The Pact - Karina Halle - E-Book
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The Pact E-Book

Karina Halle

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Beschreibung

Wenn ihr Verlangen siegt, könnte ihre Freundschaft scheitern …

Linden McGregor ist ein schottischer Bad Boy, der weiß, wie man Frauen erobert. Und seit einiger Zeit schon denkt er an nichts anderes als an seine beste Freundin Stephanie. Doch sie zu verführen wäre unmöglich.

Stephanie Robson ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau und sie weiß, dass Linden tabu ist. Auch wenn sie nicht leugnen kann, dass sie ihn will. Die beiden müssen sich nun entscheiden: Wollen sie ihrem Verlangen nachgeben, auch wenn ihre Freundschaft dabei auf dem Spiel steht?

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KARINA HALLE

The Pact

VERSPRICH MIR NICHTS …

ROMAN

Aus dem Amerikanischen

von Hanne Hammer

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe The Pact erschien bei CreateSpace Independent Publishing Platform
Copyright © 2015 by Karina Halle Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Catherine Beck Covergestaltung: UNO Werbeagentur, München, unter Verwendung eines Umschlags von Hang Le Coverabbildung: © iStockphoto/AleksandarNakic, Grafissimo Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach ISBN: 978-3-641-22707-4V002www.heyne.de

ZUMBUCH

Linden McGregor ist ein schottischer Bad Boy, der weiß, wie man Frauen erobert. Und seit einiger Zeit schon denkt er an nichts anderes als an seine beste Freundin Stephanie. Doch sie zu verführen wäre unmöglich.

Stephanie Robinson ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau und sie weiß, dass Linden tabu ist. Auch wenn sie nicht leugnen kann, dass sie ihn will. Die beiden müssen sich nun entscheiden: Wollen sie ihrem Verlangen nachgeben, auch wenn ihre Freundschaft dabei auf dem Spiel steht?

ZUM AUTOR

Karina Halle war Reise- und Musikjournalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Mittlerweile ist sie eine erfolgreiche Self-Publisherin und New York Times-Bestsellerautorin. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann und ihrem Hund auf einer Insel vor der Küste Britisch-Kolumbiens. The Pact ist ihr erster Roman bei Heyne.

Für meinen Mann Scott,

der meine Dreißiger zum reinsten Abenteuer gemacht hat – weiter so!

Prolog

»Also, willst du mich heiraten?«

Ich bin so damit beschäftigt, was mit meinem Date heute Abend schiefgelaufen ist, dass ich kaum höre, was Linden sagt. Und das will was heißen, denn normalerweise höre ich ihm gebannt zu, egal, was los ist. Ich schätze, das Abendessen mit Mr. Arschgesicht war einfach zu viel für mich. Ich meine, welcher Typ trägt schon eine Ascotkrawatte und popelt sich in der Nase, während er dir gegenübersitzt?

»Steph«, wiederholt er mit seinem leichten schottischen Akzent, und ich reiße die Augen endlich von den Blasen in meinem Bier los und sehe ihn an. Manchmal frage ich mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, jemand anderen anzusehen, so verdammt attraktiv, wie er ist.

Außerdem ist er mein bester Freund. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich gerade gefragt hat, ob ich ihn heiraten will.

»Was?«, frage ich, um mich zu versichern, dass ich richtig gehört habe.

Er lächelt mich an. Ich wünschte, er täte das nicht. Manchmal schnürt mir sein Lächeln die Luft ab. Das ist keine Übertreibung. Es ist unschön und heftig, und plötzlich wünschte ich, es wäre nicht so, weil ich, verdammt noch mal, gern atme.

»Ich habe dich gefragt, ob du mich heiraten willst?«, fragt er, und mir wird klar, dass ich möglicherweise ein extrem wichtiges Gespräch nicht mitbekommen habe. Außerdem, Linden … Hochzeit … das passt nicht wirklich zusammen.

»Uaa«, sage ich und verfluche die Hitze, die mir in die Wangen steigt. »Heiraten? Dich?«

Er zuckt die Schultern und trinkt auf seine nonchalante Art einen Schluck Bier. In der Bar ist es zu dieser Zeit sehr ruhig, bis auf die Musik, Faith No More’s aggressives King for aDay, das James immer auflegt, wenn der Abend vorbei ist und er will, dass die Gäste gehen.

James Dupres, der Besitzer des Burgundy Lion, mein Ex und Lindens bester Freund, werkelt herum, wischt die Tische ab und wirft der Vierergruppe in der Ecke passiv-aggressive Blicke zu. Es sind die einzigen anderen, die zehn Minuten vor Feierabend noch in der Bar sind.

»Ja, mich«, sagt Linden schließlich so beiläufig, als würden wir überlegen, welche Filme wir uns dieses Wochenende reinziehen wollen. »Ich meine nur, so ganz allgemein.«

Ich starre ihn ein paar Sekunden lang an. Er sieht selbstbewusst aus wie immer und fährt sich mit den Fingern durch den Bart, während er zurückstarrt. Linden und ich stehen uns nah – so nah, wie man das in einer platonischen Mann-Frau-Freundschaft nur kann. Trotzdem haben wir über solche Themen nie gesprochen. Über unsere beschissenen Dates, ja. Aber über Heirat und die Zukunft und das, was wir wirklich vom Leben wollen? Nein.

»Damit ich das richtig verstehe«, sage ich, finde aber nicht die passenden Worte. Ich atme tief durch. »Du fragst mich, ob ich dich heiraten will?«

Er seufzt und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, ein muskulöser Unterarm hängt über der Lehne, während seine Finger mit den Enden meiner gerade tiefschwarz gefärbten Haare spielen.

»Baby Blue«, redet er mich mit meinem ganz persönlichen Spitznamen an, der daher rührt, dass ich bei unserer ersten Begegnung blaue Haare hatte, blau wie die karibische See. »Erzähl mir noch mal von deinem Date.«

Ich sehe ihn an. »Lieber nicht, Cowboy.« Mein Spitzname für ihn, weil er das kantige Aussehen und die gefurchten Brauen des jungen Clint Eastwood hat. Außerdem kann er manchmal ein chauvinistisches Arschloch sein, so wie die meisten stereotypen Revolverhelden.

»Okay. Und ich lasse mich auch lieber nicht darüber aus, warum meine letzten fünf Dates damit geendet haben, dass ich mir unter der Dusche einen runtergeholt habe.«

Biiiiiiiiiiitte erspar mir die Vorstellung, wie du dir unter der Dusche einen runterholst, denke ich, oder das hier wird sehr schnell sehr unanständig. Zumindest in meinem Kopf. Andererseits geht es in meinem Kopf normalerweise ohnehin unanständig zu. Wie auf einer Pinterest-Seite mit heißen, fast nackten Männern, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.

»Und«, redet er weiter und zwingt meine Aufmerksamkeit von den unanständigen Bildern zurück zu seinen Worten, »fragst du dich nicht langsam, ob das irgendwann einfacher wird? Du bist attraktiv, clever, ich bin attraktiv, clever …«, er hält inne und lächelt vor sich hin, »ganz offensichtlich. Wir werden dieses Jahr fünfundzwanzig … was, wenn das immer so weitergeht? Der ganze Scheiß, der nie zu irgendwas führt?«

Ich ziehe eine Braue hoch, weiß nicht genau, wie ich mit dieser Seite von ihm umgehen soll. Macht er sich über mich lustig, oder meint er das ernst? Er hat immer dieses unverschämte Grinsen, egal, was für einen Scheiß er dir gerade erzählt, und er hat mich schon mehr als einmal auf den Arm genommen.

»Na ja, ich ziehe die Vorstellung vor, dass sich mein Leben vielversprechender entwickelt«, sage ich.

Er lächelt und nickt. »Das sollte es auch. Das sollte es wirklich. Ich meine, sieh dich an.«

Mich ansehen?, denke ich und frage mich, was er genau sieht.

»Aber was ist, wenn auf diesem Planeten nur gottverdammte Idioten herumlaufen? Was ist dann …« Seine Stimme verliert sich, und er sieht sich in der Bar um, bevor er sich zu mir hinbeugt, und erst da blicke ich direkt in seine dunkelblauen Augen und sehe, dass er betrunken ist. »Wir passen gut zusammen. Du weißt, dass das total hinhaut.«

Ich weiß nicht, was ich denken soll. »Du bist betrunken, Linden.«

»Ich bin ein Mann mit einem Plan.«

»Seit wann gehört Heiraten zu deinen Lebensplänen?«

Er zuckt die Schultern und fährt sich mit der Hand durch das dicke mahagonibraune Haar. »Du magst meine beste Freundin sein, Baby Blue, aber du weißt nicht alles über mich.«

»Offensichtlich.«

Sein Mund verzieht sich zu einem leichten Lächeln. »Aber wenn wir erst verheiratet sind, haben wir viel Zeit, uns kennenzulernen. Und für Sex.«

Okay, jetzt ist mir klar, dass er das Ganze nicht wirklich ernst meint, so wie die meisten Dinge im Leben. »Und was ist, wenn ich nicht heiraten will?«, führe ich an und verbanne das Bild, wie wir heißen, verschwitzten Sex haben, aus meinem Kopf. »Wann habe ich jemals von Heirat oder Kindern geschwärmt?«

»Nie«, räumt er ein. »Aber das heißt nicht, dass du nicht darüber nachdenkst. Warum triffst du dich sonst mit diesen Typen?«

»Weil ich gern flachgelegt werde.«

Er lacht. »Noch ein Grund, aus dem wir perfekt zusammenpassen.«

Ich schürze die Lippen und sehe ihn an. Ich glaube, ich brauche noch einen Drink.

