Spinnen-Feind - Michael H. Schenk - E-Book

Spinnen-Feind E-Book

Michael H. Schenk

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Beschreibung

Die Energieprobleme der Erde schienen gelöst zu sein, als man auf dem Mars große Vorkommen des Minerals Energum entdeckte. Eine Abbausiedlung entstand und es entwickelte sich eine bescheidene kommerzielle Raumfahrt. Doch dann versiegt der Nachschub des Minerals plötzlich. Als die UNO eine Aufklärungsgruppe entsendet, wird diese angegriffen. Zum ersten Mal wird die Menschheit mit einem intelligenten Alienvolk konfrontiert. Die Fremden scheinen technisch weit überlegen und sehr aggressiv zu sein. Niemand weiß, wie man mit ihnen in Kontakt treten kann. Doch die Abhängigkeit von Energum zwingt die Menschen dazu, sich dieser Bedrohung zu stellen. Während man auf der Erde Ressourcen und Kenntnisse teilt, um eine gemeinsame Raumflotte aufzubauen, unternimmt man gleichzeitig alle Anstrengungen, sich aus der Abhängigkeit vom Energum zu lösen. Ein erbitterter Krieg gegen die Spinnenartigen Fremden entbrennt und bald wird klar, dass man zu einer Verständigung kommen muss, soll die Menschheit nicht untergehen. Hintergrund Die Menschheit ist gerade erst dabei, das eigene Sonnensystem zu besiedeln, und der Bedarf an Rohstoffen und Energie ist die treibende Kraft zur Entwicklung der Raumfahrt. Es gibt keinen überlichtschnellen Antrieb, keine energetischen Schutzfelder und keine Superkanonen. Die Reise zwischen den Planeten dauert noch Wochen oder sogar Monate. "Spinnen-Feind" konfrontiert den Leser mit verschiedenen Szenarien. Kämpfe im Weltraum, in der irdischen Wüste sowie auf und unterhalb der Oberfläche des Mars. Zugleich wird jedoch auch die Entwicklung auf der Erde geschildert. Der mühsame Weg, alte Gegensätze zu überwinden, um eine geeinte Raumflotte zu erbauen. Die Rettungsarbeiten in dem, von Aliens zerstörten, Las Vegas. Das Schicksal von Janice Rhyes, einer jungen Soldatin, die von Anbeginn gegen die Fremden kämpft und zu den ersten Menschen gehören wird, die eine Sternenreise unternehmen.

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Michael H. Schenk

Spinnen-Feind

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Titel

Kapitel 1Fuji Maru

Kapitel 2 Nur dieses eine Wort

Kapitel 3 Der Sicherheitsrat der UNO

Kapitel 4 Erste Kampfberührung

Kapitel 5 Las Vegas

Kapitel 6 UNSA-HQ

Kapitel 7 Zurück auf der ISS

Kapitel 8 Das ist der Feind

Kapitel 9 Ausklang eines Einsatzes

Kapitel 10 Was kostet die Welt?

Kapitel 11 Das neue Schiff

Kapitel 12 Der Kampf der Trägerschiffe

Kapitel 13 Viva Las Vegas

Kapitel 14 Von Erkenntnissen und Fehlschlägen

Kapitel 15 Indianer? Indianer!

Kapitel 16 Angriff auf die Erde

Kapitel 17 Der Untergang von Las Vegas

Kapitel 18 Eine bittere Bilanz

Kapitel 19 Die Karawane

Kapitel 20 Beginnende Unruhe

Kapitel 21 Gute Nachrichten

Kapitel 22 Fahmal

Kapitel 23 UNC-Bayern

Kapitel 24 Die Verschollenen

Kapitel 25 Der neue Flottenträger

Kapitel 26 Kinderkrankheiten

Kapitel 27 In der Hand der Spinnen-Feinde

Kapitel 28 Die Jäger der Yorktown

Kapitel 29 Das junge Genie

Kapitel 30 Die neuen Marines

Kapitel 31 Aufgespürt

Kapitel 32 „With Garry Owen in Glory“

Kapitel 33 Sturmzeit

Kapitel 34 Die Herren der Schwerkraft

Kapitel 35 Unter der Erde

Kapitel 36 Angriff auf den Mond

Kapitel 37 UN-Space-Marines

Kapitel 38 UNCS Yorktown

Kapitel 39 UNSA-HQ

Kapitel 40 Die Unzufriedenheit wächst

Kapitel 41 Vorbereitung auf den Mars

Kapitel 42 UNCS-Yorktown

Kapitel 43 Unzufriedenheit

Kapitel 44 Einsatzziel Mars

Kapitel 45 Training unter Schwerelosigkeit

Kapitel 46 Die Aktivistin

Kapitel 47 Auf dem Weg zur Rückeroberung des Mars

Kapitel 48 Rückkehr zum Mars

Kapitel 49 Auf dem Mars

Kapitel 50 Im Orbit des Mars

Kapitel 51 In der Mars-Kolonie

Kapitel 52 Anschlag auf die UNO

Kapitel 53 Die Frage der Verhältnismäßigkeit

Kapitel 54 In der Mars-Kolonie

Kapitel 55 Wir werden zurückkehren

Kapitel 56 Die Stimme der Gewalt, die Stimme des Friedens

Kapitel 57 Auf dem Schlachtfeld

Kapitel 58 Von Ehre und von Geld

Kapitel 59 Das Mädchen und die Spinnen-Feinde

Kapitel 60 Befehlsverweigerung

Kapitel 61 Beobachtungen

Kapitel 62 Freispruch

Kapitel 63 Gegenschlag

Kapitel 64 Endkampf um den Mars

Kapitel 65 Einsame Stille

Kapitel 66 Ungeklärte Fragen

Kapitel 67 Entdeckung im Asteroiden-Gürtel

Kapitel 68 Kontaktversuche

Kapitel 69 Das unheimliche Wrack

Kapitel 70 Lichtblick

Kapitel 71 Feind oder Freund

Kapitel 72 Der Weg zum Sternenvolk

Impressum neobooks

Titel

Spinnen-Feind

Kapitel 1Fuji Maru

Für einen kurzen Moment sah die Fuji-Maru tatsächlich wie ein glücklicher Drachen aus. Die Lagetriebwerke, an Bug und Heck des Containerschiffes, hatten gezündet und die mächtigen Hecktriebwerke wiesen nun auf den Mars. Ein dumpfes Grollen erfüllte die Räume der Bugsektion, als der chemischen Antrieb mit dem Bremsmanöver begann, welches das Schiff in die vorgesehene Umlaufbahn bringen würde.

Yoshida Tanaka, Captain und Eigner des Schiffes, wurde, ebenso wie die sieben anderen Männern und Frauen der Besatzung, in die Andruckliege gepresst. Seine Blicke wechselten von einer Instrumentenanzeige zur anderen. Er war unruhig, auch wenn ihm dies äußerlich nicht anzumerken war. Doch nach vierzehn Jahren im Raum hatte der Japaner ein Gespür für Gefahren entwickelt. Irgendetwas stimmte nicht.

Er wusste, dass sein Schiff in Ordnung und die Crew erfahren war. Jede Raumcrew war kompetent, denn ihr Leben hing von der reibungslosen Funktion des Schiffes ab. Mochten böse Zungen auch behaupten, es sei die Langeweile, welche die Besatzungen auf langen Flügen zur Reinigung und zur Wartung anhielt, die Männer und Frauen auf den Schiffen, wussten es besser.

Wenn etwas schiefging, dann würde es Wochen oder sogar Monate dauern, bevor Hilfe eintraf. Wenn man ein in Not befindliches Schiff überhaupt rechtzeitig fand. Selbst wenn die Technik und die Besatzung reibungslos funktionieren, so war man nicht vor zufälligen Begegnungen, mit Meteoriten und kleinsten Teilchen, sicher. Immer wieder trafen kosmische Partikel, in der Größenordnung von Staubkörnern, die Hüllen der Schiffe, und in der Regel sah man den interplanetarischen Pendlern ihr Dienstalter an der verschrammten Außenhülle an.

Nun, besonders schön waren diese Containerschiffe ohnehin nicht, obwohl Yoshida Tanaka seine Fuji-Maru innig liebte. Diese Frachtschiffe sahen im Grunde alle gleich aus, unterschieden sich allenfalls in der Größe. Vorne befand sich die Bugsektion, die einem flachgedrückten Kegel mit stumpfer Schnauze ähnelte. In dieser Sektion waren alle Lebenserhaltungssysteme, die Unterkünfte und die Steuerelemente untergebracht. Dann folgte die Mittelsektion, die im Grunde nur aus einem langgestreckten Gitterrahmen bestand, in den die Frachtcontainer eingeklinkt wurden. Das Heck, welches einem stumpfen Ei ähnelte, enthielt die Tanks und Haupttriebwerke.

Im Gegensatz zu einigen der neuen Militärschiffe, die über gleichstarke Bug- und Heckantriebe verfügten, mussten die Pendler ihre Schiffe zum Abbremsen gegen die Fahrtrichtung drehen. Ein Zeitraubendes und stets auch riskantes Manöver, denn jede Fehlkorrektur kostete wertvollen Treibstoff.

Yoshidas Blick glitt noch immer über die Kontrollen. Alles schien in Ordnung. Das Grollen der Triebwerke verstummte. In wenigen Minuten würde eine letzte Korrektur erfolgen, wenn die Fuji-Maru, nach zwei Monaten Flugzeit, endlich in den Marsorbit einschwenkte.

Der Kapitän dachte daran, dass in den folgenden Tagen eine Flut von Arbeit auf ihn und die Crew einstürzen würde. Über dreihundert Frachtcontainer mussten ausgeklinkt und mit der Fernsteuerung auf die Marsoberfläche gebracht werden. Jeder einzelne Container war randvoll, mit Baumaterial, Werkzeugen, Maschinen und lebenswichtigen Gütern. Ein paar Luxusgüter befanden sich auch darunter, wie Tanaka wusste. Aber das stand den paar Hundert Kolonisten auf dem Mars auch zu.

Der Japaner fand es beeindruckend, wie sich die Raumfahrt sprunghaft entwickelt hatte, nachdem man auf dem Mars das Mineral Energum gefunden hatte. Natürlich besaß das rötliche Mineral auch einen hoch wissenschaftlichen Namen. Allgemein bezeichnete man es jedoch als Energum und unter diesem Begriff wurde es auch gehandelt. Seit zwanzig Jahren liefen alle Energieerzeuger auf der Erde mit diesem Mineral, welches die kalte Fusion ermöglicht und zu einer zunehmend sauberen Umwelt geführt hatte. Ohne dieses Mineral gäbe es sicherlich keine ausgedehnte Bergbausiedlung auf dem Mars, und auch keine Pendler, die das lebenswichtige Mineral transportierten.

