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Seit Monaten schwärmt Prudence O’Malley für Ashton Jennings, aber ihn anzusprechen, kommt für die schüchterne Studentin nicht in Frage. Um dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen, organisiert ihre beste Freundin eine Party und sorgt dafür, dass Ash und Prue dort Zeit miteinander verbringen. Zu Prues großer Freude ist das Interesse nicht nur einseitig und je öfter die beiden sich treffen, desto näher kommen sie sich. Alles scheint perfekt zu sein, doch schon bald ziehen dunkle Wolken am Horizont auf, mit denen Prue niemals gerechnet hätte. Ihr großer Bruder torpediert das junge Glück, wann immer er kann. Als die junge Frau den Grund für seine Abneigung ihrem Freund gegenüber erfährt, zieht es ihr den Boden unter den Füßen weg. Hat die frische Liebe der zwei eine Chance gegen den Hass von außen oder werden sie sich dem Druck beugen?
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Epilog
Leseprobe „Don’t Wanna Love You“ von Ruby Recked
Danksagung
Ruby Recked
These Simple Kisses
© 2021 Written Dreams Verlag
Herzogweg 21
31275 Lehrte
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
ISBN: 978-3-96204-504-3
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlags weitergegeben werden.
Prudence
„April, bist du bald so weit?“, rief ich durch die geschlossene Badezimmertür. „Wir müssen langsam los!“
„Zwei Minuten“, ließ meine beste Freundin mich wissen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir es noch rechtzeitig schaffen konnten, wenn uns sonst nichts und niemand mehr in die Quere kam. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis sie aus dem Bad kam. Nachdem sie ihren Rucksack geholt hatte, machten wir uns direkt auf den Weg zum Rock’n’Roast, unserem Lieblingscafé auf dem Campus.
„Eigentlich hatte ich gehofft, dass du zum Semesterstart über dein altes Muster hinweg bist“, erklärte sie. „Ernsthaft, Prue, soll das ewig so weiter gehen?“
Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. „Keine Ahnung. Zumindest bis zu dem Tag, an dem ich ihn nicht mehr toll finde?!“
Meine beste Freundin seufzte. „Eher friert die Hölle zu. Er spielt bei dir in einer so hohen Liga, dass ihm nie jemand das Wasser reichen können wird.“
Er, das war Ashton Jennings, der attraktivste Junge, den ich je gesehen hatte. Jeden Morgen ging er ins Rock’n’Roast, um sich einen Espresso to go zu kaufen, und jeden Morgen hielten April und ich uns im Hintergrund oder vor der Tür auf, um ihn dabei anzuschmachten. Genau genommen schmachtete nur ich, während meine Freundin mir beistand.
„Wenn du nicht bald etwas unternimmst, mache ich das“, stellte sie klar. „Seit Monaten geht es weder vor noch zurück. Du solltest ihn endlich ansprechen.“
„Bist du verrückt?“, stieß ich entsetzt aus. „Bevor ich auch nur ein Wort mit ihm gewechselt habe, ersticke ich an meiner eigenen Spucke oder bekomme einen Schlaganfall. Willst du das?!“
„Natürlich nicht. Obwohl das vermutlich nicht in deinen Kopf reingehen wird, ist er ein ganz normaler Mensch. Frag ihn, ob er einen Kaffee mit dir trinkt. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass er ablehnt.“
„Als wäre das so leicht“, murmelte ich vor mich hin. April wusste genau, dass ich viel zu schüchtern war, um so etwas durchzuziehen.
In diesem Punkt unterschieden wir uns wie Tag und Nacht. Sie hatte weder ein Problem damit, neue Leute kennenzulernen, noch schien sie Angst zu haben, sich zu blamieren. Bei mir sah das ganz anders aus. Ich brauchte eine Weile, bis ich aus mir herauskam und mich mit Fremden wohlfühlte.
Auf den ersten Blick hatten April und ich generell nicht viel gemeinsam und doch war sie die beste Freundin, die ich mir hier wünschen konnte. Vor zwei Jahren, als ich mit dem Studium an der University of Texas begonnen hatte, waren wir uns zuerst begegnet. Wir hatten uns bei der Studentinnenverbindung Phi Beta Tau beworben, die für Freundschaft, Zusammenhalt und Toleranz stand. Während unserer Pledge, also der Anwärterphase, waren wir zu einem Team - sogenannten Soul Sisters - ernannt worden, das alle Aufgaben gemeinsam meistern musste. In den ersten neun Wochen hatte ich schon bemerkt, dass ich mich zu einhundert Prozent auf sie verlassen konnte, doch im Laufe der abschließenden Hell Week waren wir über uns hinausgewachsen. Gerade unsere Unterschiede hatten dafür gesorgt, dass wir diese Tage unbeschadet überstehen konnten.
Sie war für mich bei jeglichen Mutproben in die Bresche gesprungen, während ich ihr bei den Quiz-Nights den Hintern gerettet hatte. Ich wusste alles über die Geschichte von Phi Beta Tau, da meine Mutter mir die Fakten von klein auf beigebracht hatte. Sie, meine Tante und meine Grandma waren zu ihrer Zeit an der Universität Mitglieder der Verbindung gewesen und unterstützten sie noch heute finanziell. Dass ich in ihre Fußstapfen trat, stand außer Frage und war seit meiner frühesten Kindheit so vorgesehen gewesen.
„Da ist er“, erklärte April knapp, doch ich hatte Ashton im gleichen Moment entdeckt. Er kam aus der entgegengesetzten Richtung und sah wie immer umwerfend aus. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, wie eh und je, im Gegensatz zum letzten Semester trug er nun kurze, schwarze Haare auf dem Kopf, was ihm sogar noch besser stand als die Glatze, die er bisher getragen hatte. Ich liebte seinen legeren Look, der aus einem offenen, rotkarierten Hemd sowie einem weißen, enganliegenden Shirt bestand, das seine starke Schwimmerbrust perfekt betonte und sich deutlich von seiner dunklen Haut abhob. Hinzu kam eine blaue Jeans, die er in halbgeöffnete, sandfarbene Boots gesteckt hatte.
Zielstrebig hielt er aufs Rock’n’Roast zu, während ich versuchte, April dazu zu bringen, langsamer zu gehen, damit wir nicht zeitgleich mit ihm an der Tür ankamen. Meine Freundin schüttelte allerdings nur mit dem Kopf und behielt das Tempo bei. Was hatte sie vor? Sie benahm sich viel zu auffällig!
„Lass uns draußen warten“, schlug ich flüsternd vor.
Sie tat, als würde sie kurz überlegen. „Wenn ich deinetwegen schon so früh aufstehen muss, habe ich mir einen Kaffee verdient, finde ich.“
Mir blieb keine Zeit mehr, meinen Protest geltend zu machen, da sich Ashton inzwischen in Hörweite befand. Das war so nicht abgesprochen!