Linden liest meine Gedanken. Er rutscht vom Barhocker und geht hinter die Theke. James sieht nicht hin, und selbst wenn er es täte, würde er nichts sagen. Linden und ich waren einundzwanzig und James dreiundzwanzig, als wir beide bei ihm im Burgundy Lion angefangen haben zu arbeiten. Linden und ich haben uns irgendwann größeren und vielversprechenderen Projekten zugewandt, während James die Bar schließlich gekauft hat. Irgendwie gehören wir immer noch dazu – ich glaube, James hat uns noch nie auch nur einen Drink in Rechnung gestellt.

Linden nimmt zwei Flaschen Anchor Steam aus dem Kühlschrank und schiebt sie mir hin. In San Francisco herrscht die jährliche Hitzewelle, und Linden hat die Ärmel seines zerknitterten grauen Hemds hochgekrempelt und stellt seine muskulösen, gebräunten Unterarme und die Charles-Bukowski-Zitate zur Schau, die auf die Innenseiten tätowiert sind. Er trägt khakifarbene, knielange Shorts, die seinen straffen Hintern betonen. An den Füßen hat er die ausgetretenen schwarzen Keds, die er wohl besitzt, seit wir uns kennen. Aber sie stehen ihm.

Falls es falsch ist, seinen besten Freund gelegentlich anzugaffen, tue ich gern das Falsche.

»Also, was sagst du?«, fragt er, als er sich wieder neben mich setzt. »Wie wäre es, wenn wir heiraten, falls wir, sagen wir, mit dreißig immer noch Single sind?«

»Meinst du das wirklich ernst?«

»Jepp.« Er nickt und schubst das Bier in meine Richtung. »Trink aus, dann sagst du vielleicht ja. Ich muss schon sagen, du versetzt meinem Ego gerade einen Schlag.«

»Das ist nicht das Schlechteste«, sage ich. Linden McGregor ist lustig, nett, clever, attraktiv und ehrgeizig. Er hat einen BA in Betriebswirtschaft und einen Hubschrauber-Pilotenschein. Er ist ein heißer Typ, den sich jedes Mädchen liebend gern schnappen würde.

Aber er ist auch egoistisch, großspurig, arrogant und ein Aufreißer. Es ist schwer, ein anderes Gefühl als Intensität aus ihm herauszulocken – er hat diese Art, dich zu betrachten, das Leben zu betrachten, als wollte er dich lebendig aufspießen. Er lebt sein Leben als Egoist, kann sich im einen Moment für etwas oder jemanden leidenschaftlich begeistern und im nächsten wieder total gleichgültig sein. Er ist ein komplizierter Typ, und es ist mir eine Ehre, ihn zu meinen Freunden zu zählen.

Aber eine Ehe – verdammt, eine Beziehung – ist, wenn es um ihn geht, eine ganz andere Sache, und keine, auf die ich mich einlassen möchte. Ja, ich finde ihn umwerfend, ja, wie er mich ansieht, verursacht mir manchmal ein Kribbeln im Bauch. Und ja, ich habe oft daran gedacht, mit ihm zu schlafen.

Ich meine, öfter, als ich sollte.

Aber diese Art von Vereinbarung – ihn zu heiraten – würde nicht funktionieren.

Glücklicherweise weiß ich, dass Linden nur Spaß macht.

Ich trinke einen großen Schluck Bier, lasse ihn kurz schmoren, bohre meinen Daumen in diesen blauen Fleck in seinem Ego, bevor ich nicke und sage: »Gut.«

»Meinst du das ernst?«

»Ich schätze ja.«

Er lächelt breit genug, damit sich diese geheimen Grübchen zeigen. »Du hast mich zu einem sehr glücklichen Mann gemacht, Stephanie Robson.«

Ich verdrehe die Augen. »Das werden wir sehen. Mit etwas Glück sind wir beide in festen Beziehungen, bis wir dreißig sind, und ich muss den Gedanken, mich für den Rest meines Lebens um deine Wäsche zu kümmern, nicht mal denken.«

»Oder um mich«, fügt er mit einem Zwinkern hinzu, das bei mir nur ein weiteres Augenrollen provoziert. »Wir besiegeln das mit einem Schwur. Gekreuzte Finger. Du weißt, dass ich solche Schwüre nicht breche.«

Und das stimmt, das tut er nicht. Vielleicht ist ihm das Ganze ernster, als ich gedacht habe.

Ich schlucke und strecke meinen kleinen Finger aus. Er hakt schnell seinen darum, seine Haut ist warm und die Berührung sanft.

»Wenn keiner von uns in einer ernsthaften Beziehung ist, wenn wir dreißig sind, stimmen wir zu, einander zu heiraten«, sagt er und sieht mir so ernst in die Augen, dass ich den Atem anhalte. »Einverstanden?«

Ich finde meine Stimme wieder. »Einverstanden.«

Dann zieht er meine Hand zu seinem Mund und pflanzt einen Kuss darauf. Noch mehr Luft wird meiner Lunge entzogen.

»Ich glaube, ich habe gerade den besten Reserveplan meines Lebens gemacht«, sagt er, seine Lippen bewegen sich auf meiner Haut, bevor er meine Hand loslässt, nach seinem Bier greift und mit mir anstößt. »Auf uns.«

Ich forme die Worte, aber sie kommen mir nicht über die Lippen.

»Verdammt, sie haben eine Ewigkeit gebraucht, um zu gehen«, sagt James, als er zu uns herüberkommt. »Wie oft muss ich ›wir schließen jetzt‹ sagen, bevor sie es verstehen?«

»Vielleicht solltest du anfangen, ein Gewehr zu ziehen«, sagt Linden. »Oder noch besser, du fängst an zu singen.«

»Halt die Klappe«, sagt James. »Dass ich mich einmal als Backgroundsänger versucht habe, werde ich wohl nie mehr los.«

Linden und James waren zusammen in einer lokalen Band, Linden hat gesungen und die Leadgitarre gespielt und James den Bass, doch obwohl sie gut waren, waren sie nicht gut genug, um Erfolg zu haben. In San Francisco gibt es eine ziemlich konkurrenzfähige Indie-Szene.

»Du wirst es nicht glauben«, sagt Linden mit funkelnden Augen.

»Ist das so?«, fragt James und seufzt, als er hinter die Bar tritt, um die Theke zum wer weiß wievielten Mal abzuwischen.

»Steph und ich werden heiraten«, sagt er strahlend.

James hält inne und sieht zu mir hoch, um den Wahrheitsgehalt von Lindens Worten einzuschätzen.

»Es ist wahr«, sage ich, obwohl es nicht überzeugend klingt.

»Was?«, fragt er. Jetzt sieht er uns beide an. Ich möchte glauben, dass er gerade nicht leicht verletzt die Brauen hochzieht, aber ich bin mir nicht sicher. Manchmal vergesse ich, dass wir mal zusammen waren, was irgendwie lächerlich ist. Schon wenige Tage nachdem ich angefangen hatte, im Burgundy Lion zu arbeiten, sind James und ich uns nähergekommen und waren schließlich ein Jahr zusammen. Linden war sein bester Freund, so habe ich ihn besser kennengelernt.

Unsere Trennung war einvernehmlich, da wir noch immer gute Freunde sind, doch um genau zu sein, habe ich mit ihm Schluss gemacht, und obwohl er sich so verhalten hat, als wäre es gegenseitig, habe ich mich immer gefragt, ob ich ihn mehr verletzt habe, als ich dachte.

