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Julja ist erst vor Kurzem nach Dresden gezogen. Hier will sie, nicht nur beruflich, neu durchstarten. Doch das ist schwerer, als sie sich das vorgestellt hat. An Tagen, an denen sie sich nicht so gut fühlt, kommen Kindheitserinnerungen wieder hoch. Mehr und mehr drängt sich Tilly in ihr Bewusstsein. Sollte sie ihre kleine Feenfreundin, die seit vielen Jahren im heimischen Keller lagert, wieder in ihr Leben lassen? Nach einem Anruf bei ihren Eltern in der alten Heimat macht sich Tilly auf die Reise in die sächsische Landeshauptstadt. Ob sie Julja helfen kann? Unter dem neuen Label "Zauberhafte Dresdner Weihnacht" erscheinen dieses Jahr erstmals zwei zauberhafte Bücher. Neben "Tilly - Eine Fee zu Weihnachten" wird es "Wie der Kaiser im Porzellanladen" von der wunderbaren Margarethe Alb geben.
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Seitenzahl: 90
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Bevor es hier losgeht und die Feen um den Weihnachtsbaum tanzen, muss ich mich unbedingt bei Ines Wiesner bedanken, der die Idee zur „Zauberhaften Dresdner Weihnacht“ gekommen ist. Sie hat es zu ihrem Herzensprojekt gemacht und nun dürfen Margarethe Alb und ich die ersten Autorinnen sein, die unter dem wundervollen Label unseren Weihnachtssenf dazu abgeben.
Herzlichen Dank liebe Ines!
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHSZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
EPILOG
Genervt warf Julja einen Blick auf ihr Spiegelbild. Ihr Gesichtsausdruck wurde grimmig. Sie hatte sich sehr gefreut, als die Postbotin heute mit dem großen Paket vor ihrer Wohnungstür gestanden hatte. Nach den gewaltigen Veränderungen in ihrem Leben, in den vergangenen Monaten, wollte sie sich mit neuen Klamotten belohnen. Ein weiterer Schritt auf ihrem Neuanfang.
Doch in keinem der Kleidungsstücke gefiel sie sich. Zu lang, zu kurz, zu breit, zu eng, zu… Immer hatte Julja etwas auszusetzen und so flog auch das letzte T-Shirt auf den Boden, wo sich schon ein beachtlicher Klamottenhaufen gebildet hatte.
Bei dem Anblick konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Der Frust überwältigte sie und Julja weinte hemmungslos. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Sturzbäche langsam versiegten.
Ohne den Klamottenhaufen eines weiteren Blickes zu würdigen, zog Julja geräuschvoll die Nase hoch, wischte sich über die Wangen und ging in die Küche. Bewaffnet mit einer Flasche Weißwein und einer Schachtel Pralinen verkroch sie sich mit ihrer Kuscheldecke auf die Couch. Dann schaltete sie den Fernseher ein und begab sich auf die Suche nach einem guten Thriller, einer spannenden Real-Crime-Doku oder einem düsteren Krimi. Jetzt bloß kein Liebesfilm oder eine romantische Komödie, geheult hatte sie heute schließlich schon genug. Außerdem hatte sie noch nie verstanden, was die Menschen an dieser Art von Filmen fanden. Das war doch Kitsch pur. Und am Ende bekamen die Frauen ihren absoluten Traummann.
Bullshit! So lief das wahre Leben nicht! Das hässliche Entlein wurde nicht zum schönen Schwan, der den Traumprinz im Sturm eroberte. Wenn es so einfach wäre, dann hätte sie es schließlich längst getan. Zack, ein kurzer Abstecher zum Friseur, ein kleiner Streifzug durch die Geschäfte, ein Lächeln beim nächsten Treffen und Manuel würde sich in sie verlieben.
Mist, jetzt schossen ihr doch schon wieder Tränen in die Augen. So hatte sie sich ihr neues Leben in Dresden nicht vorgestellt. Sie hatte die Chance ergreifen wollen, um so richtig durchzustarten. Stattdessen saß sie auf der Couch in ihrer kleinen Wohnung, heulte und war mit sich und ihrem Leben unzufrieden.
In solchen Momenten bereute sie ihren Umzug, weg von ihrer beschaulichen Heimatstadt am Niederrhein, weg von ihrer Familie und ihrer guten Freundin Daniela, die Danni genannt wurde.
Sie war dort nicht zufrieden gewesen. Der Job war langweilig geworden, aber sie hatte einen Freundeskreis und natürlich ihre Familie. Okay, Bekanntenkreis traf es vielleicht eher. Außer Danni hätte sie eigentlich niemanden als Freund bezeichnet. Das ein oder andere Treffen, mal ein Telefonat, alles eher oberflächlich. Es gab so gut wie keine echten gemeinsamen Interessen.
