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Action, Todesgefahr und Hochspannung: "Terrorziel: Berlin" von Michael H. Schenk jetzt als eBook bei dotbooks. Bei einem Selbstmordanschlag in Berlin wird fast das gesamte Parlament ausgelöscht. Das ist nur der Auftakt einer Serie terroristischer Anschläge. Das Land droht im Chaos zu versinken. Stecken dahinter wirklich islamistische Fundamentalisten? Sprengstoff-Spezialist Martin Gabe hat Zweifel. Doch die Entdeckung, die er schließlich macht, übertrifft selbst seine kühnsten Erwartungen. Er kommt einer Verschwörung auf die Spur, deren Ziel es ist, das Bild der Welt zu verändern. Während Gabe und die Kriminalkommissarin Heike Rengler nach Beweisen suchen, werden sie selbst zum Ziel eines geheimen Terrorbundes. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: "Terrorziel: Berlin" von Michael H. Schenk. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 598
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Über dieses Buch:
Bei einem Selbstmordanschlag in Berlin wird fast das gesamte Parlament ausgelöscht. Das ist nur der Auftakt einer Serie terroristischer Anschläge. Das Land droht im Chaos zu versinken. Stecken dahinter wirklich islamistische Fundamentalisten? Sprengstoff-Spezialist Martin Gabe hat Zweifel. Doch die Entdeckung, die er schließlich macht, übertrifft selbst seine kühnsten Erwartungen. Er kommt einer Verschwörung auf die Spur, deren Ziel es ist, das Bild der Welt zu verändern. Während Gabe und die Kriminalkommissarin Heike Rengler nach Beweisen suchen, werden sie selbst zum Ziel eines geheimen Terrorbundes. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …
Über den Autor:
Michael H. Schenk, geboren 1955, ist Experte in den verschiedensten Bereichen des Katastrophenschutzes. Er lebt und arbeitet in Bonn.
Die Website des Autors: www.michael-h-schenk.de
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Originalausgabe Oktober 2015
Copyright © 2015 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Nele Schütz Design unter Verwendung shutterstock/Jorg Hackmann
E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3- 95824-329-3
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Michael H. Schenk
Terrorziel: Berlin
Thriller
dotbooks.
Dieser Roman ist eine Fiktion.
Er ist den ehrenamtlichen Frauen und Männern der Hilfsorganisationen gewidmet, die ihre Freizeit opfern und ihre Gesundheit riskieren, um uns in einer Notlage beizustehen. Unentgeltlich und meist ohne Dank.
Es war erstaunlich einfach. Die Schwierigkeit bestand eigentlich nur darin, jene Hemmschwelle zu überwinden, die einen Menschen davon abhielt, einen anderen zu töten. Olaf und Bernd hatten diese Grenze schon lange überschritten, so weit überschritten, dass es Olaf inzwischen sogar eine perverse Befriedigung verschaffte, ein Leben zu nehmen. Bernd sah es hingegen eher pragmatisch, als eine Notwendigkeit. Ihm verschaffte es Genugtuung, einen Job sauber erledigt zu haben.
Es war eines der kleinen Neubaugebiete, die man am Westrand der Stadt aus dem Boden stampfte. Im Moment sah es wirklich noch so aus, als sei genau das mit den kleinen Villen und Reihenhäusern geschehen. In dem Straßenzug, in dem die beiden sich befanden, wirkte alles gleichförmig und wies kaum individuelle Merkmale auf. Vor dem Haus, das ihr Ziel war, hatte der Besitzer vier Koniferen gepflanzt, die in ihrem satten Grün wie Artefakte aus der Urzeit wirkten. Noch immer wurde am Ende der Straße an einigen Neubauten gearbeitet. Das Kommen und Gehen erleichterte es ihnen, sich dem Ziel unauffällig zu nähern.
Frau Spreizer sah ahnungslos auf ihre Ausweise, die sie als städtische Bedienstete ausgaben. Wer kannte denn schon die echten Legitimationen? Bernd Kaltenbeck hatte den Schriftzug der Stadtverwaltung einfach aus dem Internet heruntergeladen und für sich und seinen Kameraden Olaf Wagenknecht die eindrucksvollen Papiere kreiert. Die Frau bat die beiden netten Herren von der Stadtverwaltung ins Wohnzimmer und machte dann große Augen, als Bernd ihr seine 9-Millimeter-Pistole vor die Nase hielt. Widerstandslos ließ sie zu, dass ihre Arme gefesselt und ihr Mund mit Klebeband verschlossen wurden. Inzwischen zappelte Frau Spreizer kaum noch. Olaf konnte sich Zeit lassen, sie zu vergewaltigen, denn ihr Mann würde erst in einer halben Stunde nach Hause kommen.
Alles verlief genau nach Plan, und als Bernds Partner sein Verlangen gestillt hatte, blickte er sichtlich zufrieden auf die Uhr. »Genau im Zeitplan.«
Olaf nickte. Er war kein Freund großer Worte. Er blickte kurz auf die geschändete und leise wimmernde Frau und schoss ihr drei Kugeln in den Kopf.
Bernd Kaltenbeck wies zur Wohnzimmertür. »Wir nehmen ihn im Flur in Empfang. Es muss alles richtig aussehen.« Er blickte auf die Tote. »Fast schade drum.«
Olaf schloss seine Hose. »War wenigstens alles echt an ihr. Nicht das Plastik, was sich so viele reinstopfen lassen. Ich hasse Plastik. Da kann ich gleich auf einer Aufblaspuppe rumrutschen. Wölbt sich falsch, bewegt sich nicht richtig und fühlt sich echt scheiße an.«
»He, komm wieder runter.«
Kaltenbeck postierte sich in der Küche, sein Freund Olaf auf der Treppe, die ins Obergeschoss führte. Nun ja, wirkliche Freunde waren sie eigentlich nicht. Eher eine Zweckgemeinschaft. Sie waren ein eingespieltes Team, das schon ein paar Aufgaben für das Bündnis übernommen hatte. Und darin waren sie gut.
»Er kommt«, sagte Olaf.
Ein Schatten tauchte hinter der kleinen Milchglasscheibe der Haustür auf. Sie hörten, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde. Dann öffnete sich die Tür, und ein Mann in der dunkelblauen Uniform eines Flugkapitäns der Fluggesellschaft Bluewings trat ein.
»Patty, Engelchen, ich bin zu Hause!«, rief er und stellte mechanisch seinen braunen Pilotenkoffer an die Garderobe.
Sie waren nicht hier, um Konversation zu treiben. Olaf sprach den Mann kurz an, und als der sich überrascht zu ihm wandte, schoss er ihm zwei Kugeln in den Kopf. Er kippte nach hinten, stürzte gegen die Garderobe und schlug dann zu Boden.
»Du hast ihm eine Dublette verpasst. Fehlte nur noch, dass du eine Dreier-Serie geschossen hättest«, rügte Bernd.
