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Visha ist in ihrer ganz persönlichen Hölle gefangen, zu mindestens bis zu dem Tag, an dem sie einen Antrag von ihrem gewalttätigen Freund bekommt und fünf Männer mit Masken, die sie vor fünfzehn Jahren in einer verhängnisvollen Nacht verloren hat, wieder in ihr Leben treten. Zusammen haben diese sechs eine Vergangenheit, die sie ein Leben lang verbindet doch genauso wie sie die Erinnerungen an die Heimzeit aneinander binden, so verbindet sie auch diese Nacht von vor fünfzehn Jahren. Micah, Knox, Death, Theon und Ice werden unfreiwillig zu Monstern. Monster, die sich nicht immer kontrollieren können. Diese Fünf zeigen nicht mal mehr Reue als sie einen schwerwiegenden Fehler begehen und für Visha von Prinzen zu Monstern werden. Der einzige von ihnen, der irgendwie ein Herz zu besitzen scheint, ist Ice. Aber auch ihn plagen die Dämonen seiner Vergangenheit. Schnell muss Visha lernen, dass diese Männer nicht mehr die Jungs sind, welche sie sechs Jahre lang aufgezogen haben. Dieser Punkt führt nach einer Entdeckung im Keller zu einer schwerwiegenden Entscheidung von Visha. Folgt der Skull Society in die Abgründe einer Welt, auf die sich keiner vorbereiten kann. Die Dunkelheit ist hier ein stetiger Begleiter. Werden die fünf Männer ihren Frieden mit der Vergangenheit schließen können? Wird Visha heilen können? Was haben die fünf mit dem Vater von Visha vor? Und wie weit ist die Skull Society bereit zu gehen, um ihre Rache zu erhalten?
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Veröffentlichungsjahr: 2024
The Skull Society
By Lina Jakson
Inhalt
1. Visha
2. Death
3. Knox
4. Visha
5. Micah
6. Visha
7. Ice
8. Micah
9. Visha
10. Theon
11. Death
12. Visha
13. Knox
14. Visha
15. Death
16. Micah
17. Visha
18. Theon
19. Ice
20. Visha
21. Theon
22. Visha
23. Micah
24. Knox
25. Micah
26. Visha
Epilog
Danksagung
Rezepte für Coktails
Impressum
Triggerwarnung
Hey Micah hier. Ich werde euch nur ein einziges Mal warnen. Versteht es oder verpisst euch. Keiner der Jungs, die ich mitbringe, wird dich irgendwie in Watte packen. Besser du begreifst das gleich - von Anfang an.
Falls du also eines dieser Mädchen bist, die von ihrem Prinzen auf dem weißen Pferd gerettet werden will, dann verpiss dich besser gleich wieder, denn diesen Prinzen wirst du hier nicht finden. Sei nicht so naiv wie unsere kleine Visha.
Falls du allerdings eines dieser Mädchen bist, die sich nach der Dunkelheit verzehren und von einer walking Redflag einen feuchten Slip bekommen, dann trete nur näher und schlage die nächste Seite um.
Falls ihr aber zu den Mädchen gehört, die sich unschlüssig sind, wann etwas zu weit geht und wo und vor allem wann die Grenzen verschwimmen, dann lies weiter und entscheide dich am Ende dieser Warnung.
Wie gerne würde ich gerade in euere Gesichter sehen und die Antworten in eueren Augen lesen. Ich wette, da würde ich so einige Geheimnisse entlüften, die noch niemand kennt. Hier also eine Warnung für euch alle.
Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven. Es ist Halloweentime Ladies und The Skull Society lädt euch herzlich dazu ein.
Ihr werdet auf diese Seiten auf Kinderhandel, häusliche Gewalt, Folter, Missbrauch, Depression, Mord, explizite Sexszenen, Messerszenen, Branding und toxische Beziehungen treffen. Wenn euch das alles zu sehr triggert, sollte ihr dieses Buch nicht weitelesen. Legt es wieder weg und entscheidet euch für ein anderes. Denn keiner von uns fünf wird einknicken, nur weil du dich überschätzt hast. Das ist nicht unser Problem.
Und jetzt sei ein braves Mädchen und schlage die nächste Seite auf. Ich verspreche dir, dass es dir gefallen wird.
Happy Halloween
Micah
Für alle Mädchen welche sich
auf Masked TikTok herumtreiben
und dabei einen feuchten Slip bekommen
That is for you
Kapitel 1
Visha
V
or Jahren habe ich mir selbst einen Vorsatz gegeben, den ich über die Jahre immer wieder selbst gebrochen habe. Ich habe mir geschworen, ich will nur noch etwas, das mich auch will. Ich verdiene Liebe, die leicht und unbeschwert ist, die mir wieder Schmetterlinge in Bauch zaubert und ein Lächeln ins Gesicht. Ich verdiene all das und doch, obwohl ich das weiß, bleibe ich bei Peter.
Peter, der mir weder ein Lächeln ins Gesicht zaubert noch mir Schmetterlinge im Bauch herumfliegen lässt. Diese Zeit hatten wir mal, doch schon lange ist sie verblüht. Verblüht wie mein Lebenswille und mein Lachen. Ich funktioniere nur noch zwischen Arbeit, Haushalt und meinen „Pflichte“ gegenüber Peter. Der Mensch, der ich eins war, ist verschwunden.
Die Tränen vermischen sich mit dem Blut, das aus meiner Nase und der Wunde an der Lippe läuft. Meine Schreie verstummen in meiner heiser gewordenen Kehle. Ich habe keine Kraft mehr. Die Schläge von Peters Gürtel spüre ich nur noch so halb durch die drohende Ohnmacht, mein Körper gibt auf. Alles brennt, alles schmerzt.
»Du verdammte Hure.« schreit Peter zum hundertsten Mal. Längst vergessen ist der Grund, warum er mich so nennt.
Der Boden unter mir ist kalt und hart. Die Schreie von Peter rücken immer mehr in den Hintergrund, meine Augenränder flattern bereits. Nicht mehr lange, dann habe ich Ruhe. Ruhe vor dem Monster, dass ich in mein Leben gelassen habe.
Der Tod wird mit jedem Tag eine Möglichkeit, die ich mehr in Betracht ziehe. Eine Erlösung aus dem Albtraum. Langsam schiebt sich die Ohnmacht in mein Sichtfeld und ich heiße sie willkommen. Ich kann nicht mehr. Die Dunkelheit umschließt mich, zieht mich mit sich. Es geschieht ohne mein zu tun.
Als ich aufwache, ist das erste, was ich höre, das Schnarchen von Peter. Stöhnend probiere ich mich auf dem alten Holzfußboden meines kleinen Apartments aufzusetzen. Meine Beine brennen bei jeder Bewegung und mein Kopf hämmert pulsartig gegen meine Schädeldecke. Die Schmerzen lassen mich fast wieder ohnmächtig werden und indirekt hoffe ich, dass es passiert. Halbnackt sitze ich in meiner Küche und fühle mich beschmutzt, so verdammt schmutzig. Die Striemen färben sich bereits von rot zu blau. Es brennt als ich meine Finger über jeden einzeln fahren lasse, ein Ritual was ich nicht ablegen kann. Ganz so als müsste ich mir selbst sagen, wie dumm und naiv ich doch bin.
Seit fünf Jahren bin ich mit Peter zusammen und seit vier Jahren ist das mein Leben. Nach einem Jahr hat er mich das erste Mal geschlagen, ein Ausrutscher seinerseits. Ich weiß nicht mal mehr warum ich es ihm damals geglaubt habe, dass es nicht nochmal passieren würde. Doch es hat nicht mal zwei Tage gedauert bis er es wieder getan hat. Gekonnt hat er mich von allen Menschen abgeschottet - von meinen Freunden, meiner Familie. Über Monate hat er sie mir ganz langsam entrissen. Ich habe es nicht mal mitbekommen. Eines Morgens waren es nur noch er und ich.
Immer wieder redet er mir ein, dass mich keiner wollen würde und dass meine Eltern mich nur aus Mitleid adoptiert haben. Er sagte es mir so oft, dass ich es irgendwann angefangen habe zu glauben. Die Gewalt nahm zu und irgendwann konnte ich ihm nicht mehr entkommen - ich alleine gegen ihn.