Wie befürchtet, erreichten wir zeitgleich den Eingang. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als Ash uns ein freundliches Lächeln schenkte, die Tür öffnete, und sie uns aufhielt. „Ladys first!“
„Vielen Dank!“, flötete April fröhlich, als sie an ihm vorbeiging.
„Danke“, piepste ich ebenfalls leise, mit einer Stimme, die nur entfernt wie meine klang, und huschte meiner Freundin hinterher.
Wir stellten uns in die Warteschlange und Ashton reihte sich direkt hinter uns ein. Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, war ich mir seiner Anwesenheit überdeutlich bewusst.
Er stand so nah, dass ich sein Aftershave riechen konnte. Überhaupt arbeitete jeder meiner Sinne auf Hochtouren. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören, meine Atmung beschleunigte sich und meine Hände begannen zu schwitzen. Wirkte es merkwürdig, wenn ich jetzt auf die Toilette verschwand oder war das meine einzige Möglichkeit, dieser Situation zu entkommen?
April rammte mir äußerst unsanft ihren Ellenbogen in die Seite. „Du bist dran“, zischte sie. „Was willst du haben?“
Völlig überrumpelt schaute ich auf die Karte und in die Auslage. Mein Mund, der staubtrocken war, öffnete und schloss sich von ganz allein, doch kein Ton kam heraus. Hinter dem Tresen stand Jackson Collins, Ashtons bester Freund. Er arbeitete seit Jahren hier, trat ab und zu sogar als Sänger auf und sah mich nun erwartungsvoll an.
„Ei … einen Espresso … bitte“, stotterte ich, weil es das Erste war, was mir einfiel. Schließlich würde Ashton diesen gleich bestellen.
„Seit wann trinkst du denn Kaffee?“, erkundigte sich meine Soul Sister überrascht. „Normalerweise stehst du doch auf heiße Schokolade!“ Sie wackelte mit den Augenbrauen.
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Hot Chocolate nutzten meine Freundin und ich manchmal als Codenamen für Ashton, wenn wir über ihn redeten, und jetzt zog sie mich damit auf, noch dazu vor ihm! Warum tat der Boden sich nie vor einem auf, wenn man es am dringendsten brauchte?
„Was darf es denn nun sein?“, hakte Jackson freundlich nach.
„Falls sie den Espresso nicht will, nehme ich ihn“, mischte Ash sich nun ein, bevor ich meine Bestellung aufgeben konnte.
„Als ob ich nicht wüsste, was du seit Jahren jeden Tag orderst, aber Vordrängeln gibt es hier nicht“, bestimmte sein Freund hinter dem Tresen.
Plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meiner Schulter und mein gesamter Körper versteifte sich. „Sorry, das war nicht böse gemeint“, raunte Ash und jagte damit einen Schauer meine Wirbelsäule hinunter, bevor er mich wieder losließ.
April seufzte. „Mach uns bitte zwei Erdbeersmoothies und einen Espresso für den edlen Ritter“, gab sie unsere Bestellung auf. „Ich habe heute meine Spendierhosen an.“
Jackson nickte und machte sich an die Arbeit.
„Danke, das wäre nicht nötig gewesen“, wandte sich Ash an meine Freundin, die sich direkt zu ihm umdrehte.
Beiläufig zuckte sie mit den Schultern. „Das ist keine große Sache. Du hast uns erst vorgelassen und musstest nun auf uns warten. Sieh es als kleine Entschädigung.“
„Cool, danke. Vielleicht kann ich mich einmal revanchieren?“
„Da fällt mir bestimmt etwas ein“, mutmaßte April und schenkte ihm ein Lächeln.
Moment mal, flirtete sie etwa mit ihm? Das würde sie mir nicht antun. Oder? Innerlich schüttelte ich über mich selbst den Kopf. Der kurze Moment der Unsicherheit verschwand so schnell, wie er gekommen war. Vor mir stand meine beste Freundin, die es nie wagen würde, mich so zu hintergehen.
Unsere Getränke wurden vor uns abgestellt und Jackson ließ sich von April bezahlen. Sie drückte Ash den Espresso und mir den Smoothie in die Hand, bevor sie sich ihren eigenen schnappte.
„Bye, man sieht sich“, verabschiedete sie sich von den Jungs, ehe sie sich bei mir einhakte und wir gemeinsam das Café verließen.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, zickte ich sie an, nachdem wir uns einige Meter entfernt hatten.
„Atme erstmal durch“, riet sie mir. „Es ist doch gar nichts passiert.“
„Nichts passiert?“, wiederholte ich. „Ich kann mich da nie wieder blicken lassen! Zum einen hält er mich jetzt für zu blöd zum Bestellen und zum anderen bin ich nun nicht mehr irgendeine Studentin für Ash. Es wird ihm auffallen, wann immer ich ihn beobachte und wenn die Distanz noch so groß ist.“
„So schlimm war es nicht“, versuchte sie, mich zu beruhigen. „Und er war doch wirklich nett. Vielleicht solltest du es drauf anlegen, dass er dich bemerkt.“
Vehement schüttelte ich mit dem Kopf. „Das wird nicht passieren!“
Meine Freundin schnaubte. „Also muss ich dafür sorgen, dass ihr zueinanderfindet.“
Ein ungutes Gefühl wuchs in mir heran. „Nein, musst du nicht. Bitte, April! Versprich mir, dass du dich zurückhältst!“
„Das kann ich leider nicht, sorry, denn ich habe schon eine Idee.“
Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, aber ich wusste, dass es zwecklos war, sie davon abbringen zu wollen. Wenn April sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, entwickelte sie eine unfassbare Zielstrebigkeit. Das Einzige, was mir übrigblieb, war, zu hoffen, dass ich nach ihrer Aktion nicht die Uni wechseln musste.
Ashton
Endlich Freitag! Die erste Woche nach den Semesterferien war immer die schlimmste. Nun musste ich nur noch zum Schwimmtraining und schon konnte das Wochenende starten.
„Hey du, warte mal“, hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, erkannte ich das Mädchen, das mir am Montag den Espresso spendiert hatte.
Sie kam zu mir herübergejoggt und trug einen Stapel Zettel in der linken Hand. „Ashton, richtig? Hi, ich bin April“, stellte sie sich vor, nachdem sie stehengeblieben war.
„Hi April, was gibt’s?“, begrüßte ich sie.
„Hast du Lust, später zu einer Party ins Phi Beta Tau Haus zu kommen?“, kam sie direkt auf den Punkt und hielt mir einen ihrer Flyer unter die Nase.