»Zwei in die Rübe, eine ins Herz«, sagte Olaf grinsend. »Professionell.«
»Verdammt, es muss aussehen, als seien die Spreizers Opfer von Psychos geworden. Verstehst du? Nervöse Arschgeigen, die vom Hausherrn erwischt wurden und den Alten dann auch gleich umgenietet haben.«
Olaf Wagenknecht gab ein beleidigtes Brummen von sich. »Na schön, mache ich halt einen auf Psycho.«
Bernd blickte angewidert zur Decke. Es sprach für Olafs Ego, dass er nun übertrieb und neun weitere Schüsse in den Toten feuerte. Dann sah er Bernd an. »Okay?«
Der nickte. »Jetzt lass uns den Rest erledigen. Durchwühle ein paar von den Schubladen und achte darauf, sie von unten nach oben zu öffnen. Nimm das Bargeld und die Scheckkarten aus den Brieftaschen und vergiss das Haushaltsgeld nicht. Spreizers bewahren es in der Zuckerdose auf. Rechter Hängeschrank, oberes Fach, in der ...«
»... Küche«, vervollständigte Olaf. »Hältst du mich für blöd?«
»Wühle ein bisschen herum, als hättest du suchen müssen, klar?«
»He, ich bin Profi, okay?«
Nach einigen Minuten war Kaltenbeck zufrieden. »Lass uns verschwinden.«
Sie zogen die Haustür sorgsam hinter sich zu und gingen die drei Straßen bis zum Parkhaus des kleinen Einkaufszentrums. Es wurde nicht videoüberwacht, was sehr angenehm war. In einer der Parkbuchten änderte sich ihr Aussehen auf wundersame Weise. Aus dem schwer übergewichtigen Bernd Kaltenbeck wurde wieder ein durchtrainierter Mann, als er das Polster unter der Kleidung entfernte und die Hose enger schnallte. Olaf nahm die dicken Wattebäusche aus den Wangen und den falschen Vollbart ab. Sein feistes Gesicht wurde wieder schmal und scharf geschnitten. Man brauchte nicht unbedingt aufwendige Techniken, um den Leuten ein falsches Bild zu vermitteln.
Sie stopften ihre Utensilien in eine Reisetasche, verließen das Parkhaus und benutzten zwei Straßen weiter den Linienbus. Das benutzte Kondom und die Handschuhe würden sie in einer Haushaltsmülltonne entsorgen. Die verwendete Kleidung wies keine sichtbaren Blutspuren auf und würde in einem Sammelbehälter für Kleiderspenden verschwinden.
Bernd Kaltenbeck nahm ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche und tippte eine Verbindung ein.
»Ja?« Mehr kam nicht, und die Stimme klang nahezu geschlechtsneutral.
»Erledigt.«
Er und Olaf konnten zufrieden sein. Alles war genau nach Plan verlaufen. Nichts wies auf das Bündnis »Omega-Alpha« und die Ausführung des Plans hin, den sie gerade eingeleitet hatten.
Bernd empfand sich als Profi und zudem als Idealist. Er tötete nicht für Geld, sondern für ein Ideal. Unnötige Gewalt schätzte er nicht. Olaf sah das anders. Er hatte ein bisschen zu viel Spaß daran, Leute zu neutralisieren.
»Omega und Alpha«, sinnierte Bernd. »Gut, dass es endlich losgeht.«
Es würde eine Veränderung geben, von der die Welt sehr lange sprechen würde. Es war ein gutes Gefühl, daran mitzuwirken.
»Verdammt, Frau Rengler, was haben Sie sich nur dabei gedacht?«
Das Gesicht von Kriminaldirektor Heinschmidt war von Zorn gerötet. Die Adern an seinem Hals pulsierten aufgeregt. Heinschmidt hatte sich vorgenommen, in aller Ruhe mit der jungen Kriminalbeamtin zu sprechen, aber ihre scheinbare Unberührtheit ärgerte ihn.
»Wissen Sie überhaupt, was da draußen los ist?« Er wies mit einer unbestimmten Geste zum Fenster hinüber, atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. »Sie wissen doch genau, dass wir uns korrekt verhalten müssen. Müssen, betone ich. Müssen!«
Heike Rengler hatte den Ausbruch ihres Vorgesetzten gleichmütig über sich ergehen lassen und zuckte nun mit den Schultern. »Wir haben die Kleine noch rechtzeitig gefunden.«
»Frau Rengler, das weiß ich.« Heinschmidt nahm einen Schreibstift zur Hand, um sich mit etwas zu beschäftigen. Mit irgendetwas, bevor er versucht war, seine Hände um Heike Renglers schlanken Hals zu legen. Der Plastikkugelschreiber knirschte bedenklich in seinem Griff. »Verdammt, Frau Rengler, ich weiß auch, dass wir die Kleine niemals rechtzeitig gefunden hätten, wenn Sie den vermutlichen Straftäter nicht zu einem Geständnis, äh, bewegt hätten. Aber doch nicht mit der Androhung von Folter! Verdammt, Sie haben den Mann sogar tatsächlich geschlagen!«
»Den vermutlichen Straftäter? Das Schwein hätte die Kleine krepieren lassen, wenn wir ihm das Versteck nicht entlockt hätten«, erwiderte die junge Frau. »Hätten wir sie sterben lassen sollen?«
Heinschmidts Kugelschreiber zerbrach. Der Kriminaldirektor beugte sich erneut vor. »Kommen Sie mir jetzt nicht so, Frau Rengler.«
»Entschuldigung.« Ihre Stimme klang eher, als müsste sich ihr Vorgesetzter entschuldigen.
»Sie sind eine gute Kriminalistin, Frau Rengler. Sie haben exzellente Bewertungen, und Ihre Kollegen bescheinigen Ihnen gute Arbeit. Wirklich gute Arbeit.« Heinschmidt seufzte. »Aber Sie sind kein Teamspieler. Sie schätzen zu sehr die unkonventionellen Wege. Polizeiarbeit ist Ermittlungsarbeit. Wir überführen einen vermutlichen Straftäter anhand von Beweisen und nicht, verdammt noch mal, aus einem Gefühl heraus! Und schon gar nicht unter Androhung von Gewalt!«
Die letzten Worte hatte der ältere Mann wütend geschrien und dabei mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen. Ein Teil des zerbrochenen Kugelschreibers rollte über die Ablage und fiel unbeachtet zu Boden.
»Ich habe nicht aus einem Gefühl heraus gehandelt.« Die attraktive Frau strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und machte eine beschwichtigende Geste. »Tut mir leid, Herr Heinschmidt, aber es gab starke Indizien gegen den Verdächtigen. Und die Zeit war verdammt knapp. Ohne die Hilfe des Verdächtigen hätten wir das Mädchen niemals rechtzeitig gefunden. Aber wir haben sie gefunden, und sie lebt.«
»Ich weiß«, knurrte Heinschmidt. Er seufzte schwer und bemühte sich um einen versöhnlicheren Tonfall. »Herrgott, Frau Rengler, jeder weiß das. Die ganze verdammte Bundesrepublik weiß es inzwischen.« Er sah sie kopfschüttelnd an. »Die einen feiern Sie als Heldin, die anderen wollen Sie als Folterknecht auf den Scheiterhaufen schicken. Die einfachen Leute von der Straße würden Ihnen am liebsten das Bundesverdienstkreuz an die Brust heften, und diverse Politiker wollen Sie zur Schlachtbank schicken. Meine Güte, Frau Rengler, Sie haben nicht nur mit Gewalt gedroht, sondern sie auch angewendet.«
»Der Kerl war zäh. Ich habe ihm halt dahin gelangt, wo es ihm richtig weh tat.« Heike Rengler biss sich auf die Unterlippe, und ihr Gesicht verzog sich zu einem halbherzigen Lächeln. »Hören Sie, Herr Heinschmidt, alles wies auf Karnatz hin. Seine Vergangenheit, in der er bereits zweimal wegen Pädophilie in Erscheinung getreten war, dann das Haargummi mit den DNA-Spuren des vermissten Mädchens in seinem Geländewagen …« Sie zuckte erneut mit den Schultern. »Karnatz wusste, was ihm blühte. Der hätte niemals geredet, und wenn die Kleine ihr Insulin nicht rechtzeitig bekommen hätte, dann …«
»Ja, ja, ich weiß«, unterbrach Heinschmidt, »dann wäre sie jetzt wohl tot.« Der Kriminaldirektor blickte zum Fenster hinüber. »Sie haben der Kleinen das Leben gerettet, und dafür bin ich Ihnen ebenso dankbar wie die anderen Menschen. Aber Ihr Handeln hat wieder einmal die Diskussion über Polizeigewalt losgetreten. Unsere Dienststelle steht unter Beschuss. Ich stehe unter Beschuss. Verdammt, selbst der Innenminister steht unter Beschuss.«
»Das wollte ich nicht, Herr Kriminaldirektor«, versicherte Heike Rengler ernsthaft. »Für mich stand das Leben der kleinen Hoffmann im Vordergrund.«
Heinschmidt musterte sie einen Moment schweigend und sehr ernst, bevor er langsam nickte. »Genau davon gehe ich auch aus, Frau Rengler, sonst würde ich alles daransetzen, Sie aus dem Kriminaldienst zu entfernen.« Er blähte die Wangen auf und stieß dann die Luft aus. »Nun, bislang haben Sie sich durchaus bewährt, und ich möchte Sie wegen dieses Vorfalls nicht verlieren. Wenigstens nicht auf Dauer.«
»Nicht auf Dauer?« Die junge Beamtin versteifte sich ein wenig.