Es reichen die kleinsten Sachen und Peter schlägt zu. Gestern war es, glaube ich, dass Essen, aber da bin ich mir nicht so sicher. Es verschwimmt mittlerweile nur noch alles ineinander, es ist ein Warten auf das Ende.
Mühsam ziehe ich mich an der Küchentheke hoch. Die Schmerzen lassen meine Augenlider zittern. Das Atmen tut weh, was mich erahnen lässt, dass Peter mir wiederholt eine Rippe gebrochen hat. Ich schleppe mich mit gequältem Gesicht ins Badezimmer, schließe die Tür hinter mir und starre in den Spiegel.
Ein Gesicht, das ganz und gar nicht nach meinem aussieht, sieht mich an. Die Augen zu geschwollen, die Lippe aufgeplatzt, Blut verkrustete Nase und ein blauer Schimmer, der sich überall auf meiner Haut befindet. Mein Dekolleté sieht nicht besser aus. Die Spuren von Peters letzten Kontrollverlust färben sich gerade erst grün und zeichnen sich deutlich unter den neuen Flecken ab.
Ich hole mir das Desinfektionsmittel aus dem Spiegelschrank und beginne meine Wunden zu verarzten.
An Tagen wie heute bin ich froh, dass ich von zuhause arbeite und Peter in ein paar Stunden zur Baustelle fährt. Mein Job als Callcenter Dame gefällt mir zwar nicht, aber es sorgt wenigstens dafür, dass ich nicht vor die Tür muss. Das einzige was ich seit einem Jahr kenne, sind die Wände meines Apartments, da Peter beschlossen hat, dass ich im Supermarkt mit zu vielen Männern in Kontakt komme. Es ist verrückt und noch verrückter ist, dass ich nicht die Kraft besitze, um von ihm weg zu kommen. Er hat mich zerstört, bewusst oder unbewusst ist egal, er hat es getan.
Ich greife das Handtuch, beiße darauf und beginne dann mit dem Reinigen der Wunden. Jede Vorsichtsmaßnahme ist in meinem Kopf fest eingespeichert, so dass ich wenigsten die Sachen kontrollieren kann, bei denen ich weiß, dass er garantiert ausflippt. Ein Drahtseilakt, den ich jeden Tag aufs Neue vollführe, um am Leben bleiben. Das Desinfektionsmittel brennt, die Ohnmacht droht erneut mich zu übermannen. Aufgeben, dass ist es, was mein Körper von mir verlangt.
Jemand sagte mal zu mir, die Schmerzen einer Geburt seien das Schlimmste, was man im Leben erleben würde. Irgendwie kann ich da nicht so ganz zu stimmen. Denn nach all den Jahren der Schmerzen, glaube ich nicht daran, dass eine Geburt schlimmer sein kann als das.
Erschöpft von den Schmerzen, die mein Körper kaum noch verarbeiten kann, sinke ich auf den Badewannenrand. Ich bin so leer, dass ich nicht mal mehr weinen kann, eine Hülle meiner selbst. Mein Körper hat keine Stelle die nach meiner Haut aussieht. Die gesamte Farbpalette ist vertreten, grün, blau, lila, rot, gelb sogar schwarz ziert meine Haut. Schmunzelnd wackle ich mit dem Zeh, welcher ein schwarzer Fußnagel ziert. Peter hat mit Absicht einen Hammer drauf fallen lassen als ich unserem Nachbarn zu gewunken habe.
Das Knacken des alten Fußbodens lässt mich aufschrecken. Überstürzt springe ich in eine Jogginghose und ein lockeres T-Shirt, das ich im Wäschekorb finde. Zögerlich und unter Schmerzen begebe ich mich zurück in den offenen Wohnkochbereich der Wohnung.
»Guten Morgen, Baby.« begrüßt mich Peter, als wäre nichts passiert.
Seine Hand umschließt meine Hüfte und zieht mich an ihn heran. Das Zittern kann ich nur mit Mühe verstecken. Ich probiere zu lächeln, als er mir einen Kuss auf die Wange presst. Die Entschuldigungen, die er mir sonst immer geflüstert hat, haben aufgehört. Zum Glück - geglaubt habe ich sie ihm eh nicht mehr. Es war nur eine weitere Lüge, mit der ich leben musste. Das alles hier ist nur noch eine Fassade, die man aufrechterhält. Doch die Risse werden mit jedem Tag deutlicher.
»Guten Morgen.« gebe ich mit rauchiger Stimme zurück, die Folge von gestern Nacht.
Die Würgemale an meinen Hals spüre ich beim Sprechen als auch beim Schlucken deutlich. Mit gesenktem Kopf bereite ich Peters Frühstück vor, während er sich im Bad fertig macht.
Eier, Bacon, Toast und eine Tasse Kaffee seit fünf Jahren genau gleich. Ordentlich lege ich alles auf den Tisch, alles ist einstudiert. Bloß keinen Fehler machen. Das ist die Sache, die mir seit vier Jahren in Dauerschleife durch den Kopf läuft und obwohl ich mich so sehr anstrenge, findet Peter immer wieder etwas, dass ich falsch mache. Es kann gestern noch richtig gewesen sein, das heißt aber nicht, dass es das heute auch ist. Es ist nicht immer so gewesen.
Peter und ich waren irgendwann mal glücklich. Wir haben geflirtet, jeden Tag süße Nachrichten verschickt, zusammen gelacht, geweint, wir sind wach geblieben nur um jede Sekunde des Tages miteinander auszunutzen. Wir sagten ich liebe dich, mit dieser Art von Nachdruck, die dein Herz höherschlagen lässt.
Und jetzt? Jetzt reden wir kaum noch, die Nächte sind einsam geworden. Das Lachen ist längst verschwunden, die Nachrichten sind längst zu irgendwelchen hassenden geworden und die Tränen bestimmen den Alltag. Und ich liebe dich ist nur noch etwas was man sagt, weil man es gewöhnt ist, es zu tun. Das was wir einst waren, liegt in Scherben verteilt in meinem Apartment. Keine Ahnung wo und wann aber wir sind falsch abgebogen. Mein Körper und meine Seele erzählen die Geschichte unseres Untergangs - für jedermann sichtbar. Jeden Tag stehe ich auf der Linie zwischen aufgeben und schauen wie lange ich das noch aushalten kann.
Mein Blick fällt auf den Kalender an der Wand, übermorgen ist der 31. Oktober - mein 21. Geburtstag. Ein Ereignis auf das sich so viele Amerikaner freuen, doch ich nicht. Schon seit vier Jahren feiere ich mein Geburtstag nicht mehr, es ist nur ein Tag wie jeder andere. Peter lädt mich zwar immer in Susis Dinner zu einem Milkshake ein, aber ansonsten ist es ein Tag wie jeder andere auch.
Bevor ich Peter kennengelernt habe, waren meine Geburtstage immer eine große Sache. Meine Eltern lieben Halloween und sie nannten mich immer liebevoll ihr Halloween-Baby. Die Partys, die diese beiden Menschen jedes Jahr feiern, sind in der Stadt legendär. Jeder will auf die Jefferson Halloween-Party.
Doch genauso wie mein Leben eine dunkle Wendung genommen hat, so haben auch die Partys aufgehört zu existieren. Ich würde nur zu gerne wissen, was meine Eltern über mich denken.
Vor fünfzehn Jahren adoptierten die Jefferson mich aus dem Kinderheim, in dem ich sechs Jahre meines Lebens verbracht habe. Ich erinnere mich nur wage an das, was ich dort erlebt habe. Es war keine schöne Zeit, aber auch nicht so schlimm als die Hölle, in der ich gerade leben.
Das Heim war klein. Wir waren nur sechs Kinder - fünf Jungs und ich als einziges Mädchen und die Jüngste. Die Jungs waren nicht sonderlich nett zu mir, so nett wie Kinder, die nichts haben, halt zu einander sein können, aber sie passten auf mich auf. Vor allem vor dem Leiter, der mehr als nur einmal von der Polizei abgeholt worden ist. Wir hielten zusammen, um zu überleben. Keiner von uns kannte seine Eltern und es wirkte auch nicht so als würden wir sehr bald adoptiert werden.
