Tibor (zweite Serie) 3: Verrat im Dschungel - Thomas Knip - E-Book

Tibor (zweite Serie) 3: Verrat im Dschungel E-Book

Thomas Knip

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Beschreibung

Diese werkgetreue Umsetzung als Roman umfasst den Inhalt des dritten und vierten und zugleich letzten Abenteuers der zweiten Serie aus den Piccolo-Großband Comicheften 59-90 von Hansrudi Wäscher. Tibor ist gerade erst von seiner Expedition zu den Nandi-Bären zurückgekehrt, als ihn Major Bradstone bittet, dem jungen afrikanischen Staat zu helfen, der sich gegen Aufständische behaupten muss. Mitten im Urwald wurde ein Regierungsflugzeug mit belastendem Material abgeschossen, und Tibor muss die Maschine zusammen mit dem Piloten vor den Aufständischen erreichen, um die Dokumente zu bergen … Nachdem er endlich in seinen Dschungel zurückkehren kann, wird er mit zwei skrupellosen Abenteurern konfrontiert, die den Häuptling der Kogonkas durch ihre Zaubertricks so sehr in ihren Bann ziehen, dass er sich über Tibors Anweisung hinwegsetzt und bereit ist, den Frieden im Dschungel zu brechen. Schlimmer noch: Tibor wird selbst durch Hypnose zu einer willfährigen Marionette der Abenteurer und wird von den Tieren des Dschungels verstoßen …

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Seitenzahl: 317

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Impressum

 

Originalausgabe Juli 2022

Charakter und Zeichnung: Tibor © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Thomas Knip

Copyright © 2022 der E-Book-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Minden

 

Korrektorat: Andrea Velten, Factor 7

Redaktionelle Betreuung: Ingraban Ewald

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © Binkski – fotolia.com

 

ISBN ePub 978-3-86305-312-3

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

 

 

THOMAS KNIP

Verrat im Dschungel

Tibor (zweite Serie) Band 3

 

 

 

ERSTER TEIL

VERHÄNGNISVOLLER EHRGEIZ

 

 

EINS

 

Tibor verfolgte, wie Professor Lambertin über die Savanne auf die Polizeistation zuschritt. Wie versprochen wachte er über die beiden Käfige, die vom Unterholz geschützt im Schatten der Bäume standen. Hinter den hölzernen Gitterstäben konnte er die beiden jungen Nandi-Bären beobachten, die die ungewohnte Umgebung aufmerksam betrachteten und immer wieder leise Laute ausstießen.

Nach den entbehrungsreichen Wochen auf der Suche nach den legendären Tieren war er froh, wieder in seinen Dschungel zurückzukehren. Er atmete befreit auf und nahm die vertrauten Geräusche und Eindrücke in sich auf.

Neben ihm hielt Kerak Wache und achtete darauf, dass sich kein vorwitziges Raubtier den Bärenjungen näherte. Am Keckern und Rascheln über ihm konnte er hören, wie Pip und Pop rastlos in den Ästen umherturnten.

Es verging eine gute halbe Stunde, bevor sich das Tor der Station öffnete und ein Lastwagen direkt auf seinen Standort zuhielt. Auf dem offenen Aufbau konnte er über ein halbes Dutzend bewaffneter Polizisten ausmachen. Tibor lächelte. Offenbar hatte der Professor mit gewohnter Vehemenz den Einsatz von ausreichend Männern gefordert.

Eine Staubwolke hinter sich herziehend, erreichte der Lastwagen die äußersten Ausläufer des Dschungels und kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Sofort sprangen die Männer vom Heck.

Tibor konnte den Professor nicht unter ihnen ausmachen. Vielleicht hatte Major Bradstone ihn gebeten, sich nach den Strapazen der letzten Wochen in der Station auszuruhen. Dafür verfolgte er, wie der Major selbst aus dem Fahrerhaus stieg und die Männer mit knappen und präzisen Befehlen anleitete.

Es vergingen nur Minuten, bis die beiden Käfige im Heck des Lastwagens verstaut waren. Tibor nickte zufrieden und erhob sich. Als hätten sie nur auf dieses Zeichen gewartet, huschten Pip und Pop über die Äste und hüpften auf Keraks Schultern.

»Das wäre überstanden«, meinte Tibor zu seinen Freunden. »Lasst uns gehen. In ein paar Tagen sind wir wieder zu Hause!« Er griff nach einer Liane, als ihn ein Ruf in der Bewegung verharren ließ.

»Tibor! Tibooor! Sind Sie noch hier? Warten Sie!«

Das war unverkennbar Major Bradstones Stimme. Er runzelte die Stirn. Was wollte der Kommandant der Polizeistation von ihm? Kerak warf ihm einen Blick zu und grunzte unwillig.

»Tibor, hören Sie mich? Ich muss Sie sprechen. Es ist sehr wichtig!«, rief der Major ein weiteres Mal.

Tibor kannte den altgedienten Offizier schon seit Jahren und wusste, dass sich dieser nur dann mit solch einer Dringlichkeit an ihn wandte, wenn es wirklich wichtig war.

»Wartet hier«, sagte er zu seinen Freunden und griff nach einer weiteren Liane, mit der er sich zurückschwingen konnte.

»Oh je«, stieß Pop aus. »Ich fürchte, es wird noch eine Weile dauern, bis wir wieder in unserem Dschungel sind …«

Tibor lächelte. »Ich lasse mich nicht aufhalten, Freunde!«

Mit diesen Worten schwang er sich durch die Luft und erreichte die offene Lichtung, an der Major Bradstone auf ihn wartete. Der Offizier wirkte sichtlich erleichtert, als er ihn erblickte.

»Gott sei Dank! Ich fürchtete schon …«

»Ich wollte nicht unhöflich sein«, antwortete Tibor, noch bevor er auf dem Boden aufkam. »Sie wissen ja, dass ich mich in zivilisierter Umgebung nicht mehr sehr wohlfühle. Was gibt es, Major?«

Er ging auf den älteren Mann zu und reichte ihm die Hand.

