Tiffany Sexy Band 70 - Kate Hoffmann - E-Book

Tiffany Sexy Band 70 E-Book

Kate Hoffmann

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Beschreibung

VERBOTENE SPIELE NACH SONNENUNTERGANG von GREEN, CRYSTAL Wie kann etwas Verbotenes nur so schön sein? In einem verschwiegenen Hotel in Tokio verbringt Juliana atemberaubende Nächte mit Tristan. Vergessen sind ihre verfeindeten Familien, vergessen der geheime Grund, weshalb sie beide ins Land des Lächelns geflogen sind … VERFÜHRUNG FÜR FORTGESCHRITTENE von HOFFMANN, KATE Wie lange soll ich denn noch warten! Allmählich wird Gemma ungeduldig. Callum umwirbt sie altmodisch romantisch, um sie von seinem Leben in Australien zu überzeugen. Dabei will Gemma mehr - und beschließt, den ersten Schritt in Richtung Verführung zu machen … ALLES NUR EIN HEISSER TRAUM? von SUMMERS, CARA Bitte mehr davon, denkt Jordan erregt, als ein sexy Cowboy sie zum Bett trägt und langsam auszieht. Nur ein heißer Traum, weil sie mitten in der Nacht einen Western geschaut hat - oder aufregende Wirklichkeit? Der Morgen über Santa Fe bringt es an den Tag …

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Seitenzahl: 584

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IMPRESSUM

TIFFANY SEXY erscheint alle zwei Monate im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag:

Brieffach 8500, 20350 Hamburg

Tel.: 040/347-25852

Fax: 040/347-25991

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Iris Paepke

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,

Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg

Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2009 by Chris Marie Green

Originaltitel: „When the Sun Goes Down …“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

in der Reihe: BLAZE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Sarah Falk

© 2009 by Carolyn Hanlon

Originaltitel: „Twin Seduction“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

in der Reihe: BLAZE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Christiane Bowien-Böll

© 2009 by Peggy A. Hoffmann

Originaltitel: „The Mighty Quinns: Callum“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

in der Reihe: BLAZE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Christian Trautmann

Fotos: mauritius images

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: TIFFANY SEXY

Band 70 (4) 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 07/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-942031-64-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

tiffany sexy-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Aus Liebe zur Umwelt: Für CORA-Romanhefte wird ausschließlich 100% umweltfreundliches Papier mit einem hohen Anteil Altpapier verwendet.

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYLADY, MYSTERY,

TIFFANY HOT & SEXY

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Crystal Green

Verbotene Spiele nach Sonnenuntergang

1. KAPITEL

„Bye, bye, Mädchen für alles“, murmelte Juliana Thomsen, als sie sich müde auf einer Bank am Hafen von Atami zurücklehnte. Zwei Tage zuvor war sie von Kalifornien nach Japan geflogen, und der Jetlag steckte ihr noch immer in den Knochen. Jetzt hielt sie ihre Füße in eine öffentliche Wanne mit dampfend heißem Wasser, was auch nicht gerade dazu beitrug, sie munterer zu machen.

„Was soll das heißen?“ Ihre Freundin und Reisebegleiterin Sasha tauchte einen Finger in das Wasser und zog ihn schnell wieder zurück. Ihre rotblonden Locken waren zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden, der sogar der steifen Brise standhielt, die vom Meer herüberwehte.

„Ganz einfach: dass ich kein Mädchen für alles mehr sein will“, erwiderte Juliana, deren langes blondes Haar schon ganz klamm war von der hohen Luftfeuchtigkeit, die Anfang Juni an Japans Küste herrschte. „Meine Familie begann mich so zu nennen, als ich nach Parisville zurückkam, um die Leitung unserer Buchhandlung zu übernehmen, weil Tante Katrina sich aus dem Geschäft zurückziehen wollte. Und ehrlich gesagt bin ich froh, das alles dank dieser Reise für eine Weile hinter mir lassen zu können.“

Sasha lächelte und richtete ihren Blick auf die Boote auf dem Wasser vor ihnen. „Na, dann viel Glück, denn das war sicher nicht der Grund, warum deine Tante dich nach Übersee geschickt hat.“

Allerdings nicht, stimmte Juliana ihr im Stillen zu und seufzte. Und dennoch war diese Reise die ideale Gelegenheit für sie, etwas Neues, anderes zu entdecken, fern der viel zu aufmerksamen Blicke ihrer Großtante, die in den letzten vierundzwanzig Jahren für sie gesorgt hatte, seit Juliana als Achtjährige ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz verloren hatte.

Aber Tante Katrina war der Grund, warum sie in Japan war, und sie liebte die Frau, die ihr eine zweite Mutter geworden war, zu sehr, um sich hier nur eine schöne Zeit zu gönnen und die alte Dame zu enttäuschen.

Und deshalb wird die Pflicht vor dem Abenteuer kommen müssen, dachte Juliana und besann sich auf die Aufgabe, derentwegen sie hergeschickt worden war: das Gemälde zu beschaffen, das ihre Familie schon seit Generationen zu kaufen versucht hatte – Dream Rising, ein Aquarell, das über ein Jahrhundert lang als verloren gegolten hatte und zu einer regelrechten Besessenheit für die älteren Mitglieder ihrer Familie geworden war.

