Time of Lust | Band 8 | Geliebter Schmerz | Roman - Megan Parker - E-Book

Time of Lust | Band 8 | Geliebter Schmerz | Roman E-Book

Megan Parker

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 212 Taschenbuchseiten ... Zahira glaubt, nicht glücklicher sein zu können, denn sie hat alles, was sie sich wünscht. Doch Santiago wendet sich nach und nach von ihr ab. Zunächst ist sie erleichtert, nicht mehr so schlimm gequält zu werden. Aber bald stellt sie fest, dass sie Santiagos unerbittliche Dominanz schmerzlich vermisst. Was kann sie tun, um wieder diese sexuelle Lust zu spüren, die ihr in ihrer neuen Welt so sehr fehlt? Wo ist ihr geliebter Schmerz? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 284

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Impressum:

Time of Lust | Band 8 | Geliebter Schmerz | Roman

von Megan Parker

 

Megan Parker wurde 1973 in Wien geboren, wo sie auch heute noch lebt. Ihre Leidenschaft für ferne Länder, Fotografie und spannende Geschichten, die nicht nur das Leben, sondern vor allem die Fantasie in so wundervoll schillernden Farben schreibt, brachte sie zum Schreiben. Waren es anfänglich noch blumige Reiseberichte, fand Megan im Jahr 2010 zur erotischen Literatur. Hier zeigte sich schnell, dass der Reiz für sie nicht in romantischen Lovestorys, sondern vielmehr im lustvollen und krassen Zusammentreffen naiver, hingebungsvoller Liebe und gnadenloser Dominanz liegt, wie es in ihrer Romanreihe „Time of Lust“ vielfach dargestellt ist.

 

Lektorat: Nicola Heubach

 

 

Originalausgabe

© 2023 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © conrado @ shutterstock.com

Umschlaggestaltung: Matthias Heubach

 

ISBN 9783750798472

www.blue-panther-books.de

Bali

Nach einem anstrengenden Flug, drei Zwischenstopps und einer Reisezeit von insgesamt zwanzig Stunden, landeten wir letztendlich wohlbehalten auf dem Flughafen von Denpasar. Dank der Organisation des Seven Seas Resorts erwartete uns dort ein bestelltes Taxi, ein Luxus-Van mit Klimaanlage, und man stellte dem Fahrer sogar einen eigenen Tour-Guide zur Seite, der unserer Sprache mächtig war und uns auf dem Weg zum Resort ein wenig mit der Insel vertraut machen sollte.

Dennoch war mein erster Eindruck von Bali geradewegs ein Schock. Auf der Fahrt durch die Hauptstadt Denpasar gelangten wir von einem Verkehrschaos ins nächste, Hunderte Mopeds drängten sich an uns vorbei, ich sah ganze Familien auf desolaten Gefährten, ohne Helm und meist zu dritt oder zu viert auf einem Roller. Sie strömten auf den engen Fahrbahnen in beide Richtungen, kämpften um ein Weiterkommen zwischen hupenden Autos und Bussen. Unter all dem Gewirr auch Fahrräder, Fußgänger, Straßenverkäufer und frei laufende Hunde. An fast jeder Ampel versuchte man, uns etwas zu verkaufen. Und auch die Häuser sahen völlig anders aus als erwartet, sie waren schlicht, farblos und in einem Zustand, wie ich nie hätte wohnen wollen. Keine Spur von westlichem Lebensstandard, detailverliebtem Stil oder balinesischer Farbenpracht. Ich sah Schmutz, Baracken und Baustellen, nur ganz selten mal ein gut erhaltenes Gebäude oder neueres Hotel. Ronan erklärte mir, dass diese Zustände und das Verkehrsaufkommen in diesem Teil der Hauptstadt alltäglich wären und die Leute, obwohl es nicht so aussah, immer noch ihr System darin fanden und ich mir keine Sorgen zu machen brauchte …

Trotzdem war ich froh, als wir Denpasar endlich verließen. Über die Westküste und einige touristische Orte setzte sich unsere Fahrt fort in Richtung Norden. Ich sah das Meer und lange Sandstrände. Mit jedem Badeort, den wir hinter uns ließen, wurde die Umgebung idyllischer. Die Dörfer wurden kleiner und langsam offenbarte sich Bali so, wie ich es aus den schönsten Dokumentationen kannte.

Diana, unser Guide, dessen Namen ich für einen Mann höchst ungewöhnlich fand, erklärte uns, dass es auf Bali mehr Tempel als Häuser gab. Jede Familie hatte ihren eigenen und zusätzlich gab es noch viele öffentliche, heilige Stätten und alte Gebetszentren, die mittlerweile Sehenswürdigkeiten waren. Am berühmten Tempel von Tanah Lot, dessen Lage ich besonders bewunderte, hielten wir kurz an. Wie ein Märchenschloss stand er auf einer kleinen Felseninsel der Küste vorgelagert und konnte nur bei Ebbe über eine schmale Sandbrücke erreicht werden. Wir spazierten durch einen kleinen Markt. Ronan kaufte uns etwas zu trinken und eine frische Mango. An einem anderen Marktstand gab es eine ungewöhnliche Attraktion. Ein ausgewachsener Flughund hing kopfüber wie eine Fledermaus auf einem Holzgestell und ließ sich von Touristen füttern. Mit einem Zahnstocher reichte man ihm saftige Mangostücke, die er auch prompt verschlang.

Nach einer kurzen Pause führte uns Diana über einen Pfad hinunter zum Meer, wo man den Tempel ganz aus der Nähe sehen konnte. Ich zählte fünf Dächer und erfuhr, dass die Anzahl der Dächer auf einem Tempel immer ungerade sein musste und der höchste sogar über elf Dächer verfügte. Weil die Sandbrücke gerade überschwemmt war und wir nicht hinüber konnten, führte uns Diana stattdessen in eine Höhle, die er die »Schlangenhöhle« nannte. Bei Flut zogen sich dorthin die »heiligen« Schlangen zurück, sie vergruben sich im Sand und nachdem ein Mann eine für uns ausgegraben hatte, durften wir sie streicheln. »Das bringt Glück«, meinte Ronan. Also überwand ich mich, es ihm gleichzutun.

»Fahren wir jetzt zum Resort oder bleiben wir noch irgendwo stehen?«, fragte ich Ronan, als wir wieder zurück im Taxi waren.

»Wenn du nicht möchtest, bleiben wir nirgends mehr stehen«, entgegnete er.

Ich nickte und lehnte mich an seine Schulter. Die beschwerliche Reise hatte mich ziemlich angestrengt und nun sehnte ich mich nach einer Dusche und einem Bett.

Etwas schläfrig sah ich einige Reisfelder an uns vorüberziehen, das satte Grün, und am Horizont den ersten Vulkan im Nebel. Wir durchquerten das Landesinnere, Palmenwälder, kleine Dörfer und die schmale Straße führte uns über ein paar beträchtliche Anstiege. Aber noch bevor ich einschlafen konnte, hatten wir unser Ziel erreicht. Ronan küsste mich auf die Stirn. »Wir sind da, mein Schatz«, hauchte er.

Das Taxi hielt vor einem tempelähnlichen Gebäude, das jedoch modern und traditionell zugleich wirkte. Einerseits verfügte es über Elemente aus Glas mit goldenen Verzierungen und Schriftzügen des Hotels, doch es war auch ganz traditionell aus Stein gemauert und über und über mit Moos bewachsen. Unmittelbar dahinter erhob sich ein reich bepflanzter Hügel und ich sah ein paar Strohdächer und weiße Segeltücher zwischen der Vegetation hervorblitzten, die auf eine Bungalow-Anlage schließen ließen.

Dann betraten wir die lichtdurchflutete Lobby des Resorts, wo man uns mit Blumenschmuck, Cocktails, exotischen Tempelklängen und Tänzerinnen in einheimischer Tracht empfing. Es roch nach Räucherstäbchen und auf dem Boden waren mehrere kleine Körbchen ausgelegt, die man als Opfergaben für die Götter mit Blüten und Früchten dekoriert hatte. Ronan begrüßte einen Herrn in Hoteluniform und begann ein angeregtes Gespräch, doch ich war erleichtert, als er ziemlich schnell veranlasste, dass wir erst mal ein Zimmer bekamen, damit ich mich ausschlafen konnte.

Eine Angestellte führte uns vom Hauptgebäude über ein paar Treppen und schmale Brücken zu einem Bungalow auf dem Hügel. Die Aussicht von hier oben war wundervoll, aber so erschöpft, wie ich war, fiel ich, ohne sie wirklich zu würdigen, in das blütenweiße Himmelbett.

***

Ich träumte von Cheyenne. Es war das dritte Mal, dass ich von ihm träumte, und ich erinnerte mich selbst im Schlaf daran, dass ich ihn in meinen Gedanken in letzter Zeit sträflich vernachlässigt hatte. Es tat mir unvorstellbar leid und ich wollte es wiedergutmachen, denn es lag mir nichts ferner, als ihn jemals zu vergessen.

Es war ein leidenschaftlicher Traum. Wir waren in einem riesigen Tempelkloster. Ich lag splitternackt auf einem blütenweißen Tuch auf dem Boden, genau dort, wo all die kunstvollen Kieselsteinmosaike in einem prachtvollen Stern zusammenliefen. Rund um mich standen betende Mönche. Sie waren ebenfalls weiß gewandet und bildeten einen großen Kreis. Ich sah, dass Cheyenne einer von ihnen war, und als ich meine Beine in seine Richtung öffnete, trat er aus der Menge hervor … Er ließ seine Kutte fallen und kam zu mir. Die Mönche beteten laut weiter, während er geschmeidig niederkniete und meine Hüften ergriff. Ich hob meine Beine, schlang sie um seinen Hals und blickte in seine honiggelben Augen. Voller Verlangen schob ich mich ihm entgegen. Zum Zeichen meiner Unterwerfung streckte ich meine Arme über den Kopf und überkreuzte meine Handgelenke, während er selbstbewusst in mich eindrang. Mit beherzten Stößen bewegte er dabei meinen ganzen Körper. Meine Wirbelsäule rutschte über die kleinen holprigen Steine und sogar das dünne Laken war plötzlich verschwunden! Mein Rücken schmerzte.

Am Anfang versuchte ich, auszuweichen und mich gegen die kraftvollen Stöße zu wehren, doch je mehr ich mich aufbäumte, drehte und wand, umso heftiger tat es weh. Cheyenne lächelte liebevoll. Bestimmt sah er, dass es für mich kein Vergnügen war, aber das Ritual der Mönche verlangte nach meinem Schmerz. Ich hörte mich selbst wimmern und stöhnen, blickte in sein schönes Gesicht, bewunderte seinen athletischen Körper, der mich mit seinen Energien forderte, und versuchte, mich dem Ritual wehrlos hinzugeben. Immerhin war es Cheyenne, und ich wollte mit ihm vereint sein.

Langsam begann ich, es zu genießen, die Schmerzen wurden erträglich und eine heftige Erregung verströmte sich in meinem Unterleib. Wieder stöhnte ich, diesmal laut – vor Lust und Leidenschaft. Ich fühlte kräftige Hände, die mich in eine Umarmung zogen. Meine Lippen berührten eine behaarte Männerbrust … und sie roch nach Ronan!

Schweißgebadet schlug ich meine Augen auf. Ich wischte über mein Gesicht und suchte verwirrt nach etwas Distanz.

Ronan lächelte.

»Ich hab geträumt«, erklärte ich.

Er nickte. »Das hab ich mir fast gedacht. Darf ich wissen wovon?«

»Ich … ich hatte Sex … Es war in einem Kloster und viele Mönche haben uns zugesehen. Es war seltsam, aber es hat mir wohl gefallen.« Erfüllt von einem schlechten Gewissen lächelte ich Ronan an. Warum erzählte ich ihm das überhaupt?

»Komm mit …«, flüsterte er und nahm meine Hand.

Er musste mich ausgezogen haben, als ich geschlafen hatte, denn ich trug nur noch meinen Slip. Aufmerksam reichte er mir ein großes gelbes Tuch mit orangefarbigen Mustern. »Das nennt man hier Sarong«, erklärte er und wickelte ihn gekonnt zweimal um meinen Körper.

Er selbst schlang sich ebenfalls einen solchen Sarong um die Hüften. Danach gingen wir durch die Bambusvilla hinaus ins Freie und den Hügel ein Stück hinunter in ein anderes Gebäude. Das war wohl der Wellness-Bereich, denn bereits im zweiten Raum strömte uns Wasserdampf entgegen. Es roch nach Blüten und süßen Früchten. Zwei junge Balinesinnen baten uns auf hölzerne Stühle, wo in kleinen Trögen zuerst unsere Füße gewaschen und danach massiert wurden. Direkt daneben erwartete uns bereits ein randvolles Blütenbad. Die beiden Frauen hatten den Arbeitsablauf genau einstudiert, denn sie bewegten sich exakt synchron. Ich genoss die zärtlichen Finger meiner Masseurin, waren doch meine Füße ohnehin eine heikle Schwachstelle an meinem Körper.

Zwischendurch beobachtete ich auch die andere junge Dame und mir fiel auf, wie sehr ich sie dafür beneidete, dass sie vor Ronan knien und seine Füße in Wasser baden und massieren durfte. Ich hoffte, er würde einmal mit mir allein hierher gehen, sodass wir uns gegenseitig verwöhnen konnten.

Fertig gewaschen, stiegen wir in das Blütenbad. Ronan meinte, er hätte es nicht zu heiß befüllen lassen, wegen meiner Schwangerschaft. Als ich in dem kreisrunden Steinbecken bis zu meinen Knien im warmen Blütenwasser stand, blickte ich kritisch auf meinen Bauch und streichelte darüber. »Findest du, man sieht schon etwas?«

Ronan lächelte. »Nein.«

Ich nickte, aber ich vermutete stark, er wollte vielleicht nur freundlich sein und mir versichern, dass ich immer noch sehr schlank war. Zufrieden rutschte ich an seine Seite und schlang ein Bein um seinen Körper – glücklich, dass er nach dieser Fußwaschung nun endlich mir gehörte.

Wenig später wurden wir auf bequemen Liegen massiert und wieder beneidete ich die junge Dame, als ich beiläufig zu Ronan sah, für die zärtlichen Dienste, die sie an seinem Körper leisten durfte.

Als wir endlich fertig waren, ausgiebig erholt und entspannt, hüllten wir uns wieder in unsere Sarongs und Ronan führte mich aus dem Spa-Bereich.

»Hat es dir gefallen?«, meinte er.

Ich nickte.

Wir gingen an unserer Villa vorbei und über Treppen immer höher den Hügel hinauf. »Das klingt nicht sehr begeistert«, beanstandete Ronan.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Was hast du?«, fragte er einfühlsam.

Beklommen überlegte ich, ob ich ihm wohl zeigen durfte, dass ich eifersüchtig war. Aber schließlich waren wir ja nicht auf Ivory. »Ich mag es nicht, wenn eine andere Frau deine Füße wäscht«, sagte ich schüchtern.

Ronan blieb stehen und lächelte. »Möchtest du denn meine Füße waschen?«

Ich nickte. Doch im selben Moment wurde mir ganz seltsam zumute. War das verwerflich? Hätte ich das nicht sagen sollen? Warum hatte ich nicht gesagt, dass ich ihn massieren wollte?

Ronan küsste mich zärtlich und lächelte geheimnisvoll, dann gingen wir weiter. Auf dem Gipfel angekommen, standen wir vor einer wunderschön gezimmerten Holztreppe, die sich rund um den dicken Stamm eines mächtigen alten Baumes in Richtung Himmel wand. Neugierig sah ich nach oben und erblickte ein Baumhaus. Ronan deutete einladend, ich solle vorausgehen. Während ich die Treppe langsam in die Höhe stieg, hatte ich Tränen in den Augen und ich fragte mich, ob Ronan wohl gesandt worden war, um alle meine Träume zu erfüllen.

Oben angekommen, wurde meine Begeisterung gleich noch viel größer. Es war ein Baumhaus der Luxusklasse. Durch die offenen Türen sah man hinein in den schmucken kleinen Wohnraum, eine Küche in türkisblau, ein Himmelbett, Flachbildfernseher und zwei Relax-Sofas aus Bambus. Doch auch die Terrasse hatte einiges zu bieten. Hier gab es ein muschelförmiges Strandsofa mit türkisblauen Kissen und herrlichem Ausblick über Hügel und Wälder, vorbei an einem Vulkan und bis hinunter aufs Meer! Ergriffen blieb ich stehen und fühlte, wie Ronan von hinten seine Arme um mich schlang. »Kannst du dir vorstellen, hier zu leben?«, fragte er.

Ich drehte mich in seinen Armen um und nickte.

Er nahm mein Gesicht in seine Hände und begann, mich zu küssen. Seine Begierde wurde immer leidenschaftlicher und ich wusste, dass jetzt der Moment war, wo ich mich ihm nicht mehr verweigern konnte. Einmal noch ließ er von meinen Lippen ab und sah in meine Augen … und es war wie die unausgesprochene Frage, ob er mit mir schlafen durfte.

»Darf ich dafür morgen deine Füße waschen?«, fragte ich, nicht mehr ganz bei Sinnen und als ob ich ihm eine Bedingung stellen wollte.

Er nickte und an seinem Blick sah ich, dass er wusste, wie viel mir eine solche Kleinigkeit bedeutete.

»Darf ich sie jetzt auch küssen?«, hauchte ich leise.

Ronan schluckte. Er dachte kurz nach, dann küsste er mich auf die Lippen und nickte erneut.

Leicht nervös ließ ich mich an seinem Körper langsam nach unten sinken und genoss dabei jeden Zentimeter … Mein Mund und meine Lippen strichen über seine leicht behaarte Brust, ich fühlte seine Erektion durch den dünnen Sarong und sah mit verklärtem Blick kurz zu Ronan auf. Danach berührte meine Stirn seinen rechten Oberschenkel, sein Knie und schließlich war ich an meinem Ziel angelangt. Ich kniete vor ihm und küsste nacheinander den Rist seiner beiden Füße. Mit einer Hand hielt ich sie jeweils zärtlich fest, damit mir diese Füße bloß niemals mehr jemand wegnehmen würde. Als ich wieder aufstand, hatte ich das wundervolle Gefühl, ihm zu gehören. Jetzt konnte er alles mit mir machen. Aber Ronan war von Natur aus zärtlich. Er liebte mich auf dem Muschelsofa unter freiem Himmel und ich hatte den Eindruck, dass er achtgab, mich und das Baby nicht zu verletzen.

Währenddessen musste ich an David denken. Und an Santiago. Plötzlich hatte ich eine ganz klare Vision darüber, dass ich nur wenige Monate später einen gesunden Jungen zur Welt bringen würde.

Und, so viele Gedanken ich mir bis dahin gemacht hatte, wie ich mein Kind wohl taufen würde – wie ich mit der Verantwortung umgehen sollte, Santiagos Kind ohne seine Mitsprache einen Namen geben zu müssen –, genauso unerwartet traf es mich jetzt wie ein Geistesblitz. Ein Name, bei dem ich erstmals das Gefühl hatte, meiner Verantwortung gerecht zu werden, ein Name, mit dem ich rundum glücklich sein könnte und der hoffentlich eines Tages auch all jenen, die mir etwas bedeuteten, gefallen würde. Wie eine göttliche Eingebung leuchteten die fünf Buchstaben in meinem Herzen, während Ronan mit mir schlief … Diego.

Geliebter Schmerz

Diego wurde in New York geboren …

Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt bereits fest auf Bali wohnten, hatte ich mich für die amerikanische Metropole entschieden – zum einen aus medizinischen Gründen, weil ich es einfach für die sicherste Variante hielt, dann hatte ich immer noch meine Wohnung dort, und ich dachte auch, Santiago würde es im Fall der Fälle begrüßen, wenn sein Sohn von Geburt an amerikanischer Staatsbürger wäre.

Etwas schwerer fiel es mir, Ronan von meiner Einstellung zu überzeugen und es kostete mich sogar ein paar Auseinandersetzungen mit ihm, besonders als sich abzeichnete, dass er zum Geburtstermin mit Sicherheit nicht in New York würde sein können. Die Konzernleitung des Seven Seas Resorts hatte exakt in dieser Woche eine Konferenz auf Bali anberaumt, wo er persönlich anwesend sein musste, wie auch schon die zwei Wochen davor für die heiklen Vorbereitungsarbeiten.

Mir kam diese Entwicklung jedoch sehr entgegen, denn ich hatte ziemlich früh in meiner Schwangerschaft beschlossen, so hart es klang, Ronan bei der Geburt nicht dabeihaben zu wollen. Mein anfänglicher Vorschlag, nach New York zu gehen und die Sache allein durchzuziehen, hatte wie ein heimlicher Wunsch ständig in mir geschlummert und mich nie wirklich losgelassen. Als mir dann auch noch ein schamanischer Heiler auf Bali Komplikationen bei der Geburt voraussagte, stand mein Entschluss für New York fest.

Dass der weise alte Mann auf Bali eventuell sogar recht behalten könnte, bestätigten mir Ärzte anschließend bei Untersuchungen, als sie mir eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine Steißgeburt ausrechneten. Mit jeder Woche, die verging, wurde es offensichtlicher. Diego lag verkehrt und er wollte sich partout nicht umdrehen, auch nach größten Bemühungen, unzähligen Gymnastik-, Dehn- und Yoga-Übungen, die dies bewirken sollten. Schließlich war auch Ronan einverstanden, dass ich mich wohl besser in die Hände von Experten nach New York begeben sollte. Somit ging mein sehnlicher Wunsch in Erfüllung.

Ronan und ich reisten einen Monat vor dem Geburtstermin nach New York und sahen uns das weltbekannte Weill Cornell Medical Center des Presbyterian Hospitals als möglichen Ort für eine Entbindung an. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass ich mich dort wirklich in besten Händen befand, ließ er mich eine Woche später in New York zurück. Ich richtete mich vorerst in meiner Wohnung ein und es waren wundervolle letzte Tage … allein mit dem Baby in meinem Bauch. Bei allen Untersuchungen, die ich machen ließ, riet man mir zu einem Kaiserschnitt, den ich allerdings ablehnte. Genauso, wie ich manch andere Dinge ablehnte, die eine Erleichterung oder Beschleunigung der Geburt betrafