The Distance between us - Elena MacKenzie - E-Book

The Distance between us E-Book

Elena MacKenzie

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Beschreibung

Die letzten beiden Jahre hat Lea damit verbracht zu vergessen, sich selbst einzusperren und gegen ihre Ängste anzukämpfen. Jetzt soll sich alles ändern. Leas erstes Semester am College beginnt und sie verspricht sich selbst, dass sie ab sofort das Leben genießen wird. Doch dann trifft sie auf Ian Ward. Ian und Lea sind wie Geschwister aufgewachsen und lange Zeit hat sie eine tiefe Freundschaft verbunden. Bis Ian sich selbst Freiheiten herausgenommen hat, die er Lea verwehrt hat. Aber zwischen ihnen ist zu viel vorgefallen, als dass sie einfach neu anfangen könnten. Ausgerechnet mit ihm muss Lea nun aber jeden Nachmittag im Café zusammenarbeiten. Nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen ist und Ian sogar dazu getrieben hat, sein eigenes Zuhause zu verlassen.

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Lektorat/Korrektorat: Sandra Latoscynski

Copyright 2018:

Elena MacKenzie

Dr.-Karl-Gelbke-Str. 16

08529 Plauen

Coverfoto: Adobe Photostock

Umschlaggestaltung: Elena MacKenzie

Alle Rechte vorbehalten.

Über dieses Buch

Neuauflage von Girls Club - ungeküsst!

Die letzten beiden Jahre hat Lea damit verbracht zu vergessen, sich selbst einzusperren und gegen ihre Ängste anzukämpfen. Jetzt soll sich alles ändern. Leas erstes Semester am College beginnt und sie verspricht sich selbst, dass sie ab sofort das Leben genießen wird. Doch dann trifft sie viel schneller auf Ian Ward, als sie geglaubt hat und sieht sich mit seinem Hass konfrontiert, an dem sie nicht ganz unschuldig ist. Ian und Lea sind wie Geschwister aufgewachsen und lange Zeit hat sie eine tiefe Freundschaft verbunden. Bis Ian sich selbst Freiheiten herausgenommen hat, die er Lea verwehrt hat. Mittlerweile hat Ian sich komplett geändert, er hat sogar eine feste Freundin.

Zwei Jahre ist Ian nicht mehr nach Hause gekommen, damit er Lea nicht begegnet. Dass er jetzt jeden Nachmittag mit ihr zusammenarbeiten muss, ist fast unerträglich für ihn. Aber die neue Umgebung lässt Ian schnell vergessen, warum er und Lea kein Paar sein dürfen. Er gibt seinen Gefühlen für sie nach und wird viel zu schnell von der Realität wieder eingeholt. Entscheidet er sich für die Familie, die er schon immer wollte, oder für Lea, die er schon immer liebte?

The Distance between us

Elena MacKenzie

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Nachwort

Über den Autor

Weitere Bücher

1

2008

Lea

Ich starre fassungslos auf Ian, der Trevor gerade mitten auf dem Schulhof die Nase gebrochen hat. Niemand, der gerade sieht, wie die beiden aufeinander einprügeln, würde jemals glauben, dass sie beste Freunde sind. Trevors Gesicht ist blutüberströmt, aus seiner Nase läuft ein roter Strom, der sein T-Shirt versaut. Trotzdem steht er unter den Anfeuerungsrufen der anderen Schüler wieder auf, stellt sich vor Ian auf und nimmt die Fäuste hoch.

»Los, schlag doch zu«, fordert er Ian heraus, der prompt einen Schlag gegen Trevors ohnehin schon ramponiertes Kinn platziert.

»Hör auf«, schreie ich ihn an, aber Ian reagiert gar nicht. Er scheint wie in einem Wahn, für alles taub und blind, das sich um ihn herum abspielt.

Trevor rappelt sich auf, hechtet auf Ian zu und reißt ihn mit sich zu Boden. Ich sehe in die Gesichter der Schüler um mich herum. Die einen jubeln, die anderen werfen mir wütende Blicke zu, denn dieser Kampf findet wegen mir statt. Und wenn die beiden ihn nicht sofort beenden, riskieren sie ihre Plätze im Footballteam. Das könnte für Ian das Ende seiner Träume bedeuten.

Ich beuge mich direkt über die beiden, Ian liegt unten, während er Trevors Kopf im Schwitzkasten hält, und grinst zu mir auf. »Hör auf, habe ich gesagt«, brülle ich ihn an.

Das reicht. Sofort lässt er Trevor los, rollt ihn von seinem Körper und springt auf. Seine Unterlippe blutet, seine rechte Augenbraue auch und seine Fingerknöchel sind offen. Aber er grinst. Und es ist dieses Grinsen, das mich explodieren lässt.

Ian ist mein bester Freund, seit meine Mutter als Haushälterin für seinen Vater arbeitet. Aber er hat sich in den letzten Monaten verändert. Er wird immer härter und aggressiver. Zu Anfang habe ich ihm noch verziehen. Habe es als Folge dessen abgetan, was seine Mutter ihm angetan hat. Aber heute habe ich erfahren, dass ich der Grund für all diese Schlägereien bin. Und als friedliebender Mensch möchte ich nicht der Grund für Blut und Gewalt sein. Und ich möchte auch nicht, dass Ian sich in mein Leben einmischt. Dass er hinter meinem Rücken jedem, der auch nur in meine Richtung schaut, verbietet, mit mir auszugehen oder auch nur noch ein zweites Mal hinzusehen.

»Wir müssen reden. Sofort«, sage ich zu ihm, packe seine Hand und zerre ihn hinter mir her hinter die Sporthalle.