»Sie glauben nicht, wie sehr ich mich freue, Sie erwischt zu haben!«, erwiderte Bradstone und schlug ein. »Seit Wochen versuche ich, mich über die Außenposten mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Nur Sie können mir helfen!«

Tibor sah ihn erstaunt an.

Der Major legte ihm die Hand auf den Rücken und wies mit der anderen auf das Unterholz. »Kommen Sie. Wir gehen noch etwas tiefer in den Busch. Niemand darf etwas von diesem Gespräch erfahren.«

Tibor bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick. »Das hört sich ja sehr geheimnisvoll an.«

Bradstone sah sich um. »Wo sind Ihre Affen? Ich möchte, dass sie aufpassen.« Sein Blick ging suchend umher. »Damit wir nicht belauscht werden«, fügte er an.

Tibor konnte sich auf das Verhalten des Offiziers keinen Reim machen. Dennoch legte er eine Hand an den Mund.

»Kerak, Pip und Pop, kommt her!«

Nur wenige Augenblicke darauf landete der Gorilla mit den beiden Äffchen auf seinen Schultern auf der Lichtung. Tibor bat sie, sich zu verbergen und die Umgebung im Auge zu behalten, dann nahm er zusammen mit dem Major im Schutz von mehreren dicht beieinander stehenden Bäumen auf einer Wurzel Platz.

»Jetzt dürfen Sie unbesorgt sprechen«, richtete er sich an den Offizier. »Niemand kann sich unbemerkt nähern.«

Bradstone warf einen schnellen Blick über seine Schulter, bevor er nickte. »Gut«, antwortete er und atmete tief durch.

 

*

Kerak streifte durchs Gebüsch. Seine Augen sahen sich aufmerksam um, und seine Nase witterte nach jedem unbekannten Geruch. Pip und Pop turnten über ihm durch die Bäume und konnten auf diese Weise einen größeren Bereich im Blick behalten. Sollten sie etwas Verdächtiges wahrnehmen, würden sie ihn umgehend warnen.

Kerak schob den Unterkiefer vor. Immer, wenn dieser alte Zweibeiner etwas von Tibor wollte, dann lag Gefahr in der Luft. Wären sie doch nur schneller verschwunden …

Er hing dem Gedanken noch nach, als er nur wenige Meter vor sich eine Bewegung im hohen Gras gewahrte. Es war keine Raubkatze, dessen war er sich sofort bewusst. Wer immer dort durchs Gras schlich, verursachte durch seine Bewegungen viel zu viel Aufmerksamkeit. Und nur einen Augenblick später sah er einen Zweibeiner, der ganz ähnlich gekleidet war wie der, mit dem Tibor sprach.

Er schnaubte.

Na warte, Freundchen …

Der Zweibeiner kroch auf allen vieren durch das Unterholz. Dabei achtete er darauf, so wenige Geräusche wie möglich zu machen. Kerak musste selbst aufpassen, dass er keinen Zweig unter seinen Pfoten zertrat, um sich nicht zu verraten. Schritt für Schritt kam er im Rücken des Zweibeiners näher.

Der Gorilla verfolgte, wie der Zweibeiner auf die Stimmen von Tibor und dem anderen Zweibeiner zuhielt, die verhalten zu ihm durchdrangen.

Er beschloss zu handeln. Mit einem Satz sprang er durch die Luft, stieß ein dumpfes Grollen aus und riss eine Pranke hoch. Er packte den Kopf des Zweibeiners und drückte ihn fest in das Erdreich.

Der Zweibeiner schrie unterdrückt auf. Kerak packte ihn am Kragen seines Hemdes und hob ihn mühelos an. Kreischend zappelte der Zweibeiner in der Umklammerung. Aus seinen Fingern löste sich ein Revolver, der mit einem dumpfen Geräusch auf dem Erdboden landete.

 

*

Tibor erkannte das Grollen auf Anhieb. Dann hörte er den Schrei. Auch der Major fuhr herum.

»Kerak hat jemanden erwischt!«, stieß der Sohn des Dschungels aus und sprang auf. »Schnell!«, rief er Bradstone zu. »Am Wagen hat man die Hilferufe sicher auch gehört. Ich möchte nicht …«

Er ließ den Satz unvollendet und hastete durch das Dickicht. Und seine Befürchtungen bewahrheiteten sich. In dem Augenblick, in dem er die Stelle erreichte, an der Kerak einen Mann in Polizeiuniform fest in seiner Umklammerung hielt, brachen auf der anderen Seite der Lichtung zwei Männer durch das Unterholz.

»Schießt, schießt!«, kreischte der Mann in Keraks Griff. »Das Untier bringt mich um!«

Die beiden Männer, die unverkennbar auch der Dschungelpolizei angehörten, zögerten keine Sekunde und nahmen ihre Repetiergewehre in Anschlag. Sie zielten direkt auf den Gorilla.

»Halt!«, rief Tibor ihnen zu und winkte mit einer Hand.

Die Polizisten zögerten einen Augenblick, und Tibor hatte nicht vor, die Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen. »Hierher, Kerak!«, forderte er seinen Freund mit eindringlicher Stimme auf. »Und lass den Zweibeiner los!«

Major Bradstone erreichte die Lichtung und stellte sich zwischen den Gorilla und die beiden Polizisten. Er musste nach dem anstrengenden Spurt nach Atem ringen.

»Sie können mit den übrigen Männern in die Station zurückkehren«, erklärte er zwischen zwei Atemzügen. »Es ist alles in Ordnung!«

Die Blicke der Polizisten gingen zwischen ihrem Vorgesetzten und dem Gorilla, der den Mann losließ, hin und her.

»Aber …«, setzte einer von ihnen zu einer Erwiderung an.

Bradstone winkte ab. »Gehen Sie«, ordnete er an. »Ich komme später nach.«

Die beiden Männer waren sichtlich verblüfft, doch sie folgten der Anordnung und gingen zum Lastwagen zurück. Der Mann, den Kerak ertappt hatte, hob seinen Revolver vom Boden auf und wollte sich ihnen anschließen.

»Halt! Sie nicht, Sergeant Byrne!«, rief der Major.