Darüber musste ich nicht lange nachdenken. Zum einen hatte ich noch keine Pläne für den heutigen Abend, zum anderen waren die Partys dieser Verbindung dafür bekannt, dass man nur mit persönlicher Einladung hineinkam. Die Mädchen, die dort gemeinsam lebten, hätte man früher als höhere Töchter bezeichnet und diese gaben sich normalerweise nicht mit einem armen Schlucker wie mir ab. Ihre Eltern waren Politiker, Ärzte, Anwälte oder Ähnliches und mich interessierte es, wie sie feierten.
„Klar, warum nicht?!“, tat ich unbeteiligt. „Kann ich meinen Kumpel Max mitbringen?“
Während April überlegte, zog sie eine spitze Schnute. Sie war ganz hübsch, aber irgendwie nicht mein Typ. Alles an ihr wirkte so künstlich. Die Fingernägel und Wimpern waren es auf jeden Fall, bei ihren blonden Haaren vermutete ich ebenfalls Extensions und dass es sich nicht um ihre natürliche Haarfarbe handelte.
„Unter einer Bedingung“, erklärte sie. „Du musst mir versprechen, an unserem Partyspiel teilzunehmen. Ich hoffe, du bist keine Spaßbremse.“
„Okay“, sagte ich zu und hoffte, dass ich es später nicht bereuen würde. „Worum geht’s?“ Zwar hatte ich keine große Hoffnung, dass April es mir verraten würde, aber einen Versuch war es wert.
Sie lächelte. „Das wirst du dann schon sehen. Bring einfach eine Badehose mit, wobei du sie vermutlich gar nicht brauchen wirst.“
Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch.
„Nun guck nicht so. Es wird lustig, versprochen!“ Sie grinste, während sie mir zwei Einladungen in die Hand drückte.
„Fragt sich nur, für wen“, erwiderte ich und war mir nicht sicher, wo ich hier hineingeraten war.
„Für alle. Wenn ich das sage, kannst du mir ruhig glauben. Bis heute Abend! Ich freue mich!“ Sie drehte sich um und entfernte sich ein paar Schritte von mir. Gerade, als ich meinen Weg Richtung Schwimmhalle fortsetzen wollte, rief sie erneut nach mir. „Ash, bist du Single?“
„Ja“, erwiderte ich ehrlich. Hoffentlich sah sie meine Zusage zu der Party nun nicht als Date an.
„Und dein Freund? Max?“
„Der auch.“
„Ausgezeichnet.“
Vor meinem inneren Auge erschien Mr. Burns von den Simpsons, was mich lachen ließ. „Bye, bis nachher“, verabschiedete ich mich endgültig von ihr und machte mich auf den Weg, um meinen Coach nicht unnötig warten zu lassen.
Als ich nach dem Training mein Zimmer im Wohnheim betrat, lag Max lang ausgestreckt auf seinem Bett. Er trug Kopfhörer und seine Augen waren geschlossen. Ich tippte ihm gegen den Fuß, um zu sehen, ob er schlief, woraufhin er mich leicht verpeilt ansah und die Knöpfe aus seinen Ohren holte.
„Bist du so früh oder bin ich eingepennt?“, fragte er irritiert. In den Semesterferien war er bei seiner Familie in London gewesen und kämpfte immer noch mit dem Jetlag.
„Vielleicht beides“, vermutete ich. „Ich für meinen Teil habe eher Schluss gemacht, weil wir zwei etwas vorhaben.“
Aus meiner Tasche fischte ich die Zettel, die April mir gegeben hatte, und reichte meinem Kumpel einen davon. Nach einem flüchtigen Blick darauf richtete er sich auf und sah mich überrascht an. „Wie bist du denn da rangekommen?“
„Am Montag hat mir ein Mädchen im Rock’n’Roast einen Espresso ausgegeben und vorhin hat sie mir die Einladungen in die Hand gedrückt“, erzählte ich kurz, was es zu berichten gab.
„Oh, da musst du aber Eindruck hinterlassen haben beim Kaffeetrinken“, vermutete er.
„Das kann eigentlich nicht sein. Wir haben ihn nicht gemeinsam getrunken und kaum drei Sätze miteinander gewechselt“, fasste ich zusammen. „Doch heute kannte sie auf einmal meinen Namen. Das ist ein bisschen strange, oder?“ Erst jetzt wurde mir bewusst, wie merkwürdig die ganze Situation war. Ich wurde das Gefühl nicht los, etwas verpasst zu haben.
Max wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. „Ich weiß nicht. Hat Jax am Montag gearbeitet und dich in ihrem Beisein mit dem Vornamen angesprochen?“, hakte er nach.
„Keine Ahnung. Der Geschichte habe ich bis eben keine Bedeutung zugemessen. Es könnte durchaus sein.“
„Möglicherweise kennt sie dich auch aus dem Campusmagazin. Der Artikel über deine sportlichen Leistungen war ja nicht zu übersehen letztes Jahr“, stellte er die nächste Vermutung an. „Darüber würde ich mir nicht zu viele Gedanken machen. Stattdessen solltest du dich über die Einladung freuen.“
„Na gut, überzeugt. Wahrscheinlich hast du recht. Was soll schon passieren?“, stimmte ich schließlich zu.
Max schaute sich den Zettel genauer an. „Badehosenpflicht?“, fragte er skeptisch. „Ist das eine Pool-Party?“
„Möglich, das habe ich nicht gefragt“, gab ich zu und berichtete meinem Mitbewohner von Aprils Forderungen. „Es schien ihr jedenfalls sehr wichtig zu sein, dass wir diese einhalten. Wobei sie meinte, dass ich meine vermutlich nicht brauchen würde. Außerdem wollte sie wissen, ob wir beide Singles sind.“
Er begann zu lachen. „Scheiße, was hat die denn vor, dass sie gleich zwei halbnackte Typen dabeihaben möchte?“
„Willst du jetzt kneifen?“, hakte ich nach.
„Bist du irre? So eine Chance lasse ich mir doch nicht entgehen. Die Mädels scheinen zu wissen, wie man Spaß hat.“
Etwa anderthalb Stunden später machten wir uns auf den Weg zum Verbindungshaus. Wir hatten uns dafür entschieden, unsere Badeshorts direkt anzuziehen und mit einem T-Shirt zu kombinieren. Für alles andere war es in der texanischen Hitze ohnehin zu warm.
Als wir uns dem Haus näherten, erkannte ich, dass drei Mädchen davorstanden. Bei einer von ihnen handelte es sich um April, die zu winken begann, sobald sie uns sah.
„Wow“, flüsterte Max. „Hast du die Einladungen von ihr bekommen?“
Ich nickte flüchtig, da wir uns inzwischen recht nah an der Grundstücksgrenze befanden.