Doch dann in der Nacht an meinem sechsten Geburtstag tauchten acht Gestalten auf. In schwarze Gewänder gehüllt und die Gesichter mit Masken verdeckt. Ich erinnere mich wie ich von einem der Jungs in den Schrank gestopft wurden bin und er mir befahl, erst wieder raus zu kommen, wenn er es sagt. Doch das passierte nicht. Die Jungs waren verschwunden, als ich nach drei Tagen aus meinem Versteckt krabbelte. Ich war alleine und meine Beschützer waren weg.
Die Polizei fand mich einen Tag später und brachte mich zu den Jefferson, die mich eine Woche später adoptierten. Bis heute weiß ich nicht, was in dieser Nacht vor fünfzehn Jahren passiert ist.
Verdrängung sagte meine Therapeutin damals, als ich noch regelmäßig zu Sitzungen gegangen bin, weil ich ständig nachts von Albträumen geplagt wurde. Was mit den Jungs passiert ist, bleibt bis heute ein Rätsel. Zwei Monate suchte die Polizei und die gesamte Stadt nach ihnen - doch nichts. Die fünf Jungs, die mich sechs Jahre beschützt haben, bleiben verschwunden. Manchmal träume ich noch von ihren Augen, das einzige an das ich mich erinnere. Ihre Namen habe ich verdrängt, spüre aber, dass sie irgendwo tief in mir verschlossen liegen.
Peter kommt aus dem Badezimmer und lässt damit den Gedanken an die Jungs, die ich komischer Weise vermisse, verpuffen. Es ist als würde Peter jeden guten Gedanken aus meinem Kopf streichen und ihn mit etwas Negativen ersetzen.
»Ich habe dir etwas gekauft, was du morgen tragen solltest.« teilt mir Peter, ohne mich anzusehen, mit. Er deutet mit der Gabel auf ein Paket, das auf der Couch liegt.
»Morgen?« frage ich etwas verwirrt und blicke noch einmal auf den Kalender um zu überprüfen, ob ich mich verguckt habe. Aber nein es sind noch zwei Tage bis zu meinem Geburtstag.
»Ja morgen, wir feiern in deinen Geburtstag rein.« antwortete er trocken. Der Unterton in seiner Stimme zeigt mir deutlich, dass er kurz davorsteht, auszurasten.
»Danke.«, sage ich schnell und öffne das Paket.
Ein rosafarbenes Wickelkleid kommt zum Vorschein. Ich falte es auseinander und verdrehe die Augen. Fünf Jahre und er kennt mich noch immer nicht, aber das kann ich ihm nicht sagen. Also drehe ich mich mit einem Lächeln herum. »Es ist wunderschön.« bringe ich nur mit Mühe hervor, dieses ganze Geschauspielerte strengt mich an.
»Ich will, dass du es morgen trägst. Wir gehen in die neue Bar.« brummt Peter zwischen zwei Bissen.
Der Ton in seiner Stimme zeigt mir deutlich, dass ich besser keine Fragen stellen soll, warum er in diese Bar gehen will. Seit Jahren gehen wir nirgendwo anders hin als in Susis Dinner.
»Stell sicher, dass du das da alles abdeckst. Ich will nicht, dass die Leute denken, dass ich dich verprügele.« befiehlt er streng, steht auf, zieht sich seine Jacke an und verschwindet aus der Haustür.
Seufzend lasse ich mich auf die Couch fallen. Das Kleid fällt neben mir auf den Boden. Die acht Stunden ohne Peter in dem Apartment sind meine acht Stunden Frieden am Tag, einmal durchatmen. Wie jedes Mal in den letzten vier Jahren greife ich nach meinem Handy und schreibe eine SMS an alle meine Kontakte, dass es mir gut geht und sie sich keine Sorgen machen müssen.
Eine Nachricht pro Jahr erlaubt mir Peter, verrückt ich weiß, doch dagegen kann ich nichts tun. Während ich die Nachricht schreibe, alle Empfänger einfüge und auf senden drücke, laufen mir die Tränen über die Wangen. Mein Herz zerspringt in meiner Brust.
Nach und nach trudeln die Nachrichten ein, dass ich mich melden soll, sie machen sich Sorgen und haben mich lieb. Die Fragen über wo und mit wem ich bin, haben nach zwei Jahren aufgehört.
Es ist brutal in derselben Kleinstadt wie die Menschen, die du liebst, zu leben und dennoch nicht die Chance hast, sie um Hilfe zu bieten. Zwei Mal habe ich es versucht und es bitterlich bereut. Es hatte meine ersten Brüche zur Folge. Zwei Rippen, einen Finger und mein Arm. Peter macht keine halben Sachen.
Stöhnend streiche ich mir durch die Haare und beschließe, mir den heutigen Tag frei zu nehmen. Ich muss duschen und mich einfach mal ausruhen. Eine Sache, die ich viel zu selten tue. Mein Körper schreit mich praktisch an, endlich auf ihn zuhören. Als ich mich so durch die Wohnung schleppe, huschen meine Gedanken wieder zu den Jungs, die ich tief in mir drin vermisse.
Mein Herz hofft, dass es ihnen besser geht als mir. Mehr als nur einmal habe ich in den letzten fünfzehn Jahren gehofft, dass sie einfach eines Tages vor meiner Tür stehen. Doch das wird vermutlich nie passieren.
Meine Beine in die Badewanne zu bekommen ist ein einziger Kraftakt, wie mein gesamtes Leben. Das Wasser tut gut und brennt zur gleichen Zeit. Lange halte ich es nicht unter dem warmen Wasser aus, bevor mir schwindlig wird. Vorsichtig setzte ich mich auf den Boden der Wanne, ziehe die Beine an meine Brust und lasse das Wasser auf mich niederprasseln. Ich sehe bestimmt armselig aus wie ich hier in dem winzigen Badezimmer in der Wanne kauere und stumm vor mir hin weine.
Nach keiner Ahnung wie viel Zeit verstrichen ist, quäle ich mich wieder hoch, ziehe mich an und schleppe mich in die Küche. Jeder Schritt tut weh, das Atmen ist schwer und mein Hals brennt. Das Glas Wasser bekomme ich nur unter Schmerzen hinunter bevor ich mir einen kleinen Obstteller zusammenstelle und mich zwinge, wenigstens etwas zu essen. Alles an mir ist nur noch eine Hülle, die mich gerade so aufrecht hält.
Das Essen beende ich schnell als ich merke, wie es meinen Hals reizt. Ich beschließe ins Schlafzimmer zu gehen, meine Gedanken sind noch immer bei den Jungs. Unter einem Stöhnen lasse ich mich auf der rechten Bettseite auf die Knie fallen und ziehe eine Box hervor, die ich seit über fünfzehn Jahren wie einen Schatz hüte.
Langsam hebe ich den Deckel ab, sofort erwischen mich die Erinnerungen eiskalt. Alles was ich bis zu meiner Adoption besessen habe, ist hier drin. Die Mütze, die ich aufhatte, mein erster Strampler, ein Steinherz, mein Schnuller, die Decke, in der ich eingewickelt gewesen bin und ein Foto, dass mich in der Mitte der fünf Jungs zeigt, die seit Jahren immer wieder mietfrei in meinem Kopf leben.
Ihre und meine Geschichte begannen in meinen Kopf immer mit „Es war einmal« doch das »sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende« haben wir nie erreicht. Vor fünfzehn Jahren war ich naiv genug um zu glauben, dass wir für immer zusammenbleiben und sie meine Prinzen auf dem weißen Pferd wären. Heute weiß ich es besser. Das Leben ist leider kein Märchen. Es ist hart, brutal und hat meistens kein Happy End.
Die Jahre bei meinen Eltern waren zwar gut, aber vergessen konnte ich diese Fünf nie. Mit fünfzehn bin ich sogar mal von zuhause weggerannt um sie zu finden und wollte einen Privatdetektiv anheuern, aber mein Vater ist dagegen gewesen. Sie waren meine Helden, doch sie haben mich verlassen….
Ich starre noch ein letztes Mal auf das Bild hinunter, bevor ich es wieder in die Box fallen lasse und sie unter dem Bett verstaue. Die nächsten Stunden verbringe ich damit, die Wohnung so aufzuräumen, dass Peter nachher nicht wieder einen Grund findet, um mich erneut zu misshandeln. Die Schmerzen lassen mich immer wieder eine Pause einlegen, keine Kraft ist mehr übrig. Der Gedanke zu sterben ist einer, welcher mir den gesamten Tag durch den Kopf schießt.
