Through a Dream - K. S. Bous - E-Book

Through a Dream E-Book

K. S. Bous

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Niemand wird dich je so berühren wie ich!", knurrte seine unglaublich tiefe Stimme. Eine Gänsehaut überkam mich und ich schluckte schwer. Er legte seine Hände direkt an die Wand, gegen die ich meinen Körper presste. Seine Präsenz war mir so unbeschreiblich nah und dennoch auf eine gewisse Art und Weise fern. Er erschien mir unerreichbar. "Damon ...", keuchte ich. "Nein, Aria! Niemand außer mir!" Was ist wahr und was nicht? Aria denkt, sie sei ein durchschnittliches Mädchen, doch Damon überzeugt sie vom Gegenteil. Die einst so guten Kreise, in denen Aria sich bewegte, verschlechtern sich, während sie ihre Art unbewusst verändert. Das alles liegt an ihm. Es ist die Schuld eines Mannes, der ohne Gerüchte und Drogen vielleicht doch nur irgendjemand wäre. Aria und ihm steht eine schwierige Zeit voller Hass und Lügen, aber auch voller Liebe bevor.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 474

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



K. S. Bous

Through a Dream

Ein Leben wie im Traum Roman

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 by R. G. Fischer Verlag

Orber Str. 30, D-60386 Frankfurt/Main

Alle Rechte vorbehalten

Schriftart: Savoy

Herstellung: RGF/bf/SU F1

ISBN 978-3-8301-9541-2 EPUB

Was wir in unseren Träumen erleben,kann wunderschön sein,aber auch beängstigendund es kann uns begleiten –ein Leben lang.

Inhalt

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreißig

Einunddreißig

Zweiunddreißig

Dreiunddreißig

Vierunddreißig

Fünfunddreißig

Sechsunddreißig

Siebenunddreißig

Achtunddreißig

Neununddreißig

Vierzig

Einundvierzig

Zweiundvierzig

Dreiundvierzig

Vierundvierzig

Fünfundvierzig

Sechsundvierzig

Siebenundvierzig

Achtundvierzig

Neunundvierzig

Fünfzig

Einundfünfzig

Zweiundfünfzig

Dreiundfünfzig

Vierundfünfzig

Fünfundfünfzig

Sechsundfünfzig

Siebenundfünfzig

Achtundfünfzig

Neunundfünfzig

Sechzig

Einundsechzig

Zweiundsechzig

Dreiundsechzig

Vierundsechzig

Fünfundsechzig

Eins

Dasein ist Pflicht, und wär’s ein Augenblick!

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

Mein Wecker holte mich aus dem Schlaf. Seufzend stand ich auf und streckte mich. Ich hasste Montage. Besonders nach den Ferien.

Müde quälte ich mich ins Bad und stieg unter die Dusche, ehe ich mir die Zähne putzte und mich anzog. Ich entschied mich für eine rote Bluse, eine schwarze Jeans, einen schwarzen Schal und etwas Schmuck. Nachdem ich fertig war, schminkte ich mich dezent und ging in die Küche. Auf dem Tresen lag ein Zettel:

»Entschuldige Aria, ich musste heute früher los. Viel Spaß in der Schule! Sam habe ich bereits hingebracht.«

Ich seufzte leise und legte den Zettel weg. Danach nahm ich mir einen Apfel und zog meine Schuhe und eine Jacke an. Ich schnappte mir noch schnell meine Tasche und verließ schließlich das Haus. Ich ging zu meinem BMW, stieg ein und fuhr los. Eigentlich hätte mir ein kleines Auto gereicht, aber meine Mutter sagte, dass es unserem Ruf schaden würde. Ich hatte so gesehen etwas, dass ich weder brauchte noch wollte. Genau genommen wollte ich weder unser Geld, noch unseren Ruf oder diese falschen Leute um einen herum. Jedoch konnte ich es nicht ändern.

Mit einem komischen Gefühl im Bauch fuhr ich zur High School. Irgendwas war an diesem Morgen anders. Ich fühlte mich unwohl, so als ob mir etwas Schlimmes bevorstehen würde, jedoch wusste ich nicht, was. Ich konnte es einfach nicht einordnen, weswegen ich versuchte, es zu verdrängen.

Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen parkte ich meinen Wagen auf dem Schulparkplatz und stieg aus. Vorher setzte ich noch meine Sonnenbrille auf. Ich spürte, wie mich alle ansahen oder auf mich zu kamen. Soviel zum Thema Ruf. Ich seufzte, verdrehte die Augen und ging weiter zu einer Gruppe von Mädchen. Jasmin, Marieh-Sophie, Joy und Kiara. Sie sind meine besten Freundinnen, abgesehen von Jasmin. Sie ist für mich wie eine Schwester. Wir sind zusammen groß geworden. Während ich alle begrüßte, lächelten sie mir zu. Doch irgendetwas verheimlichten sie vor mir.

Fragend zog ich meine Augenbrauen nach oben, doch ich bekam keine Antwort. Ihr Grinsen wurde bloß noch breiter, während sie ihre Blicke von mir abwandten, um sich gegenseitig anzusehen. Es schien mir beinahe wie eine Verschwörung. Besonders, weil sie nicht mit der Sprache rausrückten.

Ich atmete kurz tief ein, ehe ich meine Aufmerksamkeit auf Joy richtete, doch auch sie behielt dieses Mal die kleine Neuigkeit für sich und versuchte meinen Blicken auszuweichen.

»Ist alles okay? Ihr könnt es doch sonst kaum erwarten, mir alles zu sagen.«

Das Einzige, was ich als Antwort bekam, war ein im Chor gerufenes »Ja«. Verwirrt und etwas überfordert mit dem Schweigen der vier sah ich sie skeptisch an und zog eine Braue hoch.

«Kommt schon. Sagt es mir einfach«, flehte ich und musterte sie abwechselnd. Lag es an mir? Hatte ich etwas falsch gemacht oder etwas Falsches gesagt? Kiara biss sich auf die Lippe, während sie mich leicht anlächelte.

»Wir bekommen einen neuen Schüler. Ich glaube, er geht sogar in deine Kurse, Aria. Ich habe gehört, dass er verdammt gut aussehen soll.«

Ich verdrehte die Augen. So ein Theater um einen Jungen? Und ich dachte schon, es sei wegen mir gewesen. Für meine Freundinnen war es zwar wieder typisch, dass sie alle übertrieben und ich am Ende die war, die unter dem Ganzen litt, dennoch fand ich diese Nachricht nicht sonderlich spannend. Sie hätten es mir ruhig sagen können, schließlich war dieser geheimnisvolle Neue auch nur eine weitere Person auf dieser Schule. Ich meine, was sollte bitte so besonders an jemandem sein, nur weil er »neu« ist? Meines Erachtens nach handelte es sich hier lediglich um eine Person, welche aus irgendwelchen Gründen die Schule gewechselt hatte und nun vermutlich zu einem weiteren Problem werden würde.

»Was ist so toll an ihm?«, hakte ich deshalb nach, da ich dieses Theater nicht wirklich verstehen konnte. Jasmin lächelte mich daraufhin wissend an und entgegnete fest: »Dreh dich um, dann siehst du es.«

Noch bevor ich überhaupt die Chance dazu hatte, mich umzudrehen, zog Kiara mich an der Schulter herum, so dass ich den Neuen perfekt im Sichtfeld hatte. Ein Junge, der sich jetzt schon aufführte wie der König, lief durch die Masse und seltsamerweise machte ihm jeder Platz. Als wäre er schon ewig auf dieser Schule und nicht bloß seit ein paar Minuten. Einige Mädchen schmachteten ihm hinterher, was mich dazu brachte, genervt aufzuseufzen. Das fing ja schon mal gut an!

Als er an uns vorbei ging, musterte er uns. Am längsten lag sein durchdringender Blick auf Kiara. Es war beinahe so, als würden seine dunklen Augen durch einen durch sehen. Er lächelte ihr kurz mit einem Zwinkern zu und wandte sich dann ab. Während er weiterlief musterte ich ihn kurz, um mir ein Bild von ihm zu machen. Fest stand, dass er mir nicht sonderlich sympathisch war und vermutlich auch nie sein würde. Er hatte schwarze kurze Haare, die an den Seiten und hinten etwas kürzer waren. Ich schätzte ihn so auf die 1,80 Meter. Er trug ein graues T-Shirt, das seine Muskeln betonte, und darüber eine schwarze Strickjacke mit Kapuze. Seine Ärmel waren hochgezogen, so dass man ein Tattoo auf seinem linken Arm erkennen konnte.

Mein erstes Bild von ihm war nicht gerade positiv. Eher im Gegenteil. Für mich zählte er zu dem Teil der Bevölkerung, dem man lieber aus dem Weg gehen sollte.

Seufzend schüttelte ich meinen Kopf und drehte mich zu den anderen um, die ihm immer noch nachsahen. »Tief durchatmen«, ermahnte ich mich innerlich und schnippte vor ihren Gesichtern rum, bevor sie noch anfingen zu sabbern. Ihr Verhalten gab ihm bloß Bestätigung oder eine gewisse Genugtuung, was sein Ego stärken würde. Etwas verwirrt musterten mich vier Augenpaare, ehe Jasmin sich räusperte und versuchte, das Thema zu wechseln, um diese für sie peinliche Situation zu beenden.

»Was habt ihr jetzt?«

»Englisch und ihr?«

»Jasmin und ich haben Mathe. Wir sollten jetzt auch gehen«, murmelte Marieh-Sophie schnell und hakte sich bei Jasmin ein.

Kiara zuckte amüsiert mit den Schultern und sah sich um: »Wir sehen uns in der Mittagspause«, teilte sie Joy und mir mit, ehe sie aus meinem Sichtfeld im Schulgebäude verschwand. Gemeinsam mit Joy ging ich zum Klassenraum, nur um auf meinen Lieblingslehrer, Mr. Green, zu warten. Der Tag konnte für mich theoretisch gesehen nicht besser beginnen. Erst der Neue und dann noch Mr. Green. Es war ein Tag, an dem man besser zu Hause bleibt und in Ruhe ausschläft. Aber ich musste heute Morgen ja unbedingt aufstehen.

»Aria, Mr. Green kommt«. meinte Joy lächelnd und betrat mit mir und den anderen den Raum. Wir begrüßten ihn kurz und setzten uns schließlich. Wenigstens ein Gutes hatte dieser Tag und zwar die Aussicht, die man vom Fensterplatz aus auf die entfernten Häuser hatte. Lächelnd und in Gedanken vertieft wartete ich auf Joy. Als diese jedoch nicht zu mir kam, sah ich mich um und entdeckte sie neben Maddison. Diese sah mich kurz an und lächelte mir freundlich zu, ehe sie ihren Blick wieder abwandte. Ich tat es ihr gleich und richtete meinen Blick wieder aus dem Fenster.

»Willst du meinem Unterricht nicht folgen, Aria?«, ertönte eine gereizte Stimme direkt vor mir. Müde richtete ich meinen Blick auf und sah in die blau-grauen Augen meines Lehrers, die mich mahnend musterten.

»Entschuldigen Sie bitte«, murmelte ich, woraufhin er sich umdrehte und wieder nach vorne lief. Ich folgte ihm mit meinen Blick, ehe ich zur Tafel sah und versuchte, seinem langweiligen Unterricht aufmerksam zu folgen. Ein Morgen, der nicht hätte besser beginnen können. Jedoch lag ich da falsch. Ohne jegliche Vorwarnung durch ein Klopfen oder etwas dergleichen wurde die Tür geöffnet und der Neue trat ein. Endgültig frustriert ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte gleiten und atmete tief durch. Egal wo ich war, der Neue war ebenfalls dort. Seine Anwesenheit nervte mich und dass obwohl ich ihn gerade mal fünfzehn Minuten kannte. Er hatte diese gewisse Ausstrahlung, die einen dazu brachte, jemanden von Anfang an nicht zu mögen. Eventuell war es sein Erscheinungsbild und sein Auftreten. Seine Präsenz, die ausdrückte, dass er sich immer nahm, was er wollte. Sich verhielt, wie er wollte. Tat, was er wollte. Er war keine dieser Personen, die an seine Mitmenschen dachte. Alles was er tat, tat er womöglich bloß für sich und seine Arroganz.

Entgeistert über meine Feststellung richtete ich meinen Blick wieder auf, sah Mr. Green kurz an und malte schließlich mit dem Bleistift auf meinem Block herum. Dieser Neue würde meine Aufmerksamkeit sicher nicht bekommen. Die anderen hatten schon genug dafür gesorgt, dass er sich hier quasi wie zuhause fühlte.

»Stell dich bitte der Klasse vor«, bat Mr. Green, woraufhin ich meine Augenbrauen zusammenzog und meinen Kopf auf meiner Hand abstützte. Es war erstaunlich zu sehen, dass er auch eine nette Seite hatte. Jedoch musste er diese doch nicht gleich dem Neuen präsentieren. Ich atmete hörbar aus und verdrehte genervt die Augen. Zu meinem Nachteil blieb dies leider nicht unbemerkt. Ich spürte die brennenden Blicke der anderen auf mir, während sie leise anfingen, über meine Reaktion zu reden.

»Hast du ein Problem?«, fragte Mr. Green und lächelte mich falsch an, als ich meinen Blick auf ihn richtete. Am liebsten hätte ich ein »Ja« von mir gegeben, jedoch schüttelte ich bloß resigniert den Kopf und sah hilfesuchend zu Joy. Diese grinste mich amüsiert an und drehte sich dann schließlich einfach wieder nach vorn. Ihre Unterstützung war keine große Hilfe. Ich wandte meinen Blick einfach ab und versuchte mich zu entspannen. Trotz des seltsamen Gefühls, welches sich in mir ausbreitete. Ich fühlte mich unbehaglich, unwohl und mulmig. Entrüstet und leicht geknickt sah ich wieder auf meinen Tisch.

»Aria langsam reicht es mir. Jetzt setz dich gerade hin!«, sagte mein Lehrer in einem strengen Ton, weswegen ich ihn kurz ansah und mich schließlich wieder aufrichtete. Er nickte zufrieden und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Neuen zu, der die ganze Situation grinsend beobachtet hatte.

»Würdest du dich nun endlich vorstellen?«, verlangte Mr. Green mit einem gelangweilten Unterton und sah kurz durch den Klassenraum. Der Neue nickte kurz und stellte sich dann vor das Pult in die Mitte des Raums.

»Ich heiße Damon Da Silva, bin 19 Jahre alt und komme aus Spanien. Sonst noch Fragen?«, erklärte er und sah uns alle desinteressiert an. Er hatte eine tiefe Stimme, die an sich jedoch ganz gut klang. Leider gehörte sie zu ihm. Ich verdrehte die Augen und seufzte leise auf, ehe ich meinen Kopf erneut auf meine Hände legte. Erleichtert darüber, dass es still wurde, sah ich wieder auf. Jetzt hieß es nur noch diese Stunde über sich ergehen lassen, doch als Mr. Green das Wort ergreifen wollte, hob Stacy ihre Hand und fragte gleich darauf, was denn Damons Hobbys seien. Frustriert richtete ich meinen Blick auf meine wasserstoffblonde Mitschülerin, die jedoch ihren Blick fest auf den Neuen gerichtet hatte. Mr. Green wäre mir jetzt wirklich lieber, stellte ich fest, während Damon ihr antwortete, dass er gerne feiern ginge und ihr seine »Vorliebe« für Frauen erklärte. Als er ihr zulächelte, biss sie sich auf die Unterlippe und lächelte ihn schief an. Augenblicklich breitete sich ein Kotzgefühl in mir aus, was ich aber vorerst ignorierte.

»Ich denke, das reicht nun. Setz dich doch bitte neben Aria.«

Für den ersten Satz liebte ich Mr. Green, doch für den zweiten hätte ich ihn am liebsten auf der Stelle umgebracht. Vermutlich war genau das seine Absicht. Mit einem angespannten Gesichtsausdruck stand ich auf und stützte meine Fingerspitzen auf den Tisch. Mr. Green hatte mit Sicherheit gemerkt, dass ich den Neuen nicht leiden konnte und ihn auch nicht unbedingt in meiner Nähe haben wollte! Neben Stacy wäre auch noch Platz für den Neuen, aber Mr. Green entschied sich natürlich für mich. Vermutlich alles nur, um mich zu provozieren. Jedoch ließ ich das nicht auf mir sitzen. Ich setzte ein falsches Lächeln auf und streifte meine Ärmel hoch.

»Aber Mr. Green, ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre. Sie wollen doch genauso sehr wie ich, dass ich im Unterricht aufpasse. Stacy könnte sich neben ihm bestimmt besser konzentrieren, außerdem bin ich sehr leicht abzulenken und schweife schnell ab. Das wissen Sie doch«, meinte ich und verstärkte mein Lächeln noch etwas. Wirklich gelogen war das nicht, schließlich schweifte ich in seinem Unterricht wirklich oft ab, aber nur, weil ich sonst einschlief. Mr. Green atmete tief durch und nickte. Der Neue grinste mich frech an und ging zu Stacy. Ich setzte mich zufrieden wieder hin und legte meine Hände auf dem Tisch ineinander. Das Leben konnte ja doch fair sein!