»Du weißt, dass ich meine Reservepläne liebe«, fährt Linden fort. »Also haben wir einen Pakt geschlossen. Wenn niemand von uns in einer ernsthaften Beziehung ist, wenn wir dreißig sind, heiraten wir.«

James sieht uns kurz an, bevor er sich eine Strähne seines struppigen schwarzen Haars hinters Ohr schiebt. »Das ist die blödeste Idee, von der ich je gehört habe.«

Linden hebt das Kinn. »Komm, sei nicht eifersüchtig, Mann.«

James schnaubt. »Ich bin nicht eifersüchtig. Ihr beide verheiratet? Die wählerischste Frau der Welt mit der größten männlichen Hure auf dieser Erde? Nun gut, viel Spaß damit.«

»Hei«, sage ich empört, »ich bin nicht so wählerisch.«

Aber Linden nimmt es ihm nicht übel. »Oh, den werden wir haben. Warum machst du nicht einen Sekt auf, um mit uns zu feiern?«

James sieht ihn ostentativ an. »Bezahlst du den?«

Er zuckt die Schultern. »Sieh ihn als dein Vorverlobungsgeschenk an.«

James seufzt tief, als würde die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern ruhen, gibt aber nach. Er gibt Linden immer nach. »Gut«, sagt er und holt eine Flasche Schaumwein aus dem Kühlschrank. Mit einem Plopp geht sie auf, und er gießt den Sekt in Henkelgläser von Ball Mason.

Wir stoßen noch mal auf den Pakt an, bevor wir uns unserer normalen Unterhaltung über Bands, Filme, TV-Shows und Hockey zuwenden (James und Linden sind große Fans der San Jose Sharks).

Ich nippe an meinem Drink und komme nicht umhin, ein wenig erleichtert zu sein. In fünf Jahren könnten die ganze Partnersuche und der ganze Krampf vorbei sein. In fünf Jahren besteht die winzige Möglichkeit, dass ich meinen besten Freund heirate.

Ich frage mich, ob fünf Jahre lange genug sind, um meine Meinung zu ändern.

Kapitel 1

Stephanie

Die Sonne scheint durch mein Schlafzimmerfenster und betont die dunklen Haare auf den Armen und Beinen des Mannes neben mir. Ich mag Haare an einem Mann, doch gestern Abend in der Bar hat er nicht ganz so wie ein Gorilla ausgesehen. Andererseits war ich ziemlich betrunken. Ich glaube, ich habe getanzt, bis der Affenmann mich gepackt hat und seine Küsse mich das Tanzen haben vergessen lassen.

Ich stöhne und rolle von ihm weg. Er bewegt sich nicht einen Millimeter, und ich habe Schwierigkeiten, mich an seinen Namen zu erinnern. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wir Sex hatten, bis mein Blick auf ein weggeworfenes Kondom fällt, das zwischen Bett und Abfalleimer liegt. Eklig. Verantwortungsvoll, aber eklig.

Wir haben gestern Abend in der Tiki Lounge unten in der Stadt meinen Geburtstag gefeiert, was nicht nur meinen One-Night-Stand und die hämmernden Kopfschmerzen erklärt, sondern auch die Blumenketten, die über den Ecken meines Betts hängen. Ich spüre eine gewisse Enttäuschung – ich hatte das neue Lebensjahr mit ein paar neuen Regeln beginnen wollen (also an den Wochenenden nicht mehr so viel trinken und mit irgendwelchen Typen im Bett landen), doch wie es aussieht, ist mein erster Tag mit sechsundzwanzig ein totaler Misserfolg.

Langsam steige ich aus dem Bett, schnappe mir ein Schlafshirt aus der Schublade, schlüpfe hinein und ziehe noch einen Morgenrock darüber. Der behaarte Typ schläft unbeirrt weiter, und für einen Moment fürchte ich, dass er tot sein könnte, bevor ich sehe, wie sich sein Rücken hebt und senkt.

Im Bad inspiziere ich mich im Spiegel. Ich weiß, dass ich für jeden anderen wahrscheinlich noch genauso aussehe wie letzte Woche, doch etwas in mir hat sich verändert. Mein Gesicht hat noch immer einen goldenen Schimmer vom Sommer, ist aber ein wenig aufgedunsen und verquollen, meine Augen sind blau und rund, mit kleinen Fältchen in den Winkeln. Die Haare habe ich mir vor Kurzem zu einem gepflegten dunkelroten Bob schneiden lassen, doch jetzt wirken sie fettig und schlapp. Aber vor allem sehe ich müde aus. Und das nicht, weil ich den größten Teil der Nacht damit verbracht habe, Mai Tais zu trinken, mich betrunken an meine Freunde zu lehnen und mit seltsamen Typen zu tanzen, sondern weil ich müde bin.

Ich bin es so verdammt leid, auf ein Ziel hinzuarbeiten und nie wirklich irgendwo anzukommen. Ich dachte, mit sechsundzwanzig hätte ich meinen Scheiß endlich geregelt, aber ich habe das Gefühl, erst den halben Weg hinter mich gebracht zu haben.

Mit sechsundzwanzig hatte ich in meiner eigenen Wohnung wohnen wollen, doch ich teile mir noch immer eine mit Kayla. Seien wir ehrlich, San Francisco ist obszön teuer, und ohne den zweiten Teil meines Plans kann ich es mir nicht leisten, allein zu wohnen.

Zum zweiten Teil meines Plans gehört, dass ich meinen Job als Geschäftsführerin der All Saints Boutique unten in der Stadt gekündigt, mich endlich selbstständig gemacht und meine eigene Boutique eröffnet habe.

Was nicht der Fall ist. Genau genommen war ich nie weiter von meinem Traum entfernt. Ich habe Angst, den Sprung zu wagen – für die Miete aufzukommen, einen Mietvertrag zu unterschreiben und für meine Einkäufe, mein Marketing, meine Werbung und die Einstellung etwaiger Mitarbeiter selbst verantwortlich zu sein. Obwohl ein eigener Laden immer mein Traum war, kommt es mir immer beängstigender vor, ihn zu verwirklichen, je älter ich werde. Aus Tagträumen werden Dollarsymbole und Millionen von Möglichkeiten, einen Misserfolg hinzulegen und noch dafür bezahlen zu müssen.

Ich will keinen Misserfolg erleiden. Aber ich kann auch nicht immer so weitermachen.

Ich bin in der Küche und koche mir einen großen Pott Kaffee, obwohl ich in meinem verkaterten Zustand weiß, dass ich nur eine Tasse schaffen werde, als mein Handy klingelt. Ich melde mich leise und beim ersten Klingeln, damit es den schlummernden Affen nicht weckt.

»Hi, alte Dame«, höre ich Lindens charmanten Akzent. »Wie geht es dir heute Morgen?«

»Grauenvoll«, sage ich, obwohl ich lächle. »Ich fühle mich wie ein Stück Scheiße.«

»Das habe ich mir gedacht«, sagt er. »Wo wir gerade von Scheiße sprechen, wer zum Teufel war der Typ, mit dem du gestern Abend zusammen warst?«

Ich seufze, stütze die Stirn in die Hand und beuge mich über die Arbeitsplatte. »Ich wünschte, ich wüsste es. Im Moment liegt er in meinem Bett und schläft, als hätte ich ihn verdammt noch mal unter Drogen gesetzt.«

Eine Pause entsteht, bevor Linden sagt: »Was ist mit ›nicht mehr mit irgendwelchen zufälligen Typen schlafen‹ und mit ›mit sechsundzwanzig bin ich ein ganz neuer Mensch‹?«

»Aha, und was hast du gestern Abend gemacht? Soweit ich mich erinnere, hattest du den halben Abend deine Zunge tief im Mund von irgendeiner Tussi.«

»Zunge im Mund, Schwanz in der Muschi, das kommt auf eins raus«, sagt er, während ich einen ostentativen Missfallenslaut von mir gebe. Die Wahrheit ist, dass aus seinem Mund alles sexy klingt. Verbuchen wir es unter schottischem Slang oder was auch immer. »Außerdem habe ich an meinen Geburtstagen nie so bescheuerte Vorsätze gefasst wie du.«

Das stimmt, doch andererseits hat Linden in seinem Leben auch nie etwas ändern müssen. Er hat jetzt seinen Hubschrauberpilotenschein und steht bei einer lokalen Chartergesellschaft unter Vertrag. Seine Eltern sind hohe Tiere und reich, und ich weiß, dass sie ihm die Wohnung in Russian Hill gekauft haben, in der er allein lebt, und er hat nie gesagt, dass es für ihn ein Problem darstellt, mit irgendwelchen Mädchen zu schlafen. In Wirklichkeit scheint es ein Problem für ihn zu sein, nicht mit irgendwelchen Mädchen zu schlafen.

»Egal«, sagt er, »hast du Lust auf Frühstück? Brunch? Mittagessen?«

»Klar«, sage ich, während ich überschlage, wie lange ich brauche. »Ich kann in einer halben Stunde fertig sein, ich bin nur nicht sicher, wie schnell ich diesen Typen loswerde.«

»Überlass das mir«, sagt Linden, dann legt er auf.

Oh, Scheiße. Mir schwant, was Linden vorhat. Es wäre nicht das erste Mal, dass er sich irgendwas Teuflisches ausdenkt.

Ich gehe zum Schlafzimmer und werfe einen Blick hinein. Der Typ schläft noch immer, wobei er leise schnarcht. Ich schnappe mir eine schwarze Jeans und ein langes, bedrucktes T-Shirt und gehe ins Bad. Als ich aus der Dusche trete, nehme ich mein nasses Haar zu einem Knoten hoch und lege ein wenig Make-up auf. Ich fühle mich immer noch furchtbar, aber zumindest haben meine Wangen und Lippen jetzt etwas Farbe.