Peter kommt gerade dann durch die Tür, als ich den Abwasch beendet habe. Seine Augen scannen die Wohnung nach einem Grund zum ausflippen und ich mache mich auf alles bereit.
»Sieht gut aus, Baby.« sagt er schließlich und zieht mich zu einem Kuss heran, der alles in mir zusammenziehen lässt. »Ich gehe mit den Jungs was trinken, warte nicht auf mich.« Seine Hand haut fest auf meinen Arsch, das Zucken meines Körpers bekomme ich gerade so noch unter Kontrolle.
»Okay Baby, das klingt gut.« flüstere ich, stehst vorbereitet auf den nächsten Wutausbruch von Peter.
Er küsst mich auf die Wange, haut mir noch einmal auf den Arsch und verschwindet dann wieder aus dem Apartment. Zitternd bleibe ich einige Sekunden in der Küche stehen, bevor ich ein erleichtertes Ausatmen hören lasse.
Ich öffne ein Bier, greife fünf von den Schmerztabletten und spüle sie mit der Flüssigkeit hinunter. Ich weiß, dass es keine gute Idee ist, diese beide Sachen zu mischen, aber mir ist mittlerweile alles egal. Wenn der Tod kommt, werde ich ihn wie einen alten Freund begrüßen.
Nachdem ich das Bier geleert habe, lege ich mich ins Bett. Die Kissen umschließen mich sanft und lassen mich in den Schlaf gleiten, den ich so dringend brauche. Meine Träume sind von grün, blau, rotbraune, blau und wieder grünen Augen durchzogen. Ich spüre sie und höre ihre kindlichen Stimmen. Bereitwillig lasse ich mich von ihnen tiefer in den Schlaf ziehen. Das mir so bekannte beschützende Gefühl, das sie in mir ausrufen, lässt mich sichern fühlen.
Meine Prinzen, wann kommt ihr mich holen…
Kapitel 2
Death
D
as blonde Mädchen kniet vor mir, die Augen glänzen bereits und ihre Lippen sind um meinen Schwanz verschlossen, ein kleines aber langweiliges Schauspiel. Meine Hand ruht auf ihrem Kopf und drückt sie bestimmt immer ein Stückchen mehr auf meine Länge. Das Würgen übergehe ich. So etwas interessiert mich nicht, wenn du nicht vernünftig einen Schwanz lutschen kannst, werde ich dir dabei helfen, es so zu tun wie ich es will.
»Wirklich in der Kapelle, Death.«
Halloween, welcher eigentlich Micah heißt, steht im Türrahmen der Kapelle gelehnt. Seine grünen Augen bilden den Kontrast zu seiner orangen Totenkopfmaske, die wie meine schwarze die Hälfte seines Gesichtes ziert. Seine blonden Haare hat er locker nach hinten gegelt und seine Tates sehen aus wie gerade eingecremt.
»Verpiss dich.«
Hart schubse ich die Schlampe ohne Vorwarnung von meinem Schwanz. Geschockt sieht sie zu mir hinauf. Auch wenn ich vor niemanden Angst habe und mir von keinem was sagen lasse, habe ich keine Lust auf eine Moralpredigt meines besten Freundes.
»Aber...« wimmert das Mädchen leise.
»Verpiss dich, sagte ich.«
Meine Stimme ist schneidend und lässt keinen Zweifel zu, dass wenn sie nicht meinen Worten folgt, ich nicht gerade sanft sie dazu zwingen werde. Hektisch stürzt sie an Halloween vorbei, der ihr breit grinsend die Tür auffällt. Genauso wie ich liebt auch er die Angst in den Augen der Mädchen zu sehen, die wir ficken.
Er verlangt absoluten gehorsam, wo ich nur zu gerne mit den Köpfen dieser armen Wesen spiele. Auch sonst könnten wir uns nicht mehr unterscheiden.
Halloween, der älteste von uns fünf, ist der Anführer der The Skull Society, kalt und durch die Liebe zu töten, hat er sich im Untergrund einen Namen gemacht und so unsere Macht gesichert.
Ich auf der anderen Seite als sein Stellvertreter bin eher der stille Beobachter, der stets alles im Blick hat. Das Morden liegt mir nicht. Lieber probiere ich durch irgendwelche Gedankenspiele an das zu kommen, was ich haben will. Jeder von uns fünf bringt etwas anderes mit, was uns so verdammt unberechenbar macht.
Da wäre noch Luzifer, der eine Vorliebe zum Foltern hat und es mit so einem Genuss tut, dass es selbst mir Angst macht. Dracula, der mit seinem Messer schon so manche Narben zugefügt hat, die sein gegenüber zum Sprechen gebracht haben. Und zum Schluss ist da noch Ice, die gute Seele. Stets zurückhaltend und doch bekommt er immer alles mit. Manchmal erschreckt er mich sogar, wenn er wie ein Geist irgendwo steht und einfach nur den Moment in sich aufsaugt, er ist unser Baby.
»Gibt es einen Grund, dass du mein Nachmittag-Blowjob störst?« frage ich trocken, fülle zwei Gläser mit Scotch und reiche eines davon Halloween.
»Die Jungs wollen in die neue Bar. Aber da wir ja Ice kennen, müssen wir das erst besprechen.«
Halloween schiebt seine Maske nach oben und leert den Drink mit einem Zug. Augenrollend tue ich es ihm gleich.
»Was sollen wir da besprechen. Wie gehen in einen Bar und nicht auf eine Mission.« brumme ich.
Die Vorfreude auf einen Barabend durchströmt mich. Unser Leben ist nicht wirklich das, was man fröhlich nennt. Bevor wir The Skull Society gegründet haben, gab es nichts, was nach einer Party ausgesehen hat. Das Wort Albtraum würde es besser beschreiben.
»Du weißt doch wie er ist. Komm schon.« fordert Halloween und hält mir, mit einer ausladenden Geste seiner Hand, die Tür auf. Kopfschüttelnd stapfe ich aus der Kapelle die Stufen der alten Steintreppe, die in die Burg führt, entlang.
Seit Fünfzehn Jahren suchen wir nach etwas, das uns damals als wir noch Kindern gewesen sind, in Salem geraubt wurden ist.
Sie.
Das kleine Mädchen mit den blauen Augen ist der Grund, warum wir die Burg eine halbe Stunde von Salem entfernt, gekauft haben.
Die Kleinstadt in Massachusetts ist der Ort wo alles für uns begonnen hat. Sechs Kinder in einem Kinderheim, fünf Jungs und ein kleines Mädchen, das in einer Decke eingewickelt eines Tages dazu gestoßen ist. Nur zu gut erinnere ich mich an den Tag als der Leiter, ein schmieriger alter Mann mit schlechter Zahnhygiene kam und sie einfach vor uns auf den Tisch legte. Ich war gerade mal sieben Jahre alt als ich sie das erste Mal auf dem Arm gehalten habe. Wir beschützten sie und taten unser bestes um unsere kleine Prinzessin am Leben zu erhalten. Damals waren wir nur fünf Waisen, die sich um ein kleines Baby kümmerten. Die Dunkelheit war uns noch nicht eingeflößt wurden.
Sechs Jahre später sollte sich das ändern. Die Erinnerungen an dem Tag, der unser Leben für immer änderte, sind etwas verschwommen. Das einzige was noch wirklich in all unseren Köpfen steckt ist, wie Dracula sie in den Schrank unterhalb der Treppe geschoben hat. Danach packten uns die Männer mit den Kapuzen und brachten uns an einem Ort, an den keiner von uns gerne zurückdenkt.
Wir wurden gefoltert, gebrochen, der Kindheit beraubt, sexuell ausgebeutet, zum Dienen ausgebildet und zu Monstern erzogen. Acht lange Jahre lebten wir in dieser Hölle, verdammt lange Jahre. Bis Halloween es nicht mehr aushielt und das erste Blutbad seines Lebens veranstaltet und uns damit befreite. Er befreite uns zwar aber die Bosse dieser Organisation sind noch immer dort draußen. Nur der Gedanke lässt mir schlecht werden.