Ein japanischer Kunsthändler namens Jiro Mori hatte das berühmte Gemälde auf einem Flohmarkt in Phoenix entdeckt und es hierher gebracht, um es in einer Galerie in Tokio zu verkaufen. Als die telefonischen Verhandlungen mit Mori nichts ergeben hatten, da der Galerist angeblich erst in einem Monat nach Amerika zurückkehren konnte, hatte Tante Katrina Juliana kurzerhand einen Flug nach Tokio gebucht. Die raffinierte alte Dame glaubte wohl, ihre blonde Großnichte könne mit ihrem „unwiderstehlich guten Aussehen und dem ausgeprägten Geschäftssinn“ erfolgreichere Verhandlungen führen, wenn sie sich persönlich und vor Ort darum kümmerte – bevor es zu spät war und die Coles, die andere Familie, die ebenfalls versucht hatte, das Gemälde aufzuspüren, in Erfahrung brachte, wo es sich befand.

Als Juliana ihre lackierten Fußnägel in dem heißen Wasser betrachtete, bekam sie ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend. Plötzlich hatte sie ein völlig anderes Bild vor Augen, eine Erinnerung an eine Zeichnung, die sie von Dream Rising gesehen hatte.

Verschwommene Kurven und ineinander verschlungene Glieder, aus denen sich eine Frau mit langem, offenem Haar und einem feingliedrigen, nackten Körper zu erheben schien, die die Hand nach etwas ausstreckte, das sich außerhalb ihrer Reichweite befand.

Juliana hatte die Zeichnung das erste Mal gesehen, als sie neun gewesen war und sich nach dem Tod ihrer Eltern vor Kummer völlig in sich selbst zurückgezogen hatte. Um sie abzulenken und ihr zu helfen, hatte Tante Katrina ihr Einzelheiten über das Aquarell erzählt – wie beispielsweise die, dass Terrence Cole, der Künstler, und sein Modell Emelie, Julianas Ururgroßmutter, sich sehr geliebt hatten und er ihre Gefühle füreinander auf der Leinwand festgehalten hatte.

Erst Jahre später hatte Juliana auch den Rest gehört: dass die Liebe dieses Paars zerstört worden war, als Terrence sich von seiner Familie zu einer Vernunftheirat hatte zwingen lassen und Emelie gebeten hatte, seine Geliebte zu bleiben.

Das hatte sie natürlich abgelehnt, und so hatte die Fehde zwischen den Thomsens und den Coles begonnen. Als Emelie und Terrence Generationen zuvor auseinandergegangen waren, war Emelie überzeugt gewesen, Dream Rising sei sein Abschiedsgeschenk an sie, was er jedoch immer abgestritten hatte. Als Emelie dann das Gemälde als gestohlen meldete, war ein tiefer Groll entstanden, aus dem sich im Laufe der Jahre ernste Zwistigkeiten zwischen den beiden Familien entwickelten, die niemals aufzuhören schienen.

Und einmal hatte Juliana sich fast gegen die Fehde aufgelehnt.

Ein einziges Mal.

Wieder sah sie die verschwommenen Farben des Aquarells vor sich, als sie sich daran erinnerte, dass sie und Tristan Cole sich nach der Highschool beinah ineinander verliebt hätten. Aber beide hatten nicht den Mut gehabt, den letzten Schritt zu tun – weder auf dem Rücksitz seines alten Mustangs, noch indem sie sich öffentlich zu ihren Gefühlen bekannten.

Denn hätten sie es getan, wäre die Hölle los gewesen, was beiden klar gewesen war. Man sprach nicht mit Mitgliedern der anderen Familie, wenn man ihnen auf der Straße begegnete. Und in der Schule tat man so, als blicke man woandershin, selbst wenn ein solch gut aussehender Junge wie Tristan an einem vorbeiging.

Juliana war schon seit der Grundschule heimlich in ihn verknallt gewesen, und erst viel später, in ihrem letzten Jahr auf der Highschool, hatte sie herausgefunden, dass es ihm genauso ging.

Aber beide waren zu jung gewesen, nicht reif genug, um mit den Konsequenzen umgehen zu können, und deshalb war Juliana weggegangen, um ein College zu besuchen, ohne aber jemals zu vergessen, was mit dem Jungen hätte werden können, der immer so still im Hintergrund des Klassenraums gesessen hatte.

Sie hatte Tristan seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, nicht einmal in ihrer kleinen Heimatstadt, weil er sich fast ausschließlich in seiner Blockhütte auf der Familienranch aufhielt und an den Oldtimern herumschraubte, die er schon immer so geliebt hatte. Parisville war inzwischen groß genug, um viele Fremde anzulocken, aber trotz allem immer noch so rückständig, dass eine uralte Familienfehde zwei junge Menschen daran hindern konnte, zueinanderzufinden.

Juliana ertappte sich oft bei der Frage, was sie sich mit Tristan hatte entgehen lassen …

Die Stimme ihrer Freundin Sasha riss sie aus ihren Erinnerungen. „Sollten wir es nicht langsam anpacken?“

Juliana atmete tief aus und nickte. „Ja, vielleicht sollten wir das tun.“

Ursprünglich hatten sie mit Jiro Mori ein Treffen in seiner Galerie in Tokio vereinbart, das er jedoch in letzter Minute nach Atami verlegt hatte, weil er dort angeblich etwas mit einem Künstler zu besprechen hatte.