Während ich versuchte, dem Unterricht aufmerksam zu folgen, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Stacy mit Damon flirtete. Meiner Meinung nach war das klar, jedoch störte es mich kein bisschen. So hatte ich meine Ruhe vor ihm und es gab auch keinen Grund für meinen Lehrer, mich heute noch mal zu ermahnen. Wenn sie ihn unter Kontrolle hatte, hatte ich die Chance, frei von Damon zu leben! Erneut musste ich lächeln.

»Stacy, könntest du …, Stacy!« Sichtlich gereizt von ihr, da sie sich gerade an Damon kuschelte, richtete Mr. Green sich auf und sah die beiden wütend an. Als Mr. Green ihren Namen schließlich laut ausrief, zuckte sie zusammen und setzte sich schnell aufrecht hin, ehe sie unseren Lehrer geschockt und auch unschuldig ansah.

»Er wollte das«, stotterte sie, doch Damon lachte nur und schüttelte den Kopf. Aus Angst vor Mr. Green rutschte ich auf meinem Stuhl etwas nach hinten und musterte ihn. Sein Gesicht war rot vor Wut, was mich jedoch zum Grinsen brachte. Meiner Meinung nach war er ein Choleriker. An seinem Hals bildeten sich kleine Äderchen, die hervorstachen und ihn irgendwie gruselig aussehen ließen. Es erinnerte mich ein wenig an Hulk, da seine Adern am Hals auch immer so hervorkamen, wenn er sauer wurde oder irgendetwas hochhob. Jedoch passte der Rest von Mr. Green nicht wirklich zu dem grünen »Monster«.

»Damon, du setzt dich jetzt sofort, ich wiederhole, sofort zu Aria!«, rief Mr. Green wütend, während ich ihn geschockt und auch etwas beleidigt ansah. Wir hatten schließlich gerade geklärt, dass ich nicht neben diesem unterentwickelten Neuling sitzen sollte.

»Aber Mr. Green …«

»Kein Aber!«, brummte mein Lehrer genervt und knallte die Bücher auf den Tisch. Ich zuckte kurz zusammen, ehe ich meinen Blick auf den nun zu mir kommenden Damon richtete. Dieser hatte ein breites Grinsen auf den Lippen, während er sich neben mir niederließ. Entnervt rutschte ich an das Ende des Tisches, um so viel Abstand wie möglich zwischen mich und den Spanier zu bringen. Danach wandte ich meinen Blick wieder aus dem Fenster.

»Herzlichen Dank, Mr. Green. Ich hasse Sie auch!«, meinte ich leise und hörte plötzlich ein raues lautes Lachen neben mir. Darauf folgte leider auch die Stimme meines Lehrers: »Aria, geh sofort zum Direktor!«, schrie er mich an, weswegen ich erneut zusammen zuckte. Während Damon immer weiter lachte, packte ich meine Sachen zusammen und stand schließlich auf.

»Sei leise, du Idiot!«, zischte ich noch und sah ihn wütend an, ehe ich ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen aus dem Raum ging. Hinter mir knallte ich die Tür zu und machte mich zum allerersten Mal auf den Weg zum Rektor. Entsetzt stellte ich fest, dass dieser ganze Ärger bloß wegen eines neuen Schülers entstanden war. Er hatte es geschafft, meinen Lehrer zu reizen, mich zum Rektor zu beordern und die halbe Schule dazu zu bringen, auf ihn zu stehen.

Vielleicht hatte er deswegen die andere Schule verlassen. Weil alle Frauen nach einer gewissen Zeit und ein paar gebrochenen Herzen genug von ihm hatten, weil ihn mit der Zeit kein Lehrer mehr leiden konnte und weil der Ruf der Schule unter seiner Anwesenheit litt. Für mich schien der Fall klar: Ein arroganter, überheblicher Egomane wollte auch diese Bildungseinrichtung in den Wahnsinn treiben und mit mir fing er an. Wahrscheinlich lag dies daran, dass ich auf seine kleinen Provokationen eingegangen war. Auch wenn er mir noch nichts getan hatte, verachtete ich ihn. Ich konnte einfach keinen Respekt aufbauen, da er sich wie ein König aufführte. Als gehöre alles ihm.

Als ich an dem Büro des Schulleiters ankam, klopfte ich leise an die Tür und wartete auf ein »Herein«, das dann auch ertönte. Resigniert betrat ich den Raum und reichte Mr. Norris die Hand. Er musterte mich kurz und bat mich dann, mich zu setzen.

»Also Aria, was hast du angestellt?«

»Ich habe Mr. Green widersprochen.«

»Und wie?«

»Das ist eine lange Geschichte, Sir.«

Er nickte bloß verstehend und lächelte. Ich kannte ihn schon zwei Jahre, da ich mal Unterricht bei ihm hatte. Mittlerweile unterrichtete er nicht mehr. Seitdem er weg war, hatte ich Mr. Green. Ich hätte gerne wieder getauscht, stellte ich fest und musterte mein Gegenüber.

»Mach das nie wieder, Aria. Ich weiß, es tut dir leid, du siehst deine Fehler ein und du bereust sie. Richtig?«

Ich nickte stumm und legte die Hände in meinem Schoß zusammen. Mr. Norris lachte kurz, ehe er sich aufrichtete. Ich tat es ihm gleich.

»Du kannst gehen«, sagte er und reichte mir die Hand. Ich nahm sie dankend entgegen und verabschiedete mich mit einem Lächeln auf den Lippen. Seufzend verließ ich schließlich das Schulgelände und lief zu meinem Wagen. Ich stieg ein und fuhr nach Hause. Dieser Tag war für mich ein Alptraum! Auch wenn mein Schultag so früher endete, war es nicht meine Absicht, am ersten Schultag nach den Ferien gleich zum Direktor zu gehen.

Als ich zu Hause ankam, machte ich mir ein Brot und setzte mich auf die Couch, um einen Film anzuschauen. Ich verabredete mich noch schnell mit Kiara und dachte noch mal über den gesamten Tag nach. Das alles war nur wegen dem Neuen passiert. Wäre er nicht aufgetaucht, wäre heute definitiv alles besser gelaufen. Zumindest für mich.

Ändern konnte ich die Ereignisse zu meinem Bedauern zwar nicht mehr, jedoch musste ich mich auch nicht über sie aufregen. Ich nahm sie also einfach so hin wie sie waren und schloss entspannt die Augen.

Zwei

Zufälle sind unvorhergesehene Ereignisse, die einen Sinn haben.

DIOGENES VON SINOPE

Ich sah ein letztes Mal in den Spiegel, strich meine goldbraunen Locken hinter meine Schulter und verließ schließlich das Bad. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch eine halbe Stunde Zeit hatte, weswegen ich langsam nach unten ging und mich umsah. Meine Mutter und mein Bruder waren immer noch nicht da, jedoch war es mir egal. Ich zuckte einfach mit den Schultern, zog mir eine Jacke über und schnappte mir einen Apfel, bevor ich das Haus verließ. Die angenehm kühle Herbstluft umhüllte mich, während ein Lächeln meine Mundwinkel zierte und ich meinen Apfel aß. Kiara und ich wollten uns um 17 Uhr in einem Café am Rande der Stadt treffen. Es war nicht besonders weit von hier. Zu Fuß vielleicht zwanzig Minuten.

Ich beschloss daher zu laufen. Kiara würde sowieso etwas länger brauchen. Sie war noch nie die Pünktlichkeit in Person gewesen. Um genau zu sein, war sie das komplette Gegenteil. Sie kam gerne mal eine Viertelstunde zu spät. Manchmal brauchte sie auch noch etwas länger.

Während ich die Straße entlang lief, kamen mir mehrere Leute entgegen. Überall waren verliebte Pärchen, die Hand in Hand durch die Gegend liefen, mit ihren Hunden spazierten oder »Engelchen flieg« mit ihren Kindern spielten. Andere schoben Kinderwagen vor sich her oder redeten einfach über irgendwelche Ereignisse aus ihren Leben. Zwischen ihnen sah man auch oft Gruppen in meinem Alter, jedoch schenkte ich den Menschen um mich herum keine weitere Beachtung. Stattdessen beobachtete ich den Wind, der die fallenden Blätter des Herbstes hin und her wehte. Irgendwie brachte es mich zum Grinsen. Ich fand diesen Anblick schön.