Seit diesem Tag suchen wir das Mädchen, das jeder von uns anders genannt hat. Wir konnten uns nie auf einen Namen einigen also hat jeder ihr einen anderen gegeben. Schließlich hatte keiner eine Ahnung wie man so etwas mit Namensgebung, Windel wechseln, Flasche geben und all dem Zeug macht. Aber trotz alle dem haben wir uns, glaube ich, nicht allzu schlecht geschlagen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir irgendwie und trotz jeder Menge Fehler sie irgendwie groß bekommen haben. Als wir sie unfreiwillig verlassen haben, war es ihr sechsten Geburtstag.
Dicht gefolgt von Halloween betretet ich den großen Saal, den wir vor ein paar Jahren zum Wohnzimmer umgebaut haben. Eine riesige Couch ist das Zentrum. Dort lümmeln Luzifer und Dracula und spielen irgendein Videospiel auf dem abnormal großen Fernseher, dem meiner Meinung nach, die Berechtigung fehlt. Stöhnend lasse ich mich auf einen der Sessel fallen und teile einem unseren Diener mit, dass ich einen Drink will. Halloween tut es mir gleich und lässt sich links neben mir in den Sessel sinken. Seine Maske legt er vor sich auf den Tisch.
»Wo ist Ice? Wollte er nicht unbedingt mit uns sprechen?« frage ich genervt davon, dass ich für so etwas meinen mittelmäßigen Blowjob unterbrochen habe.
»Der meinte, er müsste nochmal etwas überprüfen. Du weißt doch wie er ist.« antwortet mir Theon, wie Dracula eigentlich heißt, gleichgültig.
Jeder von uns hat einen Spitznamen. Meisten verwenden wir sie nur, wenn wir unsere Masken tragen. Ice und ich sind allerdings die Ausnahme. Wir beide haben für uns entschieden, unsere Namen in dieser Hölle zurück zu lassen.
»Na dann warten wir mal wieder auf Ice, wie immer.« grummelt Micah.
Es gibt nicht viel, was unseren Anführer wirklich nervt, aber warten ist definitiv eines dieser Dinge, womit man ihn reizen kann. Irgendwie ironisch, wenn ich darüber nachdenke, wie oft wir auf ihn warten müssen, weil er sich erst die richtige Mordwaffe aussuchen muss.
»Ich geh ihn holen.« brummt der Riese mit dem Spinnennetz-Tattoo auf der Stirn und setzt sich in Bewegung.
»Danke Knox.« sagt Micah zu dem Mann, der sich selbst den Namen Luzifer verpasst hat.
Irgendwie ist es passend. Er ist der Teufel in Person. Noch nie bin ich jemanden begegnet, der so viel Spaß darin hat, Menschen leiden zu sehen wie er. Da ist mir Micah persönlich gesehen lieber. Er macht immer gleich kurzen Prozess mit den Leuten.
Gelangweilt sehe ich Theon dabei zu, wie er ein Videospiel spielt, dass für mich keinerlei Sinn ergibt. Ich hasse es zu zocken, dafür lieben er und Knox es doppelt so doll.
Theon flucht während wir auf Ice und Knox warten. Was für ein Scheißspiel das doch ist. Micah und mich bringt seine ungefilterte Art oft zum Grinsen, erst denken dann reden funktioniert bei unserem Psychopathen nicht.
»Er kommt gleich.« teilt Knox uns mit, als er die letzten Stufen der Treppe nimmt und mit einem Sprung auf der Couch landet.
»Eh Knox, jetzt habe ich den Kill nicht bekommen« fährt Theon ihn böse an. Die beiden sind eine wahre Hassliebe.
»Den hättest du so oder so nicht bekommen.«
Knox haut Theon, der bestimmt einen Kopf größer als er ist, locker auf die Schulter. Schon seitdem wir Kinder gewesen sind, haben sie immer irgendeinen Grund zum Streiten gefunden und das ist über die Jahre so geblieben. Bevor es allerdings zu etwas Handfesten werden kann, unterbricht Micah den aufkeimenden Ärger nur mit einem Räuspern.
Seit acht Jahren suchen wir nun schon nach dem Mädchen, dass uns alle auf ganz unterschiedlichen Arten die Welt bedeutet und die Tatsache, dass wir sie nicht finden können, lastet schwer auf uns allen. Vor allem auf Ice, der sonst immer eine Antwort für alles findet. Nie haben wir ihn scheitern sehen. Doch unser Mädchen zu finden scheint eine Sache zu sein, die ihn in die Knie zwingt.
»Wenn er nicht gleich hier auftaucht, hole ich die Schlampe von eben wieder.« raune ich, als weitere zehn Minuten vergehen.
»Die hast du so nett zum Gehen aufgefordert, die kommt bestimmt wieder, Death.« witzelt Micah und boxt mir gegen die Schulter.
»Seit wann sind wir den nett. Genau das ist es doch, was diese billigen Bitches wollen. Dann sollen sie sich nicht beschweren, wenn sie genau das erhalten.«
»Unser Death, der Frauenversteher.« ruft Knox lachend aus. Böse funkle ich ihn an. Manchmal möchte ich ihn wirklich erwürgen, doch wie jedes Mal ist es nur ein Gedanke. So ist es halt bei fünf Männer, da gibt es hin und wieder mal Reibereien. Aber niemals würde uns in den Sinn kommen, dass sich unsere Wege eines Tages trennen würden.
Wir sind alle zusammen in dem Heim aufgewachsen, wir haben gelernt von klein auf für einander da zu sein. Micah und ich habe die kleineren immer unterstützt ob im Heim oder in der Hölle, die danach folgte. Uns konnte man nicht trennen.
»Wow, sieh einer an, wer es auch endlich geschafft hat, seinen Arsch zu dem Meeting zu bewegen, welches er einberufen hat.«
Micah spricht manchmal wirklich wie ein alter Mann, dabei ist er noch nicht mal 30. Anhören tut er sich allerdings oft wie 50. Auch wie er sich manchmal bewegt, lässt mich wundern, ob er in Wirklichkeit nicht doch älter ist.
Ice zieht sofort den Kopf ein, als er hört, wie nah Micah ist zu explodieren. Eine Sache, die wir alle nur zu gerne vermeiden. Es gibt nicht viel, vor dem unser Ice wirklich Angst hat. Aber Micah ist definitiv eine Sache, vor der er es hat.
»Sorry, ich musste noch was ausdrucken.« sagt Ice und reicht uns etwas, was aussieht wie ein Lageplan.
Knox, Theon und ich verdrehen die Augen und verkneifen uns geradeso noch einen dummen Spruch. Manchmal fehlt uns dreien die Geduld für Ice und seine wirren Angewohnheiten. Micah hingegen ist wie oft die Ruhe selbst. Auch wenn er häufiger der eiskalte Mörder ist, der er nun mal ist, hat er meistens eine Engelsgeduld, die jeden von uns des Öfteren überrascht.
»Das ist der Lageplan der Bar und auf der Rückseite findet ihr die Menükarte.« erzählt Ice weiter und deute auf das Stück Papier als wäre es irgendeine Doktorarbeit, die er uns gerade erklärt.
Theon und ich rollen zeitgleich mit den Augen. Es ist nichts Neues für uns, dass Ice ständig jede noch so kleine Sache bis ins letzte Detail durchplant. Einer der Gründe warum er bei den meisten Mission unser Kopf ist und aus seiner sicheren Zentrale alles im Blick behält. Noch nie in meinem Leben habe ich jemanden kennengelernt, der so gründlich ist - in jedem Aspekt seines Lebens. Ice kontrolliert selbst bevor er das Haus verlässt, ob alle Fenster geschlossen sind, der Herd aus ist und ob auch ja nirgendwo noch das Licht brennt. Man könnte fast meinen, es ist eine Art Psychose. Mehr als nur einmal hat er jemanden, ausgenommen Micah, zusammengeschissen, weil wir vergessen haben, das Licht auszumachen. Aber so sehr wie er uns manchmal auch auf die Nerven geht, wir lieben unseren Ice.
»Komm auf den Punkt, Ice. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« brummt Micah und lässt sich erneut einen Drink einschenken.