„Verdammter Glückspilz!“ Offensichtlich schien ihm April deutlich besser zu gefallen als mir, was für mich völlig okay war. Ich hatte ohnehin kein Interesse an ihr.
April strahlte uns an, als wir vor ihr stehen blieben. „Hi, schön, dass ihr gekommen seid.“ Sie beachtete mich kaum, sondern reichte meinem Kumpel die Hand. „Du musst Max sein. Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin April.“
Max kramte den britischen Gentleman hervor und gab ihr einen sanften Kuss auf den Handrücken. „Mich freut es ebenfalls, Mylady.“
Das war schon seit Jahren seine Aufreißermasche und sie funktionierte, wie jedes verdammte Mal, denn in Bruchteilen einer Sekunde lief April rot an.
Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder fing. „Hier“, sagte sie schließlich und überreichte zuerst Max und dann mir einen runden, roten Aufkleber. „Die sind für das Spiel und ihr müsst sie an eurem Oberkörper befestigen. Entweder am Shirt oder auf der nackten Haut.“ Bei ihrem zweiten Vorschlag legte sie ihre flache Hand auf Max‘ Brust.
„Was ist das für ein Spiel?“, erkundigte sich mein Mitbewohner. „Und was kann man gewinnen? Dich?“ Er wackelte mit den Augenbrauen.
Ich drehte den Kopf zur Seite, weil ich mir überflüssig vorkam. Vielleicht hätten sich die beiden direkt in Aprils Zimmer verkrümeln sollen.
„Nein, euch“, hörte ich sie sagen, bevor sie anfing zu lachen. „Aber es wird euch gefallen.“
„Dein Wort in Gottes Ohr“, murmelte ich und beobachtete, dass das Mädchen neben uns grüne Aufkleber an die Studenten verteilte.
Worauf hatten wir uns hier nur eingelassen?
„Geht schon einmal rein. Es ist der zweite Raum auf der rechten Seite. Ich komme gleich nach und erkläre euch, was wir geplant haben. Wenn ihr die Idee blöd findet, könnt ihr natürlich immer noch nein sagen. Es soll ja niemand zu seinem Glück gezwungen werden“, versprach April.
Prudence
„Ich frage mich, was sie sich für uns ausgedacht haben“, überlegte Josephine aufgeregt.
„Vielleicht haben sie ja Stripper eingeladen“, mutmaßte Cleo.
Die beiden und ich hatten in den Semesterferien Geburtstag gehabt und nun organisierten unsere Verbindungsschwestern eine Party für uns. Heute Nachmittag durften wir uns noch frei im Haus bewegen, aber vor einer halben Stunde waren wir in Cleos Zimmer gesperrt worden, damit wir nichts von der Überraschung für uns mitbekamen.
Hoffentlich lag Cleo mit ihrer Vermutung daneben. Das Letzte, was ich wollte, war, auf einem Stuhl zu sitzen, während sich irgendein fremder Mann, der wahrscheinlich viel zu alt für mich war, aufreizend vor oder auf mir bewegte.
„Stripper sind ein bisschen abgedroschen, denkt ihr nicht?“, warf ich ein, da unsere Freundinnen dafür bekannt waren, mit originellen Ideen aufzuwarten.
„Hoffentlich hat es trotzdem irgendetwas mit Kerlen zu tun“, meinte Josephine. „In den Ferien habe ich kein einziges Date gehabt. In meinem Heimatkaff leben echt nur langweilige Spießer.“
„Gegen ein bisschen Spaß hätte ich auch nichts einzuwenden“, pflichtete Cleo ihr bei. „Allmählich bin ich über Alex hinweg und bereit, jemand Neues kennenzulernen. Was ist mit dir, Prue? Dich habe ich ebenfalls schon lange nicht mehr mit einem Jungen gesehen.“
Damit hatte sie recht. Seitdem ich im letzten Jahr im Campusmagazin über einen Bericht gestolpert war, in dem es um Ashton Jennings ging, hatte kein anderer mein Interesse wecken können. Aber auch davor war mein Liebesleben eher übersichtlich gewesen.
Nun wusste ich nicht, was ich ihr antworten sollte oder mir wünschte. Seit meinem peinlichen Auftritt am Montag hatte ich Ash nicht gesehen, weil ich es nicht darauf angelegt hatte. Für mich würde dieser Junge auf ewig unerreichbar sein. Wahrscheinlich war es an der Zeit, es endlich einzusehen und mich nicht mehr so auf ihn zu fixieren. Das konnte ohnehin nicht gesund sein. Dass ich schon bereit war, ihn zu vergessen, glaubte ich nicht, aber vielleicht konnte mir ein anderer Kerl zumindest dabei helfen.
Es dauerte etwa weitere zwanzig Minuten, bis April ins Zimmer kam. „Es ist alles vorbereitet. Ihr könnt jetzt mit runter an den Pool kommen.“ Aufgeregt klatschte sie in die Hände und das war selbst für sie ungewöhnlich. Normalerweise war sie zwar aufgeschlossen, jedoch nicht überdreht.
Sie checkte kurz ihr Spiegelbild, ehe sie uns nach unten begleitete. Vor der Tür zum Wohnzimmer stand Sandra, in bester Türstehermanier, und ließ uns wissen, dass wir hier keinen Zutritt hatten. Aus diesem Grund mussten wir durch das nebenliegende Arbeitszimmer gehen, um nach draußen zu gelangen.
„Herzlich willkommen zum Phi Beta Tau Live-Tinder!“, begrüßte uns Reese, als wir an die frische Luft traten. „Findet den Mann eurer Träume oder zumindest den Richtigen für heute Nacht!“
„Tinder?“, zischte ich in Aprils Richtung. „Wie diese Fick-Finde-App?“ Ich war fassungslos. Sie wusste, dass ich so etwas nie nutzen würde. Erst recht nicht vor Zuschauern.
„Bleib ruhig und hör es dir an“, riet mir meine Freundin. „Du kannst mir vertrauen. Das konntest du immer, oder etwa nicht?“
„Doch“, gab ich kleinlaut zu.
Sie nahm meine Hand und drückte sie aufmunternd. „Es wird toll, das verspreche ich dir. Ich habe dafür gesorgt, dass du als Letzte dran bist. So kannst du gucken, wie es bei den anderen läuft.“
Ich nickte, da mich ihre Worte tatsächlich ein bisschen beruhigt hatten. Sie würde mich nie bewusst zu etwas zwingen, das nicht gut für mich war.
„Bitte setzt euch“, forderte Reese nun und deutete auf drei Stühle, die zwischen dem Haus und dem Pool platziert worden waren. Hinter den Sitzmöglichkeiten hatten sich die meisten unserer Verbindungsschwestern versammelt und konnten dadurch gut beobachten, was gleich passieren würde.