“Letzte Zündung in drei Minuten, Tanaka-San”, meldete sein Co-Pilot. Yoshida dankte mit einem kurzen Nicken. Dann erfolgte der Andruck des Bremsmanövers. Eines der Lagetriebwerke zündete kurz, und endlich stand das Schiff, scheinbar bewegungslos, im Orbit des roten Planeten.

“Tanaka-San, ich bekomme hier unverständliches Zeug”, meldete der Funker des Frachters. Irritiert blickte dieser von seiner Konsole hoch. “Eben hatte ich noch den Lande-Controller. Jetzt hört sich das an, als wären die da unten übergeschnappt.”

Yoshida Tanaka spürte, dass sein Gefahreninstinkt ihn nicht getäuscht hatte. “Auf den Lautsprecher.”

“Hai”, bestätigte der Funker. Ein Gewirr sich überschlagender Stimmen erfüllte den kleinen Raum, der als Kommandokanzel fungierte. Angestrengt lauschten die anwesenden Besatzungsmitglieder den Lauten.

“Himmel”, stöhnte einer der Männer auf. “Das waren doch Schüsse?” Der Mann löste seinen Sicherungsgurt und schwebte an die Konsole des Funkers, drehte einen Filter hinzu. “Ja, das sind definitiv Schüsse, Captain.”

“Da kommt ein Shuttle, Tanaka-San”, meldete der Co-Pilot. Er wies aus dem seitlichen Fenster der Kanzel. “Nein, zwei. Nein, drei. Verdammt, ein ganzes Geschwader!”

Tanaka beugte sich zur Seite. Von der Oberfläche des Mars stiegen leuchtende Sterne auf. Viele Sterne. So viele Shuttles gab es auf dem Mars nicht. Dann sah der Captain, dass die Sterne nicht direkt von der Oberfläche emporstiegen, sondern um die Planetenkrümmung herumkamen.

“Shib”, fluchte der Co-Pilot. Die ungewöhnlichen Sterne kamen rasend schnell näher, wurden zu fünfzackigen Gebilden, die von einem seltsamen, bläulichen Lichtschimmer umgeben waren. Dann flammten die Sterne auf. Unwillkürlich duckte sich der Co-Pilot hinter die Einfassung der Klarstahlscheibe. Doch er wusste, dass dies eine leere Geste war.

Tanaka schlug auf die Taste des Kollisionsalarmes. Aufzuckende Warnlampen und ein nervender Sirenenton erfüllten die Bugsektion. Die Notfallautomatik schloss die wenigen Zwischenschotten, um einen möglichen Druckabfall zu reduzieren.

Tanaka wurde aus seinem Sitz geschleudert, sah aus den Augenwinkeln, wie der Funker panikerfüllt nach dem Mikrofonschalter tastete.

“Hilfe”, brachte der entsetzte Mann noch hervor, dann barst die Außenhülle. Einschläge erschütterten die Fuji-Maru, brachten ihren Rumpf zum Torkeln. Container lösten sich aus Verankerungen, wirbelten unkontrolliert durch den Raum. Die Bugsektion brach weg, löste sich vom Rumpf des Schiffes, und stürzte der Marsatmosphäre entgegen.

Violettes Licht traf das Haupttriebwerk, durchbohrte die Tanks. Hoch über der Oberfläche des Mars entstand für Sekunden eine Feuerblume, verpuffte ihre Energie in die Leere des Alls.

In unglaublich engen Kurven wendeten die fünfzackigen Objekte, stürzten der Marsoberfläche entgegen. Vorbei an der aufglühenden und zerfetzten Bugsektion der Fuji-Maru und ihren Toten. Es schien, als speie der glückliche Drachen ein letztes Mal Feuer.

Kapitel 2 Nur dieses eine Wort

Der Controller der internationalen Raumstation zuckte kurz mit den Schultern. “Nichts mehr, Sir. Nur dieses eine Wort “Hilfe”. Seitdem nichts mehr.”

Raschid al Muhar, Leiter der ISS im Erdorbit, sah gedankenverloren aus dem mannshohen Panoramafenster. Scheinbar unter seinen Füßen, drehte sich die Kugel der Erde unter ihm hinweg. Nervös rieb Raschid seinen Mittelfinger. “Überhaupt nichts? Keine Meldung vom Mars, von der Maru?”

Jochen Strotmann, Leiter des Observatoriums der Raumstation, klopfte auf den Laptop, der vor ihm auf dem Tisch lag. Er tat es unbewusst vorsichtig, denn die Schwerkraft, die von der Eigenrotation der Station erzeugt wurde, erlaubte nur ein flüchtiges, aber überaus willkommenes, Gefühl von “oben” und “unten”. “Wir haben vor ein paar Tagen diesen merkwürdigen Lichtblitz in Marsnähe beobachtet. Vielleicht war es eine Explosion. Ein Unfall.”

Raschid überblickte, von seiner Warte aus, eine Vielzahl der Module, aus denen die Station bestand. Anfangs, bei der Inbetriebnahme im Jahre 2001, da waren es nur wenige der meist tonnenförmigen Segmente gewesen. Doch in den vergangenen Jahren waren immer neue und auch größere Teile hinzugekommen.

Erst vor drei Jahren war ein Techniker auf den Gedanken gekommen, die Station mit einer Außenhülle zu versehen, welche es erlaubte, den Raum zwischen den Modulen mit Luft zu füllen und zu nutzen. Nun war die Station von einem “weichen” Kunststoff, der sogenannten Blase, umgeben. Einem durchsichtigen Material von gummiähnlicher Beschaffenheit. Durchschlugen kosmische Mikropartikel die Hülle, so schlossen sich die winzigen Löcher sofort wieder, ohne das viel von der kostbaren Atemluft entweichen konnte. Die luftgefüllte Blase hatte es ermöglicht, eine Reihe von Plattformen mit hydroponischen Gärten und Sonnenkollektoren zu errichten, welche zur Versorgung mit Atemluft, Gemüse und Energie beitrugen.

Mit der durchsichtigen Schutzhülle sah die Station, mit ihren zahlreichen Modulen und Segmenten, Schüsseln und Andockvorrichtungen, wie ein Igel aus. Raschid musste unwillkürlich lächeln, als er daran dachte, dass die Besatzungen die Internationale Raumstation etwas liebevoll “kondomgeschütztes Stachelschwein” nannten.

Er wandte sich wieder um. “Mag sein, dass die Fuji-Maru einen Unfall hatte. Aber dann hätte die Marssiedlung das bemerkt und uns verständigt. Ich glaube kaum, dass die Sender der Kolonie und der Maru gleichzeitig ausfallen.”

“Vielleicht eine Störung, durch einen elektromagnetischen Puls. Oder Sonnenflecken-Aktivität.”

Strotmann schüttelte den Kopf. “Nein, mit der Sonne hat das nichts zu tun.”

“Und nukleares Potential gab es auch nicht”, ergänzte Raschid. Abermals rieb er seinen Mittelfinger. Eine Geste, die ihm bei der 30-köpfigen Besatzung rasch den Spitznamen “Der Finger” eingebracht hatte. “Nein, etwas Unvorhergesehenes und sehr Schlimmes muss geschehen sein. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die UNO zu informieren.”

“Steht ein Schiff in Marsnähe?” Jochen Strotmann blickte den jungen Controller an.

“Negativ”, meinte der Mann nach kurzem Blick aus seinen tragbaren Computer. “In vier Wochen soll die Conestoga, ein Pendler, den Mars erreichen. Vom Pluto kommt der chinesische Zerstörer Yang-Tse zurück. Der würde den Mars in fünf Monaten passieren.”

“Melden Sie es der UNO, und dann halten wir Augen und Ohren auf”, ordnete Raschid an. Verdammt, sein Finger juckte schon wieder.

Kapitel 3 Der Sicherheitsrat der UNO

Die neue United Nations Space Administration hatte ihren Sitz im dänischen Kopenhagen. Die UNSA war eine Unterorganisation der UNO und eine vergleichsweise kleine Einrichtung. Man hatte nicht einmal ein eigenes Gebäude, sondern nutzte drei Stockwerke eines Hochhauses, in dem sich auch die Niederlassungen einiger privater Firmen befanden. Die UNSA war eine Verwaltungseinrichtung, die, eher pro forma, einem Brigadegeneral unterstand, da hier zivile und militärische Belange bearbeitet wurden.

Man befasste sich mit allen Angelegenheiten, die den Weltraum, außerhalb des Orbits der Erde, betrafen. Die UNSA unterbreitete Vorschläge, welche die Kolonisierung und die Ausbeutung, hier als „Ressourcenmanagement“ umschrieben, regeln sollten. Einmal im Jahr oder bei Bedarf, traten die Repräsentanten der Raumfahrttreibenden Nationen im UNO-Hauptsitz zusammen, um die entsprechenden Resolutionen zu verabschieden. Die ehrbare Absicht, den Weltraum zur strikt entmilitarisierten Zone zu machen, war längst gescheitert. Die Gefahr von Meteoriten verschiedenster Größe hebelte das Verbot zur Bewaffnung aus, und kaum hatte eine Nation ihr erstes Raumschiff bewaffnet, waren andere nachgezogen. Immerhin gelang es der UNSA, im Auftrag der UNO, alle bewaffneten Objekte im Raum der gemeinsamen Kontrolle zu unterstellen. Ob dies auch Bestand haben würde, wenn es zu einem Konflikt zwischen zwei Nationen kam, war keineswegs gewiss.

Die Mitglieder des Sicherheitsrates der UNO waren zu einer Besichtigung der UNSA erschienen und von der Nachricht überrascht worden, dass die Verbindung zum Mars abgebrochen war. Aus der Besichtigung wurde prompt eine Sondersitzung, zu der man den Leiter der UNSA, Brigade-General Jean Prenauld, hinzuzog.

Das Verstummen des Mars war ein Gefahrensignal, da die Erde inzwischen in erheblichem Maße von den dortigen Energum-Lieferungen abhängig war.

Raumfahrt war Kostspielig. Forscher hatten es schwer, die Mittel für ihre Projekte bewilligt zu bekommen, selbst wenn für ihr Land ein gewisses Prestige damit verbunden war. Der Fund von Energum auf dem Mars, hatte dies grundlegend geändert, als man feststellte, dass dieses Mineral die Energieprobleme der Welt zu lösen schien.

