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In Chicagos Schatten regiert das Gesetz der Wölfe ? und der Mafia. Linnea DeLuca ist kein gewöhnliches Mädchen. Mit 17 Jahren trägt sie das Blut einer reinrassigen Werwölfin in sich ? ein Erbe, das sie nie gewollt hat. Als sie von Mason King entführt wird, dem gnadenlosen Alpha eines mächtigen Rudels und berüchtigten Mafiaboss der Stadt, glaubt sie, dem Tod geweiht zu sein. Doch Mason hat andere Pläne ? und Linnea ist der Schlüssel dazu. Er ist kalt, brutal und regiert mit eiserner Hand. Doch etwas an Linnea lässt seine Kontrolle bröckeln. Sie ist seine Gefährtin ? seine Mate. Ein Band, das stärker ist als Hass, stärker als Macht. Doch in einer Welt aus Blut, Verrat und Gesetzlosigkeit ist Liebe nicht mehr als ein gefährliches Spiel. Zwischen Mondlicht und Maschinenpistolen beginnt ein Kampf um Freiheit, Rudel und Herz ? und nur einer wird ihn überleben.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Evelyn Black
The Haunting Mate
EVELYN BLACK
The HAUNTING
MATE
Dark Romance
Dark Fantasy - Roman
Impressum
© 2025 Evelyn Black
Lektorat/Korrektorat: Lucienne Weich
Coverbild: Sabine Richling
ISBN:
Vorwort
Diese Geschichte entführt dich in eine Welt, in der Schatten mehr regieren als das Licht, und wo Macht, Gier und Leidenschaft miteinander verschmelzen. „In Chicagos Schatten regiert das Gesetz der Wölfe – und der Mafia.“ In dieser düsteren Realität, zwischen knisternder Gefahr und brennender Leidenschaft, begegnen sich Linnea DeLuca und Mason King. Doch ihre Geschichte ist nicht nur ein Spiel der Lust und der Macht – sie ist ein gefährlicher Tanz, der tief in den dunkelsten Abgründen der menschlichen Seele verwurzelt ist.
Dies ist eine Dark Fantasy und Dark Romance, die für Leser ab 18 Jahren empfohlen wird. Die Themen, die hier behandelt werden, sind intensiv und düster. Sie beinhalten Machtspiele, psychische Herausforderungen und emotionalen Schmerz, die in einer Welt ohne klare Grenzen zwischen Gut und Böse stattfinden. Hier gibt es keine idealisierten Helden, sondern Charaktere, die mit ihren eigenen Dämonen kämpfen, sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Beziehungen.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass dies eine fiktive Geschichte ist – ein dunkles Märchen, das nicht die Realität widerspiegelt. Die Welt, die hier geschaffen wird, ist eine, in der die Konsequenzen von Handlungen und Entscheidungen oft tragisch und unvorhersehbar sind.
Der romantische Aspekt der Erzählung überschreitet in vielen Momenten die Grenze zwischen Faszination und Gefahr, und die dargestellten Szenen sind explizit. Verhütung wird in der Geschichte nicht thematisiert, aber im realen Leben ist es unerlässlich, Verantwortung für die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu übernehmen. Die psychische Gesundheit steht an oberster Stelle, und es ist von entscheidender Bedeutung, sich stets der eigenen Bedürfnisse bewusst zu sein.
Sollte diese Geschichte bei dir Gefühle oder Gedanken wecken, die dich beunruhigen oder verstören, ermutige ich dich, das Buch zur Seite zu legen und dir Unterstützung zu suchen. Es ist niemals ein Zeichen von Schwäche, Hilfe zu suchen, wenn du sie brauchst. Deine psychische Gesundheit ist wichtig – und du bist nicht allein. In Deutschland kannst du dich an die Telefonseelsorge wenden: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222. Diese Nummern sind rund um die Uhr erreichbar, anonym und kostenlos.
Diese Geschichte ist nicht für jedermann. Sie ist für die Leser, die in die Schatten blicken wollen, aber dabei niemals vergessen sollten, dass es immer einen Weg zurück ins Licht gibt. Sei achtsam mit dir selbst und achte darauf, was diese Geschichte in dir auslöst. Es gibt keine falsche Entscheidung, wenn du für deine eigenen Grenzen einstehst.
Du befindest dich nun in einer Welt, in der die Gesetze der Wölfe und der Mafia herrschen, in der nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Doch denke daran: Fiktion bleibt Fiktion. Deine Realität ist es, die zählt.
Vorwort – Linnea & Mason
Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die selbst wir nicht für möglich gehalten hätten. Und doch sitzen wir hier, vereint, und öffnen für dich die Seiten eines neuen Kapitels. Bevor du tiefer in unsere Geschichte eintauchst, möchten wir dir einen Einblick geben – nicht nur in das, was geschehen ist, sondern auch in die Entscheidungen, die wir treffen mussten, um überhaupt hierher zu gelangen.
Vielleicht wirst du dich beim Lesen fragen, warum Namen verschwinden und neue entstehen, warum vertraute Stimmen auf einmal andere Silben tragen. Die Antwort darauf ist so einfach wie grausam: weil Luciano nie aufgibt. Er jagt uns mit einer Besessenheit, die an Wahnsinn grenzt. Seine Drohungen, seine Schatten, sein endloses Verlangen, uns zu zerbrechen – all das hat uns gezwungen, mehr als nur unsere Heimat hinter uns zu lassen. Wir mussten uns selbst hinter uns lassen.
Ich, Mason King, wurde in Chicago als Boss der King-Mafia gefürchtet. Doch dieser Name, so stolz er einst klingen mochte, ist nun eine Kette. Luciano kennt ihn, jagt ihn, verfolgt jeden Atemzug, der zu ihm gehört. Deshalb habe ich mir ein neues Leben geschaffen – als Miguel Corazón de Lobo, Anführer einer Familie, die in Marbella ihre Wurzeln schlägt. Neben mir steht nicht mehr Linnea, sondern Lucia Corazón de Lobo, meine Ehefrau, meine Stärke, das Herz in meiner Brust.
Und auch Brian, mein Bruder im Geist, hat seinen Namen geopfert, um uns zu schützen. Aus Brian wurde Benicio Corazón de Lobo, offiziell mein Bruder, Blut von meinem Blut in den Augen derer, die uns hier begegnen. Selbst Serilda, die uns von Beginn an begleitet hat, trägt nun den Namen Serilda Corazón de Lobo – als Schwester an unserer Seite. Nur eine blieb sich treu: Kira, die nun Kaia heißt, trägt keinen Nachnamen, weil sie frei ist und immer frei bleiben soll.
Wir haben diese Masken gewählt, weil Luciano sie uns aufzwingt. Jeder neue Name ist ein Schlag gegen seine Gier, uns zu finden, uns zu brechen. Jede Lüge über unsere Identität schenkt uns Zeit, die wir bitter nötig haben. Vielleicht nur Tage, vielleicht Wochen – doch manchmal reicht ein Atemzug länger, um das Schicksal zu wenden.
Doch während wir fliehen, verbergen wir nicht nur unsere Gesichter. Wir tragen auch Geheimnisse in uns. Und das größte dieser Geheimnisse wächst in mir – in Lucia. Unser Kind. Noch ungeboren, noch verborgen, und doch schon jetzt das Herz unserer Familie.
Die Schwangerschaft war kein leises Geschenk. Sie kam mit Müdigkeit, die mich wie Wellen überspülte, mit Übelkeit, die mir jeden Morgen raubte, und mit einem Körper, der sich veränderte, ehe mein Geist begreifen konnte, was geschah. Meine Sinne sind schärfer, mein Herz schlägt schneller, und manchmal scheint es, als spüre ich jede Bedrohung noch bevor sie geschieht. Doch diese Symptome sind nicht nur Last. Sie sind Erinnerung daran, dass wir kämpfen müssen – nicht nur für uns, sondern für dieses Kind, das in mir wächst.