Josephine, Cleo und ich nahmen die vorbereiteten Plätze ein. April und Arizona gesellten sich zu Reese, sodass unsere Soul Sisters uns nun gegenüberstanden. Im Hintergrund befanden sich rechts drei leere Barhocker vor einer spanischen Wand. Zwischen den Hockern und dem Pool stand ein Tisch mit einer bodentiefen, schwarzen Decke. Darauf hatte jemand einen riesigen Rahmen gestellt, der ebenfalls schwarz angemalt worden war.
„Liebe Birthday Girls, wie schon erwähnt, haben wir uns ein Spiel für euch ausgedacht. Das Phi Beta Tau Live-Tinder“, begann Arizona. „Eure jeweilige Soul Sister hat für euch zehn Kandidaten ausgesucht, von denen sie dachte, dass sie euch gefallen könnten.“
„Die Spielregeln sind denkbar einfach“, übernahm nun April. „Die entsprechenden Männer werden nacheinander in unserem selbstgebauten Smartphone erscheinen.“ Sie deutete auf den Rahmen. „Ihr dürft sie anschauen, aber nicht mit ihnen sprechen.“
Reese kam auf uns zu und reichte jeder eine überdimensionale Schaumstoffhand, wie man sie meist bei Footballspielen zu Gesicht bekam. „Gefällt euch der Junge, wischt ihr für alle gut sichtbar nach rechts und er darf sich auf einen der Hocker setzen. Wenn er euren Geschmack nicht trifft, swipt ihr nach links und er muss leider baden gehen.“
„Habt keine Angst, die Plätze zu füllen“, ergriff nun wieder Arizona das Wort. „Falls ihr schon drei Kandidaten ausgewählt habt und es kommt jemand, den ihr besser findet, könnt ihr die beiden ohne Probleme austauschen. Nur, wer einmal im Wasser war, ist endgültig raus aus dem Spiel. Auf der Party darf er natürlich trotzdem bleiben.“
Jetzt war April an der Reihe. „Sobald ihr alle zehn Jungs gesehen habt, könnt ihr euren Finalisten eine gemeinsame Frage stellen, die die drei beantworten müssen. Hoffentlich hilft euch das bei der Entscheidung, denn im Anschluss wählt ihr euren Gewinner, mit dem ihr den Abend verbringen könnt.“
„Wie ihr das Date gestaltet, ist ganz euch überlassen. Frei nach dem Motto alles kann, nichts muss“, fügte Reese abschließend hinzu. „Gibt es noch Unklarheiten?“
Josephine, Cleo und ich verneinten.
„Gut, dann komm bitte zu mir, Josie. Du fängst an.“ Die Angesprochene stand auf, zog sich den Schaumstoffhandschuh über und begab sich zu ihrer Soul Sister. „Team Grün, seid ihr bereit?“
Aus der offenen Wohnzimmertür ertönte ein Gebrüll, das eher an einen Schlachtruf erinnerte. Kurz darauf trat der erste Kerl in den Rahmen. Es handelte sich um einen Footballspieler, was mich wenig wunderte, da Josie total auf Sportler im Allgemeinen und Mitglieder der Longhorns im Speziellen stand. Natürlich swipte sie nach rechts und der Typ setzte sich auf einen der Hocker. Ein Spieler nach dem anderen kam zum Vorschein, sodass mich das Gefühl beschlich, dass Reese es sich ziemlich einfach bei der Vorauswahl gemacht hatte. Allerdings schien sie genau die richtigen Jungs ausgesucht zu haben, da Josephine immer größere Probleme bei ihren Entscheidungen bekam.
„Und, was sagst du?“, fragte April, die sich Josies ehemaligen Stuhl schnappte und sich neben mich setzte.
„Die Idee finde ich ganz lustig“, gab ich zu. „Aber eher zum Zuschauen, denn es ist ziemlich fies, wenn die Typen mitkriegen, dass sie aussortiert werden und gegen wen.“
„Ach, darüber würde ich mir nicht so viele Gedanken machen“, wiegelte sie ab. „Wir haben ihnen klar gesagt, dass es keine Entscheidung gegen sie persönlich ist, falls sie baden gehen, sondern eine Entscheidung für den anderen. Außerdem dürfen sie ja hierbleiben und mit den Mädels feiern. Da ist niemand beleidigt, hoffe ich zumindest.“
„Was für Typen hast du mir ausgesucht?“, erkundigte ich mich neugierig, da ich mich im Gegensatz zu Josephine noch nie auf Sportler, Künstler, Nerds oder eine ähnliche Gruppe festgelegt hatte. Ich war nur fixiert auf einen bestimmten Jungen, aber den hatte April wohl kaum gefragt. Oder? Allein bei der Vorstellung, Ash könnte hier sein, erhöhte sich mein Herzschlag.
„Lass dich einfach überraschen, ja?“, schlug sie vor. „Ich hoffe nur, du bist nicht zu sehr enttäuscht von meiner Vorauswahl.“
Okay, wenn sie von einer möglichen Enttäuschung sprach, konnte Ash nicht dabei sein. „Na ja, es wird sich schon jemand finden, um einen netten Abend mit ihm zu verbringen“, redete ich mir selbst ein. Vorhin hatte ich nicht gewusst, ob Ablenkung für mich das Beste war, um Ash zu vergessen. So, wie es aussah, würde ich heute noch zumindest einen Versuch starten.
Wir beobachteten, wie sich Josephine für den aktuellen Longhorns Wide Receiver entschied und bei Cleo ein Typ mit Polo-Shirt und Rolex gewann.
„Bereit?“, fragte April und stand auf, bevor ich ihr überhaupt geantwortet hatte. „Los geht’s, Team Rot!“, rief sie.
Während ich mich zu ihr begab und mich neben sie stellte, kam schon der erste Kerl aus dem Wohnzimmer. Er sah ganz nett aus, deshalb ließ ich ihn auf einem der Hocker Platz nehmen. Die Vorstellung, jemanden ins Wasser zu jagen, obwohl noch Stühle frei waren, erschien mir ziemlich fies. Bei Nummer zwei und drei ging ich genauso vor. Schwieriger wurde es ab dem vierten Kandidaten. Manche tauschte ich aus, andere wischte ich direkt nach links, nachdem ich mich dafür entschuldigt hatte.
Ich wusste nicht, ob es an mir lag oder an Aprils Auswahl, aber irgendwie sprach mich keiner der Jungs so wirklich an. Aktuell tummelten sich fünf im Pool und drei saßen auf den Hockern. Hätte ich sie getauscht, wäre kein großer Unterschied entstanden.