»Ich … ich verstehe nicht …«, stammelte der Angesprochene und fuchtelte mit den Armen herum. »Ich muss ins Lazarett. Der Schock …«

Bradstone stemmte die Hände in die Hüften. »Halten Sie die Luft an, Mann!«, fuhr er ihn an. »Warum spionieren Sie hinter mir her?«

Sergeant Byrne nahm unwillkürlich Haltung an und schluckte. »Ich hatte nicht spioniert, Sir. Ich protestiere! Ich bin Ihnen gefolgt, weil ich in Sorge um Sie war! Plötzlich sprang mich dieses Untier an …« Er wies anklagend auf Kerak.

Der Major musterte ihn mit einem strengen Blick.

»Gehen Sie, Sergeant!«, forderte er ihn schließlich auf und sah dem Unteroffizier nach, bis er zwischen den Farnbüscheln verschwunden war.

»Ich würde viel darum geben, wenn ich erfahren könnte, ob Sergeant Byrne die Wahrheit gesagt hat«, richtete er sich an Tibor und seufzte.

»Das lässt sich leicht feststellen, Sir«, antwortete dieser. Er wandte sich zu Kerak um, auf dessen Schultern inzwischen wieder Pip und Pop saßen. »Wie hat sich der Zweibeiner verhalten, bevor du ihn angesprungen hast? Ging er wie jemand durchs Unterholz, der einen Gefährten sucht?«

»Nein, Tibor«, erwiderte der Gorilla. »Jemand, der nach einem Gefährten Ausschau hält, geht aufrecht und macht sich bemerkbar. Der Zweibeiner aber schlich fast lautlos am Boden entlang und wollte sich anpirschen.«

Tibor dankte ihm und sah Major Bradstone mit ernster Miene an.

»Kerak ist davon überzeugt, dass Byrne sich an uns heranschleichen wollte, Sir.«

Dieser nickte. »Also doch! Nur schade, dass die ›Aussage‹ eines Affen keine Beweiskraft hat, sonst würde ich Byrne so einheizen, dass er mit der Wahrheit herausrückt! Na, jedenfalls weiß ich jetzt, woran ich mit diesem Mann bin. Ich werde ihn im Auge behalten!«

»Bitte, wollen Sie mir endlich sagen, warum Sie mich gerufen haben?«, drängte Tibor.

Der Major sah ihn an und bedeutete ihm, in den Schatten eines Baumes zu kommen.

»Selbstverständlich. Und nun dürften wir ja tatsächlich unter uns sein.« Er strich sich übers Kinn. »Ich weiß nicht, ob Sie es schon wissen, da Sie schließlich tief im Dschungel leben … dieses Land ist vor einigen Monaten unabhängig und ein souveräner Staat geworden, der jedoch im Commonwealth verbleibt.«

Tibor war von dieser Mitteilung tatsächlich überrascht und hörte aufmerksam zu.

»Unsere Polizeitruppe untersteht für den Augenblick der neu gebildeten Regierung, die ich voll unterstütze«, erklärte Bradstone und hielt dann inne. »Leider sind einige Stammeshäuptlinge im Landesinneren nicht mit der gemäßigten Politik in Nairobi einverstanden. Sie stellen sich bewaffnet gegen die Regierung …«

»Ich verstehe«, warf Tibor ein. »Es sind also bürgerkriegsähnliche Zustände ausgebrochen, wie leider in vielen dieser jungen afrikanischen Staaten. Das ist bedauerlich, aber was habe ich damit zu tun? Wie könnte ich als Einzelner Ihnen in dieser Situation helfen?«

Bradstone schüttelte den Kopf. »Damit zu tun haben Sie nichts, das ist richtig. Aber helfen können Sie mir …« Er sah ihn eindringlich an. »Nur Sie können es!«

»Wie soll ich das verstehen?«, hakte Tibor nach.

Der Major suchte für einen Moment nach Worten. »Also … ein Flugzeug, das zur Hauptstadt unterwegs war, wurde über dem Gebiet der Aufständischen abgeschossen. Es hatte wichtiges Beweismaterial gegen einige Regierungsmitglieder an Bord, die in Verdacht stehen, die Aufständischen zu unterstützen. Dieses Beweismaterial kann nicht ein zweites Mal gesammelt werden, weil wir aus zuverlässiger Quelle wissen, dass die Verdächtigen in der Zwischenzeit gewarnt wurden.« Er hielt inne und stieß den Atem aus. »Wenn es jemandem gelingen kann, das Material zu bergen und durch das Aufstandsgebiet zu bringen, dann sind Sie es, Tibor!«

Dieser machte eine abwehrende Geste. »Du lieber Himmel! Wahrscheinlich existiert das Material gar nicht mehr, Sir. Entweder wurde es beim Absturz der Maschine vernichtet oder es ist längst in den Händen der Anführer des Aufstandes.«

Bradstone schüttelte vehement den Kopf. »Irrtum. Der Pilot der Maschine sprang mit dem Fallschirm ab. Er sah, wie sie mitten im dicht bewaldeten Urwald in einen See stürzte, der seiner Schätzung nach ziemlich tief ist. Da sich die Dokumente in einer feuerfesten und wasserdichten Kassette befinden, müssen sie noch im Wrack auf dem Grund des Sees liegen. Ohne entsprechende Ausrüstung kann man sie nicht so einfach bergen.«

 

 

»Woher wissen Sie eigentlich, wo die Maschine abgestürzt ist?«, fragte Tibor nach.

»Der Pilot konnte sich durchschlagen«, erklärte Bradstone. »Wir halten ihn an einem sicheren Ort verborgen, da er der Einzige ist, der den See wiederfinden kann. Er wird Sie führen … das heißt, wenn Sie meine Bitte um Ihre Mithilfe nicht abschlagen.«

Tibor überlegte, bevor er bedächtig nickte. »Gut, ich bin dabei.«

Der Major atmete auf und reichte ihm die Hand. »Gott sei Dank!«, stieß er aus. »Mit dem Material in Händen kann die Regierung gegen die Hintermänner der Aufständischen vorgehen. Dann wird das sinnlose Gemetzel bald aufhören!« Er wirkte jetzt sichtlich gelöster. »Passen Sie auf, in zwei Tagen holt Sie ein Hubschrauber an Polizeiposten Vier ab. Sie wissen ja, wo sich dieser befindet. Leutnant Parker, das ist der Pilot der abgestürzten Maschine, wird an Bord sein.«

»Bleibt er während des ›Unternehmens‹ bei mir oder zeigt er mir den See nur aus der Luft?«, wollte Tibor wissen.