Es fällt mir nicht leicht, zu ignorieren, dass er in den Pausen gern mit einem Mädchen nach hier hinten verschwindet, aber das flaue, eifersüchtige Gefühl, kämpfe ich einfach runter, indem ich mehrmals tief einatme. Ian hat keine Ahnung, wie ich für ihn empfinde. Für ihn bin ich nur seine beste Freundin. Das Mädchen, von dem er auch gern behauptet, dass es seine Schwester ist. Da wir seit fünf Jahren unter einem Dach leben und meine Mutter irgendwie auch zu seiner geworden ist, hat er damit wahrscheinlich nicht unrecht. Aber das 15-jährige Mädchen in mir hat ganz andere Gefühle für den 17-jährigen Jungen in ihm. Aber um unsere Freundschaft zu schützen, und weil ich es hasse, wie er mit Mädchen umspringt, mit denen er Sex hatte, schweige ich und tue so, als wären wir wirklich nur Freunde.

»Du musst aufhören, auf Leute einzuschlagen«, werfe ich ihm vor und schubse ihn grob. Er prallt gegen die Turnhallenwand und lacht, was mich nur noch wütender macht. »Du hast kein Recht dazu, jeden zu verprügeln, der mit mir ausgehen will.«

Er richtet sich auf, schiebt die Hände in seine Taschen und schüttelt eine dunkelblonde Ponysträhne aus seinem Gesicht. Wie ich es liebe, wenn er das macht und dazu noch grinst, wie ein Bad Boy! Dass schlimme an Ian Ward ist sein Aussehen, diese Mischung aus Hollywood-Star und böser Junge, die jedes Mädchen dazu bringt, den Boden unter seinen Füßen zu küssen. Leider auch mich, aber ich kann das besser vor ihm verstecken, deswegen glaubt er, dass ich immun gegen seinen Charme bin. Er versucht seinen Charme trotzdem immer wieder bei mir einzusetzen, wenn wir uns streiten oder er etwas von mir möchte, wie zum Beispiel bei Tekken zu gewinnen.

»Ich beschütze dich nur«, sagt er harsch.

»Das musst du nicht«, werfe ich ihm vor und will ihn noch einmal schubsen.

Er packt meine Hände, bevor sie seinen Brustkorb berühren können, dreht sich mit mir um und stößt mich gegen die Wand, gegen die ich ihn vorher gestoßen habe. »Das muss ich sehr wohl«, sagt er ruhig und stemmt die Hände neben meinem Kopf gegen die Wand.

Ich atme zitternd ein. Früher waren wir uns oft so nah, aber seit einer Weile fühlt sich das nicht mehr richtig an. Zumindest nicht für mich. Für ihn scheint alles wie immer zu sein. Er beschützt mich, weil er glaubt, dass er das noch immer tun muss. Dass ich noch immer das 10-jährige Mädchen bin, dass illegal in dieses Land eingewandert ist und das dank seines Vaters ein richtiges Leben hier hat. Auf eine Schule mit ihm gehen kann. Das Cheerleader ist und dank ihm an dieser Schule akzeptiert wird.

»Er hat dich blöd angemacht.«

»Das tust du ständig mit Mädchen«, entgegne ich und versuche, mein rasendes Herz zu beruhigen.

»Du gehst nicht mit ihm aus. Vergiss es«, sagt er schwer atmend vor Wut.

»Das hast du nicht zu bestimmen«, werfe ich ein und presse mich fest gegen die Wand, weil ich jeden Millimeter Abstand brauche, den ich bekommen kann.

»Doch, das habe ich. Trevor ist ein Idiot. Er wird dich nur benutzen.«

»Genau wie du es mit allen Mädchen tust. Ihr seid beste Freunde«, erinnere ich ihn.

»Magst du ihn?«, will er wissen.

»Vielleicht«, antworte ich, denn ich weiß nicht, ob ich Trevor mag, aber er ist der Einzige, der sich noch traut, mich überhaupt zu bemerken. »Ich will, dass du aufhörst, dich wegen mir zu prügeln. Wenn du das nicht kannst, können wir nicht länger befreundet sein.«

Er schnappt nach Luft. »Ist das dein Ernst?«

Ich nicke.

Er kommt mit seinem Gesicht näher und starrt mir fest in die Augen. Ich fühle mich eingeengt von ihm und gefangen von seinem Körper und der Anziehung, die er auf mich ausübt. Aber ich weiß auch, dass er nicht so für mich empfindet. Ich glaube, Ian Ward ist gar nicht fähig zu lieben. Das hat ihm seine Mutter genommen.

»Was, wenn ich dich jetzt küsse?«, fragt er plötzlich und mein Herz bleibt stehen.

»Was?«, stoße ich atemlos hervor.

»Ich könnte dich jetzt küssen.«

Ich lache unsicher. »Du machst dich lustig über mich.«

»Tue ich das?«

Er legt seine Wange an meine und ich drehe mein Gesicht weg. »Siehst du, du bist noch nicht bereit für einen Kerl wie Trevor.«

Ich stoße ihn von mir weg. »Weil ich dich nicht küssen will?«

Er lacht. »Weil du vor Angst gezittert hast.«

»Du bist ein Arschloch«, schreie ich ihn fassungslos an. »Wir sind keine Freunde mehr. Werd erwachsen.« Ich wende mich von ihm ab, um zu gehen.

»Du kannst mir nicht einfach die Freundschaft kündigen.«

»Habe ich eben gemacht. Wir können wieder Freunde sein, wenn du akzeptieren kannst, dass ich die gleichen Rechte auf ein Leben habe wie du.«

Ich gehe einfach weg, weil ich ihn so schnell wie möglich hinter mir lassen muss, bevor er sieht, dass ich wegen ihm weine. Er hat sich einen Spaß daraus gemacht, dass seine Nähe mich so aus der Fassung gebracht hat. Das hat mich verletzt. Und noch schlimmer ist die Scham, die ich jetzt empfinde, weil er weiß, welche Gefühle er in mir hervorruft. Wie können wir noch befreundet sein, wenn er sich darüber lustig macht?

»Wenn wir keine Freunde mehr sind, dann bist du nur noch die Tochter der Haushälterin«, ruft er mir hinterher.