„Es war nett von ihm, uns Zugtickets für die Fahrt hierher zu schenken“, sagte Juliana. „Und Atami ist auch gar nicht mal so weit von unserem Hotel entfernt.“

„Und eine interessante Stadt“, meinte Sasha. „Im Zug habe ich gelesen, dass Atami so viel wie heiße See bedeutet, was daher rührt, dass die Vulkane das Wasser erhitzen. Es heißt, die shogun hätten sich ihr Wasser früher hier in diesem Badeort geholt, in dessen Blütezeit so eine Art Nebenindustrie entstand, um noch mehr Touristen anzulocken. Darum gibt es hier auch Dinge wie Museen für Erwachsene und onsengeishas, die man kommen lassen kann.“

Julianas Neugier war geweckt, sie hatte sich schon immer sehr für andere Kulturen interessiert. „Onsen bedeutet heißeQuellen, nicht? Aber ich habe nichts über den Unterschied zwischen onsengeishas und anderen gelesen.“

„Die onsen setzen sich über die Tradition hinweg und bieten Sex statt geistreicher oder künstlerischer Unterhaltung an, also das genaue Gegenteil von dem, was man in den vornehmeren Distrikten, wie Gion beispielsweise, finden würde.“

Hm, dachte Juliana. Vielleicht war Atami genau der richtige Ort, um einige dieser ‚dunkleren Wege‘ zu erforschen, über die sie seit Beginn ihrer Reise nachgedacht hatte. Und vielleicht konnte sie auch Sasha zu einem kleinen Abenteuer überreden? Immerhin hatte sie ihre Freundin, die im letzten Frühjahr nach Parisville gekommen war, um mit ihrem Freund zusammenzuziehen – der übrigens auch ein Cole war –, schon überreden können, sie nach Japan zu begleiten.

Da Sasha sich jedoch einige Monate zuvor wieder von Chad getrennt und Parisville verlassen hatte, hatten sie sich nur selten gesehen, aber sie telefonierten miteinander, sooft sie konnten. Als Autorin von Reiseberichten las Sasha genauso gern wie Juliana und versorgte ihre abenteuerlustige Freundin mit spannenden Geschichten über ihre Reisen durch Amerika.

Sasha schien immer alles super zu meistern, was Juliana von sich selbst leider nicht behaupten konnte …

Einer der Gründe, warum sie Sasha zu dieser Reise eingeladen hatte, war, dass ihr nicht ganz wohl dabei gewesen war, allein in dieses Land zu reisen, mit all seinen komplizierten Gebräuchen und einer Sprache, die sie nicht einmal ansatzweise verstand. Und da sie ohnehin noch nie aus Amerika herausgekommen war, glaubte sie, in Sasha mit ihrer Erfahrung als allein reisende Frau eine hervorragende Begleiterin zu haben.

Zusammen machten sie sich auf den Weg zu dem Restaurant, in dem Juliana mit Jiro Mori verabredet war, vorbei an Eiscremeverkäufern, die ihre Waren unterhalb von Atami Castle feilboten, einer auf einem Hügel zwischen Bäumen halb verborgenen grau-weißen Pagode, zu der man nur über einen schmalen, mit Seilen abgesicherten Pfad gelangen konnte.

„Wirst du dir während meines Lunchs die Kunstausstellung in der Pagode ansehen?“, fragte Juliana ihre Freundin.

Sasha hielt die Tasche mit ihrem Notebook, ihrer Digitalkamera und ihrem Aufnahmegerät hoch. „Glaubst du etwa, die ließe ich mir entgehen?“

Juliana lachte. „Weißt du, es hat irgendwie etwas Ironisches, dass ausgerechnet du mit hergekommen bist, um für ein Buch über erotische Abenteuer in Japan zu recherchieren.“

„Hm. Wenn ich mich recht entsinne, war das dein Vorschlag, Juliana. Du hast mich geradezu angebettelt, mitzukommen.“

„Ach was. Ich wusste nur, dass du nach einem interessanten Thema suchtest, und habe dir einen Floh ins Ohr gesetzt. Exotisches und Erotisches. Jenseits des Kimonos.“ Juliana grinste ihre Freundin an. „Ich finde immer noch, dass du das als Titel nehmen solltest.“

„Was auch immer das Buch zu einem Renner macht.“

„He, du wirst doch jetzt nicht an dir zweifeln! Als du mit deiner Herausgeberin darüber gesprochen hast, war sie ganz entzückt von der Idee.“

Sasha seufzte. „Ich hoffe nur, dass ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehne, bevor der Vertrag unter Dach und Fach ist. Diese Reise kostet eine schöne Stange Geld.“

Juliana wusste, dass Sasha früher recht gut von ihren Tantiemen hatte leben können, aber mittlerweile gab es eben leider keine Garantien mehr. Ein weiteres gelungenes Buch herauszubringen war wichtig für sie, zumal sie erst zwei halbwegs erfolgreiche Reiseberichte veröffentlicht hatte.