Als ich schließlich am Café ankam, sah ich noch mal auf mein Handy. 17:12 Uhr. Lächelnd betrat ich das Gebäude und wurde sofort von einer angenehmen Wärme umhüllt. Ich atmete tief durch und setzte mich danach an einen freien Tisch, etwas weiter hinten. Auch hier waren viele unterschiedliche Leute anzutreffen, die sich ein warmes Getränk gönnten und über ihren Tag redeten. Eine Frau, etwa Mitte zwanzig, kam auf mich zu und lächelte mich freundlich an. Sie hatte zwei Tattoos am linken Arm, die ineinander übergingen. Es waren viele kleine Muster, aber man konnte auch Motive wie ein paar Blätter und eine Rose darin erkennen. Ich persönlich finde Tattoos sehr schön, jedoch werde ich mir vermutlich niemals eins machen. Die Frau hatte schwarze lange Haare, die bis zu ihrer Taille reichten, und schokobraune Augen. Während sie mich anlächelte, sah man ihre Grübchen. Sie hatte eine faszinierende Ausstrahlung und war mir sofort sympathisch, weshalb ich ihr Lächeln erwiderte.

»Was kann ich Ihnen bringen?«

»Eine heiße Schokolade bitte.«

Sie nickte freundlich und verschwand wieder aus meinem Sichtfeld. Ich lehnte mich entspannt zurück und schrieb mit Jasmin, während ich auf Kiara wartete. Etwa fünf Minuten später öffnete sich erneut die Tür. Ich hob meinen Blick und entdeckte meine Freundin im Eingang. Zufrieden hob ich meine Hand, damit sie mich entdeckte. Nachdem sie zu mir gekommen war, begrüßte sie mich und setzte sich zu mir, ehe sie sich einen Capuccino bestellte.

»Wartest du schon lange auf mich?«

»Nein. Ich bin extra etwas später losgelaufen.«

Wir lachten kurz, während die Angestellte Kiaras Getränk brachte. Ich lächelte leicht und legte meine Hände um meine Tasse.

»Na? Wie war es mit dem Neuen?«, hakte sie neugierig nach und wackelte mit den Augenbrauen. Allein bei dem Gedanken an ihn sank meine Laune, weswegen ich die Augen verdrehte. Er war einfach so … für ihn gab es einfach keine Beschreibung. Das Einzige, was mir bewusst war, war dass er mich aufregte.

»Wie soll es wohl gewesen sein?«, entgegnete ich desinteressiert an einem Gespräch über ihn. Wieso musste er sogar hier das Hauptthema sein? Der Typ war mir einfach nur unsympathisch.

»Ach, Aria! Jetzt sei doch nicht so. Er ist neu, also gib ihm eine Chance. Außerdem ist er total heiß und du Glückliche hast mit ihm Unterricht.«, klärte Kiara mich auf, weswegen ich seufzte. Jetzt sollte ich auch noch glücklich darüber sein, seine Gesellschaft ertragen zu müssen.

»Ich kann ihn nicht leiden«, entgegnete ich bloß und atmete tief durch, ehe ich sie darum bat, dass Thema zu wechseln. Noch mehr würde ich ganz sicher nicht von ihm ertragen. Kiara hatte jedoch andere Pläne und lächelte mir daher aufbauend zu.

»Lern ihn kennen. Danach magst du ihn bestimmt.«

»Nein. Ich finde ihn einfach nur scheiße.«

»Was ist denn mit dir? Was hat er dir getan?«, fragte Kiara lachend, weshalb ich seufzte. Sogar meine Freundin stellte sich auf die Seite des Neuen.

»Er ist einfach so … arrogant, überheblich und seine Art treibt mich in den Wahnsinn. Wegen ihm musste ich zum Direktor!«, gab ich leicht gereizt von mir, was Kiara nur noch mehr zum Lachen brachte. Ich musterte sie unbeeindruckt, ehe ich meinen Kopf in den Nacken fallen ließ.

»Ich hoffe, du verschluckst dich an deinem Getränk. Dann bist du wenigstens still«, sagte ich und lächelte Kiara unschuldig an. Diese schwieg daraufhin für einen kurzen Moment.

»Aria, so schlimm kann er doch gar nicht sein. Es war sein erster Tag hier.«

»Ja und hoffentlich sein letzter! Dieser Junge regt mich einfach nur auf. Er soll wieder dahin gehen, wo er hergekommen ist. Ich meine, wie kann man nur so egomanisch und dreist sein? Und dann lacht der auch noch, weil ich wegen ihm und Stacy zum Direx muss? Glaub mir, allein wenn ich diesen egozentrischen arroganten und selbstverliebten Typ nur sehe, kommt mir die Kotze hoch!«

»Ehm, Süße?«, unterbrach sie mich, weswegen ich genervt ausatmete und an meinem Kakao nippte. Währenddessen signalisierte ich Kiara fortzufahren, diese lachte jedoch nur kurz und deutete hinter mich.

Etwas verwirrt über Kiaras Reaktion, drehte ich mich um und sah in zwei fast schwarze Augen, die mich heute schon so oft genervt hatten.

»Das bin ich also?«, hakte mein Gegenüber mit einem provokanten Lächeln auf den Lippen nach, während er mir durchdringend in die Augen sah. Ich bekam eine leichte Gänsehaut, während ich ungläubig den Rest meines Getränks runterschluckte. Wieso stand er jetzt dort? Und vor allem, wieso war er genau jetzt hier? Hatte er alles gehört, was ich gesagt hatte? Und selbst wenn. Es war bloß meine Meinung gewesen. Jedoch konnte das hier kein Zufall sein oder doch?

Drei

Sei höflich zu allen, aber freundschaftlich mit wenigen; und diese wenigen sollen sich bewähren, ehe du ihnen Vertrauen schenkst.

GEORGE WASHINGTON

Point of view des Erzählers:

Seufzend lehnte sie sich im Krankenhaus auf dem Stuhl zurück. Ihre Gedanken kreisten bloß um eine Person. Aria. Sie hatten einen Streit und dann war es so gekommen. Sie atmete tief durch, stellte sich aufrecht hin und ging zurück zu den Patienten, da sie Ärztin war. Ihre Gedanken aber blieben bei Aria. Ihr Streit war nun zwei Tage her und immer noch gab es kein Zeichen von ihr …

Arias Point of view:

Augenrollend und mit einem gespielten Lächeln auf den Lippen musterte ich mein Gegenüber, während dieser mir immer näher kam.

»Ja, Damon. Genau das bist du in meinen Augen«, antwortete ich selbstsicher, allerdings in einem freundlichen Ton. Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte ich mich wieder zu Kiara. Diese musterte mich lachend, trank ihr Getränk aus und reichte mir meine Jacke, die ich bei meiner Ankunft ausgezogen hatte.

»Lass uns besser gehen, bevor hier gleich noch jemand seinen Kopf verliert«, meinte sie und lachte erneut. Ich stieg in ihr Lachen mit ein, ehe ich mich ein letztes Mal zu Damon umdrehte. Dieser musterte mich gereizt, während er seine Muskulatur anspannte und mit seinen Kiefermuskeln spielte. Ich zuckte jedoch nur gleichgültig mit den Schultern. Bevor ich jedoch das Café verlassen konnte, ertönte noch einmal seine Stimme hinter mir. »Pass besser auf, was du tust, Kleine. So redest du nicht über mich, verstanden? Wir wollen ja nicht, dass dir was passiert!«, brummte er wütend, während ich mich zu ihm umdrehte. Er atmete tief durch, während ich einfach nur den Kopf schüttelte. »Ich rede mit dir und über dich wie ich will. Du hast mir nichts zu sagen,« erwiderte ich knapp und folgte Kiara schließlich. Diese musterte mich besorgt. Ich nickte ihr jedoch lächelnd zu, um ihr zu versichern, dass alles gut war und ging weiter. Sie lief amüsiert über die Situation neben mir her.

»Ist alles okay?«, hakte sie lachend nach, da sie meinen Gesichtsausdruck sah.

Ich nickte stumm, ehe ich meine Hände in meine Jackentaschen schob. »Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Nur weil ihn alle geil finden, heißt das nicht, dass er sich so aufführen kann. Ich hasse ihn!« Bevor ich mich weiter über Damon aufregen konnte, rempelte mich jemand an und verschüttete nebenbei den Inhalt seines Getränkes auf mir. Wütend drehte ich mich zu der Person um und entdeckte dabei Stacy.