Ian

»Du hast noch ein Handtuch vergessen«, werfe ich Lea vor und zeige mit einem selbstgefälligen Grinsen auf eins der weißen Badetücher. Es liegt direkt neben meiner Liege und stammt wahrscheinlich von mir.

Lea wirft mir nur einen kurzen Blick zu, dann kommt sie mit dem Stapel gebrauchter Handtücher auf den Armen zurück und bückt sich, um das schmutzige neben meiner Liege aufzuheben. Sam gackert laut auf und beugt sich extra etwas zurück, damit er einen besseren Blick auf Leas Hintern erhaschen kann, während sie sich bückt. Am liebsten würde ich ihm dafür die Fresse polieren, aber so bin ich nicht mehr. Das tue ich nicht mehr, denn Lea hat es so gewollt. Sie war es, die mir gesagt hat, dass ich nicht mehr der Ian wäre, den sie seit unseren Kindertagen geliebt hätte, der ihr Freund war.

»Du bist aggressiv, brichst anderen Menschen die Nasen und prügelst auf sie ein, wegen mir. Das kann ich nicht länger zulassen. Ich erkenne dich nicht mehr wieder«, hatte sie geschimpft, sich von mir abgewandt und dann gemurmelt: »Ich kann nicht mit jemanden befreundet sein, der Menschen verletzt.« Mit diesen Worten hat sie mich stehenlassen und seither brodelt dieses Gefühl in mir, das mich dazu zwingt, sie zu verletzen. Ihr wehzutun, nur um ja nicht zuzulassen, dass ich darüber nachdenken kann, was für ein Gefühl das ist, das mich von innen heraus auffrisst. Ich überdecke es mit Wut, überschütte es mit Hass, nur um es nicht analysieren zu müssen. Weil es nicht wahr sein darf. Weil ich so niemals empfinden darf. Nicht für Lea. Sie zu wollen, wie ich sie will, könnte alles, was wir haben, zerstören. Und was wir haben, ist die einzige Familie, die ich habe. Lea, ihr Bruder Mario, ich, ihre Mom und mein Dad.

Ich grinse Sam bestätigend an, aber erst, als Lea sich wieder aufrichtet und es sehen kann. Ich weiß, es ist falsch, meine Enttäuschung auf diese Art an ihr auszulassen, sie meine Verletzung spüren zu lassen, indem ich sie verletze. Aber irgendetwas in mir treibt mich dazu an. Ich will sie so unbedingt fühlen lassen, wie sehr es mich schmerzt, dass sie in ihrer Wut zu mir gesagt hat, wenn ich ihre Wünsche nicht akzeptieren könne, wären wir nicht länger Freunde, dass ich dabei völlig ausblende, zu was für einem Arschloch mich das macht. Ihre Wünsche! Sie will sich mit anderen Jungs treffen. Will, dass ich ihr die Freiheiten gewähre, die ich mir selbst herausnehme. Auch wenn ich weiß, wie unfair das ist, aber ich kann es nicht. Weil ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass sie sich in die Arme eines anderen begibt.

Und ich bin ein Arschloch geworden, weil ohne Lea sein zu müssen, mich verändert hat. Nur um ihr wehzutun, tue ich die unmöglichsten Sachen. Zum Beispiel feiere ich jeden Nachmittag eine Poolparty, weil Leas Mutter, unsere Haushälterin, die ganze Arbeit dann unmöglich allein schaffen kann. Lea muss also jeden Nachmittag mithelfen, meinen Freunden und mir den Dreck hinterher räumen und hat so kaum noch Zeit für Hausaufgaben oder zum Lernen. Oder um sich mit Jungs zu treffen. Zumindest das tut mir kein bisschen leid, denn die Vorstellung, sie könnte sich mit einem Kerl treffen, wühlt in meinen Eingeweiden. Ich kann einfach nicht zulassen, dass jemand ihr wehtut. Dabei bin ich selbst es, der ihr am meisten wehtut. Sie ist für mich wie eine Schwester. Das war sie schon immer. Ihre Mutter ist die einzige Mutter, die ich kenne.

Lea, ihr Bruder Mario und ihre Mutter sind vor sechs Jahren als illegale Einwanderer aus Mexiko in die USA gekommen. Seit fünf Jahren arbeitet ihre Mutter als Haushälterin für meinen Vater und seither ist Lea auch meine beste Freundin. Gewesen. Denn sie will meine Freundschaft nicht mehr, weil ich sie zu sehr einenge. Dabei versuche ich nur, sie zu beschützen. Vor Typen wie mir, die Mädchen als Sexobjekte betrachten und sie danach wegwerfen, als wären sie Abfall.

Ich muss Lea beschützen, denn ich kann nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt und ihre Mutter sich vielleicht gezwungen sieht, mit ihr wegzugehen. Dann würde ich nicht nur Lea verlieren, sondern auch ihre Mutter und Mario. Seit meine eigene Mutter mich vor fünf Jahren verlassen hat, kann ich den Gedanken nicht ertragen, noch einmal verlassen zu werden. Und Lea zu verlieren, wäre das Schlimmste überhaupt für mich.

Also muss ich mir einreden, sie wäre meine Schwester, um das Leben, das wir hier in diesem Haus führen, nicht zu zerstören. Aber wenn ich sie nicht haben darf, dann keiner. So einfach ist das. Zumindest habe ich es all die Zeit geglaubt, bis Lea plötzlich nicht mehr mitgespielt hat.

»Ey, Lea«, sage ich. Ich greife nach der fremden Hand, die sich eben durch meine Haare gräbt, und ziehe das Mädchen, ohne es anzusehen auf meinen Schoß. Für mich ist sie nur irgendeine Schlampe, die auf meine Partys kommt, weil sie hofft mit mir oder meinen Freunden Sex haben zu dürfen, und einem von uns vielleicht etwas mehr zu bedeuten. Aber weder ich noch Trevor, noch Liam, Sam oder Zack interessieren uns wirklich für diese Mädchen. Die meisten wissen es, glauben aber trotzdem, sie könnten uns vom Gegenteil überzeugen.