„Okay“, fügte sie auf Julianas Blick hinzu. „Vielleicht bin ich ja auch bloß nervös wegen des Themas. Ich meine, wenn du etwas über Kaliforniens Weinanbaugebiete oder Cowboys lesen willst, bin ich genau die richtige Autorin. Aber die nicht sehr offensichtliche Exotik und Erotik an einem Ort zu finden, dessen Bewohner von vielen Amerikanern als engstirnig und verklemmt betrachtet werden, ist schon schwieriger.“

„Das macht doch sicher Spaß.“

„Vergiss nur eins nicht“, sagte Sasha streng. „Sobald du den Auftrag deiner Familie erledigt hast, wirst du nicht mehr von meiner Seite weichen und mit mir Bordelle, Geisha- und Erotikbars erforschen. Und wir müssen auch die heißen Quellen hier noch ausprobieren.“

„Das habe ich dir doch versprochen.“ Und Juliana hatte auch schon beschlossen, das Beste daraus zu machen. Einmal etwas völlig anderes zu tun – etwas Aufregendes, wie sie es seit der Highschool nie wieder erlebt hatte. „Aber glaubst du, wir finden hier etwas Aufregendes? Außer deiner Kunstausstellung, meine ich?“, fragte Juliana leise, da sie wusste, dass viele Japaner Englisch sprachen.

„Jetzt hör dich bloß mal an! Hast du nicht genug Abenteuer gehabt, bevor du nach Parisville zurückgezogen bist?“

Sashas Worte versetzten Juliana einen Stich. Sie vermisste San Diego, wohin sie nach dem College gezogen war, um mit mehreren Partnern eine Firma aufzubauen, die originelle private Stadttouren organisierte. Die Arbeit dort hatte Julianas kreative, ein bisschen exzentrische Seite angesprochen. Aber dann war sie gebeten worden, den familieneigenen Buchladen zu übernehmen, den ganzen Stolz ihrer Tante Katrina, der mit seinem dazugehörigen Café sehr guten Umsatz machte.

Und da sie der Verwandten, die so viel für sie getan hatte, ihren Wunsch nicht abschlagen konnte, hatte sie ihren Anteil an der Firma verkauft und war nach Parisville zurückgekehrt.

„Abenteuer habe ich schon lange keine mehr erlebt“, gestand Juliana. „Die Wahrheit ist, dass ich nicht einmal mehr ausgehe in Parisville – sofern ich nicht ins Verhör genommen werden will. Meine Familie denkt wahrscheinlich immer noch, ich sei ein braves Mädchen.“

„Wenn die wüssten!“

Juliana zuckte mit den Schultern. Während ihrer Zeit in San Diego hatte sie genug Verabredungen gehabt, von denen jedoch keine zu einer ernsthaften Beziehung geführt hatte. Und auch ihr Herz hatten sie alle nicht berührt.

Oder den Teil von ihr, der sich nach einer ebenso stürmischen Romanze sehnte, wie Terrence und Emelie sie erlebt hatten.

„Und du?“, fragte Juliana. „Wie weit würdest du für deine persönliche Recherche gehen?“

„Nicht so weit.“

Selbst heute, fast ein Jahr nach der Trennung, derentwegen Sasha Parisville wieder verlassen hatte, konnte Juliana noch den Schmerz in den Augen ihrer Freundin sehen.

Und wieso auch nicht? Chad Cole hatte Sasha das Herz gebrochen, weil er einfach nicht einsehen wollte, dass ihre Träume und Ziele genauso wichtig waren wie seine. Sie hatten sich getrennt, weil er immer besitzergreifender geworden war und ihr schließlich sogar ein Ultimatum gestellt hatte – entweder ihre Karriere oder er.

Sasha hatte sich für ihre Karriere entschieden und war nach Orange County gezogen, das über eine Stunde entfernt von Chad und Parisville war.

„Das mit Chad ist lange her“, sagte Juliana. „Du darfst dich jetzt mit anderen Männern amüsieren. Die Trauerzeit liegt hinter dir.“

„Das tue ich auch. Mich amüsieren, meine ich.“

Juliana brachte es nicht übers Herz, Sasha zu widersprechen. „Chad Cole ist Geschichte, Sash. Das hier ist unsere Zukunft – eine fabelhafte Zeit an einem Ort, wo niemand hinter unserem Rücken über uns klatschen wird. Wenn du in Japan unartig bist, werde ich keiner Menschenseele etwas davon erzählen.“

Für einen Moment erschien ein hoffnungsvoller Blick in Sashas blauen Augen. Aber dann ging ein junges japanisches Paar an ihnen vorbei, dem anzusehen war, wie verliebt es war, und Sashas Blick verlor sein Strahlen. Wahrscheinlich dachte sie noch immer an Chad, auch wenn sie ihn nicht direkt erwähnte. „Hast du schon mal überlegt, was es für die Coles bedeutet, wenn du dieses Aquarell mit heimbringst?“

„Ich könnte mir vorstellen, dass sie sehr enttäuscht sein werden, da auch sie in all den Jahren hinter diesem Bild her waren. Deswegen hat der Thomsen-Clan ja auch die Reise für mich finanziert – damit er mit dem Symbol seines moralischen Siegs über die Coles über die Main Street paradieren kann. Ich bin bloß das Werkzeug der Familie.“

Die beiden Freundinnen blieben auf dem Bürgersteig stehen, da sich an dieser Stelle ihre Wege trennten.