Als der neunte Kandidat erschien, schnappte ich kurz nach Luft. Es war ein Freund von Ashton, dessen Namen ich nicht kannte, doch die beiden trafen sich mittags ab und an in der Mensa und auch im Rock’n’Roast hatte ich sie schon öfter gemeinsam gesehen. Hauptsächlich am Wochenende, zusammen mit Jackson und seiner Freundin, der Gazelle, wie ich sie nannte.
Ohne darüber nachzudenken, wischte ich ihn nach rechts und tauschte ihn gegen den Typen in der Mitte aus. Vielleicht konnte ich über ihn an Ashton herankommen? Träum weiter, ätzte eine Stimme in meinem Inneren. Das würde nicht passieren, aber er war mit Abstand der interessanteste Teilnehmer.
„Einer müsste noch da sein, oder?“, rief April.
Nach einem kleinen Moment kam Ashton Jennings zum Vorschein. Augenblicklich verfiel ich in eine Art Schockstarre. Was hatte April sich dabei gedacht? Wie hatte sie ihn dazu gebracht, hier mitzumachen und was zum Teufel sollte ich jetzt tun? Vor mir stand mein Traummann, mit nichts weiter als Badeshorts bekleidet und wartete darauf, dass ich ihn bewertete.
Mein Puls begann zu rasen und meine Hände wurden schwitzig.
„Los Prue, entscheide dich“, flötete April zuckersüß, sah mich aber eindringlich an. Ihre zu Schlitzen verengten Augen sollten mir wohl sagen, dass ich mich beeilen und die richtige Wahl treffen sollte.
Tief durchatmend deutete ich nach rechts. Ash schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und zwinkerte mir sogar zu. Während er zu den Hockern ging, hatte ich die Möglichkeit, das Spiel seiner Rückenmuskulatur zu beobachten. Für mich hatte er die perfekten Proportionen. Er besaß das typische breite Kreuz eines Schwimmers, ohne dabei von Muskeln überladen zu wirken.
Den knackigen Hintern konnte man in den Shorts nicht so gut erkennen, aber ich wusste, wie er in anderen Hosen aussah. Ash blieb stehen und drehte sich zu mir, wodurch mir sein Sixpack ins Auge stach. Ich hatte mir schon so oft vorgestellt, es zu berühren oder seine gut trainierte Brust. Als ich den Kopf weiter hob, erkannte ich, dass er mich direkt ansah. Jetzt hatte er mich auch noch beim Gaffen erwischt, super.
„Welcher Platz ist für mich?“, erkundigte er sich. Seine Stimme klang ruhig und geduldig, sodass es mir etwas leichter fiel, die Fassung einigermaßen zurückzuerlangen.
„Der Rechte“, erwiderte ich, da ich ihn so weit wie möglich vom Wasser entfernt sehen wollte. Zum Glück hörte ich mich nicht so verrückt an, wie ich mich gerade fühlte.
Ich bekam kaum mit, wie der andere Kandidat aufstand und in den Pool hüpfte, da ich nur Augen für Ash hatte.
„Die Finalisten stehen fest“, verkündete April und deutete nacheinander auf die Jungs. „Es sind Calvin, Max und Ash. Herzlichen Glückwunsch Jungs.“ Sie legte einen Arm um meine Schultern und wandte sich an mich, sprach aber so laut, dass jeder sie hören konnte. „Prue, hast du dir schon eine Frage überlegt?“
Überfordert schüttelte ich mit dem Kopf. Den Part mit dem Interview hatte ich vollkommen verdrängt.
„Dann helfe ich dir, okay?“
Als ich nickte, kam ich mir zum ersten Mal nicht komisch vor, da Josephine und Cleo sich auch hatten beraten lassen. Wir wandten uns von den Jungs ab und steckten die Köpfe zusammen.
„Da deine Entscheidung schon feststehen dürfte, brauchen wir die Frage eigentlich nicht. Deshalb bekommst du einen anderen Rat: Bleib locker, entspann dich. Die Chance ist einmalig, mehr konnte ich nicht für nicht tun. Den Rest musst du selbst hinkriegen, also schnapp ihn dir!“
„Bei dir klingt das so einfach!“, flüsterte ich.
„Dieses Mal ist es das sogar. Hot Chocolate gehört dir für den ganzen Abend! Mach was draus!“
Sie hatte gut reden, denn ich hatte nicht den leisesten Schimmer, wie ich meine Nervosität loswerden sollte.
„Und was frage ich jetzt?“, kam ich auf das eigentliche Thema zu sprechen. „Wir können nicht ohne Ergebnis tuscheln!“
April zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Frag doch nach dem perfekten Date oder so.“
„Gute Idee.“ Diese Aufgabe zu stellen war so simpel, dass ich sie sicher hinbekommen würde.
Wir drehten uns wieder herum und April fand sofort in ihre Moderatorinnenrolle zurück. „Und? Was möchtest du wissen?“
„Wie sieht für euch das perfekte Date aus?“, erkundigte ich mich bei den Jungs. „Was würdet ihr tun, um ein Mädchen zu beeindrucken?“
Calvin antwortete als Erstes und erzählte, dass er seine Verabredung schick zum Essen ausführen und anschließend die Sternwarte besuchen würde.
Max wiederum plante, für die Frau zu kochen und danach in einem Club feiern zu gehen. Doch das war alles bedeutungslos für mich. Ich wollte nur wissen, wie Ashs Vorstellung aussah.
„Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, solange ich nicht weiß, wer mein Date ist. Jedes Mädchen ist anders und darauf würde ich versuchen, einzugehen“, erklärte er schließlich. „Mir geht es nicht darum, sie zu beeindrucken. Am wichtigsten ist es, dass man Zeit miteinander verbringt. Die Aktivität ist dann zweitrangig und muss nicht ausgefallen sein. Ich stehe zum Beispiel auf Picknicks, aber wenn sie Heuschnupfen hat oder allergisch auf Bienen reagiert, würde ich darauf verzichten und mir etwas Anderes überlegen.“
Mein Herz, das bis eben wie wild geschlagen hatte, schmolz dahin, wie ein Eis an einem heißen Sommertag. Obwohl meine Entscheidung längst festgestanden hatte, überzeugte mich seine einfühlsame Antwort sogar noch mehr von Ashton. Er schien nicht nur super auszusehen, sondern auch einen guten Charakter zu haben.
Nun war es an der Zeit, meinen persönlichen Gewinner zu küren, und ich hoffte inständig, dass ich im Anschluss nicht erneut in meine Schockstarre zurückfiel.
Ashton
April hatte uns zu Beginn des Abends erklärt, dass ihre Soul Sister Prudence – oder auch Prue – sehr schüchtern war und wir deshalb besonders nett sein sollten.