Deswegen gibt sie sich mir nur zu bereitwillig hin und legt sich auf meinen Oberkörper, dabei schnurrt sie wie eine Katze und presst ihre Lippen an meinen Hals. Ich erschauere, aber nicht vor Erregung, sondern vor Ekel. Ich selbst widere mich in diesem Augenblick an, aber mein Stolz ist so gekränkt, dass es meinen Ekel verdrängt. Ich kann nur daran denken, dass ich Lea leiden sehen möchte. »Meine Süße und ich, wir hätten gern noch ein Bier.« Ich sehe erst Liam, dann Trevor an, die in ihren Korbsesseln sitzen, als wären sie die größten Kings. »Ihr wollt doch bestimmt auch noch was trinken?«

»Wollen wir«, antwortet Trevor und lässt seinen Blick über Leas Körper gleiten. »Warum hat sie eigentlich so viel an, wenn sie hier mit uns am Pool ist?« Alles in seinem Gesicht steht auf Flirt. Er steht auf Lea, schon seit Monaten, aber er weiß auch, mehr als das werde ich ihm nicht erlauben. Und doch scheint er meine Regeln immer öfter zu ignorieren. Und Lea scheint es zu gefallen. Es ist fast, als würde sie sich in seiner Nähe mittlerweile wohler fühlen als in meiner. Ganz bestimmt tut sie das. Und ich bin selbst schuld, aber ich kann nicht über meinen Schatten springen. Sie wollte es so, wie es jetzt ist.

Mein Herz setzt für einen Schlag aus und ich kneife die Augen zusammen, dann sehe ich Trevor mit all der Wut, die ich in diesem Moment empfinde, an. Ich möchte ihn am liebsten meine Fäuste noch einmal spüren lassen, aber seit Lea und ich keine Freunde mehr sind, halte ich mich zurück, und das weiß Trevor. Ich kann es ihm nicht einmal übelnehmen, mein ganzes Verhalten Lea gegenüber scheint für meine Teamkameraden eine Einladung zu sein, sie endlich in ihre Betten zu bekommen. Dass ich sie jahrelang von ihnen ferngehalten habe, hat sie in ihren Augen zu so etwas wie einer Trophäe gemacht, die es zu erobern gilt.

Ich sehe Lea an, die keinen Ton von sich gibt und einfach nur mit einem freundlichen Lächeln nickt. Sie würde niemals etwas sagen, weil sie den Job ihrer Mutter nicht gefährden will. Sie brauchen das Geld, das mein Vater ihnen zahlt. Sie bewohnen drei Zimmer in der oberen Etage unseres Hauses. Leas Zimmer ist direkt neben meinem. Dadurch können sie für Mario da sein, wann immer er sie braucht, und gleichzeitig das Geld verdienen, das sie für Marios Therapien benötigen, der an Tetraplegie leidet, seit einem Unfall mit seinem Fahrrad, als er neun Jahre alt war. Das war vor acht Jahren, als sie noch in Mexiko gelebt haben.

Leas Blick verfinstert sich, dann wendet sie sich Trevor zu. »Das, was du in diesem Moment von mir zu sehen bekommst, wird genau das sein, was du auch in Zukunft zu sehen bekommst.« Dann sieht sie mich an und irgendwie bin ich ziemlich stolz auf sie, aber ich zeige es ihr nicht. Stattdessen ziehe ich die Blondine auf meinem Schoß an meine Lippen und küsse sie.

»Das stimmt nicht ganz«, sagt Trevor plötzlich. Ich löse mich von dem Mädchen, von dem ich sicher bin, dass sie nicht mal auf unserer Schule ist, und mustere ihn beunruhigt. »Deine Cheerleaderuniform zeigt deutlich mehr von dir als diese Jeans.« Er zwinkert ihr lächelnd zu.

Einen Augenblick sehe ich die Verblüffung in Leas Gesicht, dann sieht sie an sich nach unten und als sie Trevor jetzt ansieht, lächelt sie. »Okay, du hast recht.«

Trevor grinst noch breiter und beugt sich etwas zu ihr hin. »Ich habe immer recht«, sagt er mit diesem Grinsen auf den Lippen, von dem ich weiß, dass er damit noch jedes Mädchen ins Bett bekommen hat, und auch an Lea scheint es nicht einfach vorbeizuziehen. Ihre ganze Körperhaltung scheint sich plötzlich zu entspannen, was mir nicht gefällt. »Und was ich gesehen habe …«, er zögert, »… was ich auch im Moment sehe, gefällt mir sehr.«

Ich schiebe die Blondine so grob von meinem Körper, dass sie unsanft auf dem Boden neben meiner Liege landet, und stehe auf. Ich muss mich ablenken, bevor ich noch etwas völlig Bescheuertes tue. Etwas so Blödes, wie Trevor noch einmal die Nase brechen. Coach Miller würde mir nicht noch eine Chance geben. Er würde mich auf die Bank setzen, und das kann ich mir nicht leisten, das könnte mich meinen Platz im Team kosten. Mit vor Wut rasendem Herzen springe ich in den Pool und tauche unter. Ich halte die Luft an und lasse mir Zeit damit, wieder aufzutauchen. Ich lasse Lea Zeit damit, endlich reinzugehen und zu tun, was sie tun sollte. Aber als ich wieder auftauche, ist alles nur noch schlimmer. Trevor hat Lea die Handtücher abgenommen und trägt sie für sie in das Haus. Er sagt irgendetwas zu ihr, was sie zum Lachen bringt.