Die Erde hungerte nach Energie. Dies galt gleichermaßen für die Wirtschaft, wie für die privaten Haushalte. In einigen Ländern waren noch immer die gefährlichen Kernspaltungsreaktoren in Betrieb, andere nutzten in erheblichem Maße die Kernfusion, wie sie auch in den Reaktoren der Raumschiffe üblich war. Alle Bestrebungen, den größten Teil der Energie durch natürliche Ressourcen zu gewinnen, waren nur teilweise von Erfolg gekrönt. Immer wieder tobten Unwetter und schwerste Stürme, ausgedehnte Wolkenbänke oder Smog verdeckten die Sonne, und machten es zunehmend schwierig, Windkraft und Solarenergie zu nutzen. Zudem war es nun offensichtlich, dass die Vorkommen an Erdöl nicht unbegrenzt waren. Doch Erdöl und seine zahlreichen Nebenprodukte wurden in vielen Bereichen der Industrie und des täglichen Lebens benötigt. Als ewig hungriger Moloch erwiesen sich die Meerwasser-Entsalzungsanlagen, denn über viele Jahrzehnte hinweg, hatten Lebensmittelkonzerne die Rechte an Wasserquellen erworben und diese rücksichtslos ausgebeutet, bis sie versiegten.

Private Haushalte waren immer mehr eingeschränkt worden, um die Energiehungrige Industrie zu füttern, doch der Kollaps hatte sich abgezeichnet. Das Mineral Energum war der Retter gewesen, der alle Probleme, mit einem Schlag, zu lösen schien. Es gab ausgedehnte Vorkommen auf dem Mars und ein paar Körner Energum konnten einen schweren Überlandtransporter ein Jahr mit Energie versorgen, ein Kilogramm eine mittelgroße Stadt. Dabei zerfiel das Mineral ohne irgendwelche schädigenden Begleitumstände. Natürlich gab es warnende Stimmen, die mahnten, auch die Vorräte auf dem Mars seien wohl nicht unerschöpflich, doch kaum jemand hörte auf sie.

Energum war teuer, denn es kam immerhin vom Mars und war bislang auch nur dort gefunden worden, und Energum bedeutete Macht, denn wer über diese Energiequelle bestimmte, der konnte die Wirtschaft einer ganzen Nation fördern oder sie zugrunde richten.

Glücklicherweise hatte die UNO richtig reagiert und die Förderung und Verteilung des Minerals unter ihre ausschließliche Hoheit gestellt. Während man das Mineral im UNO-Hauptsitz verwaltete, wurde die United Nations Space Administration mit der Aufsicht, über Förderung und Transport, beauftragt. Obwohl die Schiffe verschiedener Nationen den Mars anflogen, waren sie alle gleichermaßen der UNSA unterstellt.

“Seit zwei Wochen ist der Kontakt abgebrochen. Zwei Wochen, Ladies und Gentlemen.” Der Generalsekretär der UNO blickte in die Gesichter des Sicherheitsrates im Konferenzraum der UNSA. “Ich habe Ihnen nun die Situation geschildert. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Der amerikanische Frachtpendler Conestoga könnte den Mars zwar als nächstes Schiff erreichen, aber wir schätzen das Risiko als zu hoch ein. In Übereinkunft mit der panamerikanischen Präsidentin haben wir den Frachter zur Erde zurückbeordert.”

“Risiko? Sie glauben also an ein ernsthaftes, ein möglicherweise militärisches Problem?” Li-Jang, der Repräsentant der Asiatischen Hegemonie, beugte sich leicht nach vorne. “Wenn ja, durch wen? Der Mars steht unter dem Direktorat der UNO. Keine Nation wäre so dumm, gegen die gesamte Weltgemeinschaft anzutreten. Energum ist zu wichtig, für unser aller Energieversorgung. Wer den Mars angreift, um ihn eventuell in seinen Besitz zu bringen, der weiß, dass er mit der entschlossenen Reaktion der Weltgemeinschaft rechnen muss. Doch falls es wirklich jemand gewagt hat, eine Okkupation des Mars zu versuchen, so möchte ich darauf hinweisen, dass die Hegemonie, nach den ersten Informationen über das Verstummen des Mars, bereits den volkseigenen Zerstörer Yang-Tse zum Mars befehligt hat.”

Mbuto Sangales, Generalsekretär der UNO, zuckte mit den Schultern. “Bitte, wir wissen nicht mehr, als ich bereits gesagt habe. Aber die Fachleute halten den gleichzeitigen Ausfall der Sendeanlagen von Mars und Fuji-Maru, für höchst unwahrscheinlich. Eine Seuche als Ursache können wir ausschließen. Sie wäre niemals so rasch und umfassend wirksam, dass es nicht einer der Funker zu den Sendern schaffen würde. Eine Revolte, aus welchen Gründen auch immer, hätte den Frachter im Orbit nicht gefährdet. Auf dem Mars gibt es keine Raketengeschütze.”

„Es gibt aber Handwaffen“, warf ein Mitglied des Sicherheitsrates ein.

„Die einem Kriegsschiff nicht gefährlich werden können“, erwiderte Li-Jang. Er lächelte dünn. “Die Yang-Tse wird sehr rasch herausfinden, worin das Problem auf dem Mars begründet ist. Sie kann schon in wenigen Wochen im Orbit eintreffen.”

“Vorab will ich klarstellen, dass es hier nicht um nationale Interessen oder nationalen Stolz geht.” Dr. Helmut Verenkötter, Repräsentant der Europäischen Union, warf einen ärgerlichen Blick in seinen altmodischen Hefter. “Es geht darum, dass wir bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken, wenn die Energumversorgung vom Mars ausfällt.”

Der muslimische Vertreter der Arabischen Großallianz wies demonstrativ aus dem Fenster, auf das Panorama Kopenhagens, welches sich unter dem UNSA-Hauptquartier ausbreitete. “Nur der Wahre Glauben existiert ewig. All diese weltliche Pracht, Damen und Herren, ist vergänglich. Aber ...”, der hagere Mann erlaubte sich ein seltenes Lächeln, “… diese Pracht ist erst recht vergänglich, wenn die Energieversorgung ausfällt.” Der Vertreter der Allianz wies auf Dr. Verenkötter. “Der geschätzte Kollege hat sicherlich die Zahlen, wann bei uns die Lichter ausgehen.”

Verenkötter schob seinen Hefter zur Seite und rief eine Datei auf seinem Smartphone auf. “Sechs Monate”, sagte er leise. “Natürlich nur geschätzt, da mir ein paar Zahlen noch nicht vorliegen. Aber ich schätze, ja, in sechs Monaten gehen die Lichter aus, wenn kein Energum mehr geliefert wird.”

Mbuto Sangales blickte nachdenklich auf das UNO-Emblem an der Stirnwand des Raumes. “Ich achte die nationalen Interessen des Einzelnen, sofern nicht die Gemeinschaft negativ betroffen ist. Ich weiß, dass eine starke Expedition zum Mars ungeheure Kosten verursacht.” Sangales ließ seine weißen Zähne blitzen. “Aber überlegen wir doch einmal ganz kurz ... Welches Land kann denn seine gesamte Energieerzeugung, innerhalb von nur sechs Monaten, wieder unabhängig vom Energum machen?”

Es war eine rein rhetorische Frage, denn allen Anwesenden war klar, dass dies einfach nicht möglich war. Die Folgen waren allen Beteiligten nur zu bewusst. Zusammenbruch der Energieversorgung, des Wirtschaftssystems, der sozialen Ordnung.

“Ladies und Gentlemen.” Sangales lehnte sich in seinen Sessel zurück. “Die UNO besitzt das Raumrecht und hat von der Völkergemeinschaft den Auftrag bekommen, die Energumverteilung zu kontrollieren und zu dirigieren. Aber die UNO verfügt lediglich über eine einzige Truppe, die sofort eingesetzt werden kann. Die internationale Einheit der ersten UN-Marines, die als Schutztruppe bei humanitären Einsätzen gedacht sind. Diese Truppe ist allerdings nicht für den Dienst im Weltraum ausgebildet und die UNSA verfügt über keine geeigneten Truppentransporter oder sonstige militärischen Raumschiffe. Wir sind also, gerade in dieser prekären Situation, auf die Bedingungslose Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten angewiesen. Wir, als Sicherheitsrat der UN, müssen sofort eine Resolution verabschieden, in der alle militärisch nutzbaren Raumschiffe dem Befehl der UNSA unterstellt werden. Wir alle wissen, dass dies auf Widerstände stoßen wird, aber wir haben keine andere Wahl, denn die Förderung des Energums ist zu wichtig. Für jeden Einzelnen von uns. Daher muss die alleinige Zuständigkeit an die UNSA gehen, bis die Situation auf dem Mars geklärt, und die Förderung wieder sichergestellt ist. Was können wir gemeinschaftlich aufbieten, um das Schicksal der Marskolonie zu klären?”

“Und um unseren Arsch zu retten”, fügte Cynthia Rodriguez, die panamerikanische Repräsentantin, gedanklich hinzu.

“Die Frage ist hierbei, von welchen Optionen wir ausgehen müssen. Unfall, Sabotage, Terroristen ...? Es gibt immerhin einige radikale religiöse Gruppierungen und selbsternannte Öko-Aktivisten, die darauf pochen, der Mensch habe im Weltraum nichts verloren. Dies sei die Welt, die der Schöpfer uns gegeben habe und mit ihr hätten wir uns gefälligst zu begnügen. Vielleicht haben sich Anhänger einer solchen Gruppe auf dem Mars einschleichen können?” Dr. Verenkötter ließ die Frage einen Moment im Raum stehen. “Wir wissen es nicht. Also müssen wir bereit sein, auf jede Gegebenheit, die wir dort antreffen, zu reagieren.”

“Kein Staat wird so verrückt sein, den Mars zu okkupieren”, wiederholte Li-Jang seine frühere Behauptung. “Die anderen Nationen würden ihn zerreißen.”

Mbuto Sangales warf seinem Assistenten einen Blick zu.