Julja war immer frustrierter geworden, einer der Gründe, warum sie nun rund 20 Kilo mehr auf den Hüften hatte. Immer wenn sie traurig oder frustriert war, oder sich einsam fühlte, griff sie zu süßen Seelentröstern. Schlank war sie noch nie gewesen, aber mit ihrem neuen Körper konnte sie sich einfach nicht anfreunden. Sie fand ihren Hintern zu dick, ebenso die Oberschenkel. Die Röllchen, die sich über dem Hosenbund zeigten, waren ihr zuwider. Am meisten aber störte sie das Doppelkinn. Weite Westen und Schals waren seitdem in ihrer Freizeit zum ständigen Begleiter geworden.
Da war ihr die Stellenausschreibung gerade recht gekommen, über die sie eines Tages zufällig im Internet gestolpert war. Eine Rehaklinik in Kreischa war auf der Suche nach Mitarbeitern gewesen und Julja hatte sich spontan beworben.
Tatsächlich hatte sie die Stelle bekommen und dann war auf einmal alles ganz schnell gegangen. Die Glücksfee war Julja auch weiterhin hold gewesen und hatte ihr zu einer gemütlichen 2-Zimmer-Wohnung in der Holzhofgasse, in der Äußeren Neustadt von Dresden, verholfen. Mit rund 55 m2 war ihr neues Zuhause groß genug und sogar mit einer Badewanne ausgestattet. Julja liebte es, wenn sie nach der anstrengenden Arbeit ein Schaumbad nehmen und mit einem guten Buch entspannen konnte.
Die Gründerzeithäuser, die originellen Kneipen, die exotischen Restaurants und die kleinen, individuellen Läden in der Äußeren Neustadt von Dresden hatten Juljas Herz im Sturm erobert und so war mit der Wohnung ein kleiner Traum wahrgeworden.
Julja lebte nun seit etwas mehr als vier Monaten in Dresden. Noch immer entdeckte sie jeden Tag etwas Neues, doch an Tagen wie diesem konnte sie das einfach nicht genießen.
Seufzend schaltete Julja den Fernseher aus. Sie hatte es nicht geschafft, sich von den trüben Gedanken abzulenken. Nun hoffte sie, dass die vielen Pralinen, die sie sich gedankenverloren in den Mund geschoben hatte und die Gläser Weißwein sie zumindest tief und fest schlafen lassen würden.
Juljas Hoffnung erfüllte sich nicht. Zwar schlief sie durch, bis der Wecker klingelte und den Start in den Arbeitstag einläutete. Doch ihr Schlaf war sehr unruhig gewesen, gespickt mit vielen wirren Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Immer wieder war Tilly in diesen Träumen aufgetaucht, obwohl Julja schon seit gefühlten Jahrzehnten nicht mehr an sie gedacht hatte.
Tilly, die Fee mit den durchscheinenden Flügeln, die sie während ihrer Kindheit begleitet hatte. Heute konnte Julja über ihre Tagträumereien von damals nur noch den Kopf schütteln, aber als Kind hatte sie wirklich daran geglaubt. Daran, dass diese kleine Fee tatsächlich real war, lebendig. Sie war als kleine Plastikfigur bei Julja eingezogen, die sie bei einem Waldspaziergang gefunden hatte. Nur etwa zehn Zentimeter war sie groß.
Plötzlich, einige Tage später, hatte diese Fee, um etliche Zentimeter gewachsen, auf Juljas Bettpfosten gesessen und sie frech angegrinst. Meistens machten Feen sich ganz klein, um nicht bemerkt zu werden, hatte Tilly ihr erklärt. Aber sie konnten ihren Körper auf bis zu dreißig Zentimeter anwachsen lassen, wenn sie zum Beispiel mit größeren Tieren sprechen wollten.
Zwischen Tilly und Julja war eine tiefe Freundschaft entstanden. Julja hatte ihrer Feenfreundin sogar ein eigenes Zuhause gebaut. Dieses sollte Tilly das Gefühl geben, in der Natur zu sein. In Räumen fühlen Feen sich nämlich nicht wohl. Aber aus Freundschaft hatte Tilly oft darüber hinweggesehen und war mehrere Tage bei Julja geblieben. Sie schien immer gespürt zu haben, wenn es ihrer menschlichen Freundin Julja schlecht ging und war dann sofort zur Stelle gewesen.
Doch eines Tages, als Julja älter wurde, war ihr bewusst geworden, dass es keine Feen gab, und so war Tillys Wohnlandschaft in die Tiefen des Kellers verbannt worden. Von da an hatte sie die zierliche Fee nie wieder gesehen.