Es würde ihm nie einfallen, einen von uns in seiner Individualität einzuschränken, aber ab und an versetzt er uns mal einen kleinen Schubs, um Sachen zu beschleunigen.
»Das ist das eine und das andere ist, da ja morgen Storms Geburtstag ist, dachte ich, wir feiern rein.« wirft er kleinlaut in die Runde.
Bei dem Namen, den Ice für unser Mädchen vor all den Jahren gewählt hat, stockt mir heute noch der Atem. Wir anderen nennen sie nur noch unser Mädchen aber niemand außer Ice spricht mehr den Namen aus, den wir gewählt haben. Es reißt jedes Mal etwas in mir auf, dass ich lieber fest verschlossen lasse. Wir alle haben Narben davongetragen, die wohl nie ganz heilen werden. Auch wenn wir heute erwachsen sind, lebt in uns allen noch immer das traumatisierte Kind von vor acht Jahren.
Grob werde ich in meine Kindheit zurückversetzt und in die Hölle, die wir acht Jahre lang über uns ergehen lassen haben. Die Augen des Bosses unserer Entführer werden mich wohl nie mehr loslassen. Diese verdammten Augen haben sich vor fünfzehn Jahren in meinen Kopf eingebrannt. Kalt und herzlos sehen sie mich immer an, wenn ich wieder mal in einen meiner Albträume falle.
»Death, du siehst aus, als hättest du ein Monster gesehen. Dabei sind wir hier die Monster.« raunt Knox, doch ich nehme ihn nicht mal mehr wirklich wahr.
Viel zu viele Erinnerungen, die ich verdrängt habe, springen in meinen Kopf und bilden einen wilden Mix aus einer Flut an Gefühlen, die ich nicht mehr stoppen kann. Stumm legt Micah mir seine Hand auf die Schulter, ahnend was gerade in mir vorgeht. Er und ich haben uns schon immer so gut verstanden, dass wir häufig keine Worte brauchen, um den anderen zu verstehen. Ein Blick, ein kurzes Nicken oder ein Grinsen reichen, um miteinander zu kommunizieren.
»Ach und ich habe das hier gefunden. Erinnert ihr euch?«
Ice reicht uns mit leicht glasigen Augen ein Foto, das aussieht, als wäre es über Jahre zusammengefaltet gewesen. In demselben Moment, als Micah und ich das Foto erblicken, durchleben wir beide das gleiche noch einmal.
Unser Mädchen steht zwischen uns allen und lacht mir und Micah fröhlich entgegen. Das letzte und einzige Foto was wir von ihr besitzen und das erste Mal, das ich ihr seid fünfzehn Jahre ins Gesicht sehe.
Micah reicht ohne Kommentar, ohne jegliche Regung das Foto weiter an Theon und Knox. Die beiden sonst so lauten und vor allem fast immer fröhlichen Männer verfallen in Schockstarre, die ich schon seit Jahren nicht mehr an ihn gesehen habe. Es wirkt fast so, als würden die beiden sich vor meinen Augen wieder zu Kindern entwickeln. All der Schmerz, den sie über die Jahre erlebt haben, spiegelt sich auf ihren Gesichtern wieder. Ich bin erschrocken wie viel Gewalt unsere Vergangenheit noch über uns hat.
»Woher hast du dieses Foto,Ice?« fragt Micah. Sein Blick ist eiskalt. Keine einzige Emotion ist auf seinem Gesicht zu sehen. Er schließt uns aus, wie er es früher schon immer getan hat. Ich kenne ihn so gut, dass ich diesen kleinen Schimmer an Sorge in seinen Augen sehen kann.
»Ich habe es in den Akten gefunden, die du damals hast von Theon aus dem Büro stehlen lassen hast.« antwortet Ice und senkt fast schon schuldbewusst seinen Kopf.
Er ist unser komischer Computer-Nerd, der häufiger in Rätseln spricht und auch wenn Ice nicht derjenige ist, den ich für einen Faustkampf wählen würde, ist er ein unersetzlicher Teil von The Skull Society.
»Diese Akten standen in meinem Zimmer in meinem Schrank.«
Micahs Stimme ist eiskalt und seine Augen halten den jüngsten unserer Runde gefangen. Knox, Theon und ich halten den Atem an.
»Es tut mir leid, Boss. Ich wusste einfach nicht mehr weiter und habe gehofft, dass ich etwas in den Akten finden würde.«
Jeder von uns sieht, dass Ice es ernst meint. So etwas ist in all den Jahren noch nie passiert. Gerade Ice respektiert unsere Privatsphäre auch wenn er bei anderen einen scheiß draufgibt. Seit Jahren macht er, außer uns auf Missionen und Drogenübergaben den Arsch zu retten, nichts anderes als unser Mädchen zu suchen.
»Ist okay, Ice. Wir wissen, du meinst es nur gut.« sage ich, stehe auf und lege locker einen Arm um die Schulter unseres Babys, wie wir ihn nur zu gerne nennen. Ich sehe Micah kurz streng an und beobachte ihn dann dabei, wie er über seinen Schatten springt und Ice eines seiner seltenen Lächeln schenkt.
»Da wir das geklärt haben. Wie wär’s mit Essen? Ich sterbe nämlich vor Hunger.« lässt Micah mit einem leichten Grinsen auf den Lippen verlauten.
Den anderen mag es vielleicht nicht auffallen, aber unserem Anführer geht das hier genauso nah, wie es uns allen geht. Doch er wäre nicht derjenige, der er heute ist, wenn er sich nicht wie so oft hintenanstellen würde. Mehr als nur einmal habe ich ihm in den Ohren gelegen, dass er das nicht für uns tun muss. Aber wie so häufig steht ihm auch dort abermals sein Sturkopf im Weg.
»Essen klingt nach einen verdammt guten Plan.« ruft Knox aus, springt auf und springt zur Küche.
Grinsen und kopfschüttelnd folgen wie anderen ihm. Egal wie schlecht Knox drauf ist oder wie schlecht ein Tag gewesen ist, mit Essen kann man diesen Verrückten immer aufmuntern.
Theon und Knox wirbeln in der Küche herum und stellen uns nach zwei Stunden eine Lasagne auf den Tisch.
»Ich bin zwar verhungert, aber vielleicht holt mich ja dieses Essen wieder ins Leben zurück.« witzelt Micah und tut sich als erstes auf.
»Hörst du das, Theon. Unser Boss hat Humor.« feuert Knox lachend in die Runde. Kopfschüttelnd mache ich mich über das Essen her.
Eine Sache, die man den beiden Verrückten wirklich nicht erwartet ist, dass sie kochen können. Aber zur Hölle nochmal - für deren Essen würde ich über Leichen gehen.
Während des Essens, das uns alle Töne entlockt, die stark nach etwas anderem klingen, geht Ice noch einmal alles, was wir über die Bar und die Menükarte wissen müssen, im allerkleinsten Detail mit uns durch. Knox Blick deutet des Öfteren daraufhin, dass er sich für Ice gerade irgendwelche neuen Foltergeräte überlegt. Ice kann manchmal wirklich froh sein, dass er seinen Welpenschutz bei uns irgendwie nie abgelegt hat. Schon seitdem wir ihn kennen, lassen wir ihm so viel durchgehen wie sonst niemand anderem. Naja, außer dem kleinen Mädchen, dass wir sechs Jahre lang beschützt haben und dass uns seit acht Jahren vor ein riesiges Rätsel stellt.
Nachdem wir alle aufgesessen haben, ziehen wir uns um und machen uns dann auf den Weg zur Bar.
Diese Nacht gehört dir, Babydoll. Halloween war schon immer der Tag, an dem die Monster zum Spielen rausgekommen sind und hier sind wir...
Kapitel 3
Knox
»H
abe ich schon mal erwähnt, dass ich Hemden hasse?« brumme ich und zupfe an dem Kragen meines Hemdes, welches ich nach einer Diskussion mit Ice unter Protest angezogen habe.
Ich verstehe einfach nicht, was das immer mit diesen Hemden soll. Ich kann auch in einem Poloshirt gut aussehen. Aber Micah musste ja unbedingt diese dumme Regel einführen, dass wenn wir unsere Masken tragen, wie es heute Abend der Fall ist, wir alle einheitlich schwarze Hemde tragen.