Verdammt, ich dachte eigentlich, ich hätte mich klar ausgedrückt, keiner rührt Lea an. Aber das war, bevor ich angefangen habe, sie wie meine Dienstmagd zu behandeln. Bevor jeder dachte, sie bedeutet mir nicht mehr als das. Ich schlage wütend auf das Wasser, schwimme an den Beckenrand, nehme mir das Glas mit Bourbon, das irgendjemand dort stehenlassen hat, und leere es aus, dann zeige ich auf das Mädchen, das sich vorhin noch auf meinem Schoß gerekelt hat. »Komm her«, sage ich, setze mich auf den Beckenrand, die Füße noch immer im Wasser. »Ich will, dass du mir einen bläst.«

Was ich von ihr verlange, schockiert sie nicht einmal. Es schockiert niemanden hier, weil sie alle es gewohnt sind, dass ich jetzt so ticke. Wen sollte es auch wundern oder abstoßen, Liam, Trevor und Zack ticken genauso. Das schweißt uns irgendwie zusammen. Macht uns zu einem Team, zu besten Freunden, zu etwas, worauf die Mädchen stehen. Und die Mädchen, die sich mit uns abgeben, interessiert es nicht, dass wir sie nur benutzen, sie sind schon froh, dass sie überhaupt hier bei uns sein dürfen. Bei den Footballstars der West River Falls High.

Die Kleine lässt sich ins Wasser gleiten, stellt sich zwischen meine Beine und schiebt ihre Hände meine Oberschenkel hinauf. Ich weiß nicht mal, ob sie hübsch ist. Ich sehe sie zwar an, aber es interessiert mich nicht. Sie interessiert mich nicht. Sie nimmt meinen Schwanz in ihren Mund und müht sich ab, ihn hochzubekommen, während ich nur die Terrassentür im Blick habe und darauf warte, dass Lea wieder rauskommt. Aber sie kommt nicht. Ich balle die Hände zu Fäusten, jeder Muskel spannt sich in mir an, je länger Lea und Trevor im Haus sind. Er wird doch nicht? Ich kann es gerade noch ertragen, wenn er mit ihr flirtet. Aber ich kann es nicht ertragen, wenn er sie berührt.

Der Gedanke peitscht mein Adrenalin hoch. Und meinen Schwanz auch. Die Wut treibt brennende Erregung durch meinen Körper. Ich umfasse das Haar des Mädchens. »Schneller«, stöhne ich und treibe sie mit meinen Händen an. Bewege ihren Kopf rücksichtslos auf und ab. Sie würgt, aber macht weiter. Und doch fühle ich eigentlich gar nichts. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, sie von mir zu stoßen und Trevor und Lea ins Haus zu folgen. Lea gehört mir. Auch wenn sie es nicht weiß. Sie wird es niemals erfahren. Trotzdem, sie gehört mir.

»Du wirst die Kleine noch umbringen«, sagt Liam feixend und setzt sich neben mich auf den Beckenrand. Er packt Dana, ein Mädchen aus unserer Klassenstufe an der Hand und zwingt sie dazu, in den Pool zu springen, dann zerrt er sie mit heißem Blick zwischen seine Beine. »Ich hätte gern die gleiche Heilbehandlung wie Ian hier«, sagt er und reibt über seine Badehose. Dana lächelt und packt Sams Erektion ohne zu zögern aus.

»Ich hätte noch eine bessere Idee«, sage ich angespannt. »Wie wäre es, wenn ihr zwei euch küsst, während ihr hier euch weiter um unser Wohlbefinden kümmert?« Ich zeige auf Mina und Candy, zwei Cheerleader, die in den letzten Minuten gelangweilt auf ihren Liegen gelegen und auf ihre Handys gestarrt haben. Die Mädchen kichern und stehen sofort auf, springen in den Pool - ihre Bikinioberteile haben sie wohl zu Hause gelassen - und legen sofort los, sich zu küssen und sich zu berühren. Eigentlich interessiert mich das Ganze gar nicht, aber es passt zu meinem neuen, eiskalten Ich, das ich mir zugelegt habe, um die Verletzung, die Lea mir zugefügt hat, besser zu ertragen. Dieses Ich ist mein Schutzschild, zum einen, um den Schmerz nicht zu fühlen, den sie mir damit zugefügt hat, zum anderen, um nicht wahrhaben zu müssen, was ich eigentlich längst weiß: Ich liebe Lea. Und zwar auf eine nicht-geschwisterliche Art. In meinen Träumen tue ich Dinge mit ihr, die viel zu dreckig für ein Mädchen wie sie sind. Und dafür hasse ich mich, denn ich will sie nicht beschmutzen. Sie soll dieses unschuldige Mädchen aus meiner Kindheit bleiben. Und überhaupt soll sie meine Schwester bleiben, denn das andere könnte unsere kleine familiäre Welt zerstören. Wenn mein Vater es herausfinden würde, könnte er Lea und ihre Mom rauswerfen. Wenn Leas Mom es herausfinden würde, könnte sie mit ihr fortgehen. Und das darf nicht passieren. Ich darf niemanden von ihnen verlieren.

Trevor und Lea sind noch immer im Haus und langsam fühle ich dieses Zittern in meinem Körper, das einem Wutausbruch vorausgeht. Ich bin kaputt, zerstört, ein Wrack. Seit meine Mutter einfach gegangen ist, um ein neues Leben mit einer neuen Familie zu beginnen, bin ich am Ende und einer nicht enden wollenden Wut auf einfach alles ausgeliefert. Es kostet mich alle Kraft, nicht ins Haus zu gehen, um nachzusehen, was die beiden dort tun, weswegen ich die Augen schließe und mich nur noch auf das Gefühl konzentriere, das die Blondine zwischen meinen Beinen verursacht.