»Er bleibt bei Ihnen«, gab der Major zur Antwort. »Es könnte sein, dass das Wrack tiefer liegt, als Sie mit der Aqualunge tauchen können. Wenn Sie mit dem schweren Gerät hinab müssen, brauchen Sie Hilfe an der Pumpe.«

»Ich verstehe«, entgegnete Tibor.

Die beiden Männer gaben sich zum Abschied die Hand. Nachdenklich sah Tibor dem Major nach, wie dieser zum Polizeiposten zurückging.

 

 

 

ZWEI

 

»Dümmer hätten Sie sich gar nicht anstellen können, Byrne!«

Der Unteroffizier zuckte bei dem unverhohlenen Vorwurf zusammen und blickte sich hastig um, obwohl die Stimme in seinen Kopfhörern viel zu leise war, um von jemand anderem gehört zu werden. Er hatte sich mit einem tragbaren Funkgerät in einen Schuppen der Polizeistation zurückgezogen und hielt sich zwischen Kisten verborgen.

»Na, hören Sie«, schnappte er, »wenn der Gorilla nicht gewesen wäre …«

»Es ist schon ärgerlich genug, dass Sie das Gespräch nicht belauscht haben«, wurde er von der Stimme seines Verbindungsmannes unterbrochen. »Aber noch ärgerlicher ist es, dass man Ihnen jetzt nicht mehr traut. Ich fürchte für Sie, dass wir Sie nicht mehr benötigen werden. Sie …«

»Aber …«, versuchte Byrne einzuwenden. Er hatte schon gezögert, überhaupt Verbindung mit seinem Auftraggeber aufzunehmen. Und er wurde zunehmend nervöser. Auf seiner Stirn perlten Schweißtropfen, und das nicht nur wegen der Hitze im Schuppen.

»Das heißt …«, fuhr die Stimme fort. »Sagten Sie nicht, dass Major Bradstone allein im Dschungel zurückgeblieben ist?«

»Ja, richtig!«, beeilte sich der Unteroffizier zu bestätigen.

»Sie können Ihren Fehler wieder gutmachen«, sagte der Mann am anderen Ende. »Fangen Sie Bradstone ab und bringen Sie ihn zu uns!«

Byrne wischte sich über den Mund. »Wie?! Sind Sie von Sinnen?«

»Keineswegs«, kam die Antwort. »Es ist die einzige Möglichkeit für uns, Genaues zu erfahren. Nehmen Sie ein Pferd, dann sind Sie von der Piste unabhängig und können querfeldein zu uns kommen. Und beeilen Sie sich gefälligst, sonst verpatzen Sie Ihre letzte Chance. Ende!«

Der Unteroffizier bestätigte, doch die Stimme am anderen Ende hatte die Verbindung bereits unterbrochen. Ihm schwindelte für einen Augenblick, als er aufstand und mit sich rang. Doch seine Angst vor den Konsequenzen, seinen Auftraggeber zu verärgern, wog größer als die Sorge, erwischt und vor ein Militärgericht gestellt zu werden. Er wusste, wie diese Leute vorgingen, wenn man in ihren Augen versagte …

Seine Gedanken überschlugen sich. Es würde niemandem verdächtig vorkommen, wenn er ein Pferd nahm und einen Erkundungsritt durchführte.

Byrne ließ das Funkgerät stehen, verstellte aber wohlweislich die Frequenz. Sollte es jemand finden, würde niemand wissen, wie man die Gegenstelle erreichte. Er verließ den Schuppen und ging zum Stall hinüber. Die wenigen Polizisten, die ihm begegneten, grüßten ihn und zogen dann weiter, ohne auf ihn zu achten. Er sattelte ein Pferd, meldete sich beim Posten am Tor ab und ritt in die Savanne hinaus.

 

*

Major Bradstone ging voller Zuversicht durch das Dickicht und hielt auf den Polizeiposten zu. Tibors Zusage hatte ihm eine schwere Last von der Brust genommen. Sobald er wieder in seinem Büro war, würde er einen Hubschrauber anfordern und Leutnant Parker zu Posten Vier bringen lassen.

Das Dickicht lockerte sich auf, und vor ihm öffnete sich die Savanne. Sie lag verlassen vor ihm, bis auf ein Schemen in der flirrenden Luft der nachmittäglichen Hitze, der rasch größer wurde.

Ein Reiter?, wunderte er sich. Er wüsste nicht, dass er Befehl gegeben hätte, jemanden auf einen Ausritt zu schicken.

Das Pferd hielt direkt auf ihn zu. Jetzt erkannte er auch den Mann, der im Sattel saß.

»Sergeant Byrne?«, entfuhr es dem Major. »Was wollen Sie hier? Sie sollten doch …«

»Hände hoch!«, unterbrach ihn der Unteroffizier und richtete einen Revolver auf ihn.

Bradstone starrte ungläubig auf die Waffe. »Bei allen … sind Sie völlig verrückt geworden? Weg mit dem Revolver!«

Byrne schürzte die Lippen. »Gehorchen Sie, Major. Ich spaße nicht!«

Der Offizier kam der Aufforderung nach und hob die Hände. »Das … das ist ja …«, stieß er aus. Dann jedoch entschied er sich, die Hände wieder zu senken. Er öffnete den Mund und holte tief Luft.

»Hilf…!«, setzte er an, als ihn ein heftiger Schlag in den Nacken traf und er besinnungslos zu Boden sank.

Byrne wog den Revolver in der Hand und fluchte unterdrückt auf. Er stieg vom Pferd und ging auf den Major zu, um ihn aufzuheben. Ihm blieb nur zu hoffen, dass niemand den Hilferuf gehört hatte …

 

*

Doch seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen.

Er hatte nicht damit rechnen können, dass sich Tibor nach dem Abschied vom Major nach wie vor in der Nähe aufhielt und den Schrei gehört hatte.

»Das war Major Bradstone!«, rief der Sohn des Dschungels aus. »Schnell!«, wandte er sich an seine Freunde und schwang an Lianen in die Richtung, aus der er den Schrei vernommen hatte. Er brauchte nur wenige Minuten, um den Rand des Urwalds zu erreichen und kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Reiter an ihm vorbeipreschte, ohne ihn zu bemerken.

»Der Zweibeiner, den du vorhin erwischt hast!«, sagte er zu Kerak, der knapp hinter ihm war. »Er reitet mit dem Major davon!«

Der Gorilla knurrte.

Tibor landete auf einem Ast und schwang sich zu Boden. »Kommt! Vielleicht holen wir ihn noch ein!«

Wäre der Sergeant allein auf dem Pferd gewesen, hätte er davonpreschen können. Doch er hatte den Major vor sich auf den Rücken des Tieres gelegt, und so kam das Pferd durch das erhöhte Gewicht deutlich langsamer voran. Zudem musste es sich einen Weg zwischen den Bäumen und teils dicht stehenden Büschen hindurch suchen, während Tibor an Lianen durch die Luft schwingen konnte und so rasch aufholte.

Er war bald so nahe heran, dass er den Sergeanten anspringen konnte.

Jetzt!, jagte der Gedanke durch seinen Kopf.

Er nutzte den Schwung der Liane und ließ sie mitten im Flug los. Doch es war, als hätte Sergeant Byrne einen sechsten Sinn. Nur Augenblicke, bevor Tibor ihn erreicht hatte, drehte er sich um und erkannte die drohende Gefahr. Er riss sein Pferd herum. Das Tier bäumte sich auf und wich zur Seite aus.

Tibor verfehlte seinen Gegner nur um Haaresbreite und stürzte hart zu Boden. Es gelang ihm im letzten Moment, sich durch das dichte Gras abzurollen. Dennoch blieb er für Sekunden benommen liegen.

Er hörte das Klicken eines Revolvers.

»Ein Mal hast du mir schon meinen Plan verdorben, du seltsamer Wilder!«, stieß Byrne aus. »Aber jetzt hört der Spaß auf!«

Tibor spannte seine Muskeln an und machte einen Sprung nach vorne, um in den Schutz eines Baumes zu hechten. Ein Schuss bellte auf, und er hörte das Projektil an sich vorbeipfeifen.

Das war knapp!

Tibor drückte sich gegen die raue Rinde des Baumes, da jagte das Pferd auch schon an ihm vorbei.

 

*

Sergeant Byrne sah sich gehetzt um. Dieser Wilde hatte sich hinter einem Baum verschanzt. Er wusste nicht, ob sein Schuss getroffen hatte. Über ihm war das Knacken eines Astes zu hören. Byrne keuchte auf. Ein wuchtiger Schatten tauchte im Blattwerk auf.

Der Gorilla!, erkannte der Unteroffizier.

Die beiden wollten ihn also in die Zange nehmen! Er riss den Arm hoch und gab einen ungezielten Schuss in Richtung des großen Affen ab. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, trieb er seinem Pferd die Sohlen der Stiefel in die Flanken und trieb es an.

»Galopp, Brauner!«, stieß er aus.

Byrne hielt direkt auf den Baum zu, hinter dem Tibor sich versteckt halten musste. Er drehte den Oberkörper zur Seite und achtete auf die kleinste Bewegung. Als er seinen Gegner erblickte, lachte er gehetzt auf und drückte den Abzug ein weiteres Mal durch.

»Nimm dies als Abschiedsgruß!«, schickte er der Kugel hinterher.

Tibor schrie auf und sackte ins Gras. Das laute Grollen des Gorillas hallte durch den Urwald. Das mächtige Tier hastete auf den Mann zu, der regungslos am Boden lag.

Byrne konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte tatsächlich getroffen!

Er verfolgte, wie sich der Gorilla über den Wilden beugte und ihn völlig vergessen zu haben schien.

Damit ist die Verfolgung zu Ende! Der Sergeant konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken und trieb sein Pferd weiter an.

 

*

Keraks Herz krampfte sich zusammen, als er seinen Freund am Boden liegen sah, während der Zweibeiner auf seinem Pferd davoneilte. Neben ihm huschten Pip und Pop durchs Gras und kreischten erregt auf.

Besorgt streckte er die Hand vor.

»Tibor?«, stieß er verhalten aus und legte ihm voller Sorge die Hand auf den Rücken. Lange Augenblicke rechnete er mit dem Schlimmsten. Die beiden Äffchen sahen ihn mit bangem Blick an.

»Pst …«, hörte er leise eine Stimme. »Mir fehlt nichts, Kerak!«

Nun hob Tibor auch seinen Kopf. »Der Zweibeiner soll denken, dass ihm von uns keine Gefahr mehr droht.«

Pip und Pop hüpften vor Freunde durch das Gras und kletterten auf Keraks Schultern.

»Warum das?«, fragte der Gorilla. »Wir hätten ihn noch erwischt!«

»Nein, Kerak«, widersprach Tibor. »Er war nun gewarnt. Und alles, was wir erwischt hätten, wäre eine Kugel gewesen.« Er erhob sich und schüttelte die letzte Benommenheit ab. »Wir folgen seiner Spur. Da er sich jetzt nicht mehr verfolgt glaubt, können wir überraschend zuschlagen.«

Der Gorilla schnaubte. »Du hast recht.«

Tibor musste sich nur kurz einen Überblick verschaffen. »Kommt!«, rief er seinen Freunden zu. »Die Spur des Pferdes ist deutlich zu erkennen.«

Er hastete die Schneise entlang, die sich zwischen den Bäumen auftat, und konnte die Abdrücke der Hufe im feuchten Boden ausmachen.

»Los, los, beeilt euch!«, trieb er seine Kameraden an.