Als ich aus dem Bad komme, bin ich überrascht, den Typen in Boxershorts am Fenster stehen und hinausblicken zu sehen. Er dreht sich um und lächelt mich erstaunt an. Er ist süß, das muss ich ihm lassen, aber nicht süß genug, damit ich mir wünsche, dass er bleibt.

»Hey«, sagt er. »Eine großartige Aussicht hast du hier.« Er zeigt zum Fenster.

Ich runzle die Stirn. Durch mein Fenster blickt man auf ein primitives mexikanisches Restaurant und ein rostiges Fahrrad, das für immer an einen Strommast angekettet zu sein scheint.

»Äh, danke«, sage ich in dem vollen Bewusstsein, dass ich seinen Namen nicht weiß.

»Du warst toll letzte Nacht«, meint er mit einem eifrigen Lächeln und kommt einen Schritt auf mich zu.

»Das absolute Chaos«, sage ich und trete einen Schritt zurück.

»Der absolut heiße Fick«, korrigiert er.

Charmant.

»Wie wäre es mit einer weiteren Runde?«, fragt er und will nach meiner Hand greifen.

Oh, verdammt, nein.

»Liebling, ich bin wieder da«, höre ich Lindens Stimme und stoße einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus. Der Typ runzelt verwirrt die Stirn, als die Tür zu meinem Schlafzimmer aufgeht und Linden auftaucht.

»Wow, wer ist denn das?«, fragt Linden lächelnd, während er den Typen von oben bis unten mustert. Seine große Gestalt, der breite Brustkorb und die breiten Schultern sprengen den Türrahmen, als er sich dagegenlehnt, wobei er in seinem schwarzen T-Shirt und der dunklen Jeans lässig, aber total männlich wirkt. Wie üblich trägt er seine Keds.

Ich sehe den Typen an, warte, dass er seinen Namen nennt, da ich es nicht kann.

»Ich bin Drake«, sagt er und sieht zwischen uns hin und her. Er hat Angst. Dass Linden sehr viel größer ist als er, macht die Sache für ihn nicht besser.

»Drake«, wiederholt Linden, bevor er sich zu mir umdreht. »Okay, bist du mit ihm fertig? Bin ich jetzt dran?«

»Was?«, stammelt Drake, während ihn offenbar die nackte Angst erfasst.

»Also«, meint Linden und verschränkt die Arme, »hör zu, Steph und ich haben dieses Ding am Laufen, dass wir teilen. Erst ist sie dran und dann ich. Du hast doch nichts dagegen, oder?«

Der Typ wird puterrot und stammelt: »Oh, oh, ich glaube, ich sollte jetzt gehen.«

Linden hebt die Hände. »Nein, nein, bleib. Ein flotter Dreier ist auch in Ordnung, falls das einfacher für dich ist. Solange es dir nichts ausmacht, wenn du unten bist.«

Jetzt greift Drake nach seiner Jeans und zieht sie sich hastig an. Er sucht noch nicht mal nach seinem T-Shirt, so panisch ist er.

»Linden«, warne ich ihn, und Linden lacht und tritt zur Seite, als Drake an ihm vorbei in die Diele stürmt. Ich höre ihn nach seinen Schuhen greifen und dann, wie die Wohnungstür hinter ihm zufällt.

»Unverschämt«, sagt Linden. »Der Wichser hat nicht mal danke gesagt.«

Ich verdrehe die Augen. »Du weißt schon, dass ich ihn auch allein losgeworden wäre.«

»Klar, aber das hätte nicht halb so viel Spaß gemacht.«

Das Lustige ist, dass Linden kaum mehr tun muss, als aufzutauchen, um die Männer in meinem Leben in die Flucht zu schlagen. Viele der Typen, mit denen ich zusammen war, hatten ein großes Problem damit, dass Linden mein Freund ist. Sie konnten einfach nicht verstehen, wie wir uns so nahestehen können, ohne je was miteinander gehabt zu haben.

Ich kann es auch nicht wirklich erklären, außer dass ich vorher mit James zusammen war. Obwohl ich mit Linden zusammengearbeitet habe, habe ich ihn erst durch James richtig kennengelernt, und wenn du jemanden als den besten Freund deines Freunds kennengelernt hast, bleibt er für dich auch der beste Freund. Selbst jetzt, wo James und ich schon so lange nicht mehr zusammen sind, wäre es falsch, mich mit Linden einzulassen.

Und natürlich ist er auch mein bester Freund, und ich denke nicht auf diese Art an ihn. Ich schaue gelegentlich mal hin, das schon.

»Also, wohin?«, frage ich ihn, als ich meine Handtasche gegriffen und Drakes T-Shirt in den Müll geworfen habe.

»Ist dir nach einem Flug mit dem Hubschrauber?«

Ich lege den Kopf schief, sein Vorschlag überrumpelt mich. »Dann rufen wir James an? Denn wenn wir das nicht tun, wird er ernsthaft verletzt sein.« James beklagt sich immer, dass Linden noch nicht mit ihm geflogen ist. Er ist auch noch nicht mit mir geflogen, aber es kommt mir nicht richtig vor, James nicht mitzunehmen. Wir sind die drei Amigos, obwohl es sich in der letzten Zeit eher so angefühlt hat, als wären wir nur noch zwei.

»Er arbeitet, Baby Blue«, sagt er leichthin. »Du weißt, dass er das immer tut. Wir werden nur zu zweit sein.«

Ich wünschte, ich könnte das Flattern meines Herzens ignorieren. Ich räuspere mich. »Okay.«

Eine Stunde später sind wir in Marin County, von wo aus Linden fliegt. Leider können wir nicht starten. So kurzfristig ist kein Hubschrauber verfügbar, sodass wir schließlich in einer Strandbar in Sausalito landen. Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen enttäuscht bin, Linden nicht in Aktion zu sehen, aber ich bin glücklich, in großartiger Gesellschaft an einer Bloody Mary zu nippen und eine tolle Aussicht zu genießen.

»Wenn wir erst verheiratet sind, fliege ich mit dir, wann immer du willst«, sagt Linden, nachdem wir eine Weile dagesessen und beobachtet haben, wie die Wellen an den Strand spülen, die Skyline der Stadt im Hintergrund.

Ich muss einfach lächeln. »Oh, es bleibt also dabei, dass wir heiraten?«

»Der dreißigste Geburtstag ist schneller da, als du denkst.«

Ich sehe ihn an. »Hey, ich bin gerade sechsundzwanzig geworden. Mach mal halblang.«

Er zuckt die Schultern. »Ich wollte dich nur daran erinnern. Ein Pakt ist ein Pakt.«

»Richtig«, sage ich und trinke einen großen Schluck von meiner Bloody Mary. Ich wünschte, mein restliches Leben würde einem solchen Pakt folgen. Ich sehe ihn von der Seite an. »Du würdest jederzeit mit mir fliegen?«

»Natürlich«, sagt er. »Du wärst meine Frau. Und du würdest die Extras mit Sicherheit lieben.«

»Die Extras?«

»Einen Quicky im Cockpit. Einen Blowjob während des Flugs. Das ist nicht zu übertreffen.«

»Sag mir nicht, dass du das ausprobiert hast«, sage ich und zucke bei dem Gedanken, dass er sich von irgendeiner Tussi oben in der Luft einen blasen lässt, zusammen.

Er greift über den Tisch nach meiner Hand und tätschelt sie. »Du wirst die Erste sein.«

»Du bist so romantisch«, entgegne ich trocken, woraufhin er lacht.

Ein weiteres Jahr vergeht.

Kapitel 2

Ich glaube, ich bin in Owen Geary verliebt.

Um genau zu sein, weiß ich, dass ich in Owen Geary verliebt bin. Allein die Erwähnung seines Namens bringt mein Blut in Wallung, und mir dreht sich der Kopf.

Siebenundzwanzig wird das beste Jahr meines Lebens.

Es ist Mitte Oktober, und San Francisco erlebt gerade eine weitere Hitzewelle. Ich trage schwarze Ledershorts zur Arbeit bei All Saints und versuche, die kleinen Anzeichen von Cellulitis zu ignorieren, die sich im falschen Licht an meinen Oberschenkeln zeigen. Ich bin noch keine dreißig, das Leben ist noch großartig. Dass mir meine eigene verdammte Haut den Krieg erklärt hat, kann ich wegstecken.

Manchmal frage ich mich, ob ich Vegetarierin werden, mehr Kohl und Nüsse und weniger Cupcakes essen und fruchtige Cocktails trinken sollte. Gestern, als ich siebenundzwanzig geworden bin, habe ich mich ernsthaft entschlossen, von jetzt an Nachtcremes und Seren und aufwendige Sonnenschutzcremes zu benutzen. Mein Vater mag durch sein mediterranes Erbe eine dunklere Haut haben, aber ich weiß, dass ich über diesen Bonus nicht verfüge.