Es gibt Kapitel in dieser Geschichte, die sich unserer Intimität widmen. Szenen, in denen unsere Körper zueinanderfinden, in denen Schmerz und Nähe ineinanderfließen, in denen Liebe auf die dunkelste Art ihren Ausdruck sucht. Vielleicht sind sie für manche von euch zu viel. Deshalb möchten wir dir vorab die Wahl geben, diese Seiten zu überspringen, ohne die Handlung zu verlieren.
Noch etwas möchten wir dir sagen, bevor du mit uns in Kapitel 51 eintrittst. Dieses Kapitel kam ohne Vorankündigung. Evelyn, die unsere Geschichte begleitet und lenkt, hat es geschrieben, als hätte sie selbst gespürt, dass die Zeit für einen neuen Schlag gekommen war. Ohne Warnung, ohne Vorbereitung – so, wie das Leben uns oft trifft. Vielleicht wird es dich überraschen, vielleicht erschüttern, vielleicht sogar wütend machen. Doch sei dir gewiss: es ist Teil der Wahrheit, die wir dir hier offenbaren.
Wir, Lucia und Miguel Corazón de Lobo, leben in den Schatten, weil Luciano uns dazu zwingt. Wir tragen andere Namen, weil er unseren wahren zerstören würde. Wir verstecken uns, weil wir sonst alles verlieren würden. Doch trotz all der Masken und der Dunkelheit, die uns umgibt, bleibt etwas unverändert: unser Schwur, dass niemand – nicht einmal Luciano – unser Herz brechen wird.
Vielleicht wirst du beim Lesen spüren, wie schwer unsere Schritte sind, wie viele Opfer uns dieser Weg abverlangt. Doch vergiss eines nicht: wir sind noch hier. Wir schreiben noch. Und solange unsere Stimmen dich erreichen, hat Luciano nicht gewonnen.
Also halte dich fest. Kapitel 51 wartet – und mit ihm eine Wahrheit, die wir nicht länger verschweigen können.
Mit Blut und Liebe,
Mason und Linnea
Warnung
Bevor du weiterliest, sei gewarnt: Dies ist deine letzte Chance, umzukehren. Was dich hier erwartet, ist nichts Harmloses. Du wirst mit Schmerz, Gewalt und Abgründen konfrontiert – genauso wie mit Nähe, die manchmal roh und schonungslos ist. Sexuelle Themen spielen dabei eine Rolle, nicht immer sanft, nicht immer leicht. Wenn du das aushältst, komm mit. Wenn nicht – dann schlage das Buch besser jetzt zu. Eine genaue Trigger Warnung findest du auf Seite 610.
Prolog
Linnea
Die Luft in der Bar war schwer, durchzogen von Zigarettenrauch und der bittersüßen Schärfe von verschüttetem Whiskey. Die Musik dröhnte dumpf in meinen Ohren, zu laut, zu chaotisch, als dass mein Herz sich daran hätte festhalten können. Kein Platz zum Atmen. Kein Ort, an dem die Schatten nicht nach mir griffen. Ich saß in einer Ecke, halb verborgen, und hielt mein Glas fest, als könnte der dünne Stiel mich vor dem Zerfall bewahren.
Neben mir lag Kira. Sie war mein Anker, mein ständiger Begleiter. Ihr warmes Fell berührte meinen Knöchel, eine kleine, kaum spürbare Geste – doch sie reichte, um mich nicht vollkommen ins Nichts stürzen zu lassen. Ihre Augen, dunkelbraun und wissend, beobachteten jede meiner Bewegungen, als könnte sie schon vorhersehen, wann ich an den Rand gedrängt werden würde.
Doch selbst sie konnte nicht verhindern, was geschah, als er die Bar betrat.
Mason King.
Es war, als hätte jemand den Sauerstoff aus dem Raum gezogen. Alles wurde schwerer, dichter. Sein Schritt war ruhig, kontrolliert, doch jeder Zentimeter seiner Präsenz drängte sich mir auf. Er war nicht nur ein Mann, er war ein Gewicht, ein Schatten, ein Sturm, der alles unter sich begrub. Seine Augen – Bernstein, warm und zugleich gnadenlos – fanden meine.
Mein Atem stockte.
Etwas in mir wusste sofort, dass er mich sah. Nicht nur meinen Körper, nicht nur das Glas in meiner Hand, nicht die Scherben meiner gespielten Fassade – nein, er sah mich. Er durchbohrte die Mauern, die ich um mich gebaut hatte, und legte Schicht für Schicht frei.
Ich wollte wegsehen. Ich wollte verschwinden. Doch mein Körper gehorchte mir nicht.
Kira spürte es. Ihr Kopf hob sich, die Ohren stellten sich auf. Ein leises winseln vibrierte in ihrer Kehle, sondern warnend. Sie wusste, was kam, noch bevor es mich traf.
„Alles gut“, flüsterte ich tonlos zu ihr, doch meine Stimme zitterte. Nichts war gut.
Er kam näher, sein Glas in der Hand, als wäre es nur eine Requisite in einem Spiel, dessen Regeln nur er verstand. Menschen wichen ihm aus, als hätte der Raum sich neu geordnet. Nur ich blieb, gefangen in diesem Blick.
„Du bist Linnea DeLuca“, sagte er, und seine Stimme war so tief, dass sie durch mich hindurchging. Kein Zweifel, keine Unsicherheit. Er sprach meinen Namen aus, als hätte er ihn schon immer gekannt.
Meine Finger verkrampften sich um das Glas. Das Zittern setzte ein, zuerst kaum sichtbar, dann wie ein Beben. Ich konnte nicht antworten. Meine Kehle war trocken.
Kira drückte sich fester an mein Bein, ihr Gewicht forderte mich auf, hier zu bleiben. Atme. Atme. Doch meine Brust weigerte sich, den Befehl auszuführen.
„Schau mich an“, murmelte er. Keine Drohung, keine Bitte – eher ein Befehl, sanft, aber unumstößlich.
Und das war der Moment, in dem es geschah.
Die Bar verschwamm. Geräusche wurden zu einem einzigen hohen Pfeifen. Mein Körper wurde kalt, meine Hände taub. Ich sah seine Lippen sich bewegen, doch die Worte erreichten mich nicht mehr. Stattdessen hörte ich nur meinen Herzschlag, viel zu schnell, als würde er mich zerreißen.
Ich wusste, was kam.
Die Panik.
Sie brach über mich herein wie eine Welle. Meine Sicht verengte sich, meine Finger lösten sich vom Glas, das laut klirrend auf dem Boden zerbrach. Kira sprang auf, stellte sich halb vor mich, halb neben mich, und bellte scharf. Einmal, zweimal. Ein Signal. Ihr Signal.
„Linnea?“ Masons Stimme war plötzlich näher, wärmer. Doch ich hörte sie nur durch Nebel.
Meine Hände suchten Halt, doch der Stuhl unter mir fühlte sich nicht mehr real an. Nichts fühlte sich mehr real an. Ich glitt weg – in dieses schwarze Loch, das mich verschluckte, in die Dissoziation, in die Kälte, in die Ferne.
Kira bellte erneut, diesmal schriller, und sprang dann an mir hoch. Ihre Zunge berührte mein Gesicht, nass, insistierend. Lecken, dann bellen, dann wieder lecken. Das war ihr Rhythmus, ihre Art, mich zurückzurufen. Ich spürte es, aber es drang nicht richtig durch. Ich war halb hier, halb dort, verloren zwischen Realität und Leere.
Dann spürte ich etwas anderes. Hände. Warm, stark, zögerlich. Mason.
„Linnea. Bleib bei mir.“ Seine Stimme war kein Befehl mehr, sondern ein Anker. Ich fühlte seine Hand in meinem Haar, schwer, beruhigend, streichelnd. Immer wieder. Langsam. Nicht fordernd. Einfach da.
„Du bist hier“, murmelte er. „Mit mir. Mit Kira. Atme.“
Mein Körper wollte nicht. Meine Lungen brannten. Doch Kiras Pfote legte sich auf mein Bein, und Mason fuhr mit seinen Fingern weiter durch mein Haar, immer im gleichen Rhythmus.
„Eins… zwei… drei…“ Seine Stimme zählte leise, während er mit mir atmete. Tief ein, langsam aus. „Komm zurück, Linnea.“
Tränen stiegen mir in die Augen, ohne dass ich sie spürte. Meine Brust hob sich ruckartig, als endlich ein Atemzug den Weg zurückfand. Ich zitterte, so sehr, dass ich kaum noch wusste, wo ich endete und wo Kira begann.
„Gut so“, flüsterte Mason, und ich hätte schwören können, dass da Wärme in seinem Ton lag, die ich nicht erwartet hatte. „Noch einmal. Atme.“
Kira winselte leise, legte ihren Kopf auf meinen Schoß und leckte mir erneut über die Hand.
Langsam, ganz langsam, fand ich den Weg zurück. Die Geräusche der Bar kehrten zurück, verschwommen, dumpf, aber wieder da. Ich spürte das Holz des Stuhls unter mir, die Hitze in meinen Wangen, das Gewicht von Masons Hand in meinem Haar.
„Es ist vorbei“, murmelte er, als hätte er Angst, die Worte könnten zerbrechen, wenn er sie zu laut sagte. „Du bist sicher.“
Meine Lippen bewegten sich, doch nur ein Hauch kam heraus: „Ich… konnte nicht…“
„Doch“, unterbrach er sanft. „Du hast es geschafft. Du bist hier.“
Kira stupste meine Brust mit der Schnauze, forderte mich auf, die Augen zu öffnen. Und als ich es tat, sah ich Mason vor mir – nicht mehr der unantastbare Alpha, sondern ein Mann, der mit einer Geduld bei mir kniete, die ich niemals erwartet hätte.
„Warum… hilfst du mir?“, flüsterte ich, meine Stimme brüchig.
Sein Blick wurde dunkler, aber nicht kalt. „Weil du meine Luna bist. Auch wenn du es noch nicht glaubst.“
Die Worte trafen mich tiefer, als ich ertragen konnte. Ich schloss die Augen, lehnte mich zurück gegen die Wand, während Kira dicht an mir klebte. Meine Muskeln gaben nach, erschöpft. Und ehe ich etwas erwidern konnte, überrollte mich die Müdigkeit wie eine Welle.
Die letzte Berührung, die ich spürte, war Kiras Fell an meiner Seite – und Masons Hand, die noch immer durch mein Haar strich.
Dann wurde alles schwarz.
Kapitel 1 - Schatten der Vergangenheit
Linnea
Die letzten Wochen vor meinem achtzehnten Geburtstag waren wie ein Sturm, der sich langsam zusammenbraute, immer lauter, immer bedrohlicher. Ich spürte, wie der Moment, den ich seit meiner Kindheit gefürchtet hatte, unaufhaltsam näher rückte. Meine erste Verwandlung – der Punkt, an dem ich nicht länger nur Linnea sein würde, sondern auch der Wolf in mir Besitz von meinem Körper und meiner Seele ergriff.
Die Zeichen hatten sich längst gezeigt: Geräusche waren schärfer, Gerüche überwältigender, und diese unbändige Energie in mir wollte nach draußen, wollte gestillt werden, wollte sich bewegen, rennen, schreien.
Und doch waren da immer die Schatten, die mich verfolgten. Schatten meiner Vergangenheit, die mich erdrückten, die mich daran erinnerten, dass alles, was ich war, auch gebrochen sein konnte Aber ich spürte, dass ich nicht mehr ganz so zerbrechlich war. Ich hatte gelernt, mich zu behaupten – und ich würde nicht mehr nur Opfer sein.
Mein Blick fiel auf Kira, die wie immer an meinen Füßen lag, ihre braunen Augen aufmerksam auf mich gerichtet. Der Belgische Schäferhund, der mich nicht nur begleitete, sondern mich kannte wie kein Mensch es je konnte. Sie spürte jede Anspannung, jede kleine Veränderung in meinem Atem, jedem Muskel, jedem Herzschlag. Auf ihrer Kennweste prangten die Worte „Medizinischer Assistenzhund im Einsatz“.
Sie war nie aggressiv, niemals aufdringlich – aber wachsam, unerschütterlich. Kira war mehr als ein Hund. Sie war mein Anker, mein Schutzschild gegen die Welt, die oft zu schnell drehte, meine Lebenslinie, wenn ich zu fallen drohte.
Ich erinnerte mich daran, wie sie mich das erste Mal stabilisiert hatte.
Ich war zehn Jahre alt gewesen, die Angst hatte mich fast erdrückt, die Dunkelheit meines Inneren war wie ein kaltes Meer über mir zusammengebrochen, und Kira hatte nur ihre Pfote auf meine Hand gelegt, ihren Kopf an mich gedrückt, und das Gefühl von Sicherheit durch meine Adern fließen lassen. In dieser Nacht hatte ich verstanden: Ohne sie würde ich oft verloren sein.
Aber nicht jeder verstand Kira. Meine Eltern, so sehr sie es versuchten, konnten nie fühlen, was ich fühlte. Sie sahen nur das Offensichtliche: dass ich Schwierigkeiten hatte, dass ich manchmal die Kontrolle verlor, dass ich mich in meiner eigenen Welt verlor. Aber sie konnten nicht sehen, wie tief die Angst reichte. Sie konnten nicht spüren, wie jede Berührung, jedes Geräusch, jeder Blick von außen mich in den Abgrund ziehen konnte.
Als ich elf war, hatte sich alles verändert.
Ein Ereignis, dessen Erinnerung immer noch wie ein kalter Schatten in mir lag, hatte mein Leben zersplittert. Ich wusste nicht, wie ich es je jemandem erklären sollte – und so lernte ich, zu schweigen. Die Dunkelheit wuchs, still, aber stetig, und ich lernte, mit ihr zu leben, zwischen den Schatten zu atmen und mich darin zu bewegen.
Die Schule war ein weiterer Kampf. Ich war das stille Mädchen, immer ein bisschen abseits, nie richtig zugehörig. Freundschaften waren flüchtig, Verbindungen zerbrechlich, weil niemand die Schatten sehen konnte, die ich mit mir trug. Ich lernte, meine Angst zu verstecken, mein Zittern unter Kontrolle zu halten, selbst wenn die Panik in mir tobte. Und Kira war immer an meiner Seite, immer wachsam, immer bereit, mich zurückzuholen, wenn ich zu verschwinden drohte.
Die Therapie half, aber es war ein mühsamer Weg. Anfangs fiel es mir unmöglich, über das zu sprechen, was passiert war.
Jedes Gespräch konnte mich in Dissoziationen reißen, in diesen dunklen Raum hinter meinem eigenen Geist, in dem die Vergangenheit wieder und wieder ablief. Doch mit der Zeit lernte ich, dass es möglich war, kleine Teile von mir zu öffnen, dass es möglich war, Hilfe anzunehmen. Kira half mir, in diesen Momenten nicht vollständig zu verschwinden. Sie legte ihren Kopf auf meinen Schoß, drängte sich an mich, stupste mich mit der Nase an, und langsam kehrte die Realität zurück.
Als ich siebzehn wurde, spürte ich die Verwandlung, wie sie sich unaufhaltsam näherte. Die Energie in mir wurde stärker, immer drängender, immer drängender, als würde der Wolf in mir schreien, um aus mir herauszukommen. Ich konnte kaum schlafen, konnte kaum stillsitzen. Meine Sinne waren so geschärft, dass ich jedes Flüstern der Blätter hören konnte, jeden Herzschlag im Raum. Kira war mein Leuchtturm in diesem Sturm, meine Sicherheit in der aufgewühlten See meiner Emotionen.
Doch trotz ihrer Präsenz spürte ich, wie sich die Panik in mir aufbaute. Ein leichtes Zittern begann, zuerst kaum merklich, dann stärker. Meine Atmung wurde flach, die Hände krampften sich in die Decke, und die Welt schien sich von mir zu entfernen. Ich wusste, dass eine Panikattacke nahte – eine, die mich vielleicht überrollen würde.
Kira spürte es zuerst. Sie sprang auf, ihre Muskeln angespannt, und trat neben mich. Ihre Nase streifte meinen Arm, dann stupste sie mich sanft mit der Schnauze, ihre Augen suchten meine. Es war ein stummes Zeichen, dass sie alles verstand. Dass sie da war. Dass ich nicht allein war.
„Kira…“, flüsterte ich, meine Stimme zitterte, „ich… ich weiß nicht, ob ich…“ Meine Worte brachen ab, als die Angst in mir wie eine Welle hochschoss.
Sie legte ihren Kopf auf meinen Schoß, drängte sich näher an mich. Ich konnte ihren warmen Atem spüren, ihre Präsenz, die mir ein Gefühl von Halt gab. Sie stupste mich wieder, sanft, unnachgiebig, und ich spürte, wie ein Teil von mir zurückkehrte, wie die Kontrolle langsam wieder in meinen Körper strömte.
Doch dann geschah etwas, das ich nicht erwartet hatte. Mason trat herein. Ich wusste nicht, wie lange er schon dort war, aber plötzlich war er da – diese Präsenz, so intensiv, so überwältigend, dass mein Herz stolperte. Sein Blick traf mich, und ich fühlte, wie der Boden unter mir verschwand. Die Kontrolle, die Kira mir gab, begann zu wanken.
Seine Hand berührte sanft meinen Arm, ein flüchtiger Kontakt, und ich spürte, wie sich mein Bewusstsein löste. Die Welt um mich herum wurde dumpf, wie durch Wasser gesehen. Stimmen, Geräusche, Licht – alles verschwand. Mein Herz raste, und gleichzeitig fühlte ich mich leer, als wäre ich in meinem eigenen Körper gefangen, unfähig, ihn zu bewegen.
„Linnea…“, hörte ich Masons Stimme, gedämpft, durch einen Nebel, der sich über meinen Verstand legte. „Schau mich an.“
Kira reagierte sofort. Sie drängte sich zwischen uns, stupste meinen Kopf vorsichtig nach oben, ihre Pfoten legten sich fest gegen meine Schultern. Sie scharrte sanft mit den Krallen, als wollte sie mich zurückholen. Ihre braunen Augen bohrten sich in meine, intensiv und flehend: „Bleib hier. Komm zurück.“
Ich spürte, wie ich mich gegen die Panik wehrte, gegen die Dissoziation, die mich verschluckte.
Die Welt wollte verschwinden, und doch war Kira ein Anker, der mich festhielt. Ich krallte mich an ihr Fell, spürte die Wärme, die Stärke, das unerschütterliche Vertrauen. Langsam, Millimeter für Millimeter, begann ich, in die Realität zurückzukehren.
Mason kniete sich neben mich, seine Hand ruhte sanft auf meinem Rücken. „Atme, Linnea“, flüsterte er. „Langsam… nur langsam. Ich bin hier.“ Seine Stimme war ein Fels in der Brandung, ein Anker für meine zitternden Gedanken.
Ich nickte, obwohl mein Körper noch immer zitterte. Kira drängte sich dichter an mich, stupste mich immer wieder, bis mein Atem wieder ruhiger wurde. Langsam öffnete ich die Augen und sah Masons Gesicht – ruhig, konzentriert, aber mit einem Hauch von Wärme, den ich selten bei ihm gesehen hatte.
„Du bist okay“, sagte er. „Du bist stark, stärker, als du glaubst. Und siehst du? Kira ist bei dir. Du bist nicht allein.“
Ich nickte erneut, Tränen liefen mir über die Wangen, die Mischung aus Erleichterung, Angst und Erschöpfung war überwältigend. Ich legte meinen Kopf auf Kiras Fell und spürte, wie ihre Präsenz mir Stabilität gab. Dann hob ich den Blick und traf Masons Augen. Ein stilles Verständnis lag zwischen uns, ein Band, das Worte nicht brauchten.
„Danke“, flüsterte ich. „Danke, dass du… dass ihr beide…“ Ich konnte den Satz nicht beenden, so tief saß die emotionale Welle in mir.
Mason lächelte kaum merklich. „Du hast das selbst geschafft, Linnea. Ich habe nur die Hand gehalten. Kira hat dich zurückgebracht. Du warst stark genug, um es zuzulassen.“
Ich atmete tief durch und spürte, wie sich die restliche Panik langsam auflöste. Kira legte ihren Kopf auf meinen Schoß, und ich streichelte sie, fühlte die Wärme, die Sicherheit. Dann sah ich auf und konnte wieder klarer denken. Mein Herz war noch immer aufgeregt, aber diesmal war es das Herz, das bereit war, die bevorstehende Verwandlung anzunehmen, nicht mehr das Herz, das vor Angst floh.
Die kommenden Wochen würden nicht leichter werden. Die Verwandlung würde kommen, unaufhaltsam, und sie würde alles verändern. Aber ich wusste, dass ich es nicht alleine durchstehen musste. Kira würde mich begleiten, und Mason würde da sein, wenn auch auf seine stille, unnachgiebige Art. Ich konnte mich vorbereiten, lernen, wachsen. Ich konnte mich der Angst stellen und sie kontrollieren, anstatt von ihr kontrolliert zu werden.
Und für den ersten Moment seit langer Zeit fühlte ich etwas, das ich fast vergessen hatte: Hoffnung.
Kapitel 2 - Feuer im Blut
Linnea
Die Nacht war schwarz wie Pech, und doch schien sie von innen heraus zu brennen. Der Wald, der mir sonst ein Stück Heimat bedeutete, war heute eine Falle. Meine Lungen brannten, während ich zwischen den Stämmen hindurchjagte, die Arme schützend vor dem Gesicht. Hinter mir knackten Äste, das Wüten des Feuers fraß sich wie eine lebendige Bestie durch die Dunkelheit.
Der Rauch brannte in meinen Augen, Tränen liefen mir übers Gesicht, doch ich konnte nicht anhalten. Nicht jetzt. Nicht hier.
Kira war dicht hinter mir, ihre Flanken bebten, ihr Atem ging stoßweise, doch sie hielt Schritt. Ihr braunes, langes Fell war von Asche gezeichnet, die bernsteinfarbenen Augen blitzten entschlossen. Auf ihrer Kenndecke stand in klaren Buchstaben: „Medizinischer Assistenzhund im Einsatz“. Sie war nie aggressiv, immer ruhig, aber wachsam – spürte meine Panik, meine Angst, noch bevor ich sie selbst bemerkte. Immer wieder stupste sie mich sanft mit der Nase an, erinnerte mich daran, weiterzulaufen, nicht aufzugeben.