Warum nur dachte sie ausgerechnet jetzt wieder an Tilly? Wahrscheinlich, weil sie sich in letzter Zeit oft nach dem Rat einer guten Freundin gesehnt hatte. Ja, das musste es sein.
Julja war sich sicher und musste über sich selbst lachen. Sie war doch kein Kleinkind mehr. Mit einer energischen Kopfbewegung schüttelte sie die Erinnerungen an Tilly ab und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Dort verblassten die letzten Erinnerungen so schnell, wie sie gekommen waren.
Es war wieder viel zu tun, die Zeit reichte gerade einmal für eine kurze Kaffeepause mit ihrer Kollegin Heidi, die mittlerweile auch zu einer recht guten Freundin geworden war. „Zum Glück ist schon Freitag“, sagte Heidi lachend. „Das Wochenende brauche ich immer, um mich zu erholen.“
Julja nickte zustimmend. „Lust, heute Abend mit mir ein oder zwei Cocktails zu genießen?“, fragte Heidi. „Das wäre die perfekte Einstimmung auf meinen Urlaub.“
Julja zögerte kurz. Bestimmt würde Heidi in ihre Lieblingsbar gehen wollen. Doch dann würde sie Manuel wiedersehen. Der Barkeeper verursachte ein wohliges Gefühl und ein starkes Kribbeln in ihrem Bauch, seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Doch er schien sie gar nicht wahrzunehmen. Warum sollte er auch. So viele hübsche Frauen flirteten ganz offen mit ihm und er schien diese Aufmerksamkeit zu genießen. Warum sollte er da einen Blick für sie, die dicke, unscheinbare Julja, übrighaben, die ihn aus der Ferne anhimmelte. All diese Gedanken schossen ihr in Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Dennoch nickte sie wieder zustimmend und verabredete sich für halb neun mit Heidi in der Volstead-Lounge. Sie war im Stil der Flüsterkneipen in Zeiten der Prohibition eingerichtet und auch die Cocktailnamen erinnerten alle an diese Zeit. Julja trank am liebsten einen „Präsident Woodrow“, benannt nach dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, der damals sein Veto gegen das Volstead-Gesetz eingelegt hatte.
Zuhause angekommen, ließ sich Julja ein Schaumbad ein. Sie genoss das wohlig warme Wasser, das Prickeln der Bläschen auf ihrer Haut und den sinnlichen Geruch nach Vanille und Erdbeeren. Mit geschlossenen Augen ließ sie ihre Gedanken schweifen, mit jedem Atemzug fiel der Stress des Alltags von ihr ab.
Wie schön wäre es, wenn die zärtlichen Berührungen ihres Körpers nicht vom Schaum, sondern den kräftigen, aber sanften Händen eines Mannes stammen würden, von Manuels Händen.
Hände faszinierten Julja fast so sehr wie Augen. In Manuels Augen hatte sie sich schon beim allerersten Zusammentreffen verloren. Noch nie hatte sie so ausdrucksstarke Augen gesehen, wie Bernstein sahen sie aus. Doch es war nicht nur die Farbe, die sie faszinierte, nein, auch dieses Strahlen. Die pure Lebensfreude, die aus seinen Augen sprach, begeisterte sie. Sobald sich ihre Blicke trafen, verlor sie sich in ihnen und brachte keinen Ton mehr heraus.
Einmal, als Manuel ihr einen Cocktail gereicht hatte, hatten sich ihre Hände berührt. Nur für einen kurzen Augenblick, aber noch heute zog sich, wenn sie daran dachte, ihr Unterleib vor Erregung zusammen. Es hatte sich angefühlt, als ob tausend Ameisen über ihren Körper krabbelten. Ihr war heiß und kalt geworden, fast hätte sie aufgestöhnt. Immer noch, bei der bloßen Erinnerung daran, strich sie mit der Zunge über ihre Lippen und biss dann sanft darauf, um ein Stöhnen zu unterdrücken.
Julja zwang sich, die Augen zu öffnen, ihren Körper langsam aus dem Wasser zu heben und in ihren flauschigen Bademantel zu schlüpfen, den sie am Rand der Badewanne bereitgelegt hatte.
Wie gerne hätte sie sich einfach auf die Couch gelegt, ein Glas Weißwein in der Hand, und sich Tagträumen hingegeben. Stattdessen ging sie schnurstracks ins Schlafzimmer, um sich für das Treffen mit Heidi fertigzumachen.
Beim Blick auf den Klamottenstapel, der immer noch, wie am Vortag, neben dem Spiegel lag, verfinsterte sich Juljas Miene. Am liebsten hätte sie Heidi unter irgendeinem Vorwand abgesagt, aber sie wusste, dass Heidi keine Ausrede akzeptieren würde, sei sie auch noch so gut.