»›Euch‹ ist gut!«, schnaufte Kerak. »Pip und Pop haben es sich wie üblich auf mir gemütlich gemacht.«

Tibor konnte trotz der ernsten Lage ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

»Pass auf, dass du unter ihrem Gewicht nicht zusammenbrichst!«, erwiderte er.

Der Gorilla stieß ein Knurren aus.

»Sollen wir Kerak kneifen, damit er schneller läuft?«, stimmte Pip ein.

»Untersteht euch!«, grollte Kerak, doch damit stachelte er die Äffchen nur an. Sie knufften und zwickten ihn tatsächlich an der Schulter.

»Schneller, Dicker!«, quietschte Pop.

»Galopp!«, forderte Pip.

Kerak hastete auf seinen langen Armen vorwärts und stieß unentwegt unterdrückte Schmerzensschreie aus, wenn die Äffchen es mit ihrem Ansporn etwas zu gut meinten …

Nach kurzer Zeit erreichten sie eine weithin gerodete Lichtung im Dschungel, auf der sich eine einsam stehende Hütte erhob. An einem Balken vor der Tür war ein gesatteltes Pferd angebunden. Tibor erkannte es als das des Sergeanten.

»Halt«, raunte er und ging hinter einem Farnbüschel in Deckung.

»Das ist unmöglich, ungesehen heranzukommen«, antwortete Kerak.

»Leider hast du recht«, entgegnete Tibor. »Das Gelände rings um die Hütte bietet keine Deckung.« Er ließ seinen Blick über die offene, ebene Fläche gleiten. Weit über ihm zog eine Schar Geier ihre Kreise, die offenbar Ausschau nach Beute hielt.

Plötzlich nahm er eine Bewegung wahr. Die Tür der Hütte wurde aufgestoßen, und zwei Eingeborene traten ins Freie. Sie trugen westliche Kleidung und hielten Gewehre im Anschlag. Tibor zweifelte keinen Augenblick daran, dass er Rebellen vor sich sah. Der Aufstand hatte also sogar in dieser Region Mitstreiter gewinnen können.

Er stöhnte auf. »Auch das noch …«

Die Männer unterhielten sich kurz, dann bezog einer von ihnen auf der Vorderseite Stellung, während der andere auf der Rückseite der Hütte Wache hielt. Von ihren Positionen aus konnten sie die gesamte Lichtung im Blick behalten.

»Was nun?«, fragte Kerak.

Tibor antwortete ihm nicht, sondern dachte angestrengt nach.

Bevor er zu einer Lösung kommen konnte, wurde er durch ein brummendes Geräusch aus seinen Überlegungen aufgeschreckt. Es röhrte zuerst nur als entferntes Echo durch die Luft, wurde aber zunehmend lauter und kam rasch näher.

In einer Staubwolke rumpelte ein Jeep wenige Meter von ihm entfernt über die Lichtung und hielt direkt auf die Hütte zu. Die beiden Wachen schienen den Ankömmling erwartet zu haben, denn sie senkten die Waffen und erwiderten mit erhobener Hand den Gruß des Fahrers.

Tibor verfolgte, wie der Jeep anhielt und sich der Mann mit der Wache an der Tür unterhielt.

Das musste der Verbindungsmann der Regierungsmitglieder sein, die mit den Rebellen sympathisierten. Wahrscheinlich wollte er von Major Bradstone erfahren, wo man den Piloten des abgestürzten Flugzeugs verborgen hielt. Da der Pilot der Einzige war, der die genaue Absturzstelle der Maschine kannte, würden die belastenden Papiere mit seinem Tod für immer verschollen bleiben.

Tibor presste die Lippen aufeinander.

Major Bradstone war in höchster Gefahr, das stand für ihn fest. Die Kerle würden vor nichts zurückschrecken. Sobald sie wussten, wo sie den Piloten finden konnten, würden sie den Major für immer zum Schweigen bringen.

Ich muss sofort handeln!, war ihm bewusst. Wenn ich nur wüsste …

Angestrengt suchte er nach einer Lösung. Schließlich umspielte ein leichtes Lächeln seine Lippen.

»Wartet hier«, raunte er seinen Freunden zu und robbte durch das Gras zurück in den Dschungel.

»He! Wohin …?« Kerak sah ihm verblüfft nach, doch Tibor war schon im Dickicht verschwunden.

 

*

Der Mann zog sich den Kragen seines maßgeschneiderten Anzugs zurecht und zündete sich eine Zigarre an. Sein Blick ging von dem bewusstlos am Boden liegenden Major zu dem Sergeanten, der ihn abwartend anblickte und fortwährend an seinem Hut zupfte, als müsse er dessen Sitz korrigieren.

Er stieß den Rauch aus. »Ich bin zufrieden mit Ihnen, Byrne«, meinte er schließlich. »Dieses Mal haben Sie Ihre Chance nicht verpatzt.«

Byrne, der nicht einmal den wahren Namen des Mannes kannte, atmete auf. »Danke, Sir! Nur …«, er zögerte und wischte sich über den Mund, »… ich kann jetzt nicht mehr zurück! Ich habe mich ohne Befehl von der Truppe entfernt und ohne Erlaubnis ein Pferd genommen. Außerdem wird man Major Bradstones Verschwinden …«

»Hören Sie schon auf, Byrne«, unterbrach ihn sein Gegenüber. »Sie sollen ja gar nicht mehr zur Dschungelpolizei zurück. Sie bekommen einen Posten als Ausbilder unserer Truppen im besetzten Gebiet.«

Byrnes Gesicht erhellte sich bei der Mitteilung.

Der Rebell nahm einen weiteren Zug von der Zigarre und richtete seinen Blick auf Major Bradstone. »Wir wollen uns um unseren Gefangenen kümmern. Schütten Sie ihm einen Einer Wasser über den Kopf, Byrne!«

Der Sergeant nickte diensteifrig und verließ die Hütte. Nur wenige Minuten darauf kam er mit einem Eimer zurück, aus dem Wasser auf die Holzbohlen des Bodens schwappte. Er hob ihn an und leerte ihn in einer schwungvollen Bewegung.