Dieser räusperte sich kurz. “Wenn ich einmal ausführen darf: Die Conestoga wird in drei Tagen an der ISS docken. Wir beabsichtigen, einen Großteil der Container mit Nachschubgütern, medizinischem Material, mobilen Hospitälern und ähnlichem zu bestücken. Für den Fall, dass wir es auf dem Mars mit einer Katastrophensituation zu tun haben. Einen kleineren Teil der Container werden wir zum Truppentransport herrichten. Das erste Regiment der UN-Marines ist in der deutschen Eifel stationiert. Ein Bataillon wird schnellstens auf die ISS verlegt, um dort auf der Conestoga eingeschifft zu werden. Die panamerikanische Regierung hat bereits zugesagt, uns den Zerstörer Rapid und den Kreuzer Arkansas zu unterstellen. Aus Europa kommt der Zerstörer Lancaster. Es ist vorgesehen, das diese Schiffe zeitgleich mit der Yang-Tse im Marsorbit ankommen.”

“Was ist mit Ihrer Pjotr Amassov?” Cynthia Rodriguez warf dem Vertreter der Russischen Föderation einen ironischen Blick zu.

“Mit wem?” Der Mann blickte die Amerikanerin freundlich an. “Ach, Sie meinen dieses hartnäckige Gerücht, wir würden etwas Großartiges und ganz Neues bauen? Nun, Sie wissen ja, klappern gehört zum Handwerk, wie man bei Ihnen wohl sagt.”

“Tatsache ist, dass Sie im Orbit eine große Blase haben, in der seit Monaten an etwas gebaut wird. Vergessen Sie nicht, Towaritsch, dass die häufigen Shuttleflüge schwerlich zu übersehen sind.”

“Nun, sicher. Wir forschen da ein wenig. Aber ich versichere Ihnen allen, dass die Pjotr Amassov noch nichts Spruchreifes wäre, wenn es sie denn überhaupt gäbe.” Der Mann lächelte erneut.

“Ladies und Gentlemen, wie auch immer. Jedem ist der Ernst der Situation bewusst. Wir schicken raus, was verfügbar ist. Das ist wenig genug, denn wir alle wissen, dass Militärschiffe teuer im Bau und kostspielig im Unterhalt sind – so repräsentativ sie für eine Nation auch sein mögen. Die anderen Schiffe liegen alle in Docks, werden umgebaut oder sind so weit draußen, dass sie nicht innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens die Erde oder den Mars erreichen können.” Mbuto Sangales wies auf Cynthia Rodriguez und den russischen Vertreter Pjotr Illjitsch. “Immerhin befinden sich der amerikanische Träger Yorktown und der russische Träger Moskva zu einem gemeinsamen Manöver in Saturnnähe. Sobald die Resolution dieses Rates verabschiedet ist, erhalten die beiden Schiffe Befehl, den Mars anzufliegen. Aber sie werden vier Monate benötigen.”

“Bis dahin ist hoffentlich alles zur Zufriedenheit geklärt”, merkte Dr. Verenkötter an.

Sangales nickte langsam. “Das hoffen wir alle.”

Kapitel 4 Erste Kampfberührung

Die Schiffe fuhren in enger Formation. Bei den Verhältnissen des Raumes hieß dies, einen Mindestabstand von fünftausend Kilometern einzuhalten. Der Kreuzer Arkansas fuhr an der Spitze, gefolgt von dem Containerschiff Conestoga. Diese wurde von den Zerstörern Rapid und Lancaster flankiert. Es waren nur noch wenige Stunden bis zum Mars, und die Arkansas hatte bereits Verbindung mit der Yang-Tse aufgenommen.

“Zieh es hoch und schluck es runter”, knurrte First-Sergeant Logan und sah Janice Rhyes Schulterzuckend an. “Wir kriegen ja bald Landgang und dann kannst du dir einen wunderhübschen Baum aussuchen. Weil du es bist, werde ich dir sogar dabei helfen.”

Der weibliche Corporal dachte an die Wahrscheinlichkeit von Bäumen auf dem Mars, und verkniff sich eine weitere Bemerkung. Jack Logan konnte ja schließlich nichts dafür. Hier waren fünfzig Marines in den Container gepfercht. Fünfzig Männer und Frauen, die sich, seit vier Wochen, zwei hastig montierte Campingtoiletten teilen durften. Schon am dritten Tag hatten die Mistdinger angefangen zu stinken. Aber was machte es schon. Sie stanken ja alle.

Janice sah grinsend zu Lieutenant Dusty Rhodes hinüber, der sich verstohlen bemühte, eine, unter dem Gurtzeug des Kampfanzuges verborgene, juckende Stelle zu kratzen. War nicht einfach. Aber es war auch nicht daran gedacht worden, tagaus und tagein, über Wochen hinweg, in derselben Uniform und mit angelegtem Gurtzeug zu verbringen. Manchmal stimmte es, dass beim Militär alle gleich waren. Zumindest roch es sehr einheitlich. Die Sandflöhe auf dem Mars würden Freudensprünge machen, wenn die Truppe landete. Und vor Feinden brauchten sie sich gar nicht erst zu verstecken. Was nützte die beste Tarnung, wenn man gerochen wurde? Die Marsluft mochte dünn sein, aber nicht dünn genug, um diesen Gestank nicht doch zu übertragen.

Janice Rhyes kratzte sich ebenfalls, blickte dabei den Lieutenant an, und plötzlich mussten sie beide verstohlen grinsen. Sie sah erneut aus dem Fenster. Ja, sie hatte fast schon das große Los gezogen und sich einen Aussichtsplatz ergattert. Allerdings zufällig, und zu sehen gab es auch nicht fiel. Nicht einmal den Mars konnte sie erkennen. Vielleicht war einmal eine der anderen Einheiten der Expeditionsgruppe sichtbar, doch dann allenfalls als Lichtpunkt, und auch nur, wenn zufällig das Licht der Sterne auf dem Rumpf reflektierte oder eines der Lagetriebwerke gezündet wurde. Was selten vorkam.

Mann, das musste sie sich immer wieder vor Augen führen. Vor fünf Wochen saß das erste Batallion der 1st UN-Marines noch gemütlich in seiner Garnison in der Eifel. Dann, von einer Minute zur anderen, der Vollalarm. Kampfzeug fassen, eine flüchtige Einweisung, und dann ging es zum Dresden-Spaceport.

Dann, mit dem Shuttle, hoch zur ISS. Verdammt, das Ding war schier aus den Nähten geplatzt, von Leuten. Jede Menge Techs und Wissenschaftler, Arbeiter und, natürlich, die Truppe. Mann, erst bekam sie Plattfüße, weil ständig jemand darauf herumgelatscht war, und nun stand sie sich, wie alle anderen, seit Wochen die Füße in den Bauch. Wahrscheinlich musste sie nach dem Einsatz zum Röntgen, um sicher zu sein, dass ihre Kniescheiben nicht mit den Schulterblättern verwachsen waren. Janice übersah geflissentlich, dass die Truppe sich, mit Ausnahme der Triebwerkzündungen, unter Schwerelosigkeit befand.

Zugegeben, auf der ISS hatte man ein paar Container für die Truppe hergerichtet, so gut es in der Kürze der Zeit möglich war. Die tollen Campingtoiletten eingebaut und eine Luftversorgungsanlage, denn fünfzig Männer und Frauen, pro Container, mussten ja über ein paar Wochen auch ein paar Mal Luft holen. Dazu kamen die Wassertanks, und damit war ihr 5-Sterne-Hotel auch schon fertig. Keine Pritschen oder so ein unsinniger Luxus. Passte ja auch nichts mehr rein, außer den Leuten und ihrem Gepäck.

Gerade schob Marine Müller ihr unabsichtlich den Lauf seines M41-Karabiners unter der Nase durch. Nun, hier ging es halt beengt zu.

Auch die Tatsache, dass sie sich seit vier Wochen von Kampfrationen ernähren durfte, besserte ihre Stimmung nicht gerade. Corporal Janice Rhyes war ziemlich sauer. Auf sich, die Sergeants, die Offiziere und die Mission. Aber, wie alle UN-Marines, schluckte sie es runter. Es war ihr verdammter Job, in diesem verdammten Container zu sein und ihren verdammten Auftrag zu erledigen. Aber danach konnten alle sie einmal am verlängerten Rückgrat besuchen. Sie würde die Badewanne für ein halbes Jahr nicht mehr verlassen, und der verdammte Lieutenant konnte ihr dabei den Rücken schrubben.

Sie hörte die kurze Warndurchsage und hielt sich fest. Die Bremsmanöver des kleinen Geschwaders begannen früher, als üblich. Die Marines in den umgebauten Containern verfügten nicht über Andruckliegen. Sie mussten den Andruck der Bremsmanöver mit ihren Körpern abfangen. Die Männer und Frauen hielten sich fest, wo immer es ging. Dann war es vorbei. Corporal Rhyes sah, wie der Lieutenant eine Nachricht über seinen Helmfunk erhielt.

“Noch eine Stunde, Leute. Dann geht es los. Alle checken noch einmal ihre Ausrüstung durch. Notrationen und Feldflaschen auffüllen. Die Sergeants überprüfen die Funktion der Marsanzüge. Vollzug an mich, in 30 Minuten.”

Automatisch prüfte Rhyes ihre Ausrüstung durch. Es war ein Ritual, welches bis ins kleinste Detail erfüllt wurde. Jeder gute Marine achtete darauf, dass seine Ausrüstung stets in einem Top-Zustand war. Sein Leben und das der anderen konnte davon abhängen. In diesem speziellen Fall, zusätzlich von den Marsanzügen. Im Grunde waren es einteilige Kombinationen, in welche Heizelemente eingebaut waren. Die dazugehörigen Energumzellen befanden sich im Kampfgurt und wurden mit einem einfachen Kabel eingestöpselt. Die Anzüge waren, wegen der steinigen Marsoberfläche und des Sandes, sehr robust, auch wenn sie einem Vergleich mit den Kampfanzügen, die jedoch unterhalb der Marsausrüstung getragen werden mussten, nicht ganz standhielten. Die Kampfuniformen besaßen eine zusätzliche Beschichtung aus Spinnenfasern in Tarnmuster. Ein hochflexibles Gewebe von extremer Reißfestigkeit. Leider nicht absolut Kugelfest, wie Corporal Rhyes bei einem Einsatz festgestellt hatte. Die Narbe trug sie noch immer an ihrer linken Brust. Nun, knapp vorbei, war auch daneben, wie ihr Ausbilder immer gesagt hatte.