»Pass doch auf!«

»Aber Aria, redet man denn so mit alten Freunden? Du weißt doch, dass das keine Absicht war«, lachte sie mit einem spöttischen Unterton und warf ihre blonden Haare nach hinten. Ich musterte sie stumm, allerdings voller Verachtung in meinem Blick. Ich würde mich jetzt sicher nicht auf noch mehr Streit ein lassen. Es würde sowieso zu nichts führen.

»Willst du etwa nicht mit mir reden?«, fuhr Stacy fort und grinste mich falsch an.

Ich verdrehte bloß die Augen und atmete tief durch. »Wir haben nichts miteinander zu tun, also lass mich in Ruhe!«

»Schön, dass du das auch endlich eingesehen hast. Lass deine Finger von Damon! Ich sag dir das nur einmal.«

»Ich will ihn gar nicht haben«, entgegnete ich auf ihre Drohung und lächelte sie mit einem falschen Lächeln an.

Sie musterte mich jedoch bloß ernst. »Das hätte ich jetzt auch gesagt, Freak,«

»Freak. Genau, Barbie«, entgegnete ich gereizt. Stacy lächelte mich falsch an und atmete dann genervt aus, ehe sie sich umdrehte und weiterging.

Dieser Tag war die reinste Katastrophe. Kaum war ich eine Sache los, kam die nächste.

»Dahinten ist deine Mutter.«

Ich folgte Kiaras Blick und nickte schließlich, während ich das Taschentuch, das sie mir reichte, entgegennahm, um die klebrige Substanz von meinem Oberteil zu entfernen. Jedoch machte ich es dadurch nur schlimmer.

»Komm«, meinte Kiara und zog mich zu meiner Mum. Ich nickte dieser kurz zu und lächelte. Sie jedoch musterte mich von oben bis unten.

»Ich habe dich eben in diesem Café gesehen. Mit diesem Jungen. Wer war das? Ist er dein Freund?«, hakte sie nach, weswegen ich genervt ausatmete. Sogar bei meiner Mutter wurde Damon zum Gesprächsthema. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Als ich meiner Mutter gerade erklären wollte, wer das gewesen war, wurde ich mal wieder unterbrochen und allein bei dieser Stimme konnte ich ausrasten.

»Ja, Ma’am. Ich bin der neue Freund Ihrer Tochter. Hat sie es Ihnen etwa noch nicht gesagt?«, fragte er unglaubwürdig, lächelte aber. Meine Mutter sah ihn entsetzt an, da sie wusste, dass Jungs wie er nicht in meinem Umfeld vorkamen. Am liebsten hätte ich Damon gerade töten wollen, was ich allerdings auch sonst gerne getan hätte. Ich versuchte einfach ruhig zu bleiben und atmete daher mehrmals tief durch. Allmählich kam ich mir von meinem Leben verarscht vor. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Entschlossen stellte ich mich vor meine geschockte Mutter und musterte sie eindringlich.

»Nein. Nein das hat sie nicht«, entgegnete diese. Ich atmete hörbar laut aus und drehte mich zu Damon, damit er nicht noch mehr Lügen über mich verbreitete.

»Was willst du jetzt eigentlich? Geh zurück zu Stacy und lass mich in Ruhe!«, fauchte ich aufgebracht und schüttelte entsetzt den Kopf, doch Damon nahm meine Hände in die seinen und presste sie zusammen.

»Aber Babe, du musst unsere Beziehung doch nicht vor deiner Mutter verleugnen …«

»Mrs. Kaiser, ich kann Ihnen versichern, dass Aria und Damon kein Paar …«

»Ach, Kiara weiß es auch noch nicht?! Ich dachte, du wolltest zu unserer Beziehung stehen!«

»Aria, wieso erzählst du mir so was nicht und vor allem, wieso benimmst du dich so kindisch vor deinem Freund? So habe ich dich nicht erzogen, mein Kind!«, teilte meine Mutter mir aufgebracht mit.

Ich atmete erneut tief durch und biss die Zähne zusammen, während ich erst Damon und dann sie wütend musterte. Dass sie einem Fremden mehr glaubte als mir, verletzte mich. Wenn sie doch nur wüsste, wie sehr ich Damon im Moment hasste. Wenn sie doch nur wüsste, dass ich ihn erst wenige Stunden kannte. Doch glauben würde sie mir, solange Damon hier war, um sie zu beeinflussen, eh nicht. Geschlagen senkte ich den Blick und sah enttäuscht zu Boden. Damons dreiste Art hatte mich zur Weißglut getrieben, doch nun war er wirklich zu weit gegangen. Ich verkehrte für gewöhnlich nicht mit Menschen wie ihm, vor denen man nachts Angst haben musste, wenn man sie sah. Ganz im Gegenteil.

Ich schluckte einmal, ehe ich den Blick hob und meiner Mutter erniedrigt und traurig in die Augen sah. Sie bemerkte es, doch bezog sie es darauf, dass ich meinen »Freund« angeblich schlecht behandelte.

Während ich meiner Mutter in die Augen sah, nahm ich langsam ihre Hände in meine, nachdem ich diese aus Damons Griff befreit hatte. Ihm war der Triumph regelrecht ins Gesicht geschrieben, doch wollte ich das nicht so leicht über mich ergehen lassen.

»Aber Mama …«, flüsterte ich und drückte ihre Hände. »Er … er hat mich mit Stacy betrogen«, fuhr ich leise fort.

Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig, ehe sie mich an sich zog. »Ach Schatz. Was hast du von so einem denn erwartet?«, meinte sie mit einem zufriedenen Unterton. Vermutlich war sie glücklich darüber, dass ich nicht mehr mit Damon zusammen war. Eigentlich war ich das auch nie, aber das würde ich ihr zuhause noch erklären. Wenn wir alleine waren. Ohne ihn. So dass er sich nicht dazu äußern oder die Wahrheit abstreiten konnte.

Vier

Das, was jemand von sich selbst denkt, bestimmt sein Schicksal.

MARK TWAIN

Seufzend folgte ich meiner Mutter zu ihrem Wagen. Sie wollte jetzt natürlich von allem die Details. Doch was sollte ich sagen? Details wovon? Eine Beziehung hatte es nie gegeben.

Mein Kopf platzte beinahe vor Wut und Hass auf Damon und mein Herz raste wegen der Reaktion meiner Mutter. Sie hatte mir nicht geglaubt. Stattdessen traute sie den Worten eines Fremden. Allerdings kam auch dieser nicht so einfach davon. Meine Mutter hatte ihm eine herablassende und enttäuschte Rede über sein Verhalten mir gegenüber und den Fakt, dass er mich nicht hätte betrügen sollen, gehalten. Auch wenn er dies nie getan hatte, hielt ich es für angebracht. So wusste er wenigstens, dass meine Mutter dieses Verhalten weder duldete noch akzeptierte. Jenes wiederum war wieder zu meinem Nachteil. Ich hatte mich sofort von Kiara verabschieden müssen. Meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich sofort in ihren Wagen stieg und mit ihr nach Hause fuhr. Und nun standen wir hier.

Schweigend.

In unserer Einfahrt.

Es war eine unangenehme Stille, weswegen ich das Wort ergreifen wollte. Jedoch fiel mir nichts Passendes ein. Leicht frustriert spielte ich mit meinen Fingern, während mein Blick auf die Hände meiner Mutter fiel. Diese umfassten angespannt das Lenkrad, ehe sie einen tiefen Atemzug ausstieß und ihr Kinn leicht hob.

»Geh bitte rein. Wir haben einiges zu besprechen!«

Ich nickte ohne Widerworte, da sie etwas anderes sowieso nicht akzeptieren würde. Es würde bloß eine weitere Diskussion hervorrufen, die für mich vermutlich nur noch mehr Ärger bedeuten würde.

Nachdem ich den Wagen verlassen und zur Tür gelaufen war, wartete ich auf sie. Sie stieg langsam aus, richtete sich auf und strich ihr weinrotes Kleid glatt, bevor sie zu mir kam. Ohne mich anzusehen, schloss sie auf und trat ein. Ich folgte ihr, während ich mich mental auf das Bevorstehende vorbereitete. Vermutlich würde es wieder mit einer Predigt beginnen und in einer Diskussion enden. Ohne auf mich zu warten ging sie in die Küche und lehnte sich dort gegen die Theke. Auch hier folgte ich ihr schweigend, stellte mich ihr jedoch gegenüber.

»Aria …«, begann sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick war ernst, genauso wie ihr Ton. Ich seufzte kaum hörbar auf, da ich keine andere Reaktion von ihr erwartet hatte.

»Seit wann hat meine Tochter Geheimnisse vor mir?«

Ich konnte auf diese Frage leider nichts Passendes antworten. Natürlich wusste meine Mutter nicht alles über mich, jedoch stimmte das mit Damon nicht. Es war jedoch zu früh, um mit der Wahrheit rauszurücken, weswegen ich stumm mit den Schultern zuckte. Mein Gegenüber verdrehte daraufhin die Augen und atmete tief durch.

»Wieso hat er dich betrogen? Warst du ihm keine gute Freundin? Was hast du wieder falsch gemacht, mein Kind?«

Leicht geknickt senkte ich den Blick und starrte auf den mit weißschwarzen Fliesen bedeckten Fußboden. Diese Fragen hatte ich nicht erwartet. Ich wusste, dass meine Mutter in mir nicht die Tochter sah, die sie gerne hätte, schließlich war ich nicht perfekt. Zumindest in ihren Augen. Für sie zählten bloß das Benehmen, das Ansehen, das Aussehen und die Kreise, in denen man sich bewegte.

Anscheinend war es doch Zeit für die Wahrheit, denn ansonsten dürfte ich mir weiter diese vorwurfsvollen Fragen anhören.

»Ich glaube, ich muss dir etwas sagen«, begann ich daher und richtete meinen Blick wieder auf sie, während sie mich von oben herab ansah. »Damon und ich, wir, wir sind nicht zusammen und wir waren es auch nie. Es war eine Lüge seinerseits, die du ihm geglaubt hast.«

»Einerseits, bin ich erleichtert. Ein Mann wie er passt nicht zu einer Frau wie dir. Jedoch hast du mich ebenfalls belogen«, stellte sie fest und zog eine Braue nach oben. Ich nickte bloß, unwissend, ob ich mich nun darüber freuen sollte, oder nicht. Die beste Lösung um eine längere Unterhaltung im Bezug auf dieses Thema zu umgehen, war daher eine Entschuldigung. Diese brachte ich schließlich auch in einem aufrichtigen Ton heraus.

Mein Gegenüber musterte mich prüfend, nickte mir kurz zu und wandte sich von mir ab, ehe sie mir den Rücken kehrte. Sie holte eine Schüssel aus dem Schrank und stellte sie neben sich.

»Ich backe einen Kuchen«, mehr sagte sie nicht. Ein wenig erleichtert darüber, dass ich nun gehen konnte, verließ ich den Raum und ging nach oben. Auf dem Weg in mein Zimmer dachte ich über den heutigen Tag nach. Kaum war dieser Neue in mein Leben getreten, hatte ich nichts als Ärger. Es war schon beinahe beängstigend, was für eine Rolle er in meinem Leben eingenommen hatte. Dabei wollte ich ihn niemals darin haben. Am liebsten wäre es mir, wenn er wieder verschwinden würde. Ich hatte nichts mit ihm zu tun und dennoch verursachte er bloß Streit. Kopfschüttelnd steuerte ich auf mein Bett zu und legte mich hin, ehe ich entnervt die Augen schloss. Morgen würde hoffentlich ein besserer Tag werden.

Fünf

Das, was jemand von sich selbst denkt, bestimmt sein Schicksal.

MARK TWAIN

Das Klingeln meines Weckers riss mich aus meinem erholsamen Schlaf. Seufzend machte ich diesen aus, stand auf und schlenderte ins Bad. Ich wusch mir mein Gesicht und blickte in den Spiegel. Helle Augenringe zeichneten sich in meinem Gesicht ab, weswegen ich tief durchatmete und nochmals an gestern dachte. Es machte meine sowieso schon sehr geringe Lust auf Schule ganz zunichte, jedoch würde ich nicht drum rum kommen, weswegen ich mir meine Haare zu einem ordentlichen Dutt band und meine Zähne putzte. Danach ging ich zurück in mein Zimmer und zog mich um. Ich entschied mich für eine rote Bluse und eine graue Jeans und einen schwarzen Schal. Letztlich legte ich mir noch die Halskette und Ohrringe an. Ich schminkte mich dezent, nahm mir mein Handy und joggte nach unten in die Küche. Der ganze Ablauf war jeden Morgen derselbe. Es schien wohl die Macht der Gewohnheit zu sein.

Als ich an meinem Ziel ankam, bemerkte ich, dass meine Mutter zum Glück schon weg war. Nach dem gestrigen Tag wollte ich ihr nicht über den Weg laufen. Es klingt vermutlich komisch, wenn man so von seiner Mutter spricht, jedoch erschien es mir als das Richtige. Zumindest um diese Uhrzeit.

Ich schnappte mir noch schnell einen der Brownies, die meine Mutter gestern Abend gemacht hatte, und verließ schließlich das Gebäude, um mich zur Schule zu begeben.

Als ich an dort ankam, entdeckte ich sofort Kiara, Jasmin und die anderen. Lächelnd ging ich zu ihnen und begrüßte sie. Sie erwiderten es und redeten weiter, bis Kiara schließlich das Wort ergriff und das Thema auf die gestrige Situation lenkte.

»Aria, hat deine Mutter noch etwas gesagt?«

Ich seufzte und verdrehte die Augen. Es war nicht wegen ihr, sondern wegen Damon. Allein der Gedanke an ihn machte mich wütend! »Das Übliche eben«, erwiderte ich kühl und zuckte mit den Schultern. Kiara nickte bloß verständnisvoll. Jasmin konnte es jedoch nicht dabei belassen und fuhr direkt mit dem Gespräch fort: »Was ist denn gestern passiert?«

»Bestimmt etwas Interessanteres als Babysitten«, lachte Marieh-Sophie, weswegen ich grinsen musste. Da hatte sie vermutlich recht, obwohl ich gerne mit Jasmin getauscht hätte. So hätte es mir einigen Ärger erspart.

»Sei bloß still«, entgegnete Jasmin und seufzte leise. Alle fingen an zu lachen und danach klärte ich sie darüber auf, was gestern geschehen war. Joy nannte dies natürlich wieder Schicksal, was ich aber ignorierte.

Als es zum Unterricht klingelte trennten sich leider unsere Wege. Kiara hatte jetzt SoWi, Jasmin und Joy hatten Mathe und Marieh-Sophie hatte Kunst. Ich hatte Geschichte. Bei Mr. Green …

Seufzend stellte ich mich vor den Raum und wartete. Mr. Green kam und schloss den Kursraum auf. Kurz darauf liefen alle an mir vorbei durch die Tür, doch ich blieb stehen. Meine Hand berührte das Kalte Holz des Rahmens. Gedanken, die ich nicht ordnen konnte, schwirrten durch meinen Kopf. Ein seltsames Gefühl überkam mich, doch ich ignorierte es. Ich rang um meine Fassung, sammelte mich kurz und atmete tief durch, ehe ich den Raum betrat und mich wie immer in die vorletzte Reihe setzte. Meine Sachen breitete ich auf dem Tisch aus, während ich meinen Blick durch die einzelnen Stuhlreihen schweifen ließ. Alles war wie immer. Damon saß neben Stacy, eine gute Sache an diesem Morgen. Zumindest für einen kurzen Augenblick.

»Damon, du wirst in allen meinen Unterrichtsstunden neben Aria sitzen!« Mr. Greens Stimme war fest und bestimmt. Sie zeigte, dass er keine Widerrede dulden würde, von mir war bisher jedoch keine Rede. Diese Tatsache brachte mich auch dazu aufzustehen. Alle Blicke waren mit einem Mal auf mich gerichtet, während ich Mr. Green flehend ansah.

»Sir, ich bitte Sie. Wir alle haben gestern gesehen, dass das nicht funktionieren wird. Ich muss mich wirklich auf den Unterricht konzentrieren und Damon hält mich davon ab. Er ist kein guter Umgang für mich.«

Meine Stimme war sanft, während ich ihn unschuldig musterte. Er jedoch seufzte bloß und sah zu Damon. Dieser saß, einen Arm um Stacys Schultern gelegt, auf seinem Stuhl und streckte seine Beine aus. Stacy ließ sich diese Chance natürlich nicht entgehen und verteilte ihre Hände gleich auf seinem Körper.

»Damon wird dich in Ruhe lassen. Setzt du dich bitte zu Aria«, forderte mein Lehrer auf und sah zwischen Damon und mir hin und her.

»Aber Mr. Green …«

»Gerne.«

Ich wollte gerade weiter um meine Ruhe kämpfen, als Damon mir ins Wort fiel. Augenblicklich nervte mich seine Anwesenheit noch mehr und sein breites provokantes Grinsen, welches sich auf seine Lippen legte, verbesserte dies nicht. Er stand einfach nur auf und musterte mich, während ich ihn böse ansah.