„Willst du wirklich nicht, dass ich dich begleite?“, fragte Sasha.

„Nein, du musst dich um deine Recherchen kümmern. Außerdem habe ich mit Jiro Mori schon am Telefon gesprochen und weiß daher, dass er einer dieser westlich orientierten Leute ist. Sein Englisch ist ganz ausgezeichnet.“ Juliana lachte. „Im Moment brauche ich dich noch nicht als Krücke.“

„Aber ich dich vielleicht. Es gibt nicht viele Schilder in Englisch hier.“ Sashas Lächeln verriet jedoch, dass sie nur scherzte.

„Okay“, sagte Juliana. „Du gehst in die Ausstellung, und ich rufe dich an, sobald mein Gespräch beendet ist.“ Sie hatten sich international nutzbare Handys gemietet, die zwar teuer, aber praktisch waren. „Wenn wir uns dann diese heißen Quellen angesehen haben, nehmen wir den Zug nach Tokio und stürzen uns ins Nachtleben im Roppongi-Viertel.“

Nachtclubs, Kabaretts – ein guter Anfang, um zu sehen, was sie sonst noch auskundschaften konnten.

„Okay“, sagte ihre Freundin. „Dann treffen wir uns am Eingang des Museums für Erwachsene, wenn du fertig bist? Mal sehen, was die dort so alles ausstellen.“

„Klingt gut.“

Als sie sich trennten, war Juliana ein bisschen mulmig zumute, aber nicht, weil sie Japan für gefährlich hielt. Es war nur ein komisches Gefühl, allein unterwegs zu sein, als sie ihren ersten Schritt in diese fremde Welt setzte, die so völlig anders war als ihre.

Als Tristan Cole Juliana Thomsen an der Straße zu dem Restaurant, wo er Jiro Mori treffen sollte, vor einem Stand mit Meeresfrüchten stehen sah, blieb er abrupt stehen.

Einen Moment war er wie gelähmt vor Schock und freudiger Überraschung, und sein Herz verkrampfte sich bei den Erinnerungen, die ihn durchfluteten.

Erinnerungen an einen Sommerabend kurz vor Julianas Abreise zu ihrem College, an dem sie draußen auf Taggert’s Field alle um ein Feuer herumgesessen und auf die Abenddämmerung gewartet hatten.

Tristan hatte sich etwas abseits gehalten und ein Bier getrunken wie die anderen Kids, als die Unterhaltung plötzlich in ein Flüstern umgeschlagen war. Und als er sich daraufhin umgeschaut hatte, hatte er sie gesehen, umgeben von ihren Freundinnen, die mit der Party ihren Einstieg in ihr neues Leben feiern wollten.

Und dann hatte Juliana seinen Blick erwidert, und er erinnerte sich, wie ein wohliges Kribbeln seinen Körper erfasst hatte, wie das Blut in seine Lenden und seinen Kopf geschossen war.

Er hatte gewartet, bis sie, für die er schon so lange heimlich schwärmte, sich von ihren Freundinnen entfernte. Und als sie dann an einem Baum vorbeiging, an dem er lehnte, hatte er sie zum ersten Mal in seinem Leben angesprochen.

Sie war stehen geblieben, und an dem Glanz in ihren blauen Augen hatte er erkennen können, dass sie interessiert war.

Später, nachdem sie eine Weile geplaudert hatten und er den Small Talk schließlich nicht mehr ertragen konnte, hatte er sie an sich gezogen und sie geküsst.

Danach hatten sie sich eine Woche lang in aller Heimlichkeit weitergeküsst. Bis zu jener Nacht, in der sie kurz davor gewesen waren …

Er hatte sich danach gesehnt, mit ihr zu schlafen, und es kaum verkraftet, als sie beide beschlossen hatten, dass ihre Familien nie verstehen würden, wenn sie bis zum Äußersten gingen.

Danach hatte sie die Stadt verlassen, und er hatte sich noch lange gefragt, ob es nicht ein Riesenfehler gewesen war, sie gehen zu lassen. Und nach seinen romantischen Erfahrungen seither zu schließen, war er beinahe sicher, dass er nie wieder jemanden wie Juliana Thomsen finden würde.

Und nun war sie hier, in Japan, an dem allerletzten Ort, von dem er erwartet hätte, sie wiederzusehen.

Tristan lächelte müde und ein wenig gequält. Sein Cousin Chad und der Rest seiner Familie hatten ihn in dieses Drama hineingezogen, indem sie ihn beauftragt hatten, DreamRising, das Gemälde, hinter dem die Familie Cole seit Jahren her war, aufzuspüren. Das Werk, das die Thomsens, die ebenso versessen darauf waren, endlich in ihre Schranken weisen und der ganzen verdammten Terrence-Emelie-Legende ein Ende setzen würde.

Und wenn er seinem Großvater mit diesem Bild auch etwas von seinem Stolz zurückgeben konnte, war Tristan nur zu gern bereit, es zu beschaffen.

Ihm war diese Aufgabe vor allem deswegen übertragen worden, weil er ein bisschen Japanisch sprach. Ein paar Brocken eigentlich nur, die er sich mit einem Audio-Sprachkurs angeeignet hatte, weil er in Japan einen Kunden hatte – einen der vielen Interessenten für seine restaurierten Oldtimer, an denen er sehr gut verdiente. Aber sein Großvater hatte ihn auch für einen guten Reisebegleiter für Chad gehalten.

„Ich würde ja selbst mitfliegen“, hatte der alte Mann gesagt, „aber meine verdammten Beine machen nicht mehr mit.“

Tristans Mutter hatte während der Besprechung geschwiegen und beobachtet, wie ihr Sohn in die Familienpolitik, aus der er sich bisher immer so geschickt herausgehalten hatte, hineingezogen wurde.

Er hatte nie das Gefühl gehabt, mit dieser Fehde um das Bild etwas zu tun zu haben. Nicht einmal die Pferdezucht seiner Familie hatte ihn je besonders interessiert, weil er es vorzog, seine Zeit mit dem Kopf unter einer Motorhaube zu verbringen.

Aber für seinen Großvater würde er alles tun, und darum stand er jetzt auf dieser Straße und trat beiseite, um den Fußgängerstrom vorbeizulassen.

Neben ihm stand Chad und sah ebenfalls zu Juliana Thomsen hinüber, wenn auch nicht aus demselben Grund.

„Sie ist hier, um sich mit Jiro Mori zu treffen“, bemerkte sein Cousin, der keine Ahnung hatte, was vor so langer Zeit zwischen Juliana und Tristan gewesen war.

„Möglich“, antwortete Tristan. „Da ihre Familie auch nach diesem Bild gesucht hat, wäre es nur logisch, dass der Kunsthändler das Beste aus dem Interesse zweier Konkurrenten macht.“

Er konnte spüren, dass Chads nachdenklicher Blick auf ihm ruhte, aber sein Interesse galt ausschließlich Juliana und ihrem seidig glänzenden Haar, das sowohl Gold als auch Silber in sich zu vereinen schien. Er wünschte, er könnte ihre Augen sehen, um festzustellen, ob sie noch immer diesen veilchenfarbenen Ton hatten, den er außer in alten Technicolorfilmen noch nie gesehen hatte.

Allein sich vorzustellen, wie sie aussehen würde, wenn sie sich umdrehte – vierzehn Jahre nachdem sie so nahe daran gewesen waren, ein Paar zu werden –, elektrisierte und erregte ihn.

„Was ist los mit dir?“, fragte Chad, dessen altmodische Drahtgestellbrille ihn wie einen zerstreuten Professor aussehen ließ.

„Ich genieße nur die Aussicht.“

Sein Cousin erwiderte nichts. Wie Tristan war auch Chad den älteren Mitgliedern ihrer Familie zuliebe hier; seine Aufgabe war es, die finanziellen Transaktionen zu tätigen. Er war der Buchhalter und Finanzverwalter der Familie. Die Familie war nicht reich, hatte aber im Laufe der Jahre einiges an Geld zurückgelegt, in der Hoffnung, irgendwann doch noch Terrence’ Bild Dream Rising erwerben zu können. Auf Tristan ruhte die Hoffnung, die Verhandlungen erfolgreich zu führen und abzuschließen, während sein Cousin im Hintergrund blieb und abwartete.

Tristan hatte sich mit der Situation abgefunden und wollte die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich über die Bühne bringen, um sich anschließend noch ein bisschen amüsieren zu können. Er hatte sich gesagt, diese Japanreise sei im Grunde ein Geschenk, weil er so seinen größten Autokunden zum ersten Mal persönlich kennenlernen konnte. Das würde gut sein fürs Geschäft …

Nun glitt sein Blick wieder zu Juliana Thomsen, die sich gerade ein Stückchen gegrillten Tintenfisch zum Probieren von dem Fischverkäufer geben ließ.

Tintenfisch, dachte Tristan. Ein Aphrodisiakum …

Während sie aß, blickte sie zu den Papierlaternen über der Straße hinauf, als gefiele ihr die exotische Umgebung und all das Neue, das sie sah.

Tristan blickte zwischen Chad und Juliana hin und her. Sie waren nicht in Parisville. Warum also sollte er Juliana nicht begrüßen?

Als er die Straße hinunterging, rauschte ihm das Blut in den Ohren, so erregt war er. Nur beiläufig nahm er wahr, dass Chad ihm folgte, als Juliana sich vor dem Fischhändler verbeugte, sich umdrehte … und ihm plötzlich gegenüberstand.

Erschrocken trat sie einen Schritt zurück.

Sichtlich sprachlos, ihm ausgerechnet hier in Japan zu begegnen, starrte sie ihn an, und Tristan hätte schwören können, dass er in ihren faszinierend veilchenblauen Augen etwas aufblitzen sah.

Freude über das Wiedersehen mit ihm?

Die Frage, was zwischen ihnen hätte gewesen sein können?

Oder war sie mittlerweile eine echte Thomsen ohne all ihre mädchenhaften Ideale von damals, als sie sich auf dem Rücksitz seines Wagens beinah quälend langsam gegenseitig ausgezogen hatten? Als sie etwas füreinander empfunden hatten, von dem Tristan naiverweise angenommen hatte, es könnte Liebe daraus werden?