Doch das Dröhnen hinter uns wurde lauter. Kai. Mein Alpha. Der Mann, der mir beigebracht hatte, dass Macht nichts mit Schutz, sondern alles mit Grausamkeit zu tun hatte. Ich war elf Jahre alt gewesen, als er mir die Unschuld nahm – nicht nur meinen Körper, sondern auch den Glauben an das Gute. Heute, nach Jahren des Schweigens, wagte ich es zu fliehen. Und er würde mich dafür bestrafen.
„LINNEA!“ Seine Stimme schnitt durch den Rauch wie ein Messer. Rau, tief, voller Hass. „Du kannst nicht entkommen. Du gehörst mir!“
Die Worte ließen meine Beine schneller werden, auch wenn jeder Schritt wehtat. Ich wusste, dass er mich jagen würde, bis ich nicht mehr konnte. Der Geruch von Benzin lag schwer in der Luft, noch bevor die Flammen an den Bäumen emporleckten. Ich hörte das Fauchen des Feuers, das Zischen, wenn Harz in den Stämmen aufplatzte.
Ich stolperte, prallte gegen eine Wurzel, fing mich wieder. Die Panik kroch hoch, fraß sich in meine Kehle, während das Feuer näherkam. Die Hitze schlug gegen meine Haut, der Rauch brannte in meinen Lungen.
Dann spürte ich Kiras Präsenz. Sie legte ihren Kopf kurz auf meinen Rücken, drückte sich warm und beruhigend an mich, ihre Augen fest auf mich gerichtet. Ein leises, aber bestimmtes Knurren vibrierte in ihrer Brust – eine Warnung. Ich atmete tief durch, sammelte mich. Sie war hier. Sie ließ mich nicht allein.
Und dann hörte ich ein anderes Geräusch. Tief, kehlig, urtümlich. Ein Heulen, so mächtig, dass der Boden unter meinen Füßen vibrierte. Ein Schauer lief mir den Rücken hinab. Es war kein Heulen meines Rudels. Es war etwas Dunkleres.
Meilen entfernt riss Mason den Kopf hoch. Sein Körper spannte sich, als er den Schmerz spürte – nicht seinen eigenen, sondern den von mir. Sein Wolf, die dunkle Bestie unter seiner Haut, bäumte sich auf.
„Brian.“ Seine Stimme war nur ein Knurren, tief und vibrierend. „Sie ist in Gefahr. Ich spüre es.“„Wo?“„Im Norden. Der Wald. Rauch.“ Masons bernsteinfarbene Augen glühten im schwachen Licht. „Wir gehen. Jetzt.“
Ohne ein weiteres Wort ließen beide die Kontrolle los. Knochen knackten, Muskeln dehnten sich, Körper verschoben sich in Sekunden. Ein schwarzer Wolf, groß wie ein Albtraum, sprang in die Dunkelheit. Neben ihm landete ein braun-silberner Timberwolf, schlank, kraftvoll, die blauen Augen wie Eissplitter im Rauch. Sie rannten – zwei Schatten, lautlos, tödlich, getrieben von einer Macht, die größer war als jeder Befehl.
Ich stolperte durch den Rauch, meine Beine schwer, mein Herz kurz vor dem Explodieren. Kira bellte, tief und warnend, als Kai plötzlich vor mir auftauchte. Er war schneller gewesen, hatte mich abgefangen. Sein Körper war hoch aufgerichtet, sein Gesicht verzerrt vor Zorn.
„Du dummes kleines Ding.“ Seine Finger krallten sich um meinen Arm, grob, schmerzhaft. „Glaubtest du wirklich, du könntest vor mir fliehen? Du bist mein. Immer gewesen.“
Ich riss mich los, doch er packte mich wieder, schlug mich gegen einen Baumstamm. Ein erstickter Laut entrang mir, Panik überrollte mich, die Flammen spiegelten sich in seinen kalten Augen.
„Heute wirst du lernen, dass niemand meinem Rudel entkommt.“
Sein Griff wurde fester, die Hitze bedrängender. Ich konnte kaum atmen, kaum denken. Dann – ein Grollen. Tief. Bedrohlich. Aus der Dunkelheit.
Kai erstarrte, drehte den Kopf. Und dann explodierte die Welt.
Aus den Flammen sprangen sie – zwei Bestien. Ein Wolf so schwarz wie die Nacht selbst, die Augen goldglühend, voller Zorn. Neben ihm der braun-silberne Timberwolf, dessen Fell im Feuer wie Stahl schimmerte. Sie landeten mit solcher Wucht, dass der Boden bebte.
Kai stieß einen Fluch aus, riss mich zur Seite, doch zu spät. Der schwarze Wolf war bereits über ihm. Zähne fletschten, Krallen bohrten sich in den Boden, ein Brüllen erschütterte die Nacht.
Ich fiel, mein Kopf schlug auf, Schmerz durchzuckte meinen Schädel. Kira war sofort bei mir, legte sich schützend neben mich. Ihr Körper presste sich warm und beruhigend an meinen, ihre bernsteinfarbenen Augen fest auf mich gerichtet, während mein Bewusstsein flackerte.
Bevor die Dunkelheit mich verschluckte, sah ich, wie der Kampf begann. Mason war wie ein Schatten, geschmeidig, tödlich. Er warf sich auf Kai, prallte gegen ihn, Zähne trafen auf Fell, Blut spritzte auf den Boden. Brian hielt sich am Rand, bereit einzugreifen. Kira blieb ruhig, wagte keinen Angriff – ihre Aufgabe war klar: mich schützen, mich stabilisieren, mich durch die Panik führen.
Ein Knurren, so tief, dass der Wald selbst erzitterte, grollte aus Masons Brust. Kai schnappte nach seiner Kehle, doch Mason wich aus, riss ihn am Nacken zu Boden. Fell flog, Blut tränkte die Erde. Kai brüllte, bäumte sich auf, warf Mason von sich. Sie prallten gegeneinander, rollten über den Boden, Flammen leckten um sie herum.
Schließlich packte Mason ihn, riss ihn mit einer Gewalt zu Boden, die keine Flucht mehr zuließ. Seine Zähne schlossen sich um Kais Kehle. Ein letzter, verzweifelter Aufschrei. Dann Stille. Blut sickerte in den Boden, während Kais Körper schlaff wurde.
Die Dunkelheit umfing mich vollends. Der letzte Blick, bevor alles schwarz wurde, war der von Kira, ruhig neben mir, während der schwarze Wolf sich zu mir drehte. Bernsteinfarbene Augen, brennend vor Macht, aber auch … etwas anderes. Etwas, das ich nicht benennen konnte.
Dann hob er mich hoch, als sei ich federleicht. Seine Wärme drang durch den Rauch, seine Stärke umfing mich. Ich fiel in die Bewusstlosigkeit, während Kira uns leise, treu, ruhig folgte.
Kapitel 3 -Zwischen Blut und
Heilung
Linnea
Dunkelheit.
Ein Pochen an meinem Hinterkopf, dumpf und unerbittlich, war das Erste, was mich daran erinnerte, dass ich überhaupt noch existierte. Jeder Herzschlag trieb den Schmerz tiefer in meinen Schädel, bis er wie ein Mahlstrom durch meinen ganzen Körper pulsierte.
Ich wollte die Augen öffnen, aber meine Lider klebten, schwer wie Blei. Meine Muskeln fühlten sich an, als wären sie nicht mehr Teil von mir. Stattdessen drang die Welt nur bruchstückhaft an mich heran: Stimmen, tief und fremd, Schritte auf hartem Boden, das dumpfe Knarren einer Tür.
Und ein Geruch. Stark, erdig, männlich. Wolfsgeruch. Nicht Kai. Das allein ließ mein Herz stolpern. Nicht Kai. Aber was, wenn schlimmer?