Rhyes prüfte ihre Helmfunktionen mit dem Lichtschutzvisier, welches sich den verschiedenen Helligkeiten anpasste, und die dazugehörigen Filtersysteme. In dem probeweise herabgelassenen Visier leuchtete das innere Display auf, und zeigte die Funktionsbereitschaft der Systeme an. Im Gefecht wurde das Radarbild des Kampfgebietes eingeblendet, und jeder Marine konnte in seinem Display die befreundeten Einheiten lokalisieren. Was nicht Blau war, das war der Feind. Oder ein Neutraler. Ein Nicht-Kombattant konnte zu einem Problem für die Kampftruppen werden. Im Gegensatz zu Spezialeinheiten oder Polizeitrupps, waren die Marines, wenigstens im Allgemeinen, nicht für “chirurgische” Eingriffe gedacht. Ihre Devise war einfach. Was sich bewegt, ist feindlich – was feindlich ist, töte. Darauf waren sie trainiert und darin waren sie gut. Verdammt gut.

Deswegen hatte der Colonel des Regiments auch jedem einen kräftigen Arschtritt versprochen, der versehentlich einen freundlichen Kolonisten erledigte. Rhyes und ihren Kameradinnen und Kameraden schmeckte das nicht besonders. Die Unterscheidung, zwischen einem Neutralen und einem Feind, konnte Zeit und Leben kosten. Aber es war ihr verdammter Job, okay?

Rhyes war mit ihrer Ausrüstung fertig. Als Corporal unterstand ihr eine Gruppe von sieben Marines, welche sie jetzt ebenfalls kontrollierte. Sie wusste, nach ihr würde einer der Sergeants noch einmal alles überprüfen. Dann der First-Sergeant. Nur der Lieutenant, der würde sich mit einer höflichen Stichprobe zufrieden geben. Sein Job war es, die geschärfte Klinge des Bataillons von seinen Sergeants in Empfang zu nehmen, und erfolgreich durch den Einsatz zu führen.

Corporal Rhyes hätte gerne ausgespuckt. Der Junge mit den Lieutenant-Balken war brandneu. Sie war froh, dass im benachbarten Container der Captain und Lieutenant Forbish auf den Einsatz warteten. Die waren okay.

Dann rumpelte irgendetwas.

Rhyes flog gegen eine andere Marine, kam taumelnd auf die Füße, um einen zweiten Stoß zu empfangen.

Ringsum torkelten Männer und Frauen, als ein dritter Schlag erfolgte. Doch außer ein paar saftigen Flüchen herrschte Ruhe. Die ersten UN-Marines waren eine disziplinierte Elitetruppe. Rhyes sah den Lieutenant in sein Helm-Com sprechen und blickte zum Fenster hinaus. Vielleicht konnte sie etwas erkennen.

Was sie sah, gefiel ihr absolut nicht.

Ein helles Licht blitzte auf und blendete sie kurz.

Das war einer der beiden Lasertürme des Zerstörers Rapid gewesen. Die Punkte mit den langen Feuerschweifen waren Raketen, welche von den Schnellstarteinrichtungen des Kriegsschiffes abgefeuert wurden.

“Scheiße, was geht da vor sich?” Niemand antwortete auf ihre gemurmelte Bemerkung. Nur undeutlich nahm sie die aufgeregte Stimme des Lieutenants wahr. Der Offizier schrie etwas Unverständliches. Rhyes spürte eine erneute Erschütterung. Doch diesmal von Sergeant Walters ausgelöst, der sich rücksichtslos durch die dicht gedrängten Marines schob, und zum anderen Ende des Containers hastete.

“Oh, verdammt”, fluchte Rhyes erneut. Das war nicht geplant. Absolut nicht geplant. Die Typen in der ISS hatten die Container mit manuellen Steuerungen versehen. Normalerweise wurden die Dinger ferngesteuert gelandet und später von den Pendlern wieder aufgenommen. Aber aufgrund des Ausfalls der Funkverbindungen zum Mars, hatte man eine provisorische Handsteuerung zusammengebastelt. Die eingewiesenen Marines, die als Aushilfs-Piloten fungierten, waren auf den zusammengeklebten Monitor mit Radar-Display, und die Hilfe ihrer Götter, angewiesen.

“Ausklinken, ausklinken”, schrie der Lieutenant immer wieder, während Walters bereits an den Schaltern tätig war und hilflos mit den Schultern zuckte. “Ausklinken!”

Rhyes knurrte unterdrückt. Kein guter Stil von dem Mann. Aber verständlich, dachte sie ironisch. Wir sitzen hier wie die Truthähne, während es draußen knallt. Lieber am Boden sein, wo man zurückknallen konnte.

Der Schlag traf sie unvorbereitet. Corporal Janice Rhyes fühlte, wie sie durch die Luft gewirbelt wurde. “Das ist der Vorteil der Schwerelosigkeit”, dachte sie erstaunlich ruhig. “Der Flug macht echt Spaß, wenn man davon absieht, gegen alle möglichen Leute und Dinge zu krachen.”

Sie schlug hart gegen eine der Wandungen des Containers, und betrachtete mit großen Augen, wie diese Wand sich verformte und nach innen wölbte. Das gefiel ihr nicht. Ganz und gar nicht. Unwillkürlich atmete sie auf, als das dünne Metall hielt. Janice hatte schon zu spüren geglaubt, wie sie ins Vakuum des Weltraums gesogen wurde. Angeblich ein rascher Tod, aber die 23-jährige hatte, verdammt noch mal, nicht die geringste Lust, das auszutesten.

Alles ruckte und schaukelte, das Licht im Container flackerte und erlosch. Jemand schaltete eine Notlampe ein. Es herrschte ein wirres Durcheinander von Mensch und Material. Noch während weitere Erschütterungen durch den Frachtcontainer gingen, schafften die Unteroffiziere langsam Ordnung, begann die Versorgung der Verletzten.

Vor Janices Augen wirbelten die Sterne durcheinander, beruhigten sich nur ganz allmählich, begleitet von ungleichmäßigem Rucken und Andruckschüben. Sie erreichte das Fenster. Der Anblick der Sterne veränderte sich. Die Conestoga änderte ihre Richtung, ihre Haupt- und Lagetriebwerke flammten. Vor ihrem Fenster sah Janice Rhyes verbogene Streben und Metall, welches sich vorher an anderer Stelle befunden hatte. Der benachbarte Container fehlte.

Für einen kurzen Moment kreiste der Mars durch ihr Sichtfenster. Seltsame Feuerblumen schienen in seiner Atmosphäre zu wachsen und wieder zu verblühen.

Dann sah der Corporal einen der Zerstörer.

Sie wusste nicht, welcher es war. Aber viel war von ihm nicht mehr übrig. Die Bugsektion fehlte vollständig und der mittlere Teil schwer beschädigt. Von der Kommandobrücke, mit dem riesigen Radardom, war nur ein Stumpf übrig. Aber das Schiff schien noch Überlebende und Energie zu haben. Aus dem einzigen, noch funktionsfähigen Laserturm, hinter der Brücke, zuckten regelmäßig die Schussblitze auf. Instinktiv zählte Rhyes die Pause zwischen den Schüssen. Das war der Zeitraum, den die Speicherzellen benötigten, bis genug Energie für den nächsten Laserimpuls angesammelt war. Drei Sekunden. Ein HE-4, klassifizierte Rhyes sachkundig. Verdammt, mit Babys mochte sie sich nicht auskennen, aber einen verdammten Hochenergie-Laser, den konnte sie jederzeit zuordnen.

Dann verschwand der Zerstörer aus ihrem Blickfeld, als das Containerschiff weiter in die neue Richtung eindrehte. Wieder warf sie eine Erschütterung vom Fenster zurück. Die Haupttriebwerke der Conestoga zündeten erneut, beschleunigten das Schiff. Der Andruck hielt an, wuchs auf über 5-fache Erdschwere an. Fünf G, stärker konnte das Schiff nicht beschleunigen. Corporal Rhyes und die anderen Marines wussten, dass sie auf der Flucht waren.

Es gab den letzten Schlag. Das war der stärkste von allen, und Rhyes wurde bewusstlos. Als sie aufwachte, stand Sergeant Walters an ihrem Fenster, und blickte fasziniert hinaus.

“Tolle Aussicht, was Sergeant?” Rhyes grinste schon wieder. “Jede Menge Sterne bis nach Hause.”

Walters sah sie von der Seite an. “Yeah”, dehnte er mit seinem breiten, texanischen Akzent. “Jede Menge.”

Der Unteroffizier, mit den drei Winkeln am Ärmel, wies nach Draußen und als Janice hinaus sah, erkannte sie auf etwas Neues, Unerwartetes. Zwischen den verbogenen Streben des Mittelteils der Conestoga, steckten die Überreste eines fremdartigen Objektes. Es war deformiert, schien zu brennen, aber Janice erkannte einen fünfzackigen Umriss.

“Wow, ein Souvenir”, flüsterte sie leise. “Noch ein Stern.”

Walters nickte. “Yeah, ein Todesstern.”

Captain Jeremiah Hartford stand zur gleichen Zeit, kaum dreißig Meter von Janice entfernt, im Bugmodul der Conestoga und schüttelte immer wieder den Kopf. “Unglaublich. Ein Desaster. Ein echtes Desaster. Unglaublich.”

Sein Erster Offizier stimmte ihm unumwunden zu, aber er war sich nicht sicher, ob der Captain sich auf die Ereignisse bezog oder auf dieses fremde Objekt, dessen Einschlag ihr Schiff fast ruiniert und zweigeteilt hätte. Im Grunde schien die Conestoga allenfalls noch von Spucke zusammengehalten zu werden. Die meisten Hauptstreben waren zerstört und verbogen. Ein Wunder, dass dieses alte Frachtschiff nicht auseinanderfiel und die Leitungen zum Maschinenraum noch standen.

“Die Marines sind gerade auf EVA gegangen und beheben in Raumanzügen die schwersten Schäden, so gut es geht. Wobei sie bei den Hauptstreben natürlich machtlos sind. Das lässt sich mit Bordmitteln nicht beheben. Die Brände in dem fremden... Ding... sind durch das Vakuum erloschen. Einer der Offiziere der Marines hat sich das Objekt kurz angesehen, aber er will nichts daran unternehmen. Kann passieren, dass uns dieses Sternförmige Objekt doch noch um die Ohren fliegt.”

“Um Gottes Willen, bloß nicht.” Der Captain wandte sich von der Beobachtungsluke ab. “Nun, wir werden nicht verfolgt, wie es scheint. Die Energieversorgung zu den Containern steht wieder, und wir haben nur leichter Verwundete an Bord. Wenn unser altes Mädchen hält, dann werden wir in drei Wochen an der ISS docken können.”

