn Zabel erschossen und alle seine Dörfer im Land Lieze verwüstet. Bischof Burchard sorgte darüber hinaus dafür, dass über Henning von Behr ein päpstlicher Bann verhängt wurde. Drei Jahre war er geächtet, bis Herzog Rudolf von Sachsen in Havelberg eine Aussöhnung mit dem Bischof bewirkte und dieser sich dann bei Papst Urban V. im französischen Avignon für die Aufhebung des von ihm initiierten Bannes einsetzte.11

Der 1495 verkündete „Ewige Landfriede“ verbot die Fehde generell;

faktisch bestand sie bis ins 16. Jahrhundert hinein fort.

Der Mecklenburger Altertumsforscher und Archivar des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Lisch, der sich Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Geschichte der Familie von Behr auseinandersetzte, schreibt dazu: „Die Fehden und der Bann des Marschalls Henning mussten aber auf den selben und seine Söhne einen so tiefen Eindruck gemacht haben, dass sie ihre ganze Lebenslage änderten und den Besitz der Lieze und das Erblandmarschallamt aufgaben.“12 Vielleicht war ja der Verzicht auf diesen Besitz sowie auf Macht und Einfluss als Stargarder Erblandmarschall die Voraussetzung für den Handel mit dem Havelberger Bischof. Wer wollte schon vom Papst geächtet und aus der Kirchengemeinschaft ausgestoßen sein? Der Bann brachte den Verlust sämtlicher kirchlicher Rechte, das heißt aller Sakramente, aber auch des Rechts auf eine kirchliche Bestattung mit sich. Darüber hinaus hatte die Exkommunikation bis 1555 die weltliche Reichsacht zur Folge und damit oft den wirtschaftlichen bzw. politischen Ruin oder beides. Insofern muss man davon ausgehen, dass Henning unter dem enormen Druck zu Kreuze kroch, die umstrittenen Güter selbst veräußerte und dies nicht seinen auf Rödlin lebenden Söhnen Henning und Bertram überließ. Es ist kein spezielles Dokument über den Verkauf der Güter überliefert, sondern nur die Zusammenfassung einer anderen Urkunde aus dem Jahr 1387, aus der hervorgeht, dass Henning und Bertram bezeugen, dass ihr Vetter Henning auf Cammin, der Sohn Lippolds, „vor Jahren“ bereits seine Erbrechte an den Gütern Netzeband, Dargitz, Drosedow und Grüneberg an Hermann von Gadow verkauft hatte, der sie umgehend der Familie von Rohr, den Feinden des ehemaligen Landmarschalls von Behr, überließ.13 Henning von Behr blieb, was ungewöhnlich für die damalige Zeit ist, fast bis zu seinem Lebensende Knappe. Noch in den 1350ern taucht er als solcher in einer Urkunde auf. Erst ab 1360 wird er in Verträgen als Ritter genannt. Obwohl die Rödliner Familie von Behr den Verlust der Güter im Land Lietze hinzunehmen hatte, war sie keineswegs unvermögend. 1394 verpfändete Herzog Ulrich zu Mecklenburg-Stargard zur Abtragung einer Schuld gegenüber Bertram von Behr die so genannte Bede, eine Art Grundsteuer, „in deme dope to Mollnbeke“ [Möllenbeck]“. Bertram solle solange zu Walpurgis [30. April] und zu Martini [11. November] die Bede-Einnahmen des Dorfes erheben dürfen, bis die Schuldsumme von 125 Mark Vinkenaugen-Pfennigen erreicht sei. Zeugen des Vertrages, der zu Neubrandenburg ausgestellt wurde, waren unter anderem Achim von Warburg, Dietrich von Bertikow und Heinrich von Manteuffel.14 Vinkenaugen waren kleine Silbermünzen, deren Wert von Mecklenburg um 1380 mit einem halben Lübecker Pfennig angesetzt war. Doch nicht nur Henning war als Stargarder Erblandmarschall einflussreich am Hof des Herzogs Johann I. von Mecklenburg-Stargard. Sein Bruder Bertram Behr übte am Hof des herzoglichen Bruders Albrecht II. in Mecklenburg-Schwerin von der Jahreswende 1351/52 bis 1359 das Amt des Kanzlers aus. Er war damit im anderen Teil Mecklenburgs der höchste Staatsbeamte, der die fürstlichen Siegel führte. Sicher ist, dass Bertram als Geistlicher dem Lübecker Domstift angehörte und seit 1355 Inhaber der Vikarei auf dem Fürstenhof in Wismar war, später an der dortigen St. Nikolai-Kirche.15 Bertram wird schon früh in der herzoglichen Kanzlei beschäftigt gewesen sein und sich hier Vertrauen erworben haben, so dass er Albrechts elf Jahre jüngerem Bruder Johann als Erzieher zur Seite gestellt wurde. Als die Brüder 1352 das Land unter sich aufteilten, gehörte „Bertram Bere pape“ (der Pfaffe Bertram von Behr) zu den wenigen Vermittlern und Zeugen dieses Vertrages. Es wird angenommen, dass Bertram Behr auch Domherr des wenig bekannt gewordenen Havelberger Kollegiatsstifts in Strelitz war, das zwischen 1349 und 1355 von Graf Otto von Fürstenberg [von Dewitz] gegründet worden war.