»Meinst du heute oder in den letzten acht Jahren?« fragt Death amüsiert vom Beifahrersitz. Böse funkle ich meine Freunde an, als sie gemeinsam anfangen, über meinen Hass gegenüber Hemden zu lachen.
»Nun guck nicht so, Bro.« sagt Theon mit seinem üblichen trocknen Tonfall und klopft mir auf die Schulter.
Auch wenn wir alle miteinander befreundet sind und uns sogar als Familie sehen, würde ich dennoch behaupten, dass Theon mein bester Freund ist. Genauso wie Death und Micah ein besonderes Band haben, so habe ich es auch mit Theon. Schon seit wir Kinder waren, hatten wir diese eigenartige Verbindung. Wir verstehen uns in Situationen, in denen uns andere Menschen verachten. Death nennt uns immer freundlich die Psychopathen und ganz unrecht hat er damit nicht.
Theon, der mit seiner Leidenschaft zu Messern, schon so manchen Menschen Angst gemacht hat. Mehr als nur einmal habe ich in den vergangenen acht Jahren dabei zusehen dürfen, wie er Menschen auf kunstvolle Weise mit seiner Klinge zum Reden gebracht hat. Dazu geselle ich mich dann noch mit meiner Leidenschaft zum Foltern. Schon als Kind habe ich mich dafür interessiert, wie ich jemanden so viel Schmerz zufügen kann, dass ich ihn zwar nicht umbringe, aber er mich anfleht, ihn endlich zu erlösen. Keine Ahnung warum mich dieser Fakt, diese Macht zu haben, so sehr in den Bann zieht, aber ich kann nicht leugnen, wie viel Freude es mir bereitet.
Das Problem an der Sache ist, ich weiß genau, wie krank sich das anhört. Aber wenn ich ganz tief in mir hineinhorche, dann weiß ich, dass ich es niemals ganz ablegen könnte. Es ist ein Teil von mir. Und dieser Teil hält mich zusammen, hält meine Narben verschlossen und meine Gedanken ruhig. Wenn ich Menschen, die es verdient haben, Leid zu führen kann, kann ich all die Sachen, die in sieben Jahren in der Hölle passiert sind, vergessen - wenigstens für einen Moment.
Und weil diese fünf das alles wissen, sind sie meine Familie. Niemand von uns würde den jeweils anderen für seine Art der Trauma Bewältigung verurteilen. So etwas tun wir nicht. Selbst wenn wir bemerken, dass irgendjemand von uns gerade in der Situation eine Grenze übertritt, lassen wir es geschehen und sprechen danach mit ihm. Wieder einer der Regeln, die Micah damals eingeführt hat.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich nie ganz verstanden, warum wir unbedingt Regeln brauchen. Schließlich verstoßen wir mehrfach die Woche gegen das Gesetz. Doch die Regeln, die Micah aufgestellt hat, werden akribisch befolgt. Für mich ist es irgendwie doppelmoralisch aber es belastet mich auch nicht so sehr, dass ich mir einen Kopf darüber drüber mache.
»Du musst dort parken.« mault Ice Micah plötzlich an, lehnt sich zwischen die beiden Sitze nach vorne und zeigt auf dem Parkplatz genau gegenüber von der Bar. Keine fünf Meter vom Eingang entfernt, damit wir im Ernstfall sofort abhauen können.
Wieder einer von Ice seinen Ticks, an die wir uns alle längst gewöhnt haben. Micah grummelt etwas Unverständliches, parkt das Auto wieder aus und parkt es genau an der Stelle, wo Ice es haben möchte. Theon und ich können uns ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen.
»Passt das jetzt so, Ice?« fragt Micah mit einem Blick in den Rückspiegel, zu dem jüngsten in unserer Runde.
»Perfekt.«
Lachend steigen wir aus dem Auto aus. Die kühle Herbstluft weht mir durch die Haare und hinterlässt ein angenehmes Gefühl auf der Haut. Ich liebe diese Zeit im Jahr, wenn die Tage kürzer werden und die Nächte länger. Die Zeit im Jahr, in dem sich Menschen über Monster wir uns freuen. Natürlich nicht von Angesicht zu Angesicht, aber sie lieben die Geschichten über uns. Die Geschichten über Monster, die unschuldige jungen Frauen entführen und sie für ihre Zwecke benutzen. Genau sowas liebt die Jugend von heute. Aber wenn es dann im wahren Leben passiert, haben sie Angst. Wieder einer dieser Dinge die nach Doppelmoral schreit. Sie lieben es sich zu gruseln, aber wenn ich oder gar Theon unsere Leidenschaft nachgehen, sind wir krank. Lustig ist nur, dass uns dennoch sämtliche Schlampen anbetteln, sie zu ficken.
Schon in den wenigen Sekunden, die wir hier auf dem Parkplatz stehen, haben uns bereits fünf verschiedene Mädels abgecheckt und das werden bestimmt nicht die letzten des Abends sein.
Mit einem Grinsen nehme ich meine rote Maske von Death entgegen, setze sie auf und beobachte eine Gruppe Mädchen, die wild kichernd auf uns zeigt. Hier in Salem werden wir eigenartiger Weise fast wie Superstars angehimmelt. Obwohl, so eigenartig ist das gar nicht, wenn ich mir die Auswahl an Männern, die hier lebt, so ansehe. Niemand von diesen Kleinstadtleuten kann wirklich mit uns mithalten.
Wir haben Micah und seine grünen Augen, mit denen er nur einmal blinzeln muss und ihm liegen sämtliche Mädchen zu Füßen. Sie tun genau das, was er von ihnen verlangt. Er ist die pure Dominanz in Person. Niemals würde er vor einem Mädchen auf die Knie gehen, nicht mal um sie zu verwöhnen, denn das tut er genauso wenig.
Death auf der anderen Seite liebt das mit den Köpfen dieser kleinen, unschuldigen Dinger zu spielen. Wenn ich ehrlich bin, finde ich es sogar hochinteressant, ihn dabei zuzusehen.
Unser Ice auf der anderen Seite ist nur Zuschauer. Er steht in der Ecke und beobachtet uns bei dem, was wir tun, fast so als würde er uns studieren. Auf verdrehte Art und Weise braucht er nicht den Akt an sich.
Naja und Theon ist unser Messergenie. Er geht da drin auf, den Mädchen irgendwelche Muster auf den Rücken oder einer anderen Körperstelle zu hinterlassen, natürlich nicht ohne Blut zu kosten. Ein komischer Fetisch, wenn man mich fragt, aber jedem das seine.
Und dann wäre da noch ich, der es liebt, Frauen stundenlang in meinem ganz persönlichen Folterkeller zu halten und dort mit ihnen Sachen anstelle, von denen sie selbst nicht gedacht haben, dass sie sie genießen würden. Und selbst wenn nicht, ist es mir recht herzlich egal. Dann können sie entweder gehen und ich suche mir jemand neues oder aber sie bleiben und ertragen den Schmerz. Diese Wahl liegt ganz bei ihnen. Naja oder vielleicht doch nicht ganz, denn um gehen zu können, müsste ich sie ja von den Fesseln befreien und das tue ich erst dann, wenn ich mit ihnen fertig bin.
»Kommt, lasst uns unser Mädchen feiern.« ruft Micah aus und geht voran.
Wie immer folgen wir ihm in einer Art von Formation. Death und Theon rechts und links von ihm und Ice und ich hinter den dreien. So haben wir es schon immer gemacht und werden das wahrscheinlich auch immer tun, es ist eingebrannt in uns.
Die Mädchen, die sich eben noch kichernd über uns unterhalten haben, winken uns jetzt freundlich grinsend zu. Sie wirken wie diese Art von Mädchen, die denken, ihnen gehöre die gesamte Welt, nur weil sie hübsch sind. Ein arrogantes Weltbild, wenn man mich fragt. Was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum ich es so sehr genieße, sie zu foltern und ihnen genau diesen Glauben zu nehmen.
Die Bar ist bereits gut gefüllt, als wir sie betreten. Im Gegensatz zu den anderen Bars und Diners, die man in Salem gewohnt ist, wirkt diese hier fast schon zu modern für die Kleinstadt, die irgendwann zeitlich einfach stehen geblieben ist. Gerade in der Zeit um Halloween habe ich das Gefühl, dass die Menschen hier in der Zeit zurückreisen.