Sie schluckte, dann lächelte sie, während sie ihren Blick zwischen ihm und Chad hin und her wandern ließ. „Es dürfte mich eigentlich nicht überraschen, dass auch ihr Dream Rising auf die Spur gekommen seid“, sagte sie und klang dabei leicht verunsichert.

Tristan konnte nicht umhin, sie noch genauer anzusehen. Als sie es bemerkte, wurde ihre helle Haut sogar noch rosiger.

Chads Stimme brach das angespannte Schweigen. „Wie mutig von dir, Juliana, so ganz allein nach Übersee zu kommen.“

Darauf löste sie ihren Blick von Tristans, der das sehr bedauerte. „Ich bin mit einer Freundin hier. Und ich sage es am besten gleich, damit es keine weiteren Überraschungen gibt – es ist Sasha.“

Chad schwieg, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Der Arme, dachte Tristan, der von der gescheiterten Romanze wusste und oft genug von Chad gehört hatte, wie sehr er es bedauerte, so besitzergreifend gewesen zu sein. Sein Cousin hatte viel dazugelernt in den Monaten seit ihrer Trennung, konnte sich aber nicht vorstellen, dass Sasha ihn je wieder zurücknehmen würde.

Während sie hier bei Juliana standen, merkte Tristan, dass er sich genauso fühlte, wie Chad aussah, und sich fragte, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er und Juliana den Mut gehabt hätten, ihren Familien zu sagen, dass sie auf die Fehde zwischen ihnen pfiffen. Mit achtzehn hatte sie das nicht gewollt, was er verstehen konnte, da auch er damals nicht als schwarzes Schaf der Familie gelten wollte.

Juliana sah so aus, als versuchte sie, Chads Reaktion auf ihre Neuigkeiten abzuschätzen, was Tristan Gelegenheit gab, sie wieder einer genaueren Musterung zu unterziehen und zu dem Schluss zu kommen, wie jung, frisch und unschuldig sie nach all den Jahren noch immer wirkte.

„Kannst du mir sagen, wo Sasha ist?“, fragte Chad.

Juliana verengte ihre Augen, als bereute sie schon, ihre Freundin erwähnt zu haben. Aber dann seufzte sie und sagte: „In der Kunstausstellung in Atami Castle. Sie recherchiert dort für ein neues Buch.“

Aber das genügte Chad nicht. „Wie geht es ihr?“

„Chad“, warf Tristan mahnend ein.

Sein Cousin nickte, gab Tristan aber mit einem schiefen, etwas verlegenen Lächeln zu verstehen, dass er Sasha wiedersehen wollte und verdammt sein würde, wenn er sich eine Gelegenheit wie diese entgehen ließe.

Bei diesem Gedanken runzelte Tristan die Stirn.

Eine zweite Chance. Hier in Japan, wo niemand je etwas davon erfahren würde …

Chad wandte sich zum Gehen. „Du rufst mich an, wenn du fertig bist?“, sagte er zu Tristan.

Juliana und Tristan sahen ihm nach, bis er im Gewimmel der Fußgänger verschwunden war.

„Tja“, sagte Juliana dann, „ich denke, dann sehen wir uns bei dem Meeting mit Jiro Mori.“

Und damit entfernte sie sich auch schon von ihm und hantierte mit ihrem Handy herum, wahrscheinlich um ihre Freundin anzurufen. Als sie aber anscheinend keinen Empfang bekam, steckte sie das Telefon wieder ein, nahm ein Blatt Papier heraus und sah sich dann die Läden in der Nähe an.

Tristan, der ihr nachging, bewunderte die hübschen Rundungen ihres Pos unter ihrem engen Rock und den Glanz ihres langen glatten Haars, das immer so unglaublich weich gewesen war, wenn er mit seinen Fingern hindurchgefahren war.

Mit ein paar großen Schritten hatte er sie eingeholt. „Chad wird sie nicht belästigen, falls du das befürchtest.“

„Ich weiß“, sagte Juliana. „Und warum sollte er auch nicht mit Sasha sprechen wollen? Es ist Monate her, und sie haben beide genug Abstand gewonnen, um wie zivilisierte Menschen miteinander umzugehen.“

„Wie zivilisierte Menschen“, wiederholte Tristan. „Komisch, aber das Wort scheint irgendwie nicht zu einem Gespräch zwischen einem Cole und einer Thomsen zu passen.“

Sie ging weiter, aber langsamer, sodass er nun den Duft ihres blumigen Shampoos und ihrer warmen Haut wahrnehmen konnte.

Ein Frösteln durchlief ihn. Sie roch genau wie früher, und mit einem Anflug von Wehmut dachte er daran, wie oft er in all den Jahren vergeblich versucht hatte, sich diesen Duft in Erinnerung zu rufen.

„Ich will ganz ehrlich sein“, sagte sie. „Ich war nie sehr interessiert an dieser Dream Rising-Geschichte. Ich bin wegen des Essens und des Sake hier.“

Zweifelnd zog Tristan eine Augenbraue hoch.

Juliana lachte. „Nein, natürlich bin ich nur wegen meiner Tante Katrina hier. Sie und meine anderen Verwandten möchten dieses Bild sehr gerne haben. Ich will es ihnen nur beschaffen und mich dann noch ein bisschen amüsieren, bevor ich wieder heimfliege.“

„Wenn ich das Bild nicht für die Coles bekomme.“

Sie blieb stehen und schaute zu ihm auf. Aber was er zunächst für einen herausfordernden Blick gehalten hatte, entpuppte sich als etwas Sanfteres, und ihre Augen spiegelten die gleichen Erinnerungen wider, die auch er nicht loswerden konnte.