Außerdem habe ich beschlossen, mit Yoga anzufangen und für Marathons zu trainieren. Der San-Francisco-Marathon war vor ein paar Wochen, und die ganzen fitten, schlanken jungen Frauen sind mühelos durch den Golden Gate Park gelaufen und die Stufen zu den Twin Peaks hochgesprintet. Bisher konnte ich eine ruhige Kugel schieben, ohne auch nur ein einziges Gewicht zu stemmen, doch jetzt beginnt mein Körper, an Oberschenkeln, Bauch und Möpsen Fett anzusetzen. Mit größeren Möpsen kann ich leben, doch ich habe das Gefühl, wenn ich nicht bald was tue, verwandele ich mich in einen Klops. Einen Klops mit großen Möpsen.

Ein Teil von mir möchte einfach so weitermachen wie bisher. Aber das kann ich nicht. Ich habe Ziele. Klar, ich bin immer noch Geschäftsführerin bei All Saints, doch mein eigener Laden scheint in Reichweite gerückt zu sein. Und mein Liebesleben ist endlich da angekommen, wo es sein sollte.

Natürlich gibt es Dinge an Owen, die nicht perfekt sind. Er ist Steuerberater in einer großen Firma im Stadtzentrum, also äußerst erfolgreich, aber er arbeitet lange und hat nicht diese Träumer-Mentalität. Er ist auf diese adrette »Amerikanischer Junge«-Art attraktiv, und das ist großartig, obwohl seine Ohren ein bisschen groß und spitz geraten sind. Und er redet gern über Golf, wobei es mir lieber wäre, er würde über Hockey reden.

Trotz allem ist es schwer, einen Fehler an ihm zu finden. Ich meine, einen anderen Fehler. Außerdem ist er ganz gut im Bett, und wir haben viel, über das wir reden können. Vor allem ist er verlässlich, und Verlässlichkeit ist das, was ich im Moment brauche, besonders, da der Rest meines Lebens irgendwie in der Schwebe ist.

Meine Eltern haben sich getrennt und lassen sich möglicherweise scheiden, ein weiterer Schlag im letzten Jahr und eine totale Überraschung. Scheidung war für mich immer etwas, das die Familien meiner Freunde in der Grundschule auseinandergerissen hat und noch Auswirkungen bis in die Highschool hatte. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es noch nach den stürmischen Jahren der Pubertät passieren könnte. Und doch hat mein Vater plötzlich, oder zumindest kommt es mir plötzlich vor, beschlossen, dass er nicht mehr mit meiner Mutter zusammen sein will. Er hat seinen Kram gepackt und ist nach Oklahoma gezogen.

Ich weiß immer noch nicht, warum. Meine Mum weiß es auch nicht, wenigstens sagt sie das. Ich habe sie gefragt, ob Dad sich in jemand anderen verliebt hat, ich habe meinen Dad gefragt, ob er jemand anderen gefunden hat, doch die Antwort ist immer die gleiche: Es geht um Veränderung. Er brauchte eine Veränderung.

Ich verstehe nur einfach nicht, wie man fünfunddreißig Jahre mit jemandem verheiratet sein und plötzlich eine Veränderung brauchen kann. Warum nach fünfunddreißig Jahren? Warum nicht nach dreißig? Nach zwanzig? Nach allem, was meine Familie mit meinem Bruder Nate durchgemacht hat, nach den vielen Jahren, in denen wir damit zurechtkommen und weitermachen mussten … warum jetzt?

Nun verbringe ich meine Wochenenden schuldbewusst mit meiner Mutter in Petaluma. Mein Vater ruft nur selten an oder schickt eine Mail. Vielleicht fühlt er sich auch schuldig. Ich finde es schrecklich zu sehen, wie traurig meine Mum ist, wie leer das Haus ist, wie sehr das Leben seinen Reiz für sie verloren hat.

Vielleicht will ich deshalb so sehr, dass Owen und ich uns verstehen – um ihr zu zeigen, dass ich jemanden habe und dass es funktioniert, selbst wenn es das bei ihr nicht getan hat. Die verlässlichen Männer, das sind die, die bleiben und die man heiratet. Nicht die Playboys. Nicht die Träumer. Nicht jemand wie mein Vater, wie es scheint.

Außerdem ist es egal, was sie denkt. Ich liebe Owen Geary.

Seit ich vor ein paar Monaten mit ihm zusammengekommen bin, habe ich James und Linden weniger und meine Freundin Nicola Price öfter gesehen. Ich bin mit Nicola zur Grundschule gegangen. Damals waren wir nicht befreundet, doch dann haben wir uns auf der Kunstakademie wiedergetroffen, wo wir beide ein Jahr Mode-Marketing studiert haben. Owen mag Nicola, James und Linden mag er nicht. James wohl, weil er mein Ex-Freund ist, und Linden, weil er mir zu nahesteht. Und weil er Linden ist.

Doch endlich, endlich, habe ich einen Grund, Dinnerpläne mit ihnen zu machen, denn ich habe Geburtstag. Ich bringe meine Schicht hinter mich – heute sind es nur vier Stunden. Die meiste Zeit ordne ich die Klamotten an den Ständern und erledige ein wenig Papierkram –, bevor ich auf direktem Weg nach Hause eile und froh bin, dass ich das Auto und nicht den Bus genommen habe.

Owen ist bereits in meiner Wohnung und schenkt sich einen Wodka pur ein. Ich weiß nicht, warum er ihn so trinkt – Wodka pur ist einfach nur grässlich –, aber er ist dreiunddreißig, und ich schätze, in dem Alter weiß man, was man will.

Er trägt ein Nadelstreifenhemd, eine schmal geschnittene Hose und glänzende Schuhe. Alles Designerklamotten, alle stehen ihm gut. Er ist dünn und scheint immer dünner zu werden, während ich immer fetter werde, doch im Moment gleichen wir uns ganz gut aus. Ich habe meine Tendenz, mich ausgefallen zu kleiden, heruntergeschraubt, und erwische mich dabei, wie ich meine Tattoos an den Handgelenken (den Namen meines Bruders auf dem einen, das Wort »glauben« auf dem anderen) häufiger mit langen Ärmeln bedecke. Wir sind ein schönes Paar, vor allem jetzt, da mein Haar in einem hübschen Kastanienbraun gefärbt ist, das gut zu seinem passt.

Wir sind gut. Wir sind verlässlich.

Ich ziehe ein seidenes Tanktop über meine Shorts und bin gerade rechtzeitig mit meinem Make-up fertig, als James und Linden zur Tür hereinkommen. Mir war nicht klar, wie nervös ich bin, bis ich bei ihrem Klopfen nach Luft schnappe. Ich wünschte, meine Mitbewohnerin würde mit uns kommen oder wäre zumindest zu Hause. Kayla versteht es meisterhaft, die Spannung zu lösen, und ich habe das Gefühl, der Abend könnte etwas schwierig werden.

Oder auch sehr schwierig.

Und so ist es, zumindest, was James und Owen angeht. James tritt ein und nickt mir kurz zu, gratuliert mir zum Geburtstag und nickt dann Owen zu. Sein Kiefer ist angespannt, und sie beäugen sich wie zwei Löwen über den Überresten einer Mahlzeit. Ich bin leicht überrascht, dass das von James kommt. Gewöhnlich hält er sich dezent im Hintergrund.

Vielleicht ist der Grund der, dass James von vornherein etwas leicht Aggressives ausstrahlt. Er hat struppiges schwarzes Haar, viele Tattoos, ist schlank und blass und hat ein paar Piercings. Er ist nicht so tough und rebellisch, wie er aussieht – um ehrlich zu sein, ist er der größte Softie, dem die Meinung der anderen äußerst wichtig ist –, aber man muss ihn kennen, um das zu wissen.

Ich muss auch zugeben, dass mich das zunächst bei James angezogen hat – der Typ, für den ich ihn gehalten habe. Unsere echten Persönlichkeiten haben nicht so gut miteinander harmoniert.

Linden dagegen … Er stürmt ins Zimmer und schließt mich in eine große Bärenumarmung, drückt mich fest an sich. Er riecht nach Salbei und irgendetwas Holzigem. Seine Arme sind stahlhart. Er fühlt sich so unglaublich sicher an, dass ein Teil von mir plötzlich traurig ist, dass ich ihn so lange nicht gesehen habe.

»Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Baby Blue«, murmelt er in meinen Nacken, und ich schließe kurz die Augen. Als wir uns loslassen, sehe ich, dass sowohl James als auch Owen uns anstarren. Die misstrauischen Blicke sind noch misstrauischer geworden.

»Danke«, sage ich und räuspere mich, als hätte ich mich kurz nicht unter Kontrolle gehabt, während er mit ausgestreckter Hand auf Owen zugeht.