Nun, da sie vor uns stand, erkannte ich das Mädchen, das April am Montag ins Rock’n’Roast begleitet hatte. Mir war zwar schon am Anfang der Woche aufgefallen, dass die Kleine ziemlich süß war, aber jetzt nahm ich mir Zeit, sie ausgiebig zu betrachten. Ihre Ausstrahlung wirkte so natürlich, dass sie sich von allen anderen Mädels hier stark unterschied. Ihre glatten Haare, die sie am Hinterkopf zusammengefasst hatte, waren rotblond und ihre Augen hellblau. Um ihre feine Nase herum zierten ein paar Sommersprossen die blasse Haut. Sie sprach etwas in mir an, das ich seit Jahren zu ignorieren versuchte.
Während April in Heels herumstöckelte und ihr knappes Outfit kaum Spielraum für Fantasien bezüglich ihrer Figur zuließ, trug Prue ein langes, weites Kleid, unter dem ihre nackten Füße herauslugten. Jeder ihrer Zehnägel war in einer anderen Farbe lackiert, was mir sehr gut gefiel. Möglicherweise deutete es darauf hin, dass sie verspielt war und das Leben nicht so ernst nahm, zumindest hoffte ich das.
Prue sah zwischen Calvin, Max und mir hin und her und biss sich auf die Unterlippe. Sie wirkte nervös, vielleicht sogar überfordert und ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ausnahmslos jeder sie anstarrte und auf ihre Reaktion wartete oder ob wir Jungs der Auslöser dafür waren.
„Ich entscheide mich für Ashton“, sagte sie schließlich leise, woraufhin ihre Verbindungsschwestern zu klatschen begannen.
Max legte seine Hand auf meine Schulter und beugte sich zu mir herüber. „Viel Glück mit der! Du wirst es brauchen.“ Seine Stimme klang leicht abfällig, was mir überhaupt nicht gefiel. Er kannte sie doch gar nicht und konnte nicht wissen, was sie hinter dieser schüchternen Fassade verbarg.
Während meine beiden Mitstreiter nacheinander in den Pool sprangen, überbrückte ich die kurze Distanz zu den Mädchen. Weil Prue mich anstarrte, als hätte sie Angst vor mir, schenkte ich ihr ein aufmunterndes Lächeln. Ihr musste schließlich irgendetwas an mir gefallen haben, sonst hätte sie mich nicht ausgewählt.
Kurz bevor ich sie erreichte, versetzte April ihr einen kleinen Schubs, sodass sie gegen mich taumelte.
„Sorry, das … das war … keine Absicht“, stammelte sie, als sie sich von mir löste und dafür ihre Hände flach auf meine nackte Brust legte. Dort, wo sie mich berührte, begann meine Haut zu prickeln und die Art, wie sie mich von unten durch ihre dichten Wimpern ansah, ließ mich nicht kalt. Die Unschuld und Verletzlichkeit, die sie ausstrahlte, bewirkte, dass mein Beschützerinstinkt ansprang. Hinzu kam ihr süßer, fruchtiger Duft, der mir die Sinne zu vernebeln drohte.
„Kein Problem“, erwiderte ich und umfasste sanft ihre Oberarme. „Geht es dir gut?“
Sie nickte und ließ mich dabei nicht eine Sekunde aus den Augen. Ihr Atem ging viel zu schnell dafür, dass wir uns nur gegenüberstanden. War sie so nervös? In dem Fall war es wohl meine Aufgabe, das Eis zu brechen.
„Wir haben uns noch gar nicht richtig vorgestellt. „Hi, ich bin Ashton Jennings, aber alle nennen mich Ash. Und du bist?“ April hatte mir zwar bereits Prues Namen verraten, doch ich wollte ihn von ihr hören, damit wir überhaupt ins Gespräch kamen.
„Prudence O’Malley“, erwiderte sie schließlich. „Bitte nenn mich Prue.“
„Schön, dich kennenzulernen, Prue.“ Erst jetzt bemerkte ich, dass ich sie immer noch festhielt, deshalb ließ ich sie los. „Wollen wir etwas trinken? Ich habe ziemlichen Durst.“
Sie nahm ihre Hände ebenfalls von meiner Brust, was ich irgendwie bedauerlich fand. „Natürlich. Was hättest du denn gerne? Ich bin nicht sicher, ob wir Alkohol im Haus haben.“ Während sie sprach, wurde sie stetig schneller. „Wir hatten im letzten Jahr großen Ärger mit der Campuspolizei, weil sich hier jemand eine Alkoholvergiftung zugezogen hat. Deshalb stehen wir jetzt unter Beobachtung, aber vielleicht könnte ich etwas für dich auftreiben. Dazu müsste ich nur …“
„Prue“, unterbrach ich sie. „Mir geht es nicht darum, mich zu betrinken. Ich nehme auch gerne eine Cola, einen Saft oder ein Wasser. Je nachdem, was am wenigsten Umstände macht.“
Sie nickte. „Okay. Willst du kurz hier warten oder mitkommen?“
Ich ließ meinen Blick zu dem langen Tisch schweifen, der auf der gegenüberliegenden Seite des Pools aufgebaut worden war. Darauf hatte ich vorhin schon diverse Flaschen, Gläser und Snacks ausgemacht. Jetzt tummelten sich die meisten Partygäste darum, sodass es eine Weile dauern würde, bis man das Gewünschte in der Hand hielt.
„Ich begleite dich“, entschied ich deshalb.
„Lass uns in die Küche gehen“, schlug sie vor. „Da sind vermutlich weniger Leute. Außerdem dürften die Getränke dort kühler sein.“
„Gute Idee.“ Gemeinsam betraten wir das Haus durch das Wohnzimmer, wo ich mir im Vorbeigehen mein T-Shirt nahm und überzog. Da ich hinter Prue ging, fiel mir auf, dass sie ihre Haare mithilfe von zwei Pinseln am Hinterkopf fixiert hatte.
Vorsichtig tippte ich einen davon an. „Studierst du Kunst?“
Über ihre Schulter hinweg sah sie mich an. „Wirtschaftswissenschaften“, erwiderte sie knapp, ehe sie sich wieder nach vorn wandte. „Das Malen ist nur ein Hobby von mir, aber ich nehme mittwochs immer an einem Volkshochschulkurs teil, um mich zu verbessern.“
„Cool. Mein Talent geht nicht über das Zeichnen von Strichmännchen hinaus und selbst bei denen stimmen die Proportionen von Armen und Beinen meistens nicht.“ Vielleicht taute sie auf, wenn sie über ihre Hobbys sprach.
Wir erreichten die Küche und Prue holte eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank. Durch ein Glaselement in der Tür eines Hängeschranks konnte ich erkennen, wo die Gläser aufbewahrt wurden und nahm zwei für uns heraus.