»Ja, was glauben Sie denn?«, knurrte Heinschmidt. »Dass Sie einem Tatverdächtigen fast die Hoden zerquetschen und danach wieder zur Tagesordnung übergehen können? Nein, Frau Rengler, ich muss Sie und unsere Dienststelle jetzt erst einmal aus dem, äh, Fokus der Öffentlichkeit nehmen. Ich werde Sie versetzen.«
»Versetzen?«
»Versetzen.« Heinschmidt nickte. »An einen schönen, ruhigen Ort, an dem Sie eine Weile arbeiten können, bis sich alles wieder beruhigt hat. Danach sehen wir weiter.«
Heike Rengler saß für einen Moment reglos in dem bequemen Sessel und war sich nicht sicher, wie sie sich verhalten sollte. »Hören Sie, Herr Heinschmidt, ich arbeite gerne in Mainz. Ich bin eine richtige Großstadtpflanze, Sie verstehen? Außerdem kenne ich mich hier aus und habe hier meine Connections.«
»Sie sind eine flexible junge Beamtin«, entgegnete ihr Vorgesetzter leise, »und Sie werden sich in Ihrem neuen Wirkungsbereich sicher rasch einleben.«
»Und wo soll das sein?«
Heinschmidt entdeckte das heruntergefallene Teilstück seines Kugelschreibers und hob es auf. »Birkenfeld. Ist eine nette kleine Kreisstadt in der Nähe von Idar-Oberstein.«
»Und sicherlich nett ruhig.« Heike Renglers Stimme klang ein wenig bitter.
»Herrgott, was erwarten Sie? So, wie der Fall Karnatz aufgekocht ist, müssen Sie jetzt einfach eine Weile mit den Wölfen heulen und ganz brav und friedlich ihren Dienst versehen. In einer Kreisstadt ist immer etwas los.«
Heike lächelte schmallippig. »Vor allem die Wölfe.«
Heinschmidt musste lachen, was sein Gesicht auf wundersame Weise zu verwandeln schien. »Die Wogen werden sich bald glätten. Auch wenn ich Ihr Verhalten vom menschlichen Standpunkt aus verstehen kann, so haben Sie vom rechtlichen Standpunkt aus falsch gehandelt. Egal, wie gut Ihre Absichten dabei auch gewesen sind ... Folter und die Androhung von Gewalt, um ein Geständnis von einem Tatverdächtigen zu erzwingen, sind nun einmal das falsche Mittel.«
»Aber sie wirken.«
Heinschmidts Gesicht wurde abweisend. »Frau Rengler, Sie haben ein Problem mit Ihrer Einstellung zu Gewalt. Sie sollten das in Birkenfeld in Ruhe überdenken, und das meine ich ernst.« Er pochte mit den Fingern einer Hand auf die Schreibtischplatte. »Und Sie werden sich jeder Äußerung bezüglich des Falls Karnatz enthalten. Keine Kommentare zu irgendjemandem. Vor allem nicht zur Presse, ist das klar?«
Heike Rengler nickte. An der Zigarre ihres Vorgesetzten würde sie noch eine Weile zu kauen haben, obwohl sie, wie sie sich eingestand, recht glimpflich davongekommen war. Ausgestanden war es noch nicht, denn der Kinderschänder würde sie mit Sicherheit wegen Körperverletzung verklagen. Sein Geständnis hatte er bereits widerrufen und pochte darauf, es sei unter Gewalt erzwungen worden. Aber damit konnte sie leben, denn das entführte Mädchen war gesund und in Sicherheit. Die Liebe seiner Eltern und psychologischer Beistand würden ihm hoffentlich über das Erlebte hinweghelfen. Seine Aussage und die inzwischen vorgefundenen Beweise würden Karnatz lange hinter Gitter bringen.
Heinschmidt seufzte. »Die Versetzungspapiere lasse ich noch heute fertig machen. Nehmen Sie sich ein paar Tage frei, und dann treten Sie Ihren Dienst in Birkenfeld an. Die Ruhe dort wird Ihnen guttun. Uns allen«, fügte er hinzu, und das Lächeln nahm seinen Worten erneut die Härte.
Heike Rengler erhob sich, und sie reichten sich kurz die Hände, bevor sie das Büro ihres Vorgesetzten verließ.
Draußen im Flur standen zwei Kollegen und sahen sie gespannt an. »Und?«
»Birkenfeld.«
Damit schien alles gesagt. Einer der Kollegen verzog schmerzlich das Gesicht, der andere zuckte mit den Schultern. »Hätte schlimmer kommen können. Ich kenne den Ort. Ist eigentlich sehr hübsch dort.«
»Und sicher sehr hübsch ruhig«, knurrte Heike.
Der andere lachte. »Mal sehen, ob das auch so bleibt, wenn du dort aufläufst.«
Sie stimmte halbherzig in sein Lachen ein. »Was ist, treffen wir uns heute Abend bei Martin auf ein Bier?«
»Was sonst?«
Heike wusste, dass sie für die nächste Zeit kaltgestellt war. Das aufregende Leben würde eine Weile an ihr vorüberziehen, aber vielleicht war das ja wirklich ganz gut so.
Eigentlich war der Dienst eher langweilig, aber sie waren beide nicht böse darüber. Die letzten Tage waren ziemlich stressig gewesen, und sie waren ganz froh, nun eine etwas ruhigere Kugel schieben zu können. Ihr Streifenwagen parkte am Rand der Mainzer Straße. Auf der anderen Fahrbahnseite befand sich das städtische Hallenbad und ein Stück vor ihnen das Bordell der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. In den letzten Tagen hatte es einigen Ärger gegeben. Letzte Woche war hier ein Abgeordneter des hessischen Landtags verprügelt worden.
»Ich wäre lieber drinnen als draußen«, brummte Hauptwachtmeister Hamann. »Wärmer und ein hübscheres Umfeld.«
Sein Kollege Bolt erwiderte nichts und sah gelangweilt durch die Windschutzscheibe nach vorn. Gelegentlich schaltete er den Scheibenwischer kurz ein, denn seit einer halben Stunde nieselte es. Der schwache, aber stete Regen nahm ihnen zunehmend die Sicht. Die Lichter der Neonreklamen von Hallenbad und Bordell warfen ihre Reflexe auf die zahllosen kleinen Wassertröpfchen auf den Scheiben.
Bolt biss erneut in seinen Burger und bemerkte den missbilligenden Blick seines Kollegen. »Was ist?«, brummte er mit vollem Mund.
»Ich verstehe nicht, wie du so ein Zeug in dich hineinstopfen kannst.« Hamann deutete auf den mehrschichtigen Hamburger, den der Kollege in den Händen hielt.