Ich versuche, nur noch die Erregung zu fühlen, das Brennen in meinen Adern, das Ziehen in meinem Unterleib. Ich will nur noch das in meinem Kopf. Nicht Lea, nicht ihr schwarzes Haar, ihre schokoladigen Augen, ihre gebräunte Haut und ihr umwerfendes rassiges, südamerikanisches Aussehen, das mich in den Wahnsinn treibt. Aber ich sehe hinter meinen geschlossenen Augen nur noch sie. Sie ist es, die mich berührt, die an mir saugt und die zu mir aufschaut, während sie meine Hoden knetet und meinen Schwanz tief in sich aufnimmt. Und es widert mich an. So darf ich nicht fühlen. Nicht für sie. Sie ist mehr als nur eine Frau, die mir einen bläst. Sie ist Lea. Und doch komme ich. Nicht, weil die Blondine so gut ist. Nicht, weil die zwei Mädchen, die sich im Pool gegenseitig auffressen, gut sind. Nur, weil es in meinen Gedanken Lea ist, die es mir besorgt. Ich stoße das Mädchen von mir, sie sieht mich verwirrt an, wischt mit dem Handrücken über ihren Mund, protestiert aber nicht.

Ich stehe einfach auf, ziehe meine Hose hoch und will gerade ins Haus gehen, weil ich es doch nicht mehr länger aushalte, als Trevor mit einem breiten Grinsen wieder nach draußen kommt. Wie lange waren sie jetzt da drin? Hatten sie genug Zeit? Wahrscheinlich. Aber Lea ist so nicht. Oder doch? Niemals. Ich will es gar nicht wissen. Aber sein Grinsen, dieser selbstzufriedene Blick …

2

2010

Lea

Mit einem nervös verkniffenen Gesicht parke ich meinen kleinen Subaru auf einem der Kurzzeitparkplätze vor dem Mädchenwohnheim auf dem Campus der Steven Points University in Wisconsin. Ich sehe an dem vierstöckigen Gebäude aus der Gründerzeit nach oben und beobachte dann minutenlang die Studenten, die die Stufen zum Gebäude hoch- und wieder runterlaufen. In ein paar Tagen beginnt das Semester, für mich das erste überhaupt an einem College. Ich werde zum ersten Mal, seit wir in die USA gekommen, sind außerhalb von River Falls leben, wenn auch nicht so weit weg von zu Hause, wie ich es mir gewünscht hätte. Und leider schon gar nicht weit genug weg von Ian, aber wahrscheinlich ist dieser Campus groß genug, damit ich ihn nie sehen werde. Zumindest nicht sofort. Leider ist dieses College das einzige, das mir ein Teilstipendium gegeben hat. Außerdem bin ich als ehemaliges Mitglied des West River Falls Cheerleader Teams hier am College nicht ganz unbekannt und mein Platz im hiesigen Team ist schon längst in trockenen Tüchern.

Ich lasse meinen Blick weiter zum kleineren Haus neben dem Mädchenwohnheim gleiten: das Verbindungshaus des UWSP Cheer Dance Teams. Dort werde ich wohnen. Ein weißes Haus mit zwei Etagen und einem großen Balkon, von dem ein lila Banner hängt, auf dem der Kopf eines gelben Hundes abgebildet ist - das Maskottchen der Pointers, der Footballmannschaft des Colleges. Ians Mannschaft. Wahrscheinlich werde ich ihm doch viel eher begegnen, als mir lieb ist. Das wird mir in diesem Moment bewusst, als ich das Banner der Mannschaft am Haus meiner Schwesternschaft hängen sehe. Dieser Gedanke ist schon seit einiger Zeit da, aber ich habe ihn immer verdrängt, weil ich sonst wahrscheinlich jetzt nicht hier stehen würde. Aber das hier ist nun mal meine einzige Chance auf einen Collegeabschluss, und darauf, es irgendwann vielleicht in das Cheerleader-Team einer NFL Mannschaft zu schaffen. Ohne dieses Stipendium könnte ich mir ein College nicht einmal leisten. Die Therapien meines Bruders verschlingen zu viel Geld.

»Also dann«, versuche ich mir Mut zu machen. Obwohl ich schon dankbar bin, dass ich die Bewerbungsphase in der Verbindung überspringen darf, weil ich das Vorauswahlverfahren letztes Jahr gewonnen habe, habe ich noch immer Magengrummeln, wenn ich daran denke, dass ich in diesem Haus mit Mädchen wohnen werde, die ich gar nicht kenne. Ich hole tief Luft, öffne das Auto und steige aus.

»Dein Auto passt gut hierher«, ruft mir ein Mädchen zu. Sie steht an dem Auto neben meinem und lädt sich gerade einen Karton auf die Arme. Ihr klebt das Haar im verschwitzten Gesicht, wahrscheinlich hat sie schon ein paar Kartons auf ihr Zimmer getragen, man kann ihr die Erschöpfung regelrecht ansehen.

Ich mustere das dunkle Lila meines Subarus und grinse. »Stimmt, ist mir noch gar nicht aufgefallen. Die Rostflecken kann ich ja mit dem Maskottchen überkleben«, schlage ich dem Mädchen vor, das zustimmend nickt und dann an mir vorbei die Stufen zum Wohnheim nach oben eilt. Ich sehe dem Mädchen nach, dann lasse ich meinen Blick über das hektische Treiben um mich herum gleiten. Heute ist der Tag, an dem die meisten Studenten auf dem Campus einziehen.

Der Campus der Steven Points University ist wie eine Kleinstadt. Es gibt Cafeterias, Diner, mehrere Shops und sogar eine Bar. Die Student Union befindet sich ziemlich im Zentrum des Campus. Eine von fünf Dininghalls nur etwa zehn Minuten vom Mädchenwohnheim entfernt. Ich habe den Lageplan des gesamten Campus über die letzten Wochen hinweg in- und auswendig gelernt. Auf keinen Fall will ich wie viele unvorbereitete Anfänger über den Campus stolpern, so dass jeder mir gleich ansehen kann, dass ich hier neu bin. Mir wäre es sogar lieb, wenn ich eher gar nicht auffalle.

Früher war mir Aufmerksamkeit eigentlich egal, ich kam gut damit klar, aber seit damals versuche ich es zu vermeiden aufzufallen. Wobei das schwer ist, als Cheerleader. Denn als Cheerleader steht man oft im Mittelpunkt. Aber das Cheerleading verleiht mir Sicherheit. Es ist die einzige Sicherheit, die ich noch habe. Wenn ich tanze, kann ich vergessen. Alles, was um mich herum ist. Alles, was jemals passiert ist. Dann bin ich wieder dieses Mädchen, das einfach nur die beste Freundin von Ian ist und mit ihm gemeinsam unter der Trauerweide auf dem Anwesen seines Vaters Pläne schmiedet, wie wir beide es in die NFL schaffen könnten. Außerdem lege ich schon immer Wert darauf, gut vorbereitet zu sein.

Ich öffne meinen Kofferraum, hole zwei von fünf Kisten aus dem Auto und stelle sie auf dem Schotter ab, der den Parkplatz befestigt. Danach schließe ich das Auto wieder, stelle eine Kiste auf die andere und hebe beide unter Stöhnen auf meine Arme. Wahrscheinlich werde ich jeden hier rücksichtslos umrennen, weil ich kaum etwas sehen kann, aber ich habe auch wenig Lust, jede Kiste einzeln in das Verbindungshaus zu tragen. Vorsichtig laufe ich am Rand der Straße entlang, dann durch den kleinen Vorgarten und wünsche mir, ich hätte die Kisten doch einzeln genommen, denn mit jedem Schritt verlässt mich die Kraft in den Armen mehr. Meine Muskeln zittern und schmerzen und meine Lunge brennt.

»Kisten, schwer!«, keuche ich, als ich das Haus durch die offen stehende Tür betrete, in der Hoffnung, dass irgendjemand mich hört.

Und tatsächlich, jemand hat Mitleid mit mir, nimmt mir beide Kisten ab und stellt sie vor mich auf den Boden. Zuerst sehe ich nur breite Schultern, das Trikot der Pointers mit dem gelben Hundekopf auf dem Rücken und dunkelblondes, fast braunes Haar, das etwas länger ist und verstrubbelt wirkt, als wäre gerade jemand mit seinen Fingern durchgefahren. Oder der Besitzer dieser wirklich muskulösen Arme ist eben erst aus einem Bett gestiegen. Vielleicht hier in diesem Haus. Ich höre ein paar gemurmelte Worte, die ich nicht verstehen kann, von denen ich aber sicher bin, dass sie nicht freundlich gemeint waren, dann richtet sich mein Held auf und mir verschlägt es den Atem.

»Du!«, entfährt es uns beiden gleichzeitig.

Ich stehe sekundenlang unter Schock und kann ihn nur anstarren. Viel zu schnell und ich bin noch nicht bereit, sind die ersten Worte, die mir durch den Kopf gehen, als ich ihn nach zwei Jahren wiedersehe. Ich hätte gern noch etwas Zeit gehabt, ihn vielleicht erstmal nur aus der Ferne gesehen. Aber er hier, in dem Haus, in dem ich die nächsten Jahre wohnen werde. Das ist zu viel. Mein Puls rast und mir bricht aus jeder Pore meines Körpers Schweiß aus. Ich fühle mich wie versteinert, unfähig, mich zu bewegen oder etwas zu sagen. Ich fühle mich, als wäre ich gerade in meinem schlimmsten Alptraum gefangen. Nein, nicht ganz. Da gibt es noch etwas Schlimmeres, etwas viel Schlimmeres, als Ian Ward, meinen ehemals besten Freund, wiederzusehen.

Ian Ward, ehemaliger Quarterback der West River Falls High und ebenfalls ehemaliger bester Freund von mir. Zwei Jahre und noch immer schafft er es, mich in diesen Zustand zu versetzen. Mich zu lähmen vor Panik. Etwa ein Jahr vor seinem Umzug auf das College, hatte er sich verändert, hin zu einem Menschen, den ich nicht kannte und den ich auch nicht kennen wollte. Und bis heute habe ich ein Geheimnis vor Ian, das alles nur noch schlimmer machen würde, wenn er es jemals herausfinden würde.

Ich unterdrücke das Zittern, das sich durch meinen Körper arbeiten möchte, und als mir plötzlich die Worte wieder durch den Kopf gehen, die er vor seiner Abreise zu mir gesagt hat, wird mir ganz heiß und mein Puls beginnt zu rasen. »Weißt du was das Beste ist, wenn ich das nächste Mal wieder nach Hause komme, dann bist du nicht mehr hier.« Damals hatten wir beide noch keine Ahnung, dass wir dasselbe College besuchen würden. Denn eigentlich wollte Ian unbedingt nach New York, weit weg von seinem Vater. Und vor allem weit weg von mir. Dass er seine Meinung geändert hat, habe ich erst vor ein paar Monaten erfahren.

»Was zur Hölle machst du hier?«, fährt er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und verschränkt die Arme vor der breiten Brust. Er kämmt sich mit den Fingern durch die Haare, was das Chaos auf seinem Kopf nur noch vergrößert, genau auf diese lässige Art, die mich schon immer ganz irre gemacht hat und die in meinem Kopf aus unerfindlichen Gründen jedes Mal wie in Zeitlupe abläuft. Offensichtlich hatte Ian keine Ahnung, dass ich hier studieren werde. Aber wer hätte es ihm denn auch sagen sollen, schließlich ist meine Mutter nur die Haushälterin?

Seit seinem Abschied vor zwei Jahren verbindet uns beide so etwas wie eine Hassliebe, wenn man von Liebe überhaupt reden kann. Wohl eher nicht. Wenn man Liebe also streicht, bleibt nur noch Hass übrig. Uns beide verbindet also tiefgehender Hass. Zumindest hasst Ian mich, da bin ich mir sicher. Und das alles nur, weil ich mir etwas mehr Freiraum von ihm gewünscht habe. Vielleicht habe ich seine Wut ja sogar verdient. Ganz sicher habe ich sie verdient. Wenn ich ihn damals nicht weggestoßen hätte, unsere Freundschaft nicht verraten hätte, dann wären viele Dinge niemals geschehen.