Ich wagte es nicht, mich zu regen. Ich hing in einem Zustand zwischen Traum und Bewusstsein, halb getragen von etwas
Warmen, Festem, das meinen Körper sicher hielt. Arme, breit, stark, die mich trugen, als wöge ich nichts. Ein fremdes Herz schlug unter meinem Ohr, kraftvoll, gleichmäßig. Zu nah, viel zu nah.
Dann spürte ich Kira. Ein leises Atmen, vertraut und beruhigend, doch gleichzeitig aufmerksam. Sie legte ihre Pfote sanft auf mein Bein, stupste mich vorsichtig an und bellte einmal kurz, kaum hörbar – ein Signal, dass sie die Veränderung in mir spürte, die Panik, die Dunkelheit, die mir drohte. Ihr braunes Fell glänzte schwach im Dämmerlicht des Raums, die Kenndecke mit der Aufschrift „Medizinischer Assistenzhund im Einsatz“ schützend um ihre Schultern.
„Bereite mein Zimmer vor,“ grollte die Stimme über mir. Tief, heiser, wie von Feuer geschwärzt. Ein Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.„Sofort, Boss,“ antwortete jemand anderes.
Boss. Rudel. Mafia. Das Wort ließ kalte Wellen durch meine Glieder schießen. Hatte ich die Flammen nur überlebt, um direkt in neue Fesseln zu geraten?
Als ich das nächste Mal erwachte, lag ich auf etwas Weichem. Ein Bett, groß, stabil, doch die Decke war schwer, erdrückend fast, aus dunklem Stoff, glatt unter meinen Fingern. Der Raum roch nach Rauch, nach Eisen, nach etwas Unverwechselbarem: nach Macht.
Langsam wanderten meine Augen durch den Raum. Dunkles Holz, schwere Möbel, ein Kamin, der noch schwach glomm. An den Wänden Bücher, Waffen, Andenken, die nicht von Schönheit, sondern von Herrschaft erzählten.
Nur ein Anker war vertraut: Kira. Sie lag direkt neben dem Bett, die Vorderpfoten ausgestreckt, den Kopf erhoben. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren fest auf mich gerichtet, jede Regung in meinem Körper las sie, jedes Zittern, jede aufkommende Panik. Ein leises, forderndes Bellen, kaum hörbar, ließ mich sofort aufmerken – genau in dem Moment, in dem der Schwindel in mir gefährlich zunahm. Ich klammerte mich instinktiv an ihr Fell, fand Halt in ihrer Ruhe.
Die Tür öffnete sich. Kein Mann diesmal, sondern eine Frau. Ihre Haare waren zu einem festen Zopf gebunden, das Gesicht gezeichnet von Jahren der Erfahrung. In den Händen hielt sie eine Schale, aus der ein beißender Duft aufstieg: Kräuter, bitter und stechend.
Sie stellte sich an mein Bett und musterte mich, als wäre ich ein Tier, das sie einschätzen musste. „Bleib liegen,“ befahl sie, die Stimme tief, fast knurrend.
Etwas in mir rebellierte. Meine Lippen öffneten sich zu einem Laut, roh, unwillig – ein Brummen, so instinktiv wie das Knurren eines Wolfs. Kira bellte erneut, ein kurzer, warnender Laut, der mir half, meine aufsteigende Angst zu ordnen. Sie stupste mich beruhigend, aber bestimmt, und zeigte mir so, dass ich die Kontrolle behalten konnte.
Die Frau zog nur eine Augenbraue hoch. „Verletzte Wölfin oder nicht – du folgst besser, wenn du überleben willst.“
Meine Finger verkrampften sich in Kiras Fell. Meine Muskeln wollten aufspringen, fliehen, doch mein Körper war zu schwer, der Schwindel zu stark. Alles in mir schrie, dass ich dieser Frau nicht vertrauen durfte – und doch zwang mich die Schwäche, stillzuliegen.
Sie rieb einige Blätter zwischen den Fingern, der Duft wurde schärfer, fast brennend. Minze, Beifuß, Rauch, Erde. Er wirkte wie ein Schlag, der die Dunkelheit in meinem Kopf zerriss.
„Atme,“ befahl sie. Ich gehorchte, stockend. Ein. Aus. Ein. Aus. Kira stupste erneut meine Hand, presste ihren Kopf kurz gegen meinen Arm, beruhigte mich. Ich klammerte mich an ihr Fell, spürte die Sicherheit in ihrem Körper. „Wo bin ich?“ Meine Stimme war rau, kaum mehr als ein Flüstern. „Im King-Rudel.“ Ihre Antwort kam ohne Umschweife. „Mason hat dich hergebracht.“
Mason. Der Name ließ meinen Magen zusammenkrampfen. Das Bild flackerte sofort vor meinem inneren Auge auf: ein schwarzer Wolf, die Augen wie Bernstein, der Kai in den Flammen niederriss. Ich biss die Zähne zusammen. „Ich will nicht hier sein.“
Die Frau legte den Kopf leicht schief. Kein Mitleid, kein Zorn – nur Wissen. „Manchmal wählt das Schicksal Wege, die wir nicht wollen, Mädchen. Doch sie führen dich dorthin, wo du gebraucht wirst.“
Mein Herz stockte. Sie kannte meinen Namen. Woher?
Noch ehe ich fragen konnte, öffnete sich die Tür erneut. Mason trat ein. Groß, breitschultrig, mit einem Blick, der so schwer auf mir lastete, dass ich kaum zu atmen wagte. Die bernsteinfarbenen Augen fixierten mich, als könnten sie alles sehen. Alles, was ich war, alles, was ich zu verbergen versuchte.
Meine Brust hob sich schneller, Panik drohte mich zu zerreißen. Kira reagierte sofort: Ein kurzes, kontrolliertes Bellen, eine Pfote auf meinem Knie, ein sanftes Drücken gegen meine Schulter. Sie markierte genau den Moment, in dem die Angst überhandnahm, half mir, die Dunkelheit nicht völlig einzulassen.
„Wach,“ sagte Mason, keine Frage, eine Feststellung.Die Heilerin nickte. „Aber sie braucht Ruhe.“Kiras sanftes Knurren vibrierte in meiner Nähe, ein Anker, der mir half, in der Kontrolle zu bleiben.
„Sie bleibt hier.“ Masons Ton war endgültig, unumstößlich. „Sorgt dafür, dass sie zu Kräften kommt.“ Die Heilerin neigte leicht den Kopf. Kira legte sich ruhig wieder neben mich, die Augen immer auf mich gerichtet.
Und ich? Ich lag da, gefangen zwischen Angst und einer Macht, die mich verwirrte. Nicht mehr in Kais Gewalt, aber sicher? Nein. Sicher war ich hier nicht.
Kapitel 4 – Zwischen Schatten und Zähnen
Linnea
Das Knurren kam instinktiv. Tief, kehlig, kaum mehr als ein Laut – und doch so voller Warnung, dass selbst Kira, die treu neben meinem Bett lag, den Kopf hob. Ihre Ohren richteten sich auf, ein kurzes, warnendes Knurren entwischte ihr, fast wie ein Echo meines eigenen Wolfs. Sie legte die Vorderpfoten leicht auf meine Decke, presste sich an mich und gab mir so Halt, als wollte sie sagen: Ich bin hier. Ich beschütze dich. Mason blieb stehen.
Er hatte sich kaum einen Schritt in meine Richtung bewegt, da hatte mein Körper schon reagiert. Nicht mein Verstand, nicht meine Logik – nein, es war der Wolf in mir, der die Zähne zeigte, als wollte er ihm in die Kehle fahren.