“Wohl für längere Zeit”, knurrte der Erste Offizier. “Wir haben unverschämtes Glück gehabt. Im Gegensatz zu anderen.”

“Ja”, erwiderte Hartford leise. “Im Gegensatz zu vielen anderen.”

Kapitel 5 Las Vegas

Die Funkmeldungen eilten den heimkehrenden Schiffen voraus. Trotz aller Versuche, der UNO und anderer Stellen, die Ereignisse zu bagatellisieren und die Ruhe aufrechtzuerhalten, schlug das ferne Ereignis im Marsorbit, auf der Erde wie eine Bombe ein.

Svenja Nissen gehörte zu den Bürgerinnen, welche die Ereignisse relativ kalt ließen. Sie hatte ganz andere Sorgen, als eine Metzelei mit irgendwelchen Aliens. Darum würden sich die Regierung oder die UNO kümmern. Dafür wurden diese Leute ja schließlich bezahlt.

“Also, ich weiß nicht, Hildrun”, stöhnte Svenja und wechselte unentschlossen zwischen den Angeboten des Internets. “Sollen wir uns den Mercedes „Eco-Vital“ oder lieber den Renault “Apart” holen? Was meinst du, Schatz?”

Ihre Ehepartnerin scrollte skeptisch über die Informationen auf ihrem Smartphone. “Den mit dem niedrigeren Energum-Verbrauch. Hast du dir mal die Energum-Preise angesehen? Die gehen wie verrückt nach oben?”

“Ach, wirklich?” Svenja zuckte mit den Schultern. “Das wäre der Mercedes. Aber findest du nicht auch, dass der Renault viel hübscher ist?”

Ihr Gegenüber lächelte ironisch. “Ich glaube, das wird bald keine wesentliche Rolle mehr spielen.”

Kapitel 6 UNSA-HQ

“Es ist ein Desaster.” Unbewusst zitierte Dr. Verenkötter den Captain der heimkehrenden Conestoga. “Ein absolutes Desaster.”

Brigade-General Jean Prenauld war Befehlshaber der UNSA-Streitkräfte, die sich gerade zu formieren begannen. Dem Franzosen unterstand inzwischen das erste Regiment der UN-Marines, und sollte rasch erweitert werden, wenn sich das als erforderlich erwies.

Die Vorbereitungen hierzu liefen auf Hochdruck. Die dänische Regierung stellte der UNSA eine kleine Kaserne zur Verfügung, da sich diese leichter abschirmen und schützen ließ, als das bislang genutzte Hochhaus. Man war bereits dabei, die zusätzlich erforderlichen Einrichtungen zu installieren. Vornehmlich leistungsfähige Funkgeräte und Hochleistungsrechner. Dazu die notwendigen Datenverbindungen und Verschlüsselungssysteme.

Zum ersten Mal besaß Prenauld die direkte Befehlsgewalt über die irdischen Raumschiffe, die bald offiziell in die provisorische UN-Raumflotte übergehen sollten. Wenigstens solange, wie man immer wieder einschränkend betonte, bis die Versorgung vom Mars wieder gesichert war. Jean Prenauld hatte dezent darauf hingewiesen, dass er sich in der unerfreulichen Situation befand, als einfacher Brigade-General Befehle an weit höherrangige Generäle und Admiräle erteilen zu müssen. Er rechnete durchaus damit, dass ihm die derzeitige Situation den zweiten Stern einbrachte. Freude empfand er darüber allerdings nicht, denn die Berichte über das Gefecht beim Mars waren niederschmetternd.

Im Augenblick saß er, gemeinsam mit den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, im Konferenzraum des Hochhauses und während um sie herum die Vorbereitungen des Umzugs liefen, beriet man hier über die aktuelle Lage.

Nun nickte Jean Prenauld bekräftigend zu den Worten Verenkötters. “Absolut, Ladies und Gentlemen. Man muss es fraglos als Desaster bezeichnen. Arkansas, Rapid und Yang-Tse sind vernichtet. Die Lancaster beschädigt.” Er warf einen Blick auf sein Notepad. “Sie wird mindestens drei Wochen im Dock benötigen. Conestoga fast Schrottreif. Fast dreihundert tote Marines und knapp achtzig Tote auf den Schiffen. Mehr als dreißig Verwundete.”

“Das meinte ich nicht”, entgegnete Dr. Verenkötter pikiert. Er wies symbolisch auf das Panorama von Kopenhagen. “Das da. Das ist das Desaster. Das Gerücht, es könne bald kein Energum mehr geben, schürt Angst vor Versorgungsengpässen. Nicht alleine wegen einer Energieknappheit. Das ganze Transport- und Verkehrswesen ist von dem verdammten Energum abhängig. Gibt es kein Energum, dann gibt es auch keine Warenlieferungen. Die Menschen wissen das sehr genau. Oder doch einige von ihnen, und die ziehen die anderen mit. Die Leute reagieren mit Hamsterkäufen. Die haben die Regale in den Geschäften so schnell leergefegt, dass unsere Sicherstellungsmaßnahmen fast zu spät eingesetzt haben. Die erforderlichen Rationierungen sorgen jetzt für erhebliche Unruhen und bestätigen natürlich die Gerüchte über eine Energum-Krise. Die Kriminalitätsrate rast förmlich nach oben.”

„Wie kann das sein?“, fragte ein Ratsmitglied betroffen. „Wir haben die Informationen vom Mars doch erst vor Kurzem erhalten und eine Nachrichtensperre verhängt.“

„Die Medien verfügen nun einmal über ihre Quellen und stürzen sich gerne auf eine Sensation, wie sie eine mögliche Energum-Knappheit darstellt.“

“Und dann diese Aliens, die uns das alles eingebrockt haben.” Cynthia Rodriguez nippte an ihrem Kaffee. “Mein Gott, wir haben seit Jahrzehnten Signale ausgesandt und Kontakt gesucht. Nichts haben wir gefunden.”

“Nun”, entgegnete Prenauld lakonisch, “es sieht ganz so aus, als hätten die Aliens nun uns gefunden. Und sie scheinen nicht gerade freundlich.”

Al Schihar, der Repräsentant der Arabischen Allianz lächelte. “Es ist ein tiefer Sturz für den Menschen, der sich für die größte Schöpfung des Universums gehalten hat.”

“Nun, es wird auch ein tiefer Sturz für die bescheideneren Menschen sein”, warf der General zurück.

Al Schihar zuckte mit den Schultern. “Allahs Wege sind oft unergründlich und Er prüft die Seinen. Aber mit Seiner Hilfe werden wir diese Prüfung bestehen.”

Mbuto Sangales räusperte sich. “Sehr richtig, Ladies und Gentlemen. Unser verehrter Freund Al Schihar hat etwas sehr Wahres ausgesprochen. Mag sein, dass wir tief gestürzt sind und, bei der Energum-Krise, sogar noch tiefer fallen werden. Aber wir müssen bestehen. Mit Allahs oder Gottes Hilfe”, er nickte dem Bewahrer des Glaubens höflich zu, “und auch unserer eigenen Kraft. Unser Freund hat das Wörtchen “wir” gewählt und ich glaube, er hat es sehr nachdrücklich getan. Es ist eine gemeinsame Krise, die wir auch nur mit vereinten Kräften bewältigen können.”

“Zwei Krisen”, warf General Prenauld ein. “Die wirtschaftliche und die militärische. Wobei aus beiden Krisen noch eine politische erwachsen kann. Zivilisten kümmern sich oft nicht um die Hintergründe, sondern darum, was sie als Resultat auf dem Tisch haben. Ich fürchte, dass jetzt die Zeit für einige politische Rattenfänger ausbrechen wird.”

Für einen Moment schwiegen alle.

Sangales bat um Vorschläge, wie man die Krisen angehen wolle. Sofort waren die Anwesenden in eine heftige Diskussion verwickelt. Trotz ihrer Erregung erkannte man in ihnen fähige Köpfe. Immer wieder ließen sie sich von ihren Assistenten Daten geben und Berechnungen vornehmen. Es wurde eine lange Nacht, unterbrochen von einer gemeinsamen Essenspause. Doch selbst bei dieser verstummten die Gespräche nicht. Lediglich die traditionelle Gebetspause Al Schihars wurde respektiert.

Am frühen Morgen des folgenden Tages, fasste der Generalsekretär der Vereinten Nationen die vorläufigen Ergebnisse kurz zusammen. “Wie sich die Vorfälle bei Mars abgespielt haben, werden wir erst genauer erfahren, wenn die beiden heimkehrenden Schiffe in knapp achtzehn Tagen an der ISS andocken. Bis dahin werden wir alle verfügbaren Militärschiffe mobilisieren und die Einheiten in zwei Gruppen gliedern. Eine Defensivgruppe zur Erdverteidigung und eine Offensivgruppe, mit der Aufgabe, den Mars zurückzuerobern und die Energum-Versorgung wieder sicherzustellen. General Jean Prenauld wird die militärische Planung der Nationen koordinieren und, auf einhelligen Beschluss des Sicherheitsrates, das Kommando übernehmen. Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen werden aufgefordert, alle geeigneten Truppenteile und Raumschiffe unter die direkte Befehlsgewalt der UNSA zu stellen, und bis kommenden Montag alle Energum-Reserven offenzulegen. Die UNO wird die Energum-Mengen für lebenswichtige Produktionen, die Lebenserhaltung und die aufzubauende Kriegswirtschaft zuordnen, und dies überwachen. Alle Staaten sind aufgefordert, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die lebenswichtige Energieversorgung der Einzelstaaten durch alternative Energien zu gewährleisten.”

Die Anwesenden schwiegen. Ihnen allen war klar, welch umwälzende und einschneidende Maßnahmen erforderlich waren. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob sie Erfolg haben würden.

Al Schihar trat an das Aussichtsfenster des Konferenzraumes. “Es kann ein sehr, sehr tiefer Sturz für die Menschheit werden.”

“Bis in die verdammte Steinzeit”, merkte Dr. Verenkötter an und blickte auf die Daten, die auf dem großen Wandmonitor sichtbar waren. “Bis in die verdammte Steinzeit.”

„Dann dürfen wir eben nur stolpern, und keinesfalls stürzen.“

Kapitel 7 Zurück auf der ISS

Corporal Janice Rhyes hörte die metallischen Geräusche, mit denen die Magnetklammern des Shuttles am Container festmachten. Inzwischen stank es noch erbärmlicher. Einer der leicht verletzten Männer war gestorben. An einer Oberschenkelfraktur, und der Sanitäter hatte etwas von einer Fettembolie gemurmelt. Wie auch immer, der Marine war tot. Janice fühlte einen Zorn in sich, den sie mit den anderen Männern und Frauen teilte.