„Dafür kann ich nicht im Entferntesten so schnell schwimmen wie du. Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Meisterschaft.“ Konzentriert goss sie unsere Getränke ein und ich erkannte, dass ihre Finger dabei zitterten. Im Anschluss stellte sie die Flasche zurück in den Kühlschrank.
Als sie sich mir wieder zuwandte, drückte ich ihr ein gefülltes Glas in die Hand. „Danke, das ist doch schon Monate her“, winkte ich ab, obwohl ich bis heute von meinem Sieg profitierte, der mir das langersehnte Vollstipendium für mein letztes Studienjahr eingebracht hatte.
„Aber dafür war es so cool, wie du im Finale diesen McFarlane aus Houston eiskalt abgezogen hast“, schwärmte sie. Ihre Augen funkelten regelrecht.
„Du warst dabei?“, fragte ich überrascht und auch beeindruckt, dass sie sich für meinen Sport begeistern konnte. Für die meisten Studenten hier war Football eine Art Religion. Die anderen Sportarten konnten einfach nicht mithalten.
Prues Wangen liefen rot an, als sie zaghaft nickte.
„Kommst du öfter zu Wettkämpfen oder handelte es sich um eine Ausnahme wegen der Meisterschaft?“
„Ab und zu bin ich schon da gewesen“, murmelte sie und senkte den Kopf.
Mist, offenbar hatte ich sie in Verlegenheit gebracht, obwohl ich nicht verstand, warum es ihr so unangenehm war. Wir Sportler freuten uns schließlich immer über volle Ränge, auch, wenn wir meist so im Tunnel waren, dass wir nicht wahrnahmen, wer genau sich darauf befand.
Ich nahm einen großen Schluck meiner Cola und beschloss – wenig subtil – das Thema zu wechseln. „Würdest du lieber dein Leben lang nur noch Cola trinken oder nie wieder?“
Überrascht sah sie zu mir auf. „Wie bitte?“
Schulterzuckend lehnte ich mich an die Kochinsel hinter mir. „Vielleicht könnten wir eine Runde Würdest du lieber spielen“, schlug ich vor. „Dabei kann man sich ganz gut kennenlernen.“
„Ach so“, stieß sie aus und überlegte einen Moment. „In dem Fall eher nie wieder. Sonst würde sie mir nach spätestens einer Woche zum Hals raushängen, obwohl ich sie eigentlich gerne mag.“
„Das geht mir genauso“, stimmte ich zu. „Los, stell du eine Frage.“
Erneut nahm sie sich ein bisschen Zeit, ehe ihr etwas Passendes einfiel. „Würdest du lieber jede Lüge erkennen, die dir aufgetischt wird oder mit jeder Lüge davonkommen, die du erzählst?“
„Wow, wir steigen also gleich richtig ein“, erkannte ich an, musste aber nicht lange über die Antwort nachdenken. „Da ich selbst versuche, nicht zu lügen, würde ich lieber die von anderen erkennen. Was ist mit dir?“
„Für mich wäre das auch die bessere Alternative. Du bist dran!“
„Würdest du lieber ohne Filme leben oder ohne Musik?“, fragte ich sie.
„Das ist ganz schön fies“, beschwerte sie sich. „Ohne Filme, glaube ich. Die kann ich durch Lesen ersetzen, Musik nicht.“
„Gute Wahl“, stimmte ich zu.
Wir spielten noch ein paar Runden, in denen ich einige Infos über Prue erfuhr, zum Beispiel, dass sie lieber fliegen könnte, als unsichtbar zu sein oder dass sie lieber superschlau als supersexy wäre. Innerlich klopfte ich mir auf die Schulter für die Idee mit dem Spiel, denn es half ihr, ihre Schüchternheit zu überwinden.
Nach und nach kamen immer mehr Menschen in die Küche, sodass wir nicht weiter ungestört quatschen konnten.
„Würdest du lieber mit mir an den Pool gehen oder in dein Zimmer?“, fragte ich sie schließlich, da ich es genossen hatte, mit ihr Zeit zu verbringen und es mir hier allmählich zu laut wurde.
Prues Augen weiteten sich, doch sie sah mich nicht direkt an, sondern an mir vorbei. Ich drehte mich zur Seite, weil ich wissen wollte, was sie dort entdeckt hatte. In dem Moment griff sie allerdings nach meiner Hand und zog daran.
„Komm mit!“, forderte sie.
Während wir die Treppe nach oben gingen, wurde sie immer langsamer. Wir bewegten uns zwar vorwärts, aber ich bekam das Gefühl, dass sie mental einen Rückzieher machte.
Prudence
Mist, Mist, Mist! Was tat ich hier? War ich wirklich im Begriff, mit Ash auf mein Zimmer zu gehen? Und was würde dort passieren? Wollte er mit mir schlafen?
Während er nach einem Ortswechsel gefragt hatte, stand Arizona schräg hinter ihm und war so in der Lage gewesen, mitzuhören. Durch ein Kopfnicken hatte sie signalisiert, dass ich ihn mit nach oben nehmen sollte und ihre Handbewegung dazu war so unmissverständlich, dass ich nun genau wusste, was sie von mir erwartete.
Aber erwartete er das auch? Seine Frage hatte unverfänglich gewirkt, sodass ich zunächst keine Hintergedanken gehabt hatte. Arizonas Gesten im Hintergrund ließen mich nun jedoch etwas Anderes glauben. Hatte er mich quasi vor allen Leuten gefragt, ob ich mit ihm in die Kiste springen würde?
Natürlich hatte ich mir schon einmal vorgestellt, wie es wäre, mit Ash zu schlafen und es mir sogar gewünscht, doch jetzt kam es mir zu plötzlich vor. Durch das Fragespiel war es ihm gelungen, dass ich mich in seiner Nähe wohl fühlte, aber dieses angenehme Gefühl wich nun wieder meiner dämlichen Nervosität.
Alles kann, nichts muss, geisterte durch meine Gedanken. Das hatte Reese vorhin bei der Erklärung des Tinder-Spiels am Pool gesagt. Setzte ich gerade das Signal Alles muss? War es das, was Ash nun wollte?
Waren meine Chancen, ihn wiederzusehen, größer, wenn ich mit ihm schlief oder wenn ich es nicht tat? Da dieser Abend für ihn vermutlich eine einmalige Sache darstellte, war es möglicherweise das Beste für mich, die Möglichkeit zu nutzen.
Obwohl ich das Tempo immer weiter gedrosselt hatte, erreichten wir mein Zimmer viel zu schnell. Ich öffnete die Tür, schaltete das Licht an und ließ Ash hinein.
Er ging an mir vorbei und schaute sich neugierig um. „Verdammt, dieser Raum ist größer als das Wohnheimzimmer, das ich mir mit Max teile.“
„Habt ihr es trotzdem schön?