„Interessant,“ murmelte Mason, als hätte er etwas entdeckt, das ihn amüsierte. Seine Augen glühten bernsteinfarben im Halbdunkel, der Schatten seines Körpers füllte den Raum. „Selbst halb bewusstlos knurrst du wie eine Wölfin, die ihr Revier verteidigt.“
Ich presste die Lippen zusammen, atmete schwer. Meine Kehle vibrierte, ein tiefes Brummen, das nicht aufhören wollte. Jede Faser in mir sagte: Halte ihn fern. Lass ihn nicht näherkommen.
Kira legte beruhigend den Kopf auf meine Decke, ihre Augen auf Mason gerichtet. Doch sie spannte sich an, jederzeit bereit, einzugreifen, wenn er nur einen Schritt zu viel machte. Sie stupste mich vorsichtig mit der Nase an, ein sanftes Warnsignal, um mich zu beruhigen und gleichzeitig wachsam zu halten.
„Ich werde dir nichts tun,“ sagte Mason schließlich, die Stimme ruhig, kontrolliert. „Du bist in Sicherheit.“
Sicherheit. Das Wort klang aus seinem Mund wie eine Drohung. Ich lachte bitter auf, ein Laut, der mir selbst fremd klang. „Sicherheit? In den Händen eines Fremden? Eines Bosses?“
Seine Miene zuckte kaum merklich, als hätte ich eine Nadel in seine Haut gestoßen. Dann aber glitt ein Schatten von Geduld über sein Gesicht.
„Ja,“ antwortete er schlicht. „Sicherheit.“
Ich knurrte erneut. Nicht so laut wie zuvor, aber bestimmt. Meine Finger verkrampften sich in Kiras Fell. „Geh weg.“
Stille. Nur das Knistern des Feuers im Kamin, mein Herzschlag, der wie Trommeln in meinen Ohren donnerte – und Kira, die mich mit jeder Regung beobachtete, bereit, mich zu verteidigen. Sie stupste erneut meine Hand, als wollte sie sagen: Du musst nicht alles alleine tragen.
Dann, langsam, als wollte er mir beweisen, dass er keine Bedrohung war, senkte Mason sich auf die Knie. Ein Mann wie er – ein Alpha, ein Boss – kniete sich hin. Seine Augen waren jetzt auf meiner Höhe, das Licht des Feuers spiegelte sich darin, ließ sie wie flüssiges Gold wirken.
„Dein Wolf knurrt, weil er Angst hat,“ sagte er leise. „Aber er irrt. Ich bin nicht dein Feind, Linnea.“
Mein Herz stolperte bei dem Klang meines Namens auf seinen Lippen. Wie er ihn sprach – weich, fast … vertraut. Ich schüttelte den Kopf, kämpfte gegen den Sog, der mich in seinen Blick zog. „Alle Alphas sind Feinde.“
Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. Für einen Moment wurde sein Blick dunkler, härter – als hätte ich eine Wahrheit ausgesprochen, die ihn traf. Dann zwang er sich zu Ruhe.
„Vielleicht,“ gab er zu. „Aber nicht ich.“
Mein Knurren wurde tiefer. Ich wollte nicht hören, was er sagte. Ich wollte nicht glauben, dass es eine Ausnahme geben könnte. Jeder Alpha, den ich gekannt hatte, hatte mich gebrochen. Warum sollte er anders sein?
„Deine Worte bedeuten nichts,“ fauchte ich, die Stimme rau vor unterdrücktem Zittern. „Zeig mir Distanz, dann vielleicht … höre ich dir zu.“
Kira schob sanft ihre Schnauze gegen meine Hand, presste sich an mich, als wollte sie unterstreichen: Du entscheidest. Ich bin hier.
Mason hielt meinen Blick noch einen Moment, dann richtete er sich langsam auf. Seine Bewegungen waren ruhig, kontrolliert, jede Geste bedacht. Er drehte sich zur Tür, legte die Hand an den Rahmen – und sah noch einmal über die Schulter.
„Du wirst mich hassen,“ sagte er, „aber irgendwann wirst du verstehen, dass dieses Band zwischen uns keine Lüge ist.“
Meine Kehle schnürte sich zu. Band. Ich wollte das Wort nicht hören, wollte nicht, dass es in meinem Kopf Wurzeln schlug.„Verschwinde,“ flüsterte ich.
Er nickte kaum merklich – und ging. Die Tür schloss sich hinter ihm, leise, aber endgültig.
Ich sank zurück ins Kissen, das Herz raste, der Körper bebte. Kira rückte näher, legte ihren Kopf auf meine Brust. Ihre Wärme war der einzige Halt, den ich noch hatte. Sie stupste mich ab und zu, leckte sanft über meine Hand, während ich langsam wieder Atem fand. Ihre Präsenz war wie ein Schutzschild, das mich auffing, wenn die Angst zu groß wurde.
Die nächsten Tage vergingen wie ein schmaler Grat zwischen Nähe und Abwehr. Mason kam – immer wieder. Nicht aggressiv, nicht mit Gewalt. Aber er kam.
Er brachte Essen. Ich knurrte. Er fragte nach meinem Befinden. Ich knurrte. Er wollte mir Wasser hinstellen. Ich knurrte.
Und jedes Mal blieb er ruhig. Kein Funken von Wut, kein Drohen. Nur dieser Blick, der mir tiefer ging, als mir lieb war.
„Eines Tages wirst du aufhören, mich wie einen Feind anzusehen,“ sagte er einmal, als er mir eine Schale hinstellte, die ich sofort wegstieß. „Und an diesem Tag wirst du wissen, dass dein Wolf nie gelogen hat. Er hat dich nur geschützt, bis du bereit bist.“
Kira legte sich dicht an meine Seite, stupste mich beruhigend mit der Nase gegen die Hand, als wollte sie sagen: Hör auf deinen Instinkt. Alles andere ist noch zu früh.
Doch nicht nur zwischen uns wuchs Spannung. Auch im Rudel selbst lag Unruhe in der Luft. Flüstern durchzog die Flure, Kämpfe brachen aus, die Heilerin sprach von alten Geistern, die nicht schweigen wollten. Immer wieder fiel ein Name: Lota.
Ich verstand wenig davon. Aber ich verstand eines: Dieses Rudel war nicht so stabil, wie Mason es nach außen zeigte. Und ich war ein Fremdkörper darin. Eine Fremde, die sich weigerte, zu vertrauen.
Eines Abends, als der Mond hoch am Himmel stand, kam Mason wieder. Er setzte sich diesmal nicht nah, sondern blieb am Kamin stehen. Sein Blick ruhte auf den Flammen, nicht auf mir.
„Dein Knurren ist wie ein Dolch,“ sagte er nach einer Weile. „Es trifft tiefer, als du ahnst.“
Ich schwieg, mein Körper spannte sich an. Kira hob den Kopf, lauschte, als wollte sie die Luft selbst abtasten, jede Bewegung, jedes Flüstern. Sie legte sich schließlich wieder neben mich, drückte leicht ihre Pfote gegen mein Bein – ein beruhigendes Signal.
„Aber ich werde warten,“ fuhr Mason fort. „So lange es dauert. Denn ich weiß, was du bist. Wer du bist.“
Er sah mich an, und in seinen Augen loderte etwas, das ich nicht deuten konnte – Feuer, Schmerz, Begehren, alles zugleich.
Mein Knurren kam wieder, automatisch. Doch diesmal vibrierte es schwächer, unsicherer. Kira stupste mich sanft, leckte über meine Hand. Du darfst vorsichtig sein. Aber du bist nicht allein.
Und Mason lächelte. Kein Lächeln der Freude – eher eines des Wissens. „Du kannst knurren, Linnea,“ sagte er leise. „Solange du willst. Aber eines Tages wird dein Wolf die Wahrheit erkennen.“
Die Flammen warfen Schatten über sein Gesicht, und in diesem Moment wusste ich: Das Spiel hatte gerade erst begonnen.
Kapitel 5 – Blutige Hierarchie
Der Hof des Rudels war erfüllt von Spannung. Schweigen lag wie ein Gewicht auf den Wölfen, jeder Atemzug so schwer, dass er beinahe in den Nebel des Abends schnitt. Kein Rascheln, kein Wispern, nur das Knistern der Fackeln, die in den eisernen Halterungen brannten.
Alle Augen waren auf den Kreis gerichtet.Ein leerer Ring aus Erde und Staub, umrahmt von den Reihen der Rudelmitglieder. Hier wurden Rangkämpfe entschieden – hier wurde festgelegt, wer herrschte und wer fiel.
Zwei Gestalten standen sich gegenüber.
Luciano Flies, der alte Beta unter Kai, hochgewachsen, breit gebaut, das Fell seines Timberwolfs schimmerte in braun-silbernen Tönen. Seine Augen waren ein eisiges Blau, so kalt, dass sie jede Wärme im Blick des Gegenübers fraßen. Er war ein Kämpfer, seit Jahren erprobt, hart wie Stahl, und er wusste es.
Ihm gegenüber Ludo, die Omega-Wölfin. Kleinere Statur, aber durchzogen von Narben, die von unzähligen Kämpfen sprachen. Ihre Augen glühten in einem fiebrigen Gelb, der Ausdruck wild, fast verzweifelt. In ihrem Inneren brannte der Hunger nach Macht, der Wunsch, sich aus der Rolle der Gejagten zu befreien und an die Spitze des Rudels zu treten.
„Sie wagt es,“ murmelte ein Wolf aus den Reihen. „Eine Omega gegen einen Beta …“
„Wahnsinn,“ zischte ein anderer. „Sie wird sterben.“
Doch Ludo ließ sich von den Stimmen nicht beirren. Sie trat in den Kreis, die Hände zu Fäusten geballt, der Körper angespannt wie eine Sehne. Luciano folgte ihr, jede seiner Bewegungen flüssig, berechnend.
Der Alpha, Mason, war nicht anwesend – er kümmerte sich um Linnea. Doch das Rudel wusste: Dieses Duell würde bestimmen, wer die Leere in der Rangordnung füllte, die Kai hinterlassen hatte.
Ein alter Ruf hallte durch die Reihen.„Beginnt!“
Beide ließen los.
Die Verwandlung zerriss Knochen und Muskeln, ließ Fell sprießen, Krallen in den Boden graben. Ludo schrie auf, während ihr Körper sich krümmte, die Gelben Augen nun im wolfsähnlichen Schädel glühten. Ihr Fell war schwarz gesträhnt, düster wie Schatten, die sich in Bewegung verwandelten.
Luciano dagegen verwandelte sich mit einer Ruhe, die Furcht erweckte. Sein Wolf erhob sich, riesig, braun-silbern, Muskeln wogten unter dem Fell, die Schultern so breit wie ein Rammbock. Ein Knurren vibrierte durch die Nacht – tief, drohend, dass eines Jägers, der wusste, dass die Beute längst verloren war.
Ludo sprang zuerst.
Sie war schnell, schneller als erwartet. Ein schwarzer Blitz, der sich auf Luciano warf, die Zähne aufblitzten, scharf wie Dolche. Doch er wich aus, drehte sich im letzten Moment, rammte seine Schulter gegen ihre Seite.
Sie jaulte auf, prallte gegen den Boden, sprang aber sofort wieder hoch. Blut tropfte aus ihrem Maul, doch sie fletschte die Zähne und knurrte, als sei sie bereit, ihr Leben in diesem Kreis zu lassen.
„Kämpf, als ob es der letzte Atemzug ist,“ murmelte einer der Wölfe in den Reihen.
Luciano stürmte vor. Seine Pranken wirbelten Staub auf, sein Gewicht ließ den Boden beben. Er packte Ludo im Nacken, schüttelte sie wie eine Puppe. Fell riss, Blut spritzte. Doch sie wehrte sich – trat mit den Hinterläufen, kratzte, biss, bohrte ihre Zähne in seine Flanke.
Ein wütendes Knurren grollte aus seiner Kehle. Er schleuderte sie gegen den Boden, so hart, dass die Erde bebte. Staub wirbelte auf, die Menge schrie auf.
Doch Ludo stand wieder. Wankend, das Maul voller Blut, die Rippen gebrochen – aber sie stand. Ihr Blick war gehetzt, aber wild. Ein Omega, der nicht mehr fliehen wollte.
Sie griff erneut an, diesmal niedriger, direkter. Ihre Zähne fanden seine Kehle, verfehlten sie nur um Haaresbreite. Luciano riss den Kopf hoch, schüttelte sie ab, sein Maul schnappte nach ihrem Ohr. Knack. Ein Stück riss weg, Blut spritzte auf die Erde.
Die Menge tobte. Heulen, Schreie, knurrende Stimmen. Der Kreis bebte vor Energie.
Ludo taumelte zurück. Ihr Körper zitterte, das Fell zerfetzt, eine Seite ihres Gesichts blutüberströmt. Aber ihre Augen – ihre Augen loderten. Sie weigerte sich, aufzugeben.
„Sie wird sterben,“ flüsterte jemand.
Doch Ludo sprang noch einmal.
Sie war nicht elegant. Nicht berechnend. Sie war Verzweiflung pur. Jeder Sprung, jeder Biss war ein Schrei nach Freiheit, ein Schrei, endlich gesehen zu werden.
Luciano traf sie frontal.
Zwei Körper prallten aufeinander, ein Knall wie Donner. Sie rollten durch den Staub, Fell und Blut vermischten sich, Krallen rissen Furchen in die Erde.
Und dann – Stille.
Luciano stand über ihr. Sein Maul war an ihrer Kehle, die Zähne so tief in ihrem Fell, dass nur ein Atemzug fehlte, um ihr Leben zu beenden.
Die Menge hielt den Atem an.
Ludo lag unter ihm. Keuchend, zitternd, das Blut rann in Strömen, ihre Augen noch immer voller Feuer. Doch sie bewegte sich nicht mehr.
Luciano hielt inne.
Er knurrte tief, als wollte er ihr und dem ganzen Rudel zeigen: Ich könnte. Jederzeit.
Doch er biss nicht zu. Er löste sich, trat zurück, ließ sie liegen.
Ein Aufschrei ging durch die Menge – Verwunderung, Erleichterung, manche knurrten vor Unzufriedenheit. Doch die Hierarchie war entschieden.
Luciano hatte gewonnen. Ludo hatte verloren – und überlebt nur, weil er es so wollte. Sie röchelte, versuchte, sich aufzurichten. Ihr Körper war gebrochen, aber nicht tot. Blut klebte in ihrem Fell, ihr Blick war verschwommen, doch der Funken in ihren Augen brannte noch.
„Er hat sie verschont,“ murmelte ein Wolf. „Warum?“
„Vielleicht Strafe genug,“ meinte ein anderer.
Luciano erhob den Kopf, sein Blick wanderte durch die Menge. Die blauen Augen blitzten kalt, unnahbar, ungebrochen. Kein Triumph, kein Stolz – nur das Wissen, dass seine Stellung gesichert war.
Die Rudelmitglieder senkten die Köpfe. Ein neuer Rang war festgelegt.
Und irgendwo, tief in der Dunkelheit, wusste jeder:Ludo hatte verloren – aber sie war nicht gebrochen. Noch nicht.