Der Container schwankte, als das Shuttle ihn aus dem Verankerungsgerüst der Conestoga löste und in seine Ladebucht zog. Jetzt würden die Soldaten noch einen wilden Ritt durch die Erdatmosphäre erleben und dann waren sie auch fast schon zu Hause. Verdammt, Janice wollte endlich baden, egal, wen sie dafür umbringen musste.

Im Inneren der ISS sah Professor Jochen Strotmann aus dem Bullauge eines der ältesten Module der Station. Fensterplätze waren jetzt sehr begehrt. Beim Anblick der beiden heimkehrenden Schiffe machte sich eine gedrückte Stimmung breit. Die Schäden des Containerschiffes und des europäischen Zerstörers waren unübersehbar. Die Lancaster wurde von einem kleinen Raumtraktor an ihre Andockschürze bugsiert. Jochen Strotmann verstand nicht viel von Raumschiffen, aber er wusste, dass die Besatzung ein kleines Wunder vollbracht hatte, dieses Schiff zurück zur Erde zu bringen.

Er hörte das metallische Knallen eines Zwischenschotts und spürte, wie jemand zu ihm trat, aber er blickte sich nicht um. Er spürte den Atem des Anderen in seinem Nacken. Strotmann beobachtete, wie die Container von der Conestoga gelöst wurden und wie man die Besatzung evakuierte. Danach würde man das beschädigte Schiff ein Stück in den freien Raum schleppen, um sich an die Bergung des fremden Objektes zu machen.

Der Astronom merkte nicht, wie die Zeit verstrich. Zwei Schlepper dockten an der Conestoga an und begannen, das Wrack zu bewegen. Der Mann hinter ihm zog heftig den Atem ein.

“Da ist ja unser Schätzchen”, hörte Strotmann ihn murmeln. Als der Astronom sich irritiert umsah, blickte er in die Augen eines Technikers. Der Tech gehörte zu einem umfangreichen Team, welches, erst vor wenigen Stunden, vom australischen Woomera-Spaceport heraufgekommen war. Die Augen des Mannes funkelten gierig. Er konnte es kaum erwarten, den fremdartigen “Stern” zu untersuchen.

Jochen Strotmann wurde zum ersten Mal bewusst, dass er, gemeinsam mit diesem Mann, auf ein Stück außerirdischer Technik starrte. Zum ersten Mal realisierte er, das die Menschheit auf eine fremde Intelligenz gestoßen war. Intelligenz, die mit ihr eine fatale Gemeinsamkeit zu haben schien – den Hang zur Gewalttätigkeit.

Gerade noch erkennbar, schwärmten Männer und Frauen in Raumanzügen über den Rumpf der Conestoga. Strotmann sah aufblitzende Schneidbrenner.

“Cool”, sagte der Tech halblaut, als sich das bläulich glitzernde, fünfzackige Gebilde aus dem Rumpf des Frachters löste und zu einem ein Frachtshuttle manövriert wurde. “Echt cool.”

Ein paar Module von ihnen entfernt, und durch eine Reihe von Sicherheitsschotts von ihnen getrennt, stand ein schlanker Mann in einer Uniform, die man im Allgemeinen nicht auf der ISS zu sehen bekam. Der Major trug die Uniform der chinesischen Garde der Himmelsstürmer, aber an seinen Oberarm war eine breite Binde, mit dem Wappen der UNO, befestigt. Er stand in jenem Gang der ISS, der zur Luftschleuse des Moduls D gehörte. Seine kraftvolle Stimme übertönte mühelos den Lärm der geschäftigen Techniker und Wissenschaftler. Nur zwei oder drei Soldaten waren zu sehen, die damit beschäftigt waren, die Neugierigen auf Distanz zu halten.

“Alle Videoaufzeichnungen des Gefechtes gehen sofort zur Auswertung, zum gemeinsamen Stab bei der UNSA. Höchste Priorität. Das Hauptobjekt wird von Shuttle Deveroux-4 zum Gobi-Testgelände geflogen. Arbeiten Sie schnell, aber sorgfältig.”

Der chinesische Major strich über das Notepad in seiner Hand. Da würde bald eine Menge Hektik in der Gobi-Wüste ausbrechen. Die Wissenschaftler aus verschiedenen Nationen würden, wie die Heuschrecken, über das Hauptobjekt, den fünfzackigen Stern, herfallen. Analysieren, messen, röntgen und wer weiß noch alles. Ein außerirdisches Objekt auf der Erde .... Viele mochten sich so etwas erhofft haben, aber keiner hatte wirklich damit gerechnet. Obwohl sich noch immer die Gerüchte hielten, dass die Amerikaner und Russen über abgestürzte fliegende Untertassen verfügten. Aber dieses Ding, das war real. Der chinesische Offizier sah zu, wie das Frachtshuttle die große Ladebucht schloss und mit flammendem Haupttriebwerk aus seinem Blickfeld verschwand. “Und haltet mir die verdammten Journalisten vom Hals.”

Deveroux-4 umrundete zweimal die Erde, bevor das Shuttle endgültig zum Landeanflug, auf das alte Testgelände in der Wüste Gobi, ansetzte. Eigentlich war das Areal schon vor dreißig Jahren geschlossen worden, doch inzwischen wimmelte es hier von Militärpersonal der Asiatischen Hegemonie und den Abordnungen anderer Nationen. Die meisten Vorbereitungen waren abgeschlossen, um die Anlage wieder für Menschen nutzbar zu machen, aber noch im Augenblick der Landung des Shuttles, schlossen Techniker die Stromversorgungen, für eine Reihe von mobilen Labors, an.

Die Männer und Frauen der Erde waren begierig, das fremdartige Objekt untersuchen und erforschen zu können.

Kapitel 8 Das ist der Feind

General Jean Prenauld akzeptierte es, wenn neuerdings Militärs in rauen Mengen im UNSA-Hauptquartier erschienen. Immerhin befand man sich, nach seiner festen Überzeugung, mitten im Krieg mit einer fremden Sternenrasse. Der Umzug in das neue Hauptquartier war vollzogen und er hatte, statt des erwarteten zweiten Stern, sogar die Ernennung zum Major-General erhalten. Dazu die Bestätigung, dass er nun der unmittelbare Vorgesetzte allen Militärpersonals war, welches der neuen UN-Raumflotte unterstellt wurde.

Diesbezüglich war der Franzose durchaus zufrieden, aber er konnte es nicht ausstehen, wenn ein ganzer Schwarm Politiker versuchte, ihm in die militärischen Belange hineinzureden. Prenauld hatte sich seine vier Sterne allerdings nicht durch Dummheit verdient. Es mochte sein, dass Zivilisten noch immer glaubten, geistige Beschränkung sei die wichtigste Voraussetzung für eine militärische Karriere, aber das war schon lange nicht mehr so. Vielleicht war der Soldat wirklich einmal Kanonenfutter gewesen, aber der Franzose zweifelte dies an. Er kannte die Ausbildung, die erforderlich war, einen guten Soldaten heranzubilden, und er kannte die Kosten, welche durch die Ausbildung und die Ausrüstung, eines einzelnen Mannes oder einer Frau, verschlungen wurden. Nein, Soldaten waren einfach zu teuer, um sie sinnlos zu verschwenden.

Major-General Prenauld schritt an der salutierenden Wache, vor dem Konferenzraum im Flügel E, vorbei, erwiderte mechanisch den Gruß, und trat ein. Er blickte in die Gesichter der Anwesenden und empfand wieder einmal das Gefühl, dass eine ganze Menge Leute, verdammt noch mal, hier nichts verloren hatte. Doch er rief sich innerlich zur Ordnung. Er hatte den vorliegenden Bericht mehrmals intensiv gelesen, und er war Soldat genug, um einzugestehen, dass sie alle zusammenarbeiten mussten. Militärs und Politiker, gleichgültig, zu welcher Nation sie gehören mochten. Niemand würde in der Lage sein, alleine mit dieser Bedrohung von Außen fertig zu werden. Nicht alleine.

So knirschte Jean Prenauld kurz mit den Zähnen, setzte ein professionelles Lächeln auf und grüßte die anderen Militärs kurz. Es waren allesamt hohe Dienstgrade. Er kannte jeden der anwesenden Offiziere. Zumindest von ihren Akten her, denn ein guter Soldat kannte seinen potentiellen Gegner. Für einen flüchtigen Augenblick lächelte der Franzose. Vielleicht war der unbekannte Feind aus den Tiefen des Weltalls endlich die Medizin, welche die Menschheit heilte und endgültig vereinte.

Prenauld nahm sich ein Glas Tee und spülte die Trockenheit in seiner Kehle hinunter. Er würde heute Abend, bei der kleinen Feier für die Delegationen der Ausländer, darauf zu achten haben, dass kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Verdammt, er hielt ja selbst nichts von Alkohol. Im Dienst, wohlgemerkt. Aber eine Feier, ganz ohne? Aber man musste Rücksicht auf die Anhänger der verschiedenen Religionen nehmen. Auch wenn er aus den Akten wusste, dass einige der Gläubigen, zumindest in manchen Punkten, weit weniger streng, als andere waren. Nun, das stand auf einem anderen Blatt. Jetzt ging es erst einmal um die blanken Fakten und die waren unschön genug.

“Lady”, er nickte einen kurzen Gruß zu General Tanja Olnarewa von der Russischen Föderation hinüber, “und Gentlemen, ich habe den vorläufigen Bericht der „Sonderkommission Todesstern” vorliegen. Bitte schalten Sie Ihre Zerhacker jetzt auf folgenden Code… ” Prenauld nannte aus dem Gedächtnis eine lange Kombination aus Zahlen und Buchstaben. Wortlos öffneten die Anwesenden ihre persönlichen Laptops und aktivierten Verschlüsselung und Dekodierung mithilfe des Codes. Prenauld nickte seinem Adjutanten zu, der die Dateien sofort auf die anderen Rechner übertrug. Bilder, Grafiken und Texte erschienen auf den Monitoren.

“Der Bericht gliedert sich in drei Teile. Erstens, den Gefechtsbericht vom Mars, zum Zweiten in die Auswertung dieses Berichtes, und abschließend in erste Ergebnisse der Untersuchung des Fremdschiffes, und seines Insassen.”