»Schön, dich wiederzusehen«, sagt Linden zu ihm.

Owen braucht einen Moment, um zu reagieren und ihm die Hand zu schütteln, schnell, leicht und unpersönlich.

»Gleichfalls«, sagt Owen, bevor sich seine Lippen zu einem harten Strich schließen.

Wir gehen in eine Kneipe in Japantown, in der zur Zeit der Prohibition illegal Alkohol ausgeschenkt wurde. Linden scheint die Besitzerin zu »kennen« und hat es geschafft, für uns einen Tisch zu reservieren, den wir sonst Wochen im Voraus hätten bestellen müssen. Wir finden die unbeschriftete Tür neben einem schmutzigen Imbiss mit viel grünem Licht und traurigen Gesichtern. Es gibt keine Geheimklingel, aber man muss eine Telefonnummer anrufen.

Nachdem wir einige Minuten in einem unbehaglichen Schweigen vor der Tür gewartet haben und ein paar Obdachlose mit ihren Einkaufswagen voller Decken und leerer Bierdosen an uns vorbeigetrudelt sind, geht die Tür schließlich auf. Vor uns steht die Gastgeberin in ihrer ganzen langbeinigen Pracht.

»Hi, Linden«, sagt sie und klimpert mit ihren stark geschminkten Wimpern. Das Make-up ist allerdings sehr geschmackvoll, es wirkt sinnlich, nicht nuttig, und ich weiß nicht, warum mich das noch mehr stört … oder warum überhaupt.

Linden mustert sie von oben bis unten mit seinem Revolverheldenblick und diesem leicht schiefen Lächeln. »Emily«, begrüßt er sie. »Wie geht es dir?«

Ich liebe es, wie er das R rollt.

Sie legt eine Hand auf die Hüfte, was den Schnitt ihres Kleids über ihren schlanken Oberschenkeln betont. Sie hat keine Cellulitis. »Gut. Ich habe nicht dagesessen und gewartet, dass du mir einen Besuch abstattest.«

Ich presse die Lippen zusammen und unterdrücke ein Lächeln. Wer sagt so einen Scheiß?

Emily, offensichtlich. Linden lacht nur. »Okay, soll das heißen, dass ich dir einen Besuch abstatten soll?«

Emily kneift die Augen zusammen und wirkt nicht gerade beeindruckt. »Hier entlang, bitte.«

Sie führt uns durch einen dunklen, engen Flur, der so lang ist, dass mir der Gedanke kommt, das Ganze könnte nur eine List von ihr sein, um Linden mit ihren weiblichen Reizen zu attackieren, bis wir gedämpfte Gespräche und einen tiefen Bass hören. Zu unserer Rechten öffnet sich ein kleiner Raum voller goldener Totenschädel, niedriger weißer Samtbänke und junger, an Steampunks erinnernde Barkeeper, die farbenfrohe Drinks mixen.

Kein bisschen wie die klassische Flüsterkneipe aus der Prohibitionszeit, die ich mir vorgestellt hatte, aber ziemlich cool.

Emily führt uns zu einem Tisch im hinteren Teil, und Owen und ich sichern uns die Nischenseite. Du kannst mich in das mieseste Restaurant oder die ödeste Bar führen, und ich bin glücklich, wenn ich in einer Nische sitzen kann. Ich muss nicht mal was trinken. Sitzen ist eine der am meisten unterbewerteten Vergnügungen des Lebens. Die Samtkissen fühlen sich besonders gut gepolstert an, und ich lasse mich hineinsinken und lehne den Kopf gegen die Rückenpolsterung, bis er in der Wand mit den Totenköpfen versinkt. Ich seufze glücklich.

»Ich habe gewusst, dass es dir gefallen wird«, sagt Linden, als er sich mir gegenübersetzt. »Ich dachte, diese Nischen schreien einfach nach Stephanie.«

»Die Totenköpfe sind ziemlich cool«, meint James und sieht sich um. Um ehrlich zu sein, passt er von uns allen am besten hierhin, er ist genau die richtige Mischung aus trendigem Rockmusiker und gewolltem Hipster.

Owen sagt einen Moment lang gar nichts, dann nickt er Richtung Bar. »Sie haben Perkele Wodka«, sagt er, das ist eine unbekannte finnische Marke, die er am liebsten mag. Das ist alles, was Owen zu dieser Location zu sagen hat, die definitiv nicht seinem Geschmack entspricht, während sein Blick verstohlen von James zu Linden wandert.

Eine Stunde später, nachdem Linden mir zwei (obszöne, unanständige) Geburtstagsmartinis spendiert hat, ist Owen auf die Toilette verschwunden und James nach draußen gegangen, um eine zu rauchen. Wir sind allein.

Ich habe das vermisst.

»Ich habe den Eindruck, dein Freund mag mich nicht besonders«, sagt Linden, nachdem er einen Schluck Bier getrunken hat und die Flasche zwischen seinen großen Händen hin und her rollt.

»Owen?«, frage ich. Es klingt seltsam, wenn von ihm als von meinem Freund gesprochen wird, vor allem, wenn es von Lindens Lippen kommt (die nach zwei obszönen, unanständigen Martinis sehr viel verlockender aussehen als Owens).

»Hast du noch andere Freunde, von denen ich wissen sollte?«, fragt er und zieht seine perfekt gebogene Braue hoch.

»Nein. Egal, keiner der Typen, mit denen ich mich treffe, mag dich besonders.«

Er lächelt. Ein großspuriges Mistkerl-Lächeln. »Das liegt daran, dass sie alle wissen, dass wir irgendwann heiraten.«

Ich kneife die Augen zusammen, während mein Herz schneller schlägt. »Nein. Und erwähn das Owen gegenüber nicht, okay?«

Er sieht überrascht aus. »Warum nicht? Es stimmt doch.«

Ich presse die Lippen zusammen und greife in meine Clutch nach meinem Lippenstift.

»Es stimmt, Steph«, wiederholt Linden.

Als ich den magentapinken Lippenstift auftrage, sieht er mich mit gerunzelter Stirn an. »Du willst mir doch nicht sagen, dass du wirklich davon ausgehst, in ein paar Jahren noch mit diesem Trottel zusammen zu sein.«

Ich sehe ihn an. »Hör zu, ich weiß, dass er nicht den Eindruck macht, als wäre er … nun ja, mein Typ, aber ich bin in ihn verliebt, also ja, ich gehe davon aus, dass ich in ein paar Jahren noch mit ihm zusammen bin. Und nenn ihn nicht Trottel.«

Er blinzelt kurz, und der Muskel an seinem kantigen Kiefer zittert. »Du bist in ihn verliebt?«

»Tu nicht so, als wäre das furchtbar«, sage ich, obwohl ich mich in meinem Innersten furchtbar fühle, wenn ich seine Miene sehe. »Es hat so kommen sollen. Es ist gut. Wirklich, es ist gut. Ich bin glücklich.«

»Bist du das?«

Ich lege den Kopf schief, während ich ihn ansehe. Der gequälte Ausdruck verschwindet, das Zittern seines Kiefers hört auf. Er entspannt sich. Er wird wieder mein bester Freund Linden. Ich bin mir nicht sicher, wer dieser andere Typ war. Aber ich glaube, ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn er noch eine Weile geblieben wäre.

»Vergiss es«, sagt er schnell. »Du bist glücklich, das sehe ich. Also scheiß drauf, ich freu mich für dich, Baby Blue, das tue ich wirklich. Er ist ein glücklicher Scheißkerl.«

Ich beobachte ihn immer noch. »Willst du mich wirklich heiraten?«, frage ich. »Oder willst du einfach nur heiraten?«

Der Ansatz eines Lächelns bildet sich auf seinen Lippen. »Jetzt wirst du es nie erfahren.«

Owen kommt von der Toilette, und ich lehne mich zurück und lächle ihn strahlend an. Ich habe das Gefühl, als hätte ich etwas Falsches getan, obwohl dem nicht so ist.

Linden schlägt mit der Handfläche auf den Tisch, entschuldigt sich und steht auf. Ich beobachte, wie seine große, muskulöse Gestalt den Raum verlässt, vermutlich, um zu James zu gehen. Mir fällt auf, dass die Köpfe der meisten Frauen herumfahren, weil auch sie ihm nachblicken.

Ich spüre einen Quallenstich in meinem Herzen, aber ich schlucke ihn und sehe Owen an.

Owen ist ein prima Typ. Er ist verlässlich. Er ist der Fels in meinem Leben. Er verlässt mich nicht.

Ich bin verliebt in Owen Geary. Siebenundzwanzig wird das beste Jahr meines Lebens.

Kapitel 3

Linden

»Hey, Arschgesicht«, zwitschert die Stimme meines Bruders durch die Leitung.