Das Wasser traf Bradstone ins Gesicht und klatschte gegen die Wand in dessen Rücken. Übergangslos war der Major wach und schrie auf. Er prustete und schüttelte den Kopf. Es dauerte mehrere Sekunden, bevor sich sein Blick klärte.

Unterdrückt stöhnte er auf und blickte sich um. Der Verbindungsmann der Rebellen baute sich vor ihm auf.

»Wer sind Sie?«, brachte Bradstone mit matter Stimme hervor.

»Gehen Sie vor die Hütte«, richtete sich der Mann an Sergeant Byrne. »Was der Major zu erzählen hat, ist nur für mich bestimmt.«

Bradstone runzelte die Stirn. Er erkannte seinen Unteroffizier, der nur stumm nickte und die Hütte verließ. Der Major schickte ihm einen zornerfüllten Blick nach.

»So, nun sind wir ganz unter uns, Sir«, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.

Bradstone wandte sich dem Mann zu. Dessen Gesicht verschwand halb hinter dem Rauch der Zigarre, zudem verbarg er seine Augen hinter einer Sonnenbrille mit tiefdunklen Gläsern. Er runzelte die Stirn.

»Ihr Gesicht …«, murmelte er. »Es kommt mir bekannt vor. Richtig! Wir sind uns bei einem Empfang der Regierung in der Hauptstadt begegnet!«

Die Lippen des Mannes verzerrten sich zu einem breiten Grinsen. »Ihre Erinnerung täuscht Sie nicht, Herr Major. Ich hoffe nur, Ihr Gedächtnis lässt Sie auch nicht im Stich, wenn ich Sie jetzt nach dem Aufenthaltsort des Piloten der abgeschossenen Maschine frage. Das dürfte für Sie ansonsten sehr unangenehm werden.«

Er nahm die Zigarre aus dem Mund und hielt das orangerot glimmende Ende nahe an das Gesicht des Majors.

»Antworten Sie lieber, oder ich helfe mit der Glut meiner Zigarre nach …«

Bradstone konnte die Hitze auf seiner Haut spüren und wich unwillkürlich mit dem Kopf nach hinten aus.

»Sie können mich nicht einschüchtern!«, presste er hervor.

 

*

Wenige Minuten zuvor war Tibor, von Farnen und Gräsern geschützt, zu einer Stelle geschlichen, von der aus er die Hütte besser einsehen konnte. Er hob den Kopf und spähte vorsichtig über die Farnbüschel hinweg.

Nun standen drei Männer vor der Hütte. Sergeant Byrne hatte sich zu einer der Wachen gesellt. Major Bradstone war jetzt also allein mit dem Mann, der mit dem Jeep gekommen war. Tibor ahnte, dass der Unbekannte keine Zuhörer um sich haben wollte, wenn er den Major befragte.

Die Hütte ungesehen zu erreichen, war unmöglich. Daher war ihm der rettende Einfall gekommen, sich unerwartete Hilfe zu suchen. Und diese befand sich direkt über ihm … Er stieß einen hohen, schrillen Pfiff aus.

Keiner der Männer vor der Hütte achtete darauf. Für sie war es nur ein weiteres Geräusch aus dem Dschungel, einer der vielstimmigen Vogelrufe, die ständig zu hören waren. Aber einer der über der Lichtung kreisenden Geier stieß herab. Während er mit schnellen Flügelschlägen rasch näher kam, sammelte Tibor Reisig und trockene Grasbüschel auf und legte sich eines der Hölzer zurecht.

Der Geier landete auf einer aus dem Boden ragenden Wurzel. Seine Schwingen schlugen noch ein, zwei Mal durch die Luft, dann hatten seine Krallen festen Halt gefunden.

»Tibor?«, krächzte er. »Was kann ich für dich tun?«

»Ich danke dir, dass du gekommen bist«, begrüßte Tibor den Greifvogel. »Ich brauche deine Hilfe!«

Der Geier legte den Kopf schräg und beobachtete aufmerksam die Handgriffe des Menschen. »Was machst du da?«

»Ich schlage Feuer«, antwortete Tibor unumwunden, während er mit der Klinge seines Messers gegen einen Stein schlug.

Der Geier krächzte auf und schlug aufgeregt mit den Flügeln. »Damit will ich nichts zu tun haben! Ich habe Angst vor dem Feuer!«

Tibor hob beschwichtigend die Hand. »Warte! Es ist ganz ungefährlich für dich! Ich gebe dir mein Wort als Herr des Dschungels.«

Der Geier tänzelte nervös auf der Wurzel hin und her. Sein zerrupft wirkendes Gefieder plusterte sich auf. Immer wieder entfuhren seiner Kehle verhaltene Laute, während er Tibor zusah.

Augenblicke später sprangen Funken von dem Stein auf das zurechtgelegte Büschel Gras über. Einzelne Halme begannen zu glimmen und verfärbten sich dunkel. Schnell wickelte sie Tibor zu einer handlichen Kugel um die glühenden Gräser und packte sie in einige fleischige Blätter.

Er hielt den Haufen dem Geier entgegen, der diesen misstrauisch beäugte.

»Nimm diese Kugel und lasse sie auf das Dach der Hütte fallen«, bat Tibor. »Dir wird nichts geschehen.«

Der Geier zögerte mehrere Augenblicke, dann breitete er seine Schwingen aus und stieß sich von der Wurzel ab. Er hielt sich so lange in der Luft, um mit den Krallen nach der Graskugel greifen zu können, aus der er die zunehmende Hitze bereits spüren konnte.

Mit wuchtigen Flügelschlägen gewann er schnell an Höhe.

»Wirf es nicht daneben!«, rief Tibor ihm nach.

»Keine Sorge«, antwortete der Geier mit einem lang gezogenen Krächzen und flog auf die Hütte zu. Die Männer sahen nur kurz auf, als sie ihn am Himmel erblickten. Geier waren in der Steppe ein solch gewohnter Anblick, dass sie ihn nicht weiter beachteten. Auch nicht, als der große Vogel dicht über das Dach der Hütte hinwegstrich und seine glimmende Last fallen ließ …

 

*

»Ich hätte wissen müssen, dass Sie ein sturer Mann sind, Major. Heraus mit der Sprache! Meine Geduld währt nicht ewig.«

Bradstone sah den Mann vor sich nur abschätzig an und presste die Lippen aufeinander.