Das war etwas Neues und der General war sich bewusst, gerade eine kleine Bombe zum Platzen gebracht zu haben. “Ja, wir haben in dem kollidierten Schiff die Überreste eines Insassen gefunden. Doch dazu später.”

Prenauld legte die flache Hand leicht auf den Konferenztisch. “Unsere Aufgabe wird es sein, den vorliegenden Bericht als Ausgangspunkt zu nehmen, um eine gemeinsame Vorgehensweise gegen die Fremden auszuarbeiten. Sowohl in strategischer, als auch taktischer Hinsicht. Inklusive der vorhandenen Ressourcen und der Planung für die künftigen.” Er lehnte sich zurück. “Natürlich nur als Rahmenrichtlinien. Wir machen als Militärs ja nur die Vorschläge, und jede Menge anderer Leute wird sich überlegen, wie sie umgesetzt werden können.”

“Und ein paar andere Leute werden überlegen, wie sie die Vorschläge torpedieren können.” General Armstrong Howard, von den panamerikanischen Streitkräften, lächelte dünn.

“Nun, ist das nicht immer so?” Prenauld erwiderte das Lächeln. “Aber diesmal ist einiges anders. Wir haben eine so offensichtliche Krise, dass auch die dümmsten Kritiker die Erfordernisse einsehen werden. Oder einfach überstimmt werden. Es geht nicht alleine um das Energum. Wir haben es hier mit einem Feind zu tun, dessen Absichten und Möglichkeiten wir derzeit kaum abschätzen können. Also, zum Bericht der Lancaster. Das Gefecht begann unmittelbar beim Einschwenken der Arkansas in den Marsorbit. Nach den Radaraufzeichnungen haben rund fünfzig Fremdobjekte die Schiffe, aus orbitaler Position heraus, angegriffen. Arkansas, das größte Militärschiff, wurde vom Gegner als Primärziel erkannt. Die Conestoga wurde wohl als Pendler identifiziert und somit als harmlos eingestuft. Vermutlich besaß der Feind bereits diesbezügliche Erfahrung durch die Vernichtung der Fuji-Maru. Die Arkansas erhielt, unmittelbar zu Gefechtsbeginn, derart folgenschwere Treffer, dass sie explodierte. Sie kam nicht einmal zu effektiver Gegenwehr. Hat wohl ein paar Schüsse abgegeben, aber keine Treffer erzielt.”

Der Major-General räusperte sich. Die Arkansas war der Stolz der panamerikanischen Flotte gewesen. Mit ihren 120 Metern Länge das größte und modernste Raumschiff, von dem Träger Yorktown abgesehen. Aber innerhalb weniger Sekunden war das Schiff, mit seinen 27 Männern und Frauen an Bord, vernichtet worden.

“Okay, weiter. Captain Lucas, die Kommandantin der Lancaster, berichtet, dass ihr Schiff und die Rapid das Feuer erwiderten. Die abgefeuerten Schiff-Schiff-Raketen wurden größtenteils abgelenkt. Treffer konnten nur beobachtet werden, wenn ein Geschoß senkrecht auf den Rumpf eines Gegners traf. Das haben die Videoaufzeichnungen ergeben. Wir wissen allerdings noch nicht, ob das an der Panzerung des Gegners liegt oder dieser über eine Art von Schutzschild verfügt. Die HE-Laser zeigten Wirkung, sind aber deutlich abgeschwächt, was ebenfalls auf eine Art Schutzschild hinweist. Rapid gelangen drei Abschüsse, Lancaster erzielte zwei. Dazu kommt das mit der Conestoga kollidierte Feindschiff.”

Admiral Han von der Chinesischen Hegemonie stieß einen knurrenden Laut aus. “Kein gutes Verhältnis. Wie ich hier sehe, wurde die Yang-Tse nahezu zeitgleich mit dem Kreuzer Arkansas vernichtet. Leider, wie ich zugeben muss, ohne selbst Abschüsse erzielt zu haben. Das bedeutet, wir haben einen Kreuzer und zwei Zerstörer verloren. Der unbekannte Feind hingegen nur fünf, nein, mit dem Kollidierten sechs, Schiffe, von nur geringen Abmessungen.”

“Nun ja”, warf General Ibn Daud, von der Arabischen Allianz des Wahren Glaubens, ein, “das ist vielleicht eine Bestätigung der These, das Trägergestützte Jagdschiffe schnell, effektiv und tödlich für Großschiffe sind.”

Admiral Han blickte skeptisch. Vielleicht lag es daran, dass die Hegemonie bislang keinen Raumträger gebaut hatte. Obwohl alle raumfahrenden Nationen schworen, sich ausschließlich der friedlichen Nutzung des Weltraums zu widmen, gab es nun einmal bewaffnete Raumschiffe, und damit auch verschiedene Studien und Simulationen, die sich mit einer bewaffneten Auseinandersetzung im Weltraum befassten. Einige Thesen standen sich sehr konträr gegenüber. Das galt vor allem für die Verfechter großer oder kleiner Raumschiffe.

Auch Prenauld mochte den Anblick majestätischer großer Schiffe lieber, als den der kleinen und wendigen Hornissen, welche als Jäger bezeichnet wurden. Aber es war nicht die Zeit, in Traditionen und Sehnsüchten zu schwelgen. Er warf einen Blick durch den holzgetäfelten Raum. An der Längswand waren die Fahnen der Mitgliedsstaaten der UN aufgereiht. In alphabetischer Reihenfolge, um keine Missgunst zu erwecken. “Schon interessant”, dachte der General, “dass wir, in solcher Situation, noch immer an unseren nationalen Klüngel denken können.”

“Wie auch immer”, beendete der Franzose das sich entspannende Gespräch, zwischen Han und Ibn Daud. “Tatsache ist, wir haben Prügel gezogen. Aber ein wenig haben wir auch ausgeteilt, und das zeigt auf, dass unsere Waffen nicht wirkungslos sind. Das führt uns zum zweiten Teil des Berichtes. Die Analytiker bestätigen die beschränkte Wirkung unserer Waffensysteme. Ihre Reaktionsgeschwindigkeit ist hoch genug, um den schnell fliegenden Gegner zu bekämpfen, aber die Durchschlagskraft deutlich reduziert. Hierzu liegt eine Empfehlung der Forscher vor. Die Außenhülle der fremden Schiffe besteht aus einem blauen Metall, mit hoher Dichte und der Fähigkeit, Wärme in hohen Mengen zu absorbieren. Ähnlich der Hitzekacheln, die wir bei unseren Shuttles verwenden. Dabei ist das Metall sehr dünn. Man hat in Versuchen festgestellt, dass Quetschkopfgeschosse, also panzerbrechende Munition, das Material durchschlagen. Wenn wir also unsere Projektilwaffen und Raketen mit panzerbrechender Munition verwenden, sollten wir bessere Erfolge erzielen können. Einige Waffensysteme können problemlos umgestellt werden, andere erfordern aufwendigere Umbauten oder sogar einen Austausch.”

“Bislang ging man auch davon aus, dass die Hüllen von Raumschiffen recht leicht zu knacken seien.” Admiral Han blickte auf den Bericht und brauchte nicht zu erwähnen, dass er diesbezüglich von den Hüllen irdischer Raumschiffe sprach. “Das bedeutet also, dass alle Kaliber unter 2,54 Zentimetern ausfallen, von Lasern einmal abgesehen.”

“Das ist korrekt.” Prenauld wies die Teilnehmer der Konferenz auf einen anderen Punkt hin. “Hier steht, dass die, in Jagdmaschinen bevorzugten, Schnellfeuerkanonen vom Typ Gatling oder Vulcan am ehesten geeignet erscheinen. Die Waffen haben das erforderliche Kaliber, eine sehr hohe Feuerrate, von bis zu 8.ooo Schuss pro Minute, und, durch die eingebauten Exzenter, eine automatische Streuung, so dass geringe Ausweichbewegungen des Gegners abgedeckt werden.”

“Gut.” Howard nickte zufrieden. “Über diese oder vergleichbare Systeme verfügt praktisch jedes Land. Sie können wahrscheinlich schnell und unkompliziert in die vorhandenen Schiffe eingebaut werden.”

“Das sehe ich ebenso”, bestätigte Admiral Han. “Doch was wissen wir über die fremden Schiffe?”

Jean Prenauld lächelte knapp. “Wenig genug. Das Metall ist unbekannt. Enthält zwei Elemente, die bei uns nicht vorkommen. Das Zeug wird analysiert. Den Antrieb werden wir kaum erforschen können. Die vorhandenen Geräte und Maschinen in dem Ding sind übel zugerichtet. Allerdings haben wir eine der beiden Waffen dieses fünfzackigen Objektes nahezu intakt vorgefunden, und sie an die Waffenversuchsstelle in Alamo-Gordo geleitet. Man hat in dem geborstenen Rumpf keine Restatmosphäre gefunden oder intakte Tanks, die Aufschluss über die Atemluft der Fremden zulassen würden. Auch keinen Treibstoffbehälter oder ähnliches. Es gab eine Art Instrumentenpult, recht ähnlich den unseren. Die Funktionen sind uns natürlich unbekannt. Wir kennen die Energieversorgung der Fremden nicht. Bei der Bergung des Schiffes, aus dem Wrack der Conestoga, war wohl noch etwas Restenergie vorhanden, denn einige der Instrumente des Fremden waren noch intakt. Dadurch konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die Fremden ein etwas anderes Sichtspektrum aufweisen, als wir. Sie nehmen ebenfalls Farben wahr, sehen aber offensichtlich stärker im Infrarotbereich. Tja, und dann wären da noch die Überreste des Fremden selbst.”

Der Kommandeur der UNSA-Streitkräfte schob einen Datenträger in den Tischprojektor des Konferenztisches, und drückte eine Taste. Prenauld hatte diese Daten noch nicht an die Anwesenden überspielt, da er auf die spontane Reaktion der anderen gespannt war.

Ein kurzes Stöhnen ging durch den Raum, als die dreidimensionale Holographie des Fremden, mitten auf dem Tisch zu stehen schien.

“Ist natürlich mit gewissen Unsicherheiten versehen. Der Körper war etwas... hm... deformiert. Aber Sie sehen, es handelt sich eindeutig nicht um ein menschliches oder auch nur menschenähnliches Wesen.”

“Nein”, stellte Howard fest, “sieht aus wie eine verdammte Spinne oder ein Käfer. Verdammt.”

Der General der Arabischen Allianz setzte die Projektion in eine langsame Rotation. “Das also, ist der Feind.”