Sein Körper reagierte heftig auf sie, und er musste sich zwingen, seine Erregung zu ignorieren.

„Okay“, sagte er, „dann will ich auch ganz ehrlich sein. Ich bin hauptsächlich Grandpas wegen hier. Er wird immer älter …“

„Und du möchtest ihm eine Freude machen.“

Beide schwiegen, und die Luft zwischen ihnen schien zu knistern. Tristan ließ den Blick zu ihrem Mund gleiten und erinnerte sich an den Geschmack ihrer Küsse, den er nie vergessen hatte. Er hatte sie nur wiedersehen müssen, um sich dessen bewusst zu werden.

Juliana, die seinen Blick gesehen hatte, biss sich auf die Lippe, und dann verzog sich ihr Mund zu einem vorsichtigen Lächeln, das Tristan sehr verunsicherte.

Aber sein Körper interpretierte alles völlig richtig. Auch sie spürte die starke erotische Anziehungskraft zwischen ihnen – und irgendetwas regte ihre Fantasie an und verwirrte sie genauso sehr wie ihn.

Dann setzte sie sich wieder in Bewegung. „Es wäre zweifellos eine großartige Revanche für den, der letztendlich das Bild bekommt.“

„‚Man kann mehr Freude aus einer bösen Tat beziehen, bei der man mit dem Herzen dabei ist, als aus dreißig edlen‘“, sagte er.

Juliana lächelte, weil sie sich wohl an seine Angewohnheit erinnerte, Mark Twain, den Lieblingsautor seines verstorbenen Vaters, zu zitieren.

Tristan trat neben sie, und eine fieberhafte Hitze erfasste ihn, als ihre Schulter wie durch Zufall seinen Arm berührte.

„Selbst unter den gegebenen Umständen ist es schön, dich wiederzusehen, Tristan“, sagte sie, und ihre Stimme klang belegt.

„Ja, das finde ich auch“, erwiderte er und wünschte, er wäre nicht zu vorsichtig, um mehr zu sagen.

Immerhin hatte sie ihn verlassen und war nie wieder zurückgekehrt. Was zwischen ihnen gewesen war, konnte ihr also nicht sehr viel bedeutet haben.

Er beschloss, ein bisschen Rache zu nehmen, indem er sie nun wie zufällig berührte.

Was eine knisternde Spannung zwischen ihnen bewirkte, als sie vor dem Restaurant stehen blieben und sie mit einem unergründlichen Lächeln dafür sorgte, dass ihre Hand für einen kurzen, aber elektrisierenden Augenblick seine streifte.

Tristans Sicht verschwamm, als hätte ein Stromschlag ihn von seinen Fingern bis zu seinem Unterleib durchfahren.

Als Juliana das Restaurant betrat, blieb er draußen, um seine Fassung wiederzugewinnen.

Und sich gedanklich darauf einzustellen, das fortzusetzen, was die Frau, der er eigentlich aus dem Weg gehen sollte, vor all diesen Jahren so abrupt beendet hatte.

2. KAPITEL

Als Juliana das Restaurant betrat, meinte sie, Tristans Berührung noch immer zu spüren. Innerhalb kürzester Zeit hatte er ein Verlangen in ihr entfacht, das ihren Puls zum Rasen brachte.

Anfangs hatte sie sich noch gesagt, es sei nur der Schock, ihn wiederzusehen, was sie derart durcheinanderbrachte. Aber wie erklärte das ihren Zustand höchster Erregung?

Das sind die dunklen Wege, dachte sie, die du doch so unbedingt erforschen wolltest …

Sie war weit weg von zu Hause, in einer Welt, in der sie niemand kannte und in der sie nicht einmal das Gefühl hatte, sie selbst zu sein. Und plötzlich war Tristan auf der Straße und beobachtete sie aus der Ferne, genau wie in jener lang zurückliegenden Nacht, als sie sich zum ersten Mal geküsst hatten.

Die Erinnerung daran erfüllte sie mit Sehnsucht und Bedauern.

Wie oft hatte sie versucht, sich vorzustellen, wie es gewesen wäre, mit ihm zu schlafen. Sich zu leiser, romantischer Musik aus dem Radio auf dem Rücksitz seines Mustangs von ihm lieben zu lassen …

Aber genau wie damals dachte sie auch jetzt wieder an die Familie, die ihre Gefühle und Gedanken als Verrat betrachten würde.

Und dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ein wohliges Prickeln sie durchrieselte, als sie sich in dem kleinen Lokal mit der langen Theke und der hübschen Reispapiertapete an den Wänden umsah. Die Angestellten hinter der Theke verbeugten sich und begrüßten sie mit , und sie lächelte und erwiderte die Verbeugungen. Ein junger Japaner mit einer schwarzen Brille winkte ihr von der Theke her zu. Er hatte eine Flasche Bier vor sich stehen, aber seinem anhaltenden Grinsen nach zu urteilen, musste er schon weit mehr als eine Flasche intus haben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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