»He, das Zeug ist gut. Bestes Fleisch. Die Fast-Food-Ketten werden doch schärfer kontrolliert als normale Restaurants.«
»Das meine ich nicht. Aber diese doppelten und dreifachen Burger sind doch Mist. Da bekommt man Maulsperre. Kein Schwein kriegt die in den Mund, ohne sie vorher plattzuquetschen. Und was ist das Resultat? Die Hälfte von dem Zeug fällt dir an den Seiten runter.« Hamann grinste breit. »Siehst du? Jetzt hast du dir schon wieder die Hose vollgekleckert. Sau bloß den Wagen nicht ein.«
Bolt zuckte mit den Achseln, und erneut tropften Ketchup, Zwiebeln, Gürkchen und andere Bestandteile seiner Mahlzeit nach unten. Er wischte mit einer Hand über seine Diensthose und blickte durch die Windschutzscheibe. »He, hast du den gesehen?«
Hamann nippte an seinem kalten Kaffee. »Hm?«
Bolt legte seinen Burger auf die Ablage und schaltete die Scheibenwischer ein. »Den Mercedes.«
»Was für einen Mercedes?« Hamann blickte angestrengt durch die Scheibe. »Ah, den weißen?«
»Genau den.« Bolt startete den Motor. »Hast du gesehen, wie der schlingert?«
Hamann schraubte seine Thermoskanne zu. Der Kaffee war ohnehin kalt. »Dann sehen wir uns den Burschen besser mal an.«
Wenn ein Wagen derart auf der Straße schlingerte, dann bedeutete das eine latente Gefahr für den Fahrer und für andere Verkehrsteilnehmer.
Bolt zog den Streifenwagen auf die Straße und folgte dem weißen Mercedes. »Ich hab das Kennzeichen«, sagte er. »Mach mal eine Halterabfrage.«
Hamann hatte das Mikrofon schon in der Hand. »Zentrale von Nero 14. Ich habe eine Halterabfrage. Weißer Mercedes 280 mit dem amtlichen Kennzeichen ...«
Sie fuhren ein Stück hinter dem Wagen her und konnten deutlich erkennen, dass sich das Heck der Limousine leicht schlingernd bewegte. »Ich glaube nicht, dass der Typ besoffen ist«, meinte Bolt. »Sieht mir eher danach aus, als wäre der hemmungslos überladen.«
»Oder die Stoßdämpfer sind im Arsch.« Hamann nickte. »So oder so sollten wir ihn uns ansehen. Halter ist ein Martin Gabe. Wohnt in der Hellmundstraße.«
»Liegt was vor?«
»Nee.«
»Sehen wir ihn uns an.« Bolt beschleunigte den Streifenwagen, und Hamann konnte gerade noch den Burger vor dem endgültigen Absturz bewahren. Seufzend legte er das halb aufgegessene Nahrungsmittel in die braune Tüte seines Kollegen. Nero 14 schob sich mit blitzenden Blaulichtern rasch an dem weißen Mercedes vorbei, auf gleicher Höhe zeigte Hamann dem Fahrer die Kelle. Als sich das Polizeifahrzeug vor den Mercedes setzte, verlangsamte der Fahrer gehorsam das Tempo und rollte hinter Nero 14 am Seitenstreifen der Mainzer Straße aus.
Bolt blieb gewohnheitsmäßig im Wagen, bis sein Kollege ausgestiegen war und der Fahrer des Mercedes sein Seitenfenster herunterließ. Dann folgte er, um Hamann zu sichern.
»Schönen guten Abend«, sagte Hamann freundlich. »Allgemeine Verkehrskontrolle. Fahrzeugpapiere und Führerschein bitte.«
Martin Gabe wirkte nicht unsympathisch. Mitte dreißig, mittelblondes Haar und ein sauber gestutzter Oberlippenbart. Durchschnittsgesicht und Durchschnittstyp.
Während Gabe seine Papiere hervorholte, inspizierte Hamann das Innere des Wagens mit routiniertem Blick, bis der Fahrer ihm die gewünschten Dokumente zeigte. Hamann musterte die Papiere und dann den Wagen. »Da haben Sie ja einen richtigen Oldtimer, wie?«
Martin Gabe lächelte. »Kann man so sagen. Ist ein 280S, Baujahr Sechsundsiebzig. Aber noch tadellos in Schuss.«
»So.« Hamann gab ihm die Papiere zurück. »Sind Sie sich da sicher? Können Sie sich eventuell denken, warum wir Sie angehalten haben?«
Man sah förmlich, wie die Gedanken des Fahrers kreisten. Scheinwerfer in Ordnung? Bremslicht kaputt? Zu schnell gefahren? Gabe zuckte mit den Achseln, und sein Lächeln wirkte etwas kläglich.
»Wir haben erst gedacht, Sie hätten getrunken, so sehr schwimmt das Heck Ihres Wagens. Ich denke, wir sollten uns mal die Stoßdämpfer ansehen.«
Martin Gabe spitzte die Lippen, dann stieg er aus. Gemeinsam gingen sie nach hinten. Hamann drückte auf den Kofferraum, und es gab keinen Zweifel, dass der Wagen »schwamm«. Der Polizeihauptwachtmeister sah Gabe vielsagend an und bückte sich dann, um sich die Stoßdämpfer anzusehen.
»Ach du Scheiße«, hörte man ihn murmeln.
Sein Kollege Bolt musterte den Fahrer aufmerksam. Hatte der Kollege da etwa Drogen im Radkasten aufgestöbert? »Was ist los, Winni?«
Hamann richtete sich ächzend auf. »Du wirst es nicht glauben. Der hat gar keine Stoßdämpfer. Der hat Blattfedern!«
»Der hat ... was?« Bolt sah ihn irritiert an. »Du spinnst. Blattfedern. Wo gibt es denn so was?«
Er blickte selbst unter den Kotflügel und tastete ungläubig mit der Hand herum. »Gott im Himmel. Blattfedern. Ich glaub es nicht. Ich dachte, die gäbe es höchstens noch in alten Kutschen.«
»Ist ja auch eine alte Kutsche«, sagte Hamann, aber es klang nicht unfreundlich. »Na ja, an kaputten Stoßdämpfern kann es also nicht liegen. Was haben Sie denn geladen, Herr Gabe?«
»Werden Sie jetzt bloß nicht nervös. Ich komme gerade aus Italien von einem Tunnelbauprojekt nach Hause. Habe bei der Gelegenheit am Frankfurter Airport eine Lieferung meiner Firma in Empfang genommen.«
Hamann verzog keine Miene. »Aha. Hört sich interessant an. Würde es Ihnen etwas ausmachen …?«
»Äh, nein, sicher nicht. Moment, ich mache Ihnen auf.« Martin Gabe holte den Zündschlüssel und öffnete den Kofferraum.
Bolt pfiff anerkennend durch die Zähne. »Das sollten Sie mir jetzt aber wirklich erklären, Herr Gabe.«
Der Polizeibeamte nickte seinem Kollegen zu, der einen Schritt zur Seite trat und nun die Hand am Griff seiner Pistole hatte.