»Hey, selber Arschgesicht«, antworte ich und räuspere mich. Ich weiß, dass ich krank werde, meine Kehle fühlt sich an wie Schmirgelpapier. Das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. »Was willst du?«

»Na ja, ich dachte, ich wünsche dir verdammt noch mal alles Gute zum Geburtstag, du Blödmann.«

»Gut«, sage ich und nicke, was er nicht sehen kann. Ich hole die Schlüssel aus meiner Jeans und öffne die Tür meines Jeeps. Im Hintergrund hebt einer der Hubschrauber ab, und ich steige schnell ein, um Bram besser verstehen zu können.

»Bist du am Flughafen? Du arbeitest an deinem Geburtstag?«

»Die meisten Menschen müssen an ihrem Geburtstag arbeiten«, argumentiere ich. Okay, Bram arbeitet verdammt noch mal gar nicht, er kutschiert durch Manhattan wie ein überprivilegierter Playboy. Manche sagen vielleicht, dass ich nicht besser bin, aber zumindest habe ich verdammt noch mal einen Beruf. Bram hat sein ganzes Leben lang vom Geld und Status unserer Eltern gelebt. Das Lustige daran ist, dass er der Ältere ist; er hätte ein Vorbild für mich sein sollen.

In gewisser Weise war er das auch. Als ich mit der Highschool fertig war, habe ich mir geschworen, das genaue Gegenteil von Bram zu werden.

»Du solltest dir den Tag freinehmen«, sagt er. Seine Worte werden von einem Gähnen unterstrichen, und ich kann mir gut vorstellen, wie er die Arme über dem Kopf streckt. »Hast du schon mit Mum und Dad gesprochen?«

Ich seufze und lehne mich in meinem Sitz zurück. Es ist April und höllisch kalt. Obwohl ich mit Anfang zwanzig nach San Francisco gezogen bin, habe ich mich immer noch nicht an dieses bipolare Wetter gewöhnt. In New York erlebst du alle vier Jahreszeiten in der richtigen Reihenfolge. In Aberdeen in Schottland, wo ich aufgewachsen bin, ist es in einem milderen Ausmaß das Gleiche. Hier ist es im Herbst heiß und im Sommer kalt und an den meisten Tagen des Jahres neblig. Ich bin versucht, den Motor anzuwerfen und die Heizung anzustellen, aber ich kann mir gut ausmalen, wie Stephanie mich deswegen aufziehen würde.

»Nein, ich habe seit Wochen nicht mit ihnen gesprochen«, sage ich. Und damit wissen wir beide, dass ich seit Wochen nicht mit meinem Vater gesprochen habe. Meine Mutter ruft nie an, und das ist auch verdammt gut so.

»Ich hoffe, sie vergessen deinen Geburtstag nicht«, sagt Bram auf eine Art, die verrät, dass er genau das hofft. »Wenigstens hast du einen super Bruder.«

Ich verdrehe die Augen. »Ja.«

»Hör zu«, fährt er fort, und sein Ton sagt mir sofort, dass mein Geburtstag nicht der wirkliche Grund für seinen Anruf ist. »Ich habe mich gefragt, ob du mir einen Gefallen tun kannst.«

Ich ziehe überrascht an meinem Ohr. »Einen Gefallen?«

»Ja, Linden, Brüder tun so was. Ich bin nächstes Wochenende in San Francisco, und meine Freundin kommt mit. Sie liebt Alcatraz. Meinst du, du kannst uns dorthin bringen?«

»Euch dorthin bringen?«, wiederhole ich sprachlos. Was verdammt noch mal soll das werden?

»Ja«, meint er, als hätte er nicht gerade etwas total Albernes gesagt. »Du weißt schon, mit dem Hubschrauber.«

Ich stoße einen langen, erschöpften Seufzer aus und kneife mich in die Nasenwurzel, um wieder klar zu denken. »Bram, hör zu. Ich arbeite für eine Chartergesellschaft. Ich habe keinen eigenen Hubschrauber, um mit euch dorthin zu fliegen.«

»Dann chartern wir einen.«

»Du kannst nicht einfach nach Alcatraz fliegen. Das ist ein geschützter Bereich. Du kannst dort nicht ohne Erlaubnis landen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie einen Landeplatz haben.«

»Dann besorg eine Erlaubnis.«

Ich seufze erneut. »Das werde ich nicht. Warum kommst du überhaupt hierher? Du kommst nie an die Westküste.«

»Ich langweile mich«, sagt er. »Und Azurra hat in der Bay Area Familie.«

»Azurra?«

»Meine Freundin.«

»Natürlich, so heißt sie.«

»Ich habe zumindest eine Freundin.«

»Super, Bram. Wie alt bist du noch mal, zweiunddreißig?«

»Und wie alt bist du?«

»Achtundzwanzig, seit heute. Aber das meine ich nicht.«

»Also, kannst du uns dorthin bringen oder nicht?«

»Einen Moment«, sage ich verärgert und scrolle zu meinem Terminkalender. Ich habe morgens einen Flug, aber am Nachmittag nichts. Ich sage ihm, dass ich einen Hubschrauber für ihn buchen und dafür sorgen kann, dass ich an diesem Tag sein Pilot bin, für einen Privatflug. Aber es wird verdammt noch mal nicht nach Alcatraz gehen.

Sobald ich aufgelegt habe, schicke ich Stephanie eine Nachricht.

Was machst du nächstes Wochenende? Hast du Lust auf einen Ausflug?

Sie weiß, was das bedeutet, sie ist bereits ein paar Mal mit mir geflogen und liebt es. Mein anderer bester Freund, James, liebt es auch, aber es macht mir nicht halb so viel Spaß, ihn zu beobachten. Stephanies ganzes Gesicht strahlt dann, und sie rutscht auf ihrem Sitz herum wie ein kleines Kind. Außerdem dürfte sie zwischen meinem Bruder und mir als Puffer wirken, und ich bin mir sicher, dass sie auch ein Gesprächsthema mit Azurra findet. Steph kommt mit jedem aus – meistens –, während James ein kleines Emo-Arschloch sein kann.

Sie braucht nicht lange, um zu antworten.

Klar, kommt James auch mit?

Ich habe ein wenig Schuldgefühle, dass ich ihn nicht eingeladen habe. Obwohl es auch eine Platzfrage ist.

Nein, mein Bruder ist mit seiner Freundin in der Stadt, und ich habe gedacht, wir fliegen zu viert.

Es vergeht eine kleine Weile, bis sie antwortet. So was wie ein Doppeldate?

Keine Ahnung, lässt du mich denn ran?, schreibe ich zurück.

Klappe, antwortet sie. Okay, das klingt gut. Bleibt es beim Lion heute Abend?

Ich schließe die Augen und lehne den Kopf gegen die Nackenstütze. Im Moment kann ich mir gar nicht vorstellen zu feiern. Eigentlich will ich nur schlafen.

Schließlich schreibe ich zurück: Ich glaube, ich komme nicht.

Sie antwortet: Aber es ist dein Geburtstag.

Ich weiß. Aber ich glaube, ich habe mir was eingefangen. Ich werde einfach zu Hause bleiben, einen Film ansehen und es ruhig angehen.

Du wirst alt, kommt zurück.

Möglicherweise hat sie recht. Früher wäre ich ausgegangen und hätte ein paar Biere gekippt, ob krank oder nicht. Aber heute kommt mir der Gedanke irgendwie höllisch vor.

Am liebsten würde ich sie einladen herüberzukommen, wir könnten uns einen Film ansehen.

Und normalerweise würde ich das auch tun, doch meine Einladungen haben immer James mit eingeschlossen und manchmal auch noch ihre äußerst anstrengende Freundin Nicola. Aber ich will nicht, dass sie kommen, ich will nur sie dahaben.

Vor ein paar Jahren habe ich mit Steph diesen Pakt geschlossen, dass wir heiraten, wenn wir mit dreißig nicht in festen Beziehungen sind. Sie wird im Oktober erst achtundzwanzig, und wir haben noch ein paar Jahre bis dahin, doch Steph hat vor ein paar Monaten mit Owen, ihrem fremdgehenden Scheißkerl von einem Freund, Schluss gemacht. Und ich war in den letzten zwei Monaten auch mit niemandem zusammen.

Ich will jetzt schon dreißig sein. Ich will jetzt etwas bewegen.

Die Sache ist, dass Stephanie den Pakt für einen Scherz hält, für etwas, das ich mir im Spaß ausgedacht habe. Und wieso sollte sie auch etwas anderes annehmen? Romantik, selbst Sex, stand nie für uns zur Debatte. Wir waren von dem Moment an, als wir uns das erste Mal gesehen haben, nichts als gute Freunde.

Obwohl das nicht ganz stimmt. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, in ihren engen Jeans, dem gerippten Lagen-Tanktop, das genau die richtige Menge Haut zeigte, und den verrückten blauen Haaren, war ihr Freund zu sein wohl das Letzte, was mir in den Sinn gekommen ist.

Ich wollte sie ficken. Hart.

Doch sie hatte sich für James entschieden, und das war’s dann. Stattdessen bin ich ihr bester Freund geworden.