Stadt und Schloss Güstrow im 16. Jahrhundert auf der Vicke-Schorler-Rolle.

Hier war Marquard von Behr herzoglicher Rat.

Albrecht II. hatte Bertram von Behr gleich nach der Landesteilung als Kanzler in seinen Dienst genommen. Der Behr aus Rödlin scheint ein guter Diplomat gewesen zu sein. Fallen doch in seine Amtszeit die Festigung des Landfriedens, die Stärkung der Hansestädte, der Erwerb der Grafschaft Schwerin für seinen Landesherrn und die Gewinnung der schwedischen Königskrone 1364 für Albrechts II. gleichnamigen Sohn. Dieser Herzog Albrecht III. zu Mecklenburg war damit in der Geschichte des Landes der einzige Monarch auf einem Königsthron. Kanzler Bertram [von] Behr starb 1366.16 In der Zeit, in der die Brüder Henning und Bertram von Behr aus dem Haus Rödlin als Stargarder Erblandmarschall bzw. mecklenburgischer Kanzler von sich reden machten, ist von den Vertretern des Hauses Cammin nur ein Zeugnis überliefert. Sie werden 1353 als Erben des Hauses Rödlin für den Fall dessen Aussterbens bezeichnet. Doch nicht die Rödliner starben zuerst aus, als erstes erlosch 1548 das Haus der Camminer. Allerdings war es in seinen letzten Gliedern ebenfalls recht einflussreich. Der letzte Herr auf Cammin, Marquard von Behr, war herzoglicher Rat. Er wird zwischen 1489 und 1522 häufig in Urkunden erwähnt. 1506 musste er zusammen mit seinen Vettern Vicke und Jürgen auf Möllenbeck, Henning und Leopold auf Rödlin, Lippold auf Roggentin sowie dem jungen Henning von Behr auf Blumenow seinen Landesherren Rossdienste leisten.17 Die Herzöge Heinrich V., genannt der Friedfertige, Balthasar, Erich II. und Albrecht VII. hatten sich während des so genannten Lübischen Krieges, einer Auseinandersetzung der Hanse mit Dänemark, auf die Seite des mächtigen Kaufmannsbundes geschlagen. Marquard von Behr stellte für diesen Kampf fünf Lehnpferde, das heißt bewaffnete Reiter, jeweils zwei die Möllenbecker, die Rödliner und der Roggentiner.18 Anfang der 1530er Jahre wurde Marquard von Behr im Kampf um die Einführung der Reformation in Mecklenburg zum Spielball der brüderlichen Auseinandersetzung zwischen den Herzögen Heinrich V. und Albrecht VII. zu Mecklenburg. Während Heinrich die Reformation begünstigte, versuchte Albrecht sie zu unterdrücken. Das führte zu schizophrenen Situationen im Land. Nachdem in Neubrandenburg bereits Deutsch gepredigt wurde, setzte Albrecht einen Geistlichen ein, „nach alten Ceremonien auf das Wort Gottes zu predigen“.19 Heinrich hingegen ließ durch seine Stargarder Räte Heinrich von Hahn zu Pleetz und Aschwin von Kramm, Komtur zu Klein Nemerow, den katholischen Prediger wieder absetzen und Matthias Papenhagen als neuen evangelischen Pastor bestellen. Als Herzog Albrecht davon erfuhr, beauftragte er im November 1531 seinen Rat Marquard von Behr, den Prediger in Neubrandenburg abzusetzen und den von ihm bestallten wieder in sein Amt einzuweisen. Obwohl Marquard wie sein in Güstrow regierender Herzog Albrecht weiter zum alten Glauben stand, weigerte er sich, diesem Befehl Folge zu leisten.20