»Na schön, Sie wollen es also nicht anders«, knurrte der Verbindungsmann der Rebellen und beugte sich vor. Er richtete das glühende Ende der Zigarre auf die Lippen des Offiziers. »Dann lasse ich Sie vom Feuer kosten …«

»Feuer!«, gellte in diesem Moment ein Ruf von draußen auf.

Der Rebell warf den Kopf herum. »Wie?«, entfuhr es ihm, als auch schon Rauch vom Dach in die Hütte quoll. Flammen schlugen empor, und es vergingen nur wenige Augenblicke, bis das zundertrockene Grasdach in hellen Flammen stand.

Der Rebell fluchte auf und zog den Major mit sich ins Freie. Beide Männer mussten in dem dichter werdenden Rauch husten und um Atem ringen. Sie stolperten mehr als dass sie gingen und entfernten sich so schnell sie konnten von der Hütte.

Sergeant Byrnes Pferd wieherte schrill und stieg auf die Hinterbeine. Es stemmte sich gegen den Zügel, der der Belastung nicht mehr standhielt und mit einem Schnappen entzweiriss.

Byrne schrie auf und rannte dem davonfliehenden Pferd hinterher.

»Teufel, wie konnte das geschehen?«, stieß der Verbindungsmann der Rebellen krächzend aus und musste erneut husten. Er winkte die Eingeborenen zu sich, die nur hilflos zusehen konnten, wie die Hütte in Flammen aufging. Dunkler Rauch stieg in den Himmel.

»Legt den Major in den Jeep«, befahl er ihnen und schwang sich auf den Fahrersitz.

Die Rebellen kamen der Aufforderung ohne zu zögern nach und zerrten den Offizier, der sich in seinen Fesseln wehrte, auf die Rückbank.

»Versucht, das Funkgerät herauszuholen«, wies er die Männer an. »Wir treffen uns heute Abend im Stützpunkt in den Bergen.«

Er wartete die Antwort nicht ab, sondern startete den Jeep und fuhr in hohem Tempo davon.

 

*

Tibor sah dem Jeep nach. Er zerdrückte einen Fluch auf den Lippen. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte gehofft, Major Bradstone in dem entstehenden Chaos unbemerkt befreien zu können.

Der Wagen war viel zu schnell, um ihn zu Fuß einholen zu können. Er hielt auf die Schneise zu, die als einziger Fahrtweg aus der Lichtung führte.

Hoffentlich ist Kerak noch auf seinem Posten!

Der Gorilla war der Einzige, der den Flüchtenden jetzt noch aufhalten konnte. Tibor legte die Hand zu einem Trichter geformt an den Mund und stieß einen Ruf aus, der weithin über die Lichtung hallte.

 

*

Der Mann hinter dem Steuer zuckte förmlich zusammen, als er den Ruf selbst durch das Röhren des Motors hindurch vernahm.

»Teufel, was war das?«, entfuhr es ihm. Die Haare in seinem Nacken richteten sich auf. Er warf einen schnellen Blick über die Schulter, in der Hoffnung, vielleicht einen Blick auf das zu erhaschen, was den Ruf ausgestoßen hatte.

Dadurch ließ er die Fahrbahn vor sich für einen Moment außer Acht. Und so sah er den gewaltigen Gorilla, der aus dem Dschungel brach und auf ihn zuhielt, viel zu spät. »Bei allen …«, brachte der Rebell hervor und keuchte entsetzt auf.

Instinktiv riss er das Steuer herum, als sich der Gorilla genau vor ihm aufbaute. Doch der Jeep hatte eine viel zu hohe Geschwindigkeit, um die Richtung halten zu können. Der Wagen brach aus und geriet ins Schleudern. Ungehindert krachte er gegen eine hervorstehende Baumwurzel, die unter dem Aufprall knirschend auseinanderbrach. Doch durch die Wucht wurde das Heck des Jeeps angehoben, und der Wagen überschlug sich.

Die beiden Männer schrien auf und wurden durch die Luft geschleudert.

 

*

Tibor hörte die Schreie und beschleunigte seinen Schritt. Noch bevor er Kerak im Schatten eines Baumes ausmachte, erblickte er den umgestürzten Jeep.

»Um Himmels willen!«, entfuhr es ihm.

Am Boden lag ein Mann in verkrümmter Haltung. Er erkannte ihn als Major Bradstone und rannte zu ihm. Voller Erleichterung sah er, wie dieser sich bewegte und leise aufstöhnte.

Tibor ließ sich neben ihm im Gras nieder und befreite ihn von den Fesseln.

»Major, geht es Ihnen gut?«, fragte er.

»Tibor?«, antwortete der Offizier, immer noch sichtlich benommen. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich glaube … bis auf ein paar Schrammen bin ich unverletzt.«

Der Major setzte sich auf und schüttelte mit einem leisen Stöhnen den Kopf.

»Hilfe!«, schrie in diesem Augenblick eine Stimme über ihnen. Tibor blickte auf und sah den Fahrer, der auch wie durch ein Wunder unverletzt zu sein schien. Er hing quer über einem Ast und strampelte mit Armen und Beinen.

»Kümmere dich um den Zweibeiner dort oben«, richtete sich Tibor an Kerak. »Tue ihm aber nichts!«

»Keine Angst, ich fasse ihn nicht einmal an«, brummte der Gorilla und griff mit seinen Pranken nach dem tief hängenden Ast. Er schüttelte ihn mehrmals hin und her. Als er sah, dass der Mann noch immer wie eine unreife Frucht festhing, zog er den Ast mit aller Kraft zu sich her und ließ ihn dann wieder los.

Der Ast schnellte empor, und der Mann wurde durch die Luft geschleudert. Schreiend und wild um sich schlagend landete er im hohen Gras. Bevor er sich aufrappeln konnte, hatte Kerak ihn am Kragen gepackt und hielt ihn in die Höhe.