Obwohl der Wunsch, sie zu ficken, nie verschwunden ist. Doch das versuche ich mit aller Macht für mich zu behalten. Hinter der Freundin seines besten Freunds her zu sein, ist inakzeptabel. Das tut man einfach nicht. Selbst wenn ihre Beziehung in die Brüche geht und du mitten in den Trümmern stehst, ist das etwas, an das du nicht mal denkst.

Vor allem, weil wir so gute Freunde geworden sind.

Vor allem, weil ich manchmal denke, dass James sie noch immer liebt.

Vor allem, weil sie denkt, dass ich der größte Aufreißer aller Zeiten bin.

Sie hat nicht unrecht. Aber wenn ich es jemals bei ihr versuchen würde, würde sie das nicht mehr denken.

In gewisser Weise ist der Pakt dämlich – er schiebt etwas hinaus, um das ich mich hier und jetzt kümmern könnte. Aber ich habe Angst davor, für den Fall, dass James sie wirklich noch liebt. Ich habe Angst, dass sie mir eine Abfuhr erteilt, mir sagt, dass sie nie mehr als einen guten Freund in mir gesehen hat und unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen will. Ich habe Angst, dass ich gleich zwei Freundschaften auf einmal vermasseln könnte.

Deshalb wird der Pakt zurückgestellt.

Noch zwei Jahre, dann stelle ich mich ihm.

Nur noch zwei Jahre, bis sich alles ändert, zum Guten oder zum Schlechten.

Mein Hals fühlt sich inzwischen noch übler an, kratzig und dick. Ich fahre nach Hause, und bis ich in meiner Wohnung bin, habe ich Schüttelfrost.

Ich nehme eine heiße Dusche, versuche, warm zu werden, und hole mir einen Schlafsack aus dem Schrank, um mich hineinzupacken. Er riecht nach Insektenspray und Tannennadeln, und eine Erinnerung an James und Steph und ihre Mitbewohnerin Kayla taucht in meinem Kopf auf.

Wir haben im Muir Woods National Park gecampt, und Steph und ich haben Anmachholz für das Feuer gesucht. Ich war betrunken, und zwar auf diese Art, wo man nicht komplett kontrollieren kann, was man sagt, und einem die Wahrheit herausrutscht, bevor man es verhindern kann. Es ist ein gefährlicher Zustand, und ich war so verdammt nah dran, Steph zu sagen, was ich wirklich fühle.

Ich glaube, sie hat auch gespürt, dass irgendwas im Busch war, denn unser Gespräch hat sich abrupt Kayla zugewandt.

»Du findest sie heiß, oder?«, hat sie gefragt.

Ich habe die Schultern gezuckt. »Natürlich.« Denn Kayla ist heiß. Fit und klein, mit einer cremefarbenen japanischen Haut und langen schwarzen Haaren. Sie ist auch ein nettes Mädchen, wenn auch ein wenig streitsüchtig. Aber sie ist nicht Stephanie.

»Ich glaube, sie mag dich«, hatte Steph gesagt.

»Wo sind wir hier, in der Grundschule? Hat sie dir das in der Pause gesagt?«

Steph beobachtete mich einen Moment, bevor sie die Lippen zusammenpresste und sagte: »Okay, ich denke, sie würde dich gern ficken? Hilft das?«

Ich verstand nicht, was das sollte. Provozierte sie mich, wollte sie, dass ich sagte, dass ich kein Interesse hatte? Oder wollte sie Kayla und mich wirklich verkuppeln? Machte ihr das nicht das Geringste aus?

»Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist«, sagte ich, weil es stimmte.

Ich trat einen Schritt näher an Stephanie heran. Sie hat diese großen blauen Augen, die so riesig werden können wie der Mond. Sie wurden noch größer.

»Ich finde, ihr wärt ein schönes Paar«, sagte sie schnell, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zum Feuer.

Später habe ich Kayla gegen einen Baum gefickt und am nächsten Morgen in meinem Zelt, nachdem James gegangen war, um Frühstück zu machen.

Wir waren kein schönes Paar. Kayla und ich waren nur ein paar Wochen zusammen, bis ich Schluss gemacht habe und Stephs Wohnung eine Weile meiden musste.

Abgesehen davon, dass ich Kayla gevögelt hatte, hatte ich das Gefühl, auch noch etwas anderes vermasselt zu haben. Und zwar diesen Moment, in dem jede Möglichkeit, dass etwas aus uns werden könnte, endgültig entschwunden ist. Nach Kayla habe ich mir ganz bewusst vorgenommen, Steph aus meinem Kopf zu verbannen. Ich habe mehr Mädchen gevögelt und bin zu dem Aufreißer geworden, für den sie mich immer gehalten hat. Ich habe getan, was ich konnte, um sie nur als beste Freundin zu sehen.

Und es hat funktioniert. Doch dann ist mir das Leben in die Quere gekommen. Mit fünfundzwanzig war ich der Reihe von Mädchen, die mir nichts bedeuteten, bereits überdrüssig und müde. Das wollte ich nicht vom Leben. Damit war ich aufgewachsen, mit einer abwesenden, pillenabhängigen Mutter und einem kalten Vater, der nie jemandem irgendeine Art Liebe zeigte, geschweige denn seinen Söhnen. Ich bin in der High Society und inmitten kalter Herzen aufgewachsen, mit bequemen Moralvorstellungen und brutalem Ehrgeiz.

Ich wollte nicht so werden wie sie. Ich wollte etwas Echtes und Reines und Wahres, und scheiß drauf, wenn es wie das Gequatsche von einem Pantoffelhelden klingt, ich brauchte etwas, das mein Leben lebenswert machte.

Ich wollte Steph, meine beste Freundin. Sie war mein Baby Blue und ich ihr Cowboy.

Und so wurde ein Pakt geboren, ein alberner, naiver Pakt.

Ich nehme den Schlafsack mit zur Couch und rolle mich darauf zusammen. Ich will den Fernseher einschalten, doch die Krankheit fordert ihren Tribut.

Als mein Handy klingelt, wache ich auf. Alles ist voller Sabber.

Ich wische mir schnell den Mund ab und gehe dran. Es ist Steph.

»Hey, Steph«, sage ich, doch es kommt nur ein gedämpftes Lallen heraus.

»Linden? Bist du okay?«

»Ja, entschuldige«, sage ich und räuspere mich leicht. »Ich bin bloß eingeschlafen.«

»Wie geht es dir?«

»Grauenvoll.«

»Soll ich kommen?«

Ja, natürlich sollst du kommen. Ich setze mich etwas aufrechter hin. »Trägst du eine nuttige Krankenschwesterntracht?«

Pause. »Du bist ein Schwein.«

»Oink. Aber ernsthaft. Eine Schwesterntracht?«

»Soll ich kommen oder nicht?«

Ich lache. »Ja. Ja. Ich liege auf der Couch.«

»Bitte zieh dir was an.«

»Keine Versprechungen.«

Eine Dreiviertelstunde später höre ich Stephs Schlüssel im Schloss, und sie taucht mit zwei Tüten voller Lebensmittel auf. Sie macht einen nervösen Eindruck, ihr Gesicht ist leicht gerötet, das lange dunkelblonde Haar zerzaust. Sie sieht aus, als hätte sie gerade Sex gehabt, und ich stelle mir vor, wie sie die Tüten fallen lässt, zur Couch kommt und ihren ausgefransten Rock hochzieht, um sich rittlings auf mich zu setzen.

Ich versuche unter der Decke meine Hose in Ordnung zu bringen, damit es nicht zu offensichtlich ist.

»Du siehst scheiße aus«, sagt sie, bevor sie mit den Tüten in die Küche geht. Ich kann sie dort hantieren hören, als wäre es ihre eigene, höre sie Sachen in die Schränke stellen und den Kessel aufsetzen.

Als sie wiederkommt, hat sie einen kleinen Plastikbecher mit einer blauen Flüssigkeit in der Hand.

»Willst du mich unter Drogen setzen?«, frage ich sie.

»Ja, unter Nyquil«, antwortet sie. Sie hält mir den Becher vor das Gesicht. »Trink es oder stirb.«

Müde nehme ich den Becher. »Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich das letzte Mal, als ich Nyquil genommen habe, fast gestorben.«

»Das lag daran, dass du es mit einem Sixpack hinuntergespült hast. Und jetzt trink.«

Ich kippe den widerwärtigen blauen Sirup hinunter und lehne mich auf der Couch zurück. Ich muss zugeben, es ist irgendwie nett, wenn jemand sich um einen kümmert, besonders jemand mit so einem tollen Arsch. Er scheint jeden Tag schöner zu werden.

Sie verschwindet wieder in der Küche und kommt mit einer Tasse dampfend heißem Tee zurück. »Da sind Zitrone und Honig drin«, sagt sie. Sie will wieder zurück in die Küche rennen, doch ich greife nach ihrer Hand und halte sie fest.