Wie so häufig ziehen wir auch jetzt die Blicke auf uns. Für uns ist das alles mittlerweile schon völlig normal geworden. Und wer mag es diesen Menschen verübeln. Fünf heiße tätowierte Männer betreten eine Bar, die sonst nicht wirklich viel für Frauen zu bieten hat. Ich lasse meinen Blick über die Menge schweifen und muss mir ein Grinsen verkneifen. Wir sehen fast schon Over Dress aus mit unseren Hemden. Doch die Masken, die uns sonst noch auffälliger wirken lassen, gehen in der heutigen Nacht zwischen den anderen Kostümen unter.
Hexen, Vampire, Vogelscheuchen, sexy Krankenschwestern, Playboy Bunnies und zwischendrin immer wieder ein grimmig reingucken Mann, der einfach nur seinen Feierabendbier trinken will.
Halloween hat irgendetwas Schönes. Jeder kommt aus seiner Komfortzone heraus und niemand kritisiert den anderen dafür, was er trägt oder lässt abfällige Bemerkungen darüber verlauten, wie unangebracht die Kleidung ist, die jemand trägt. Jeder will einfach nur Spaß haben und feiern und genau das ist es, was wir heute vorhaben.
»Dort drüben.« sagt Theon laut über die Gespräche, gepaart mit der Musik, die aus den Boxen dröhnt, hinweg. Mit einem Nicken teile ich ihnen mit, dass ich ihm verstanden habe. Gemeinsam mit Ice schiebe ich mich durch die Menge - stets meine drei Freunde vor mir im Blick.
Wir nehmen an dem Tisch Platz, der sich in der Ecke des Raumes befindet und uns eine gute Übersicht über den Eingang wie auch der Menge gibt. Keine zwei Sekunden nachdem wir uns hingesetzt haben, taucht eine kleine Kellnerin mit verflucht viel Ausschnitt auf. Freundlich fragt sie uns, was wir trinken wollen.
»Eine Flasche Ihres teuersten Whiskys und fünf Gläser.« antwortet Death ihr in dieser Tonlage, die er immer bei Frauen anschlägt und diese sofort dahin schmelzen lassen.
»Wäre das alles?« fragt sie und kann sich kaum von den Augen von Death losreißen.
»Das wäre alles, Honey.« erwidert er und lässt ganz unscheinbar seine Finger kurz und hauchzart über ihren Arm gleiten. Kichernd und mit verdammt roten Wangen macht sie sich wieder auf dem Weg zurück zur Bar.
»Du kannst das nicht sein lassen, was?« sage ich ohne Death wirklich anzusehen. Meine Augen scannen die Menge. Ich liebe es, Menschen zu beobachten. Nicht auf die gleiche Art wie Ice aber dennoch ähnlich. Für mich hat das keinen sexuellen Hintergrund, für mich ist es wie eine Art Recherche, die ich führe. Wie, wann und worauf ein Mensch reagiert, hat mich schon immer interessiert. Denn nur so kann ich das perfekte Folterergebnis für mich herausholen.
»Ich weiß nicht, was du meinst, Bro.« brummt Death und setzt sich dann bequemer hin. Micah, der neben ihm sitzt, schüttelt nur den Kopf, während Ice neben ihm noch einmal den Notfallplan auf dem Lageplan ändert.
»Kann sich wenigstens einer von euch einmal an den Plan halten?« murmelt er wütend vor sich hin und zeichnet weiter auf dem Plan herum.
»Ganz ruhig, Kleiner. Wir sind in Salem, was soll uns hier schon passieren?« Theon haut Ice brüderlich auf die Schulter und fängt sich gleich einen bösen Blick von genau diesem ein.
»Ja, Dracula was soll uns schon passieren? Salem ist ja so sicher. Ich erinnere mich da an eine Sache, die etwas anderes sagt.« faucht Ice den deutlich größeren Theon an. Mit den Masken kommen auch die Spitznamen wieder.
»Nicht hier.« zischt Micah. Sein Blick ist eiskalt und seine Hand ballt sich zu einer Faust. Diese kurze Regung von dem Mann, den wir seit Jahren folgen, reicht aus, um das, was noch nicht begonnen hat, zu beenden.
»Ich komme gleich wieder.« lässt Ice im nächsten Moment verlauten, steht auf und verschwindet in Richtung Bar. Verwundert sehen wir uns alle einen kurzen Moment an und zucken dann einvernehmlich mit den Schultern - Ice und seine Ticks.
Die Kellnerin bringt uns unsere Bestellung und verschwindet nach einem großzügigen Trinkgeld von Death wieder in der Menge. Irgendwie ist es schon ironisch.
Vor fünfzehn Jahren haben wir in dieser kleinen Stadt in einem Kinderheim gesessen und waren froh, wenn wir jeden Tag etwas zu essen hatten und heute werfen wir mit dem Geld praktisch nur so um uns. Nicht auszudenken, was aus uns allen geworden wäre, hätten wir nicht Micah und seine wundervollen Ideen.
Nur zu gut erinnere ich mich daran, wie er uns damals einen Plan unterbreitet hat, wie wir zu Geld kommen. Keiner von uns war wirklich begeistert von seiner Idee. Vertraut haben wir dennoch auf ihn. So haben wir es immer getan und werden es wahrscheinlich auch immer tun.
Theon schenkt jeden von uns zwei Finger breit Whisky ins Glas und reicht jedem von uns eins. Wir warten bis Ice wieder kommt und stoßen dann brüderlich auf den Abend an. Der Whisky ist gut, zwar nicht so gut wie der, den wir in der Burg haben, aber der ist auch einiges teurer möchte ich wetten. Mich hat es noch nie wirklich interessiert, ob es nun ein teurer oder nicht so teurer Whisky ist. Hauptsache ist doch, dass man betrunken wird und das kann man auch mit einem günstigen. Dafür brauche ich nicht extra hunderte von Dollars ausgeben. Aber Theon wie auch Death sehen das definitiv anders. Stundenlang beschäftigen sie sich oftmals mit den Bestellungen für unsere eigene kleine Hausbar, die eigentlich gar nicht so klein ist.
»Sag mal, was hast du eigentlich da an der Bar gemacht, Ice?« fragt Micah locker und schenkt uns allen die nächste Runde ein.
»Nichts. Es ist eine Überraschung.«
»Wenn ich das Wort Überraschung schon aus deinem Mund höre, wird mir irgendwie ganz anders.« werfe ich ein.
Nur zu gut, erinnere ich mich noch an meinen letzten Geburtstag, als mir Ice eine Überraschung in Form eines Jahresabos für Desinfektionsmittel gegeben hat. Bei dem Gedanken muss ich grinsen. Noch heute stehen unzählige Liter von diesem Geschenk im Vorratsraum unseres Hauses. Wenn ich ihn nicht so liebhaben würde, hätte ich ihn vermutlich schon so einige Male in meinem Folterkeller das Fürchten gelernt. Gerade als Ice was erwidern will, wird er von der Kellnerin, die eine mittelgroße, mit Buttercreme überzogene Torte auf dem Tisch abstellt, unterbrochen. Happy Birthday, Our Girl, steht in kunterbunten Buchstaben auf ihr geschrieben. Wir scheinen alle einen Moment zu brauchen, um zu realisieren, dass das die Überraschung ist, von der Ice eben noch gesprochen hat.
»Das ist mal wirklich eine gelungene Überraschung.« ruft Theon aus und zieht Ice in einen Schwitzkasten, wild verwuschelt er ihm die Haare.
»Ich dachte auch, wenn wir nicht mit ihr feiern können aus den uns allen bekannten Gründen, hat sie doch irgendwie eine Torte verdient. Ich meine, es ist schließlich der 21. Geburtstag.« erklärt Ice mit beschwerter Stimme. Man spürt förmlich wie schwer ihm das alles fällt und wie schuldig er sich fühlt, dass er seit Jahren keinen Schritt mit der Suche nach unserem Mädchen vorankommt.
»Das ist wirklich eine schöne Idee.« beruhigt ihn Micah und legt einen Arm locker um die Schulter von Ice. Theon will schon die Torte anschneiden, da haut ihm Death auf die Finger und raunt »Nicht vor Mitternacht.