Martin Gabe nickte. »Ist nicht so gefährlich, wie es aussieht, Herr Wachtmeister. Der gemaserte Stein ist ein Souvenir von unserer derzeitigen Baustelle in Italien. Wir müssen sechs Fahrbahnen in zwei Röhren unter einer Stadt hindurchbauen. Dabei haben wir es mit dieser Gesteinsart zu tun. Na ja, unter anderem. Wir arbeiten dort mit einer gewaltigen Bohrmaschine, und gelegentlich müssen wir auch sprengen, weil …«
»Der Stein interessiert mich weniger.« Bolts Stimme klang hart. »Ich bin vielleicht kein Sprengstoffspezialist, aber das sieht mir verdammt nach Dynamit aus. Und das da ist C-4, steht sogar drauf. Okay, Herr Gabe, treten Sie einen Schritt zurück und …«
»Warten Sie, Herr Wachtmeister, das Zeug ist nicht echt. Es sieht nur so aus.«
»Klar, und Rotkäppchen hat den bösen Wolf gefressen. Hände auf das Wagendach und …«
»Ich kann Ihnen die Luftfrachtpapiere zeigen. Es ist Schulungsmaterial der Firma Osendag. Ich führe Seminare für Sprengtechniken durch.« Gabe sah den Beamten über die Schulter hinweg an, denn angesichts von Hamanns Hand am Pistolengriff war es klüger, den Anweisungen der Polizisten zu folgen. »Fragen Sie Ihre Bombenspezialisten. Die kennen mich. Gabe von der Firma Osendag. Mann, ich zeige Ihren Leuten, wie sie Löcher in Wände und Türen machen können, ohne dass das Haus dabei zusammenbricht oder ihnen die Ohren wegfliegen. Die Lehrgänge halte ich auf dem Truppenübungsplatz in Baumholder ab, und die Sachen hier sind Attrappen für den theoretischen Unterricht.« Er seufzte leise. »Steht alles in den Papieren.«
»Wo sind die Papiere?«
»In meiner Brusttasche.«
»Schön vorsichtig und nicht tief durchatmen. Mein Kollege könnte nervös sein.«
»Keine Sorge«, murmelte Martin Gabe, »das bin ich auch.«
Bolt fischte ein zusammengefaltetes Papier aus Gabes Brusttasche und studierte es aufmerksam. Sein Blick und sein Ton wurden freundlicher. »Und das alles sind nur Attrappen?«
Gabe seufzte erleichtert. »Nun ja, die Detektoren sind echt. Aber die Sprengmittel sind blind. Damit werden das Bemessen der Ladungen und das Setzen der Zündmittel geübt. Bevor es an die richtigen Knaller geht.«
Bolt hörte das Piepen des Funkgeräts vom Streifenwagen. Er ging zu Nero 14 und meldete sich. Ein paar Sekunden später rief er Hamann zu: »Wir haben einen Einsatz. Schwerer Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person. Knapp einen Kilometer vor uns, auf dem Autobahnzubringer.«
Hamann drückte den Kofferraumdeckel des Mercedes zu. »Haben Sie noch weit zu fahren, Herr Gabe?«
»Noch ungefähr zwei Kilometer«, sagte der sichtlich erleichtert. »Zum Hessler Hof. Das meiste über den Feldweg.«
»Sie wohnen aber doch in der Hellmundstraße, oder?«
»Ich bringe den Stein zu einem Freund, der ihn ein bisschen aufarbeitet und poliert.«
»Und das andere Zeug?«
»Zu mir nach Hause. Meine Frau wird nicht begeistert sein, aber ich muss ein neues Seminar vorbereiten. Unser Firmensitz ist in Stockholm und unsere Deutschlandfiliale in Hamburg. Es wäre einfach zu umständlich, erst nach Hamburg hochzufahren und dann mit dem Lehrmaterial wieder runter nach Baumholder.«
»Na gut, drücken wir mal ein Auge zu, Herr Gabe. Aber derart überladen dürfen Sie Ihren Wagen eigentlich nicht. Damit meine ich den Stein. Das ist wirklich ein Mordsding.«
»Da können Sie sehen, mit was wir uns bei diesem Tunnel herumplagen müssen. Es kommt nicht wieder vor«, versicherte Gabe.
Hamann war schon fast am Streifenwagen. »Na, ausnahmsweise. Gute Fahrt.«
***
Martin Gabe stand neben seinem alten Mercedes und blickte dem Streifenwagen nach, der mit Blaulicht und Sondersignal anfuhr und rasch verschwand. Er stieg wieder ein, und als er sich in den Fahrersitz lehnte, spürte er die Nässe, die der Nieselregen in seinem Hemd hinterlassen hatte. Er schauderte und startete.
Er hatte es wirklich nicht mehr weit. Nach kaum einem halben Kilometer erreichte er den Kreisel, fuhr von der Mainzer Straße herunter und in den Zufahrtsweg zum Hessler Hof, der auch zur Mülldeponie der Stadt führte. Der Weg zog sich in einer langgezogenen Kurve den kleinen Berg hinauf.
Mitten in der Kurve passierte es. Wieder einmal.
»Scheiße«, fluchte Martin lauthals, als die Zündung des alten Mercedes ausfiel.
Das kam immer wieder bei feuchter Witterung vor. Weder er noch die Werkstatt hatten den Fehler bisher gefunden. Angeblich bildete sich bei feuchtem Wetter ein Kriechstrom, der die Elektrik kurzschloss. Übel war nur, dass dann die Servolenkung ausfiel, und ein Fahrzeug von über anderthalb Tonnen plötzlich ohne Lenkhilfe zu steuern erforderte Kraft. Martin fluchte ausgiebig, versuchte den Wagen in der Spur zu halten und gleichzeitig neu zu starten.
»Gott sei Dank«, murmelte er erleichtert, als die Elektrik wieder zum Leben erwachte. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre von der Straße abgekommen.
Ein paar Minuten später tauchte sein Ziel im Licht der Scheinwerfer auf. Der Hessler Hof war einst ein herrschaftlicher Bauernhof gewesen, und um das Gelände zog sich eine hohe Mauer aus dunklen Bruchsteinen. Das Tor wurde nie abgesperrt, und Martin fuhr hindurch, über den mit Kopfstein gepflasterten Fahrstreifen des Innenhofs. Er parkte den Wagen vor einer der unbenutzten Remisen des Reiterhofs und sah die stämmige Gestalt seines Freundes Fred Heineken durch den Regen herankommen.
»Hallo, Martin«, sagte Fred und balancierte seine unvermeidliche Pfeife zwischen den Zähnen. »Ich warte schon ein Weilchen. Monika hat angerufen, dass du auf dem Weg bist und wieder ein Andenken vorbeibringst. Besonders begeistert klang sie nicht. Eigentlich erwartet sie wohl, dass du erst einmal zu deiner Familie fährst, wenn du wieder nach Hause kommst.«
»Wahrscheinlich erwartet sie das zu Recht, aber ich wollte den Brocken nicht unnötig spazieren fahren«, sagte Martin entschuldigend.
Er und Fred Heineken kannten sich schon lange. Sie hatten sich bei einem Straßenfest kennengelernt und auf Anhieb gut verstanden. Im Lauf der Jahre war eine Freundschaft daraus gewachsen. Fred war Pate von Martins Tochter Svenja. Er war Schreiner und restaurierte in seiner Freizeit alte Waffen. Gelegentlich begleiteten die Gabes ihn zu einem Burgfest oder einem Museum, wo Fred stolz auf altertümliche Waffen in den Vitrinen deutete, die er kunstvoll restauriert hatte. Er war in der Fachwelt kein Unbekannter und trug sich inzwischen mit dem Gedanken, sich beruflich ganz auf das Restauratorenhandwerk zu spezialisieren.
»Soll ich den Brocken glätten und auf Hochglanz polieren?« Fred sog an seiner Pfeife und begutachtete den Stein. »Sieht fast wie Marmor aus.«
»Nein, das ist kein Marmor. Ist eine Art von Granit, die uns bei diesem Tunnel schon eine Menge Probleme bereitet hat.«
»Und ihr müsst den Tunnel wirklich unter einer Stadt hindurchbauen? Ich meine, während oben drüber alles normal abläuft? Verkehr und so?«
»Ja. Es darf keine Erschütterungen geben, damit die Bauten oberhalb des Tunnels nicht gefährdet sind. Aber du weißt ja, Osendag ist auf so etwas spezialisiert.«
»Ziemlich gefährlicher Job, findest du nicht?«
Martin seufzte. »Wenn du über die Straße gehst, kannst du von einem Wagen erfasst werden.«
»Hm, auch wieder wahr.« Fred strich über die Oberfläche des Steins. »Ich glaube nicht, dass es Monika besonders gut gefällt. Schon weil du oft wochenlang unterwegs bist.«
»Osendag zahlt gut.«
»Stimmt.« Der Ältere blähte die Wangen auf und blickte zu einem der Ställe hinüber. »Schön, schaffen wir den Brocken in meine Werkstatt.«
Mühsam hoben sie den schweren Stein aus dem Kofferraum und setzten ihn kurz auf dem Boden ab. »Allmächtiger«, ächzte Fred, »den hast du aber nicht als Handgepäck mitgebracht, wie?«
»Luftfracht, und es war nicht billig.«
»Du lässt dir die Andenken für euren Innenhof ganz schön was kosten. Nun ja, jeder hat so seine Leidenschaft. Immerhin, wenn du mal in Rente bist, kannst du dich in den Hof setzen und hast ein Andenken an jede Baustelle, an der du gearbeitet hast.«
»Nicht an jede. Nur an die besonderen.«
Schnaufend hoben sie den Stein erneut an. Er war vom Nieselregen schlüpfrig geworden, und die beiden Freunde fluchten abwechselnd, während sie ihn in die Werkstatt trugen und endlich erleichtert auf dem Boden absetzten.
Fred wischte sich Schweiß von der Stirn und sog mehrmals heftig an seiner Pfeife. »Hast du am Wochenende Zeit?«
»Am Wochenende? Wieso?« Martin lehnte sich an eine der Werkbänke und bemerkte eine halb zerlegte Muskete, wie sie wohl einst von Napoleons Truppen benutzt worden war.
»In Baumholder veranstaltet die Bundeswehr einen Tag der offenen Tür. Dieter Schütte kommt dahin, für den ich zwei alte Charlevilles restauriere.«
»Charle– was?«
»Charleville«, brummte Fred und deutete auf seine Werkbank. »Steinschlossmusketen aus dem Jahr 1766.«
»Nun, eigentlich wollte ich mit Monika und unserer Süßen …«
»Schütte wird in Baumholder zwei alte Haubitzen aus Napoleons Tagen vorführen. Na ja, die Nachbauten davon. Aber alles ganz naturgetreu. Historische Uniformen und so ein Zeugs. Machen die auf einer Schießbahn der Bundeswehr, wo sie scharf schießen können. So etwas hast du bestimmt noch nicht gesehen.«
»Klingt nicht uninteressant«, meinte Martin zögernd. »Aber warum in Baumholder? Das liegt doch ziemlich abgelegen im Hunsrück.«
»Irgendein Jubiläum. Mit allem Drum und Dran. Waffenschau, Ausstellung und der ganze Kram. Werden sogar internationale Aussteller erwartet, und die Bundeswehr hat sich mit Schüttes Vorführung etwas Besonderes einfallen lassen. Eine Ausstellung historischer Waffen.«
»Aha«, murmelte Martin.
»He, komm schon … Die beiden alten Kanonen werden von echten Franzosen abgefeuert.« Er sah Martins verwirrtes Gesicht und lachte auf. »Na ja, keine echten Franzosen. Dieter Schütte, der hat eine Gruppe, die sich auf die napoleonische Epoche spezialisiert hat. Napoleonische Artilleristen aus dem Jahr 1812, die zwei originalgetreue Vorderladerhaubitzen bedienen.«
Martin strich sich nachdenklich übers Kinn. »In richtig alten Uniformen und genau so, wie es damals war?«
»Genau so.«
Martin lachte auf. »Ist schon etwas ungewöhnlich.«
»Na, siehst du? So etwas bekommst du nicht alle Tage geboten. Ich muss ja ohnehin nach Baumholder, damit Schütte die beiden Musketen bekommt. Du könntest bei mir mitfahren.«
»Okay, ich rede mal mit Monika. Ich glaube nicht, dass sie begeistert sein wird.«
»He, du schaffst schließlich die Kohle ran. Da kannst du dir auch mal etwas gönnen, oder?«
Martin lachte erneut. »Sag das mal Monika.«
Fred nickte ernsthaft. »Mache ich glatt.«
Die See war ziemlich unruhig, obwohl die Meteorologen eigentlich gutes Wetter vorausgesagt hatten. Die Aleksander Newski nahm es mit der Gelassenheit ihrer 23 000 Tonnen, legte sich gemächlich auf die Seite und tauchte den hohen Bug in ein Wellental, bevor die Kraft ihrer Turbinen – und ein wenig Hilfe von Neptun – sie erneut aufrichteten. Weniger gelassen nahmen es die drei Passagiere, die neben dem Kapitän auf der Brücke standen. Sie alle hielten Ferngläser in den Händen und konnten sich kaum entscheiden, ob sie lieber die Gläser oder sich selbst festhalten sollten.
»Verdammt, Towaritsch Kapitän«, fluchte Garinkow heiser. »Sie haben uns gutes Wetter versprochen. Nicht diese Berg-und-Tal-Fahrt.«
Der Kapitän nickte höflich. Immerhin war Nikolai Iljitsch Garinkow der für die Erdölförderung der Russischen Föderation zuständige Minister. »Es lässt gleich nach. Wir haben das Sturmtief fast hinter uns.«
Kapitän Kaspari blickte kurz zum Rudergänger hinüber, der, wie alle Seeleute, die Bewegungen des Schiffes mit seinem Körper ausglich. Die See und der Himmel wirkten gleichermaßen grau in grau. Sturmböen trieben den Regen gegen die schrägen Scheiben der Kommandobrücke.
»Es klart auf, Towaritsch Kapitän«, sagte Jurenko, der Erste Offizier, leise, während er neben seinen Kommandanten trat. »Ich denke, in einer guten Stunde können wir endlich mit dem Versuch beginnen.«
»Da«, bestätigte Kaspari versonnen. »Und dann werden wir unsere brave Aleksander wieder in den Hafen steuern müssen.«
Jurenko nickte bedauernd. Gelegentlich verschafften sie dem Schiff ein Zubrot durch Missionen, für die es nicht konzipiert worden war. Messung von Gezeitenströmungen, Beobachtung von Walwanderungen, Suche nach historischen Schiffswracks ... Für solche Zwecke schickte man den schweren Kreuzer immer wieder hinaus, gut bezahlt von den jeweiligen Forschungsgruppen. Manchmal waren mehr Forscher als Matrosen an Bord.
Der Kommandant blickte zu Minister Garinkow und den anderen beiden Passagieren. Letztere waren strohblond, wobei die Haarfarbe der Frau fast ins Weiße reichte. Der Mann mit den stämmigen Beinen war Vertreter irgendeiner schwedischen Firma. Einer offensichtlich wichtigen Firma, sonst hätte sich der Minister kaum auf die brave Aleksander Newski begeben. Die Frau daneben war eine Augenweide – Hauptmann der russischen Armee und mit einer Figur gesegnet, die auch der unförmige Armeemantel, den sie im Augenblick trug, nicht zunichtemachen konnte. »Towaritsch Minister, in ungefähr einer Stunde werden wir die Tests abschließen können.«
Der Minister nickte erleichtert. Er war schon einige Male auf See gewesen, aber er hatte sich nie wirklich an die Bewegungen eines Schiffes gewöhnen können. Sein Magen schien sich genau entgegen dem Heben und Senken der Aleksander Newski bewegen zu wollen, und er beschloss, nicht daran zu denken, sondern sich abzulenken. »Es ist ein großes Projekt«, sagte er mit mühsamem Lächeln zu dem schwedischen Beobachter.
Bengt Olofsson löste den Blick von der angenehmen Silhouette Hauptmann Borgonowas. »Das ist es, Herr Minister. Es wird einen beachtlichen Schritt für Ihr Land bedeuten.«
»Und für Ihre Firma.« Der Minister erkannte, dass sich das Grau in Grau wandelte und wieder mehr Konturen erhielt. Er seufzte erleichtert. »Wissen Sie, Herr Olofsson, ich will nicht verschweigen, dass für uns viel davon abhängt. Russland ist reich an Erdöl und Erdgas. Wirklich reich. Aber der Vertrag von 1999 ...«
Olofsson nickte. Im Jahr 1999 hatten die Präsidenten von Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan und der Türkei, unter Vermittlung des US-Präsidenten Bill Clinton, in Istanbul einen Vertrag über den Bau einer 1730 Kilometer langen Erdölpipeline unterzeichnet. Diese führte unter Umgehung Russlands und des Irans von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer über Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Damit wurde Russlands wichtigste Einnahmequelle reduziert. Die westlichen Pipelines führten durch Staatsgebiet, das einst sowjetisches Hoheitsgebiet gewesen war, nun aber eigenständigen Nationen wie Weißrussland und der Ukraine gehörte. Immer wieder gab es daher Unstimmigkeiten, und gelegentlich hatte Russland die Pipeline abgesperrt, um sie als Druckmittel zu nutzen – was jedoch die vereinbarten Lieferungen an den Westen einschränkte. Das war nicht gut, denn die betroffenen Länder suchten nach Alternativen, um sich von Russlands Lieferungen unabhängiger zu machen.
Die Fahrt der Aleksander Newski sollte dem Land aus dieser Misere heraushelfen. In den arktischen Gewässern gab es reiche Erdölvorkommen, und so hatte man den Plan ausgearbeitet, eine neue und relativ kurze Pipeline zu bauen, die über das Hoheitsgebiet der Russischen Föderation nach Sankt Petersburg führen sollte. Ein Abzweig der neuen Pipeline würde unter der Ostsee nach Kaliningrad verlegt werden.
»Sie wissen ja, Herr Minister, der Bau einer unterseeischen Pipeline ist kostenintensiv. Wenn dieses neue Sprengmittel, das Sie entwickelt haben, hält, was es verspricht, werden sich die Kosten natürlich ein wenig senken.«
»Es funktioniert.« Hauptmann Borgonowa sah den Schweden kühl an. »Und die Kosten werden erheblich sinken.«
Wenn man der weißblonden Frau ins Gesicht sah, verlor sie an Attraktivität, was an den kalten Augen und strengen Gesichtszügen lag. Für Olofsson war sie der Inbegriff einer dominanten Frau. Er hätte sich den weiblichen Hauptmann durchaus in schwarzer Lederkleidung und mit Peitsche vorstellen können. Aber Borgonowa hatte mit ihrem Team den neuen Sprengstoff entwickelt, und wenn das Zeug so wirksam war, wie die Russin behauptete, dann bahnte sich ein ausgezeichnetes Geschäft an. Es würde gut sein, den Fuß in diese Tür zu setzen.
»Davon bin ich überzeugt, Frau, äh, Hauptmann Borgonowa«, versicherte der Schwede. »Ich frage mich nur, warum man so großen Wert darauf legt, eine teure und arbeitsintensive unterseeische Pipeline zu verlegen.«
»Mit dem neuen Domatex werden wir einen richtigen Graben in den Meeresgrund sprengen, die Pipeline hineinlegen und den Graben anschließend versiegeln. Mit schockdämpfendem Material, so dass tektonische Bewegungen und andere Erschütterungen sie nicht beschädigen können.« Minister Garinkow unterstrich seine Worte mit einem Nicken. »Die Pipeline wird sicher sein. Sicher vor Erosion, Korrosion und vor allem vor jedem Zugriff von außen.«
Es war Olofsson klar, dass die Russen befürchteten, jemand könne die neue Pipeline sabotieren. Sie würde zu einer ernsthaften Konkurrenz der östlichen Pipeline von British Petroleum werden, die Georgien reich machte. Auch die Tschetschenen und Iraner würden nicht erfreut sein, ebenso wenig die Türken. Nein, es würde Neider geben, und Olofsson wusste, dass hinter verschlossenen Türen ein heftiges politisches und wirtschaftliches Ringen stattfinden würde. In jedem Fall konnte seine Firma einen ausgezeichneten Deal machen. Die Aktienkurse würden nach oben schnellen. Olofsson lächelte, als er an seinen Freund dachte, der bereits dabei war, ein paar zusätzliche Aktien anzukaufen. Sicher, Aktiengeschäfte mit Insider-Informationen waren illegal, aber es gab eine Menge Dinge, die nicht legal waren und satten Gewinn abwarfen.
»Wir sind so weit, Towaritsch Garinkow«, meldete sich Kapitän Kaspari.
Die Tür zur Brücke öffnete sich, und der für den Versuch verantwortliche Admiral trat ein. Er blickte den Minister und die beiden anderen Gäste kurz an und genoss die Wärme auf der Brücke. »Wenn Sie so weit sind, Herr Minister Garinkow?«
Nikolai Iljitsch Garinkow reckte sich unmerklich. »Die Aufzeichnungen laufen, Towaritsch Kapitän?«
Kaspari bestätigte. Auch die Regierungen der benachbarten Länder waren informiert, dass in russischen Hoheitsgewässern ein Versuch stattfand, der seismische Aktivitäten am Meeresgrund auslösen würde.
»Für den Versuch haben die Taucher einen Gummischlauch auf den Grund der Ostsee ausgebracht, mit einem Querschnitt von zwei Zentimetern und einer Länge von fünfzehnhundert Metern. Der Schlauch ist mit Domatex gefüllt.«
»Ich kenne die Zahlen«, sagte Bengt Olofsson geistesabwesend.
Der weibliche Hauptmann ließ sich durch den Einwand nicht irritieren. »Domatex lässt sich in jede beliebige Form bringen. Sie können es weich oder steinhart verarbeiten. Das hängt davon ab, ob Sie es mit einer anderen Substanz mischen. Das Mischungsverhältnis hat allerdings Einfluss auf die Zündfähigkeit. Domatex ist vollkommen unempfindlich gegen Hitze oder Schlag. Es lässt sich nur durch Gleichstrom zünden. Daher ist der Schlauch auf dem Meeresgrund auch durch ein elektrisches Kabel mit diesem Boot verbunden.« Borgonowa ignorierte das empörte Stirnrunzeln des Kapitäns und fuhr fort. »Gleichstrom, zwölf Volt, aber die Amperezahl variiert. Je höher die Menge an Domatex, desto höher die erforderliche Amperezahl, die erzeugt werden muss. Der Strom ordnet die molekulare Kette im Domatex neu, wodurch das Mittel erst explosiv wird. Sehr explosiv, Herr Olofsson.«
»Nun, deswegen bin ich hier.«
Die blonde Frau wandte sich dem Admiral zu und nickte unmerklich. Der zählte auf Russisch von zehn rückwärts, und Hauptmann Borgonowa hatte die Ehre, den Auslöser zu betätigen.
Eine ganze Weile geschah nichts, dann bildete sich in einigen Kilometern Entfernung eine langgezogene Verwirbelung im Wasser. Für einen Moment stieg eine mehrere Meter hohe Wasserwand auf, die rasch in sich zusammenfiel.
Der Minister wirkte sichtlich enttäuscht. »Das, äh, war es?«
Bengt Olofsson ließ sich durch Äußerlichkeiten nicht täuschen. Die Wassertiefe betrug hier nicht einmal hundert Meter, und er überschlug die verdrängten Wassermassen auf die Menge des benutzten Sprengstoffs. Wasser war eine ausgezeichnete Verdämmung.
Hauptmann Borgonowa sah den Schweden mit unbewegtem Gesicht an. »Zufrieden?«
Olofsson nickte mechanisch. »Natürlich will ich mir erst die Aufzeichnungen ansehen und die Werte der Unterwassersensoren auswerten ...« Er lächelte. »Aber ich denke, ich bin sehr zufrieden. Sie haben da ein verteufeltes Zeug zusammengebraut, verehrte Frau Hauptmann.«
»Es ist weit stärker als herkömmliche Sprengmittel und lässt sich, wie erwähnt, problemlos verarbeiten.« Die weißblonde Frau machte zum ersten Mal ein freundliches Gesicht.
Das militärische Forschungslabor, in dem sie arbeitete, hatte jahrelang gebraucht, um Domatex zu entwickeln. Ursprünglich hatte man nach einem Sprengstoff gesucht, der von herkömmlichen Detektionsmitteln nicht erkannt wurde und somit ideal geeignet war, Sabotageakte zu verüben oder Sprengfallen vorzubereiten. Ein Sprengmittel, das auch von Hunden nicht aufgespürt werden konnte und die Arbeit von Spezialtruppen wie den Speznaz ein wenig erleichterte. Als der neue Sprengstoff endlich entwickelt war, hatte die Russische Föderation jedoch keinen Bedarf mehr für Domatex gehabt. Erst das Projekt der neuen Ostsee-Pipeline würde der Erfindung nun zu Ruhm und gutem Absatz verhelfen.
Bengt Olofsson und seine Firma Osendag würden dies unterstützen. Osendag arbeitete weltweit und war auf Sonderprojekte spezialisiert. Gleichgültig ob ein Tunnel unter einer Stadt hindurch getrieben werden musste, man ein Einkaufszentrum inmitten des Stadtzentrums zu sprengen hatte oder eine Pipeline in der See zu verlegen war, Osendag hatte für alles Fachleute anzubieten. Dabei musste häufig mit Sprengmitteln gearbeitet werden, und Olofssons Firma würde ein potenter Partner sein, wenn es darum ging, Domatex zu vermarkten. Hauptmann Tatjana Karina Borgonowa nickte dem Schweden zu und erlaubte sich ein zufriedenes Lächeln.
Kapitän Kaspari blickte dorthin, wo die Wasserwand in sich zusammengefallen war, und seufzte leise. Nun würde für die Aleksander Newski wieder eine lange Liegezeit im Hafen beginnen.
Schon in ihrer Jugend war sie von Kriminalgeschichten fasziniert gewesen, und es stand früh fest, dass sie zur Kriminalpolizei gehen würde. Dieser Weg hatte sie Kraft gekostet und sie mancher Illusion beraubt. Manchmal war sie nahe daran gewesen, aufzugeben. Die harte Ausbildung war in lange Ermittlungsarbeit gemündet, in zahlreiche Überstunden, in denen man frierend eine Überwachung durchführte, und in endlos lange Schreibarbeit. Sowie in zähe Verhöre, in denen Argumente und Beweise einen Verdächtigen überführen mussten, bis man einen Fall so weit hatte, dass man ihn endlich der Staatsanwaltschaft übergeben konnte.
Der Beruf war hart und erforderte ein Höchstmaß an Engagement und Konzentration. Und er forderte von Heike Rengler ein gewisses Maß an persönlicher Leidensfähigkeit. Sie war Bulle, das konnte sie einfach nicht leugnen, und die Erfahrungen ihres Berufs begannen, sie zu prägen.
Sie war jetzt dreißig Jahre alt, schlank und körperlich topfit. Ihre Figur war durchaus fraulich, auch wenn sie sich gelegentlich ein wenig mehr Oberweite gewünscht hätte. Nicht, dass sie besonderen Wert auf einen großen Busen legte, aber sie hatte immer wieder festgestellt, dass Männer sich gern auf den Anblick weiblicher Attribute fixierten und dabei oft vergaßen, ihr Gehirn zu aktivieren. Gelegentlich konnte sich das als Vorteil erwiesen. Manchmal auch als Nachteil.
Ihr Gesicht war schmal, fast ein wenig asketisch, aber sie hatte zwei Grübchen, die beim Lächeln sichtbar wurden. Die großen braunen Augen und die langen schwarzen Haare gaben ihr einen scheinbar weichen und nachgiebigen Ausdruck. Sie war durchaus eine Frau, nach der sich die Männer umdrehten. Es gab viele, die sich ihr zu nähern versuchten, wenn sie einmal ausging, aber nur wenige, die das Wagnis einer Beziehung eingingen. Bulle war ein Begriff, der auf andere Menschen eine merkwürdig abschreckende Wirkung hatte. Als müsse jeder Partner sofort sein Gewissen überprüfen, ob er sich irgendetwas hatte zuschulden kommen lassen. Heike hatte sich damit arrangiert – was nicht bedeutete, dass sie sich damit abfand, nie einen dauerhaften Partner und vielleicht einmal ein Kind zu haben. Aber sie setzte Prioritäten, denn ihren Beruf konnte sie beeinflussen, ihr privates Glück jedoch nicht.
Die Versetzung nach Birkenfeld zeigte ihr jedoch, dass sie auch die berufliche Entwicklung nicht wirklich beeinflussen konnte, wenn sie einmal davon absah, dass ihr Griff in die Hoden des Kinderschänders wohl wirklich eine Veränderung bewirkt hatte.
Heinschmidt hatte sie ausgetrickst.
Das erfuhr sie erst, als sie nähere Erkundigungen über ihren neuen Dienstort einholte und sich dazu des polizeiinternen Informationssystems bediente.
Es gab gar keine Kriminalpolizei in Birkenfeld.
Obwohl eine Kreisstadt, befand sich die nächste Dienststelle dieser Art im knapp zwanzig Kilometer entfernten Idar-Oberstein. Heinschmidt hatte durchgesetzt, dass Heike vorübergehend in Birkenfeld eingesetzt wurde, um dort als »Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle« zu fungieren. Die Kriminalpolizei in Birkenfeld würde somit aus einer einzigen Person, nämlich ihr selbst, bestehen. Die Stelle war exklusiv für sie geschaffen worden.
Beratungsstelle! Heinschmidt hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Fähigkeiten nicht mehr entfalten konnte. Er hatte sie nicht einmal nach Idar-Oberstein abgeordnet, wo sie wenigstens an normaler Ermittlungsarbeit beteiligt gewesen wäre.
Als sie den ersten Schock überwunden hatte, versuchte sie weitere Informationen über ihren neuen Dienstort zu erlangen. Im Internet fand sie die offizielle Homepage der Kreisstadt Birkenfeld, und ihre Frustration wuchs. Birkenfeld war ein sogenanntes Mittelzentrum. Mit rund siebentausend Einwohnern war es der größte Ort der Verbandsgemeinde Birkenfeld. Wichtigste Arbeitgeber waren Krankenhaus, Berufsförderungswerk und Sozialfachschule des Deutschen Roten Kreuzes sowie die Bundeswehr. Es gab Kreisverwaltung, Verbandsgemeindeverwaltung, Arbeitsamt, Katasteramt, Forstamt, Banken, diverse Dienststellen ...
Aber keine Dienststelle der Kripo, wie Heike in Gedanken trocken hinzufügte. Außer ihr.
Berlin hatte sich entwickelt, es hatte das Trauma seiner Teilung durch die Mauer zunehmend überwunden und nahm seine Rolle als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland an. Das Stadtbild hatte sich gewandelt, und neben alten Patrizierhäusern und Prunkbauten aus preußischer Zeit prägten immer mehr moderne Bauwerke aus Glas und Chrom das Stadtbild sowie all jene Häuserfassaden, die inzwischen hinter allgegenwärtigen Graffiti verschwunden waren, meist sehr farbig und von wenig talentierten Künstlern angebracht. Berlin war eine Stadt, die moderne und alte Zeit miteinander vereinigte, und nicht immer gelang dies auf harmonische Weise.
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