»Ich bin mir sicher, dass wir beide so ziemlich das Gleiche hier tun wollen, studieren«, antworte ich bissig, als ich mich endlich wieder etwas gefangen habe. Ihn zwei Jahre nicht gesehen zu haben, zwei Jahre mit dem Gefühl gelebt zu haben, ihn aus seinem eigenen Haus ferngehalten zu haben, ist nicht spurlos an mir vorbeigezogen. Ich fühle mich schuldig, weil er sich wegen mir nicht nach Hause getraut hat, damit er mir nicht begegnen muss. Und jetzt bin ich hier, an dem Ort, an den er vor mir geflüchtet ist.

»Entschuldige, aber ich hatte gehofft, hier auf jeden anderen zu treffen, nur nicht auf dich.«

Auch das habe ich verdient und ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll. Ich könnte weitermachen wie bisher und die unnahbare Eisprinzessin spielen, die Dinge, die er mir an den Kopf wirft, und seine Abweisung genau so ertragen, wie in dem letzten Jahr, bevor er River Falls verlassen hat. Oder ich könnte versuchen, ihn um Verzeihung zu bitten. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Vergangenheit zu vergessen, denn wir sind jetzt beide hier auf dem College.

»Das hier ist ein Wohnhaus für Mädchen. Ich hab zwar noch nicht nachgesehen, aber ich bin mir fast sicher, dass du kein Mädchen bist.« Ich werfe einen provozierenden Blick auf seinen Unterleib. Er trägt eine Jeanshose, die an der entsprechenden Stelle eine Ausbuchtung zeigt. Wenn er keine Socken dort reingesteckt hat, dann sollte diese Beule der Beweis für seine Männlichkeit sein.

Ian zieht eine Augenbraue hoch, dann grinst er abfällig und beugt sich zu mir nach unten, nah genug, dass ich seinen unverkennbaren Geruch einatmen kann. Ich halte die Luft an, obwohl ich Ian gerne rieche, aber schon ihn zu sehen, bringt mich an meine Grenzen. »Du hättest nicht herkommen dürfen«, flüstert er in mein Ohr, dann richtet er sich wieder auf, noch immer dieses Grinsen im Gesicht, von dem ich glaube, dass es nur für mich bestimmt ist.

»Du hättest nicht hier sein müssen«, gebe ich zurück. »Warum bist du nicht nach New York gegangen?«

Er kneift die Augen zusammen und presst die Kiefer so fest aufeinander, dass ich seine Muskeln arbeiten sehen kann. »Wenn ich schon nicht nach Hause kann, dann möchte ich wenigstens in der Nähe sein dürfen.«

Ich schnaube, trete einen Schritt zurück und komme doch nicht umhin, mich schlecht zu fühlen. »Ich habe nicht gesagt, dass du nicht nach Hause kommen kannst. Es ist dein Zuhause.«

»Genau«, sagt er knapp. Er beugt sich wieder nach unten. »Was denkst du, wo stehen wir jetzt?«

Ich schnaube, obwohl mir gar nicht danach ist. Eigentlich weiß ich gar nicht, wonach mir im Moment ist, alles ist viel zu verworren. Mit weichen Knien trete ich noch einen Schritt von ihm zurück und gebe mir Mühe, nicht allzu nervös zu wirken, aber sein verächtliches Grinsen zeigt mir deutlich, dass er weiß, was in mir vorgeht. »Wo sollen wir schon stehen?«, werfe ich ihm vor, bücke mich nach einem der Kartons und hebe ihn auf. Ich gehe auf die Treppe zu und hoffe, dass ich oben jemanden treffe, der mir sagen kann, welches Zimmer meins ist.

»Hmm«, macht er, ich bleibe stehen und sehe zurück. Er grinst bösartig. Ich kenne diesen Ausdruck in seinem Gesicht nur zu gut. Er bewirkt immer, dass sich mein Magen verknotet. Meist folgt auf diesen Ausdruck nichts Gutes, zumindest was mich betrifft. »Ich weiß nicht, irgendwo nach dem Augenblick, in dem du mir gesagt hast, ich soll dich in Ruhe lassen, und dem Augenblick, in dem du auf meinem Herzen herumgetrampelt bist, kurz bevor ich wegen dir die Stadt verlassen habe, in der ich aufgewachsen bin. Such es dir aus.«

Ich habe mich lange nicht mehr so angespannt gefühlt. Zwei Jahre ohne ihn waren hart und voller Schuld, aber sie haben mir auch Zeit zum Durchatmen gegeben. Und jetzt fühle ich mich wieder, als werde ich zerrissen. Ich kann mich an jeden der Augenblicke, die er aufgezählt hat, erinnern. Und nicht im jeden war ich die Böse, aber er glaubt es und ich werde ihm die Wahrheit nie sagen.

»Ich wollte dich nie verletzen.« Ohne sein abfälliges Kopfschütteln zu beachten, gehe ich weiter die Stufen nach oben und wage erst, Luft zu holen, als ich um die Ecke verschwinden kann. Ich will mir am liebsten die Haare ausreißen. Weitermachen wie bisher ist bestimmt nicht die klügste Entscheidung, aber die, mit der wir beide wohl am sichersten wären. Es gibt zu viel, das er nicht wissen darf. Auch wenn der Pakt uns eigentlich nicht mehr trennen kann, meine Geheimnisse können es schon. Ich fahre am besten, wenn ich einfach auf der Zugstrecke bleibe, die ich kenne. Diese Zugstrecke wird uns beide vor noch schlimmeren Schmerzen bewahren.

Ich lehne mit der Kiste in den Armen an einer Wand, die Augen geschlossen, und versuche ruhig zu atmen, um meinen Puls wieder unter Kontrolle zu bringen.

»Hey, bist du nicht Lea?«, will eine ziemlich hohe Stimme wissen.

Ich öffne die Augen und blicke in das sommersprossige Gesicht eines Mädchens mit hellroten Haaren und blasser Haut.

---ENDE DER LESEPROBE---