»Ich verweigere meine Mitarbeit, solange er neben mir sitzt!«, ich weiß, dass diese Aussage kindisch klingt, jedoch erschien es mir als einziger Ausweg. Ich verspürte Damon gegenüber einfach nur Hass. Allein sein Anblick nervte mich, doch dies schien niemanden zu interessieren. Besonders nicht Mr. Green, denn dieser wies mich darauf hin, dass wir hier nicht im Kindergarten wären. Seine ganze Haltung war angespannt, während er leicht gereizt das Kinn hob und die Arme vor der Brust verschränkte. Er kam mir vor wie ein kleines bockiges Kind, bloß das er neunundvierzig war und somit keineswegs klein und knuffig. Meine Gedankengänge über Mr. Green als Kleinkind wurden ausgerechnet von der Stimme unterbrochen, die mich noch mehr nervte, als die meines Lehrers. »Schon okay. Ich werde mich hinter sie setzen.«

Damons Aussage schien klar, während er mich teuflisch angrinste. Ich schluckte schwer, da dies nichts Gutes bedeuten konnte. Sobald Damon hinter mir saß, hatte ich ihn nicht mehr im Blick, was hieß, dass ich unvorbereitet war. Mr. Green hatte hierzu anscheinend auch nichts mehr zu sagen, da er sich entspannt umdrehte und sich zur Tafel wandte. Ich hingegen saß steif auf meinem Stuhl, die Handinnenflächen auf dem Tisch platziert und den Rücken gerade gehalten.

»Aria«, flüsterte er, doch ich ignorierte ihn. »Komm schon. Rede mit mir.«

Stille. Erneut bekam er von mir keine Antwort.

»Babe …«

Ich blieb stur nach vorne gedreht sitzen, verschränkte meine Finger jedoch miteinander. Meinetwegen konnte er mir ins Ohr schreien, es würde ihm nichts bringen. Sollte er doch mit einer Wand reden.

Mit einem Mal wurde es still. Der gesamte Raum schwieg. Das Einzige, was man hörte, war ab und an die Stimme meines Lehrers und das leise Atmen der Person hinter mir.

»Gut, du hast es so gewollt«, brummte er plötzlich in einem tiefen Ton und piekte mir in die Seite. Ein leises Quieken entfuhr mir, ehe ich mich genervt zu ihm umdrehte. »Fass mich nicht an!«, knurrte ich wütend und drehte mich wieder nach vorn. Alle starrten uns an, bis auf Mr. Green. Er schien mal wieder nichts von dem Ganzen mitbekommen zu haben. Auch wenn dies zu meinem Vorteil war, bedauerte ich es ein wenig. Ich hatte immer noch die Hoffnung, dass er Damon von mir weg setzte.

»Tue ich aber. Als ob du das nicht willst«, seine Stimme klang arrogant und tief. Er hatte meiner Meinung nach eine sehr überhebliche, egoistische und vor allem eingebildete Haltung. Sein Ego schien kaum zu übertreffen zu sein, jedoch war dies nicht meine Sache. Ich musste schließlich nichts mit ihm zu tun haben. »Redest du jetzt wieder nicht mit mir?« Er klang leicht verwundert, jedoch nur kurz. »Du weißt, dass mich das nur noch mehr dazu bringt dich zu nerven?«, hakte er nach.

Ich konnte mir sein provokantes Grinsen schon vorstellen, jedoch beließ ich es einfach mit einem Schulterzucken.

»Früher oder später gibst du nach, Kleine.«

Ich verdrehte bloß die Augen und legte ein Bein über das andere. Wenn ich ihm keine Beachtung schenkte, würde er mich vielleicht in Ruhe lassen.

»Deine letzte Chance mit mir zu reden.« Sein Unterton klang dieses Mal mahnend. So, als sei es sein Ernst und so wie ich ihn bisher einschätzen konnte, was es das auch. Damon zog meinen Stuhl an der Lehne zurück, so dass er nach hinten kippte und küsste meine Wange. Entsetzt sprang ich auf und drehte mich zu ihm um.

»Welchen Teil von ›fass mich nicht an‹ hast du nicht verstanden? Soll ich es dir buchstabieren?«, fragte ich ihn sauer und verschränkte die Arme. Seine ganze Existenz regte mich auf und das nach guten zwei Schultagen. Er nervte mich einfach nur, ganz besonders dann, wenn er wieder seine kleinen Spielchen spielen musste.

»Nein, ich denke, die Aussage war klar. Ich wollte bloß behilflich sein. Jemanden wie mich kriegst du sicherlich nie wieder.«

»Genau das ist der Sinn daran, Damon. In meinen Augen bist du einfach nur ein mittelklassiges Arschloch, das Aufmerksamkeit braucht!«

Er begann zu lachen, weswegen ich ihn erst verwirrt und dann wieder genervt musterte. »Wie witzig«, sagte ich mit einem sarkastischen Ton in der Stimme.

»Das noch nicht, aber das …«, erwiderte der Schwarzhaarige bloß und schubste mich schwungvoll nach hinten. Dank meines Stuhls, über den ich stolperte, verlor ich das Gleichgewicht und fiel auf den kalten Boden. Völlig entnervt richtete ich mich wieder auf und drehte mich wütend zu dem Verursacher des ganzen um.

»Geht‘s noch?! Du bist doch krank!«, schrie ich ihn an und warf ihm meinen Block ins Gesicht. Zumindest versuchte ich es, doch Damon blockte diesen zu meinem Pech leider rechtzeitig ab.

»Aria, zum Direktor!«

Fassungslos drehte ich mich zu Mr. Green um. »Ich habe gar nichts gemacht!«, verteidigte ich mich, doch dies interessierte meinen Lehrer nicht. Er schüttelte bloß den Kopf und sah mich kühl an. »Nein. Du bist laut, verursachst Unfälle mit einem Stuhl und du versuchst, deinen Mitschüler mit einem Collegeblock zu schlagen. Natürlich hast du nichts gemacht und jetzt geh sofort zum Direktor!« Den letzten Teil seines Satzes schrie er, so als wäre ich schwerhörig. Entrüstet und auch wütend sah ich erst ihn und dann Damon an. Dieser flüsterte bloß ein provokantes »Viel Spaß, Honey« und drehte seinen Stift zwischen seinen Fingern hin und her. Kopfschüttelnd und mit einem abwertenden Blick an ihn gerichtet, packte ich meine Sachen zusammen und verließ das Klassenzimmer.

Sechs

Den Zufall gibt die Vorsehung – zum Zwecke muss ihn der Mensch gestalten.

FRIEDRICH VON SCHILLER

Erneut lief ich den Gang zum Büro meines Rektors entlang. Der weiße Boden und die hellen Wände ließen ihn irgendwie kalt wirken. Er verlieh mir ein unangenehmes Gefühl, jedoch versuchte ich, dies zu ignorieren. Es war das zweite Mal in zwei Tagen, dass ich hier hin musste. Das war jedoch nicht das Schlimme daran. Das, was mich störte, war, dass es seine Schuld war. Kaum war er hier, hatte ich nichts als Ärger. Es schien, als sei es eine Art Spiel für ihn. Vermutlich war es dies auch. Es interessierte ihn nicht, was andere von ihm dachten. Zumindest tat er so, als wäre es ihm egal. Genauso wie es ihm egal war, dass andere unter seiner Anwesenheit litten. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ihn diese Tatsache sogar zufrieden stellte. Ich seufzte frustriert auf und verdrehte die Augen. Meine Gedanken sollten sich nicht bloß um ihn drehen. Genau genommen, sollten sie sich gar nicht um ihn drehen. Dies war auch der Grund, weshalb ich einfach weiter lief, ohne weiter darüber nachzudenken. Jedoch brachte mich eine Hand, die sich auf meine Schulter legte, zum Stehen.

»Willst du nicht warten, Süße?«

Seine Stimme befand sich direkt neben meinem Ohr, weswegen sich meine Muskulatur ein wenig verspannte. »Auf dich? Ich hätte keinen Grund dazu«, gab ich entnervt von mir, nachdem ich mich wieder entspannt hatte. Ich entfernte schweigend seine Hand von meinem Körper und ging einfach weiter, denn ich hatte keine Lust auf eine Unterhaltung mit ihm. Ganz im Gegenteil. Meinetwegen konnte er sich ganz weit von mir entfernen. Es würde mich sogar freuen, doch der Schwarzhaarige sah dies anders, was ich daran merkte, dass er mir mit schnellen Schritten folgte.

»Du bist sauer auf mich«, lachte er, weshalb ich einen genervten Atemzug ausstieß. Er wollte mich definitiv reizen, jedoch würde dies nicht funktionieren. Natürlich hatte er dies schon das ein oder andere Mal geschafft, allerdings konzentrierte ich mich jetzt einfach darauf, ihn zu ignorieren. Ich hatte einen kleinen nervigen Bruder. Mit ihm würde ich also auch fertig werden.

»Wegen dir muss ich zum Direktor«, fuhr er fort, weswegen ich abrupt stehen blieb. Natürlich. Jetzt war es also meine Schuld. Ich drehte mich einfach zu ihm um und sah ihn gleichgültig an.

»Du musst wegen mir zum Direktor? Hast du wieder zu viele Tabletten genommen?«, fragte ich ihn und lächelte unschuldig. Er jedoch musterte mich bloß mit einem kalten Gesichtsausdruck. Dies war der Beweis dafür, dass er definitiv schlimmere Stimmungsschwankungen hatte als ich. Erst lachte er und dann versuchte er wieder die Person zu sein, der alles egal war.

»Pass auf, wie du mit mir redest, Miststück!«, knurrte er. Seine Stimme war erneut tief und rau, aber dies störte mich nicht. Auch wenn er bedrohlich wirkte und ich Angst haben sollte, langweilte mich dieses Theater. Ich atmete tief durch, verdrehte die Augen und lief einfach weiter. Ich ließ ihn somit also stehen, jedoch folgte er mir erneut, griff nach meinem Handgelenk, zog mich zurück und drückte mich gegen die Wand. Sein warmer Atem streifte meinen Hals und verursachte eine Gänsehaut auf meinem Körper, während mein Handgelenk vom Druck seines Griffes schmerzte.»Hast du mich verstanden?!«

»Rede nicht so mit mir!«, schrie ich ihn an, während sich meine Augen mit Tränen füllten. Er spannte seine Kiefermuskulatur an und drückte noch etwas fester zu, woraufhin ich ein leises, aber gequältes Stöhnen aus meiner Lunge presste und zusammenzuckte.

»Leg dich nicht mit mir an!«, drohte er noch, bevor er seinen Griff löste und mich gegen die Wand schubste. Während ich fassungslos auf den Boden rutschte, da mich meine Beine wegen des Schocks nicht mehr tragen wollten, kehrte er mir den Rücken zu und verschwand letztlich aus meinem Blickfeld. Mein gesamter Körper zitterte, während mir ein einzelner Schluchzer entfuhr. Ich sah auf mein Handgelenk, welches bereits einen lila Farbton angenommen hatte.

Ich beruhigte mich kurz und stand dann seufzend auf. Ich nahm meine Tasche und ging aus dem Gebäude. Mit schnellen Schritten lief ich zu meinem Wagen, öffnete ihn und fuhr nach Hause. Meine Mutter würde erst heute Abend heimkommen, was bedeutete, dass ich mal wieder alleine war.

Als ich in die Straße einbog, hörte ich, wie sich zwei Leute laut stritten. In meine Neugier versunken fuhr ich langsamer und sah ab und zu aus dem Fenster, bis ich sie erkannte. Stacy stand im Vorgarten von diesem Nerd, der eine Stufe unter uns war. Ich weiß, dass Nerd vermutlich nicht die passende Bezeichnung ist, dennoch kannte ich seinen richtigen Namen nicht. Immer wenn ich ihn sah, war er allein, in eins seiner Physikbücher vertieft. Schweigend. Ich glaube, dass er bloß im Unterricht redete und ansonsten still vor sich hin grübelte. Nachdenklich fuhr ich an den Straßenrand und hielt, während ich die beiden beobachtete. Nie wäre ich darauf gekommen, dass sie etwas miteinander zu tun hatten. Erst freute ich mich etwas für ihn, auch wenn Stacy wahrscheinlich nicht der richtige Umgang für ihn war, hoffte ich, dass er etwas Anschluss finden würde. Dennoch bemerkte ich recht schnell, dass die Unterhaltung keineswegs auf einer freundlichen Basis geführt wurde.

»Gib mir mein Geld, du Nerd!«, schrie Stacy ihn an, während sie ihre Hände auf ihrer Taille platzierte und ihn mit einem arroganten Gesichtsausdruck von oben herab ansah.

»Ich habe es nicht«, stotterte er leise und sah auf den Boden oder eventuell auch auf ihre rosa High Heels.

»Gut, dann wird die ganze Schule erfahren, dass du etwas mit Damons Schwester hattest. Mal sehen, wie er das finden wird!«, drohte sie, setzte ein provokantes und siegessicheres Grinsen auf und stöckelte davon, während Nerdi ihr verzweifelt nach rief. Er hatte Angst vor Damon, was ich nachvollziehen konnte. Ihre erste Begegnung war nicht gerade harmlos gewesen und hatte damit geendet, dass Damon immer wieder auf ihn einschlug. Er hatte dafür nicht einmal Ärger bekommen. Aber wieso drohte Stacy ihm damit? Es war doch die Sache von Damons Schwester und ihm, oder nicht? Wahrscheinlich konnte Stacy sich wieder nicht aus den Angelegenheiten fremder Leute raushalten. Jedoch erklärte dieses Gespräch einiges. Sie erpresste andere Menschen mit deren Geheimnissen und forderte Schweigegeld. Es wunderte mich nicht, dass ich für diese Frau nicht mal einen Funken Anerkennung oder ähnliches übrig hatte. Sie widerte mich lediglich an. Seufzend schüttelte ich meinen Kopf und fuhr weiter. Als ich zuhause ankam, schrieb ich Kiara, Marieh-Sophie, Jasmin und Joy erst mal eine Nachricht, in der ich fragte, ob eine von ihnen Zeit hatte. Danach lief ich in die Küche. Mein Handgelenk verfärbte sich in einen immer dunkler werdenden Farbton, also nahm ich eine Salbe und rieb es damit ein, danach verband ich es, um es besser schonen zu können.

Kurz darauf hörte ich, wie die Haustüre sich öffnete und keine zwei Minuten später stand mein kleiner Bruder Sam in der Tür. Lachend lief er auf mich zu und hielt die Hand hoch: »Schlag ein«, forderte er, was ich daraufhin auch tat, ehe er mich umarmte. Ich lächelte den Kleinen kurz an und wuschelte ihm durch die Haare.

»Ey, lass das!«, forderte er genervt und atmete einmal tief aus, was mich zum Lachen brachte.

»Wie war es in der Schule?«

»Ganz gut. Schule eben«, lachte er und ich stimmte in sein Lachen mit ein, doch er verstummte, als er auf mein verbundenes Handgelenk schaute. Sein Blick zeigte mir, dass er besorgt war. Wenn es um mich ging, war ich nicht die große, sondern die kleine Schwester und er der große Bruder, der mich immer vor anderen beschützen wollte.

»Ist dir etwas passiert?«, fragte er ernst und sah wieder hoch in meine Augen. Ich schüttelte den Kopf und setzte ein kleines Lächeln auf, um ihn davon zu überzeugen, dass es mir gut ging. »Nein, es ist alles gut. Ich war bloß wieder so tollpatschig. So wie immer.«

Sam verdrehte die Augen und lachte. Ich war wirklich tollpatschig, was mein Bruder nur zu gut wusste.

»Zocken wir eine Runde?«, fragte er mit seiner angerauten Stimme, da er in den Stimmbruch kam. Ich lächelte ihn nickend an und folgte ihm hoch in sein Zimmer. Währenddessen musterte ich ihn. Manchmal beneidete ich ihn. Er hatte alles und durfte alles, während ich perfekt sein musste. Ich musste funktionieren wie eine Maschine. Natürlich bloß, um den Ruf der Familie zu wahren. Sam sollte sich bloß bei Geschäftsessen, wichtigen Terminen und bei Besuchen anständig, höflich und zuvorkommend benehmen, während ich dies rund um die Uhr zu befolgen hatte. Jedoch war ich froh darüber, dass mein Bruder sein Leben so leben konnte, wie ein Dreizehnjähriger dies nun mal tat. Ich hoffte bloß, dass sein Leben so blieb. Dass er mit Spaß groß werden würde und nicht so wie ich.

Seufzend schüttelte ich meine Gedanken ab und nahm den Controller entgegen, den er mir hin hielt.

Nachdem ich das Spiel einmal gewonnen und zweimal verloren hatte, hörten wir auf, weil es an der Tür klingelte. Ich entschuldigte mich kurz bei Sam und ging die Treppe runter. Wahrscheinlich war es der Postbote. Er klingelte jeden Tag hier, aber bis jetzt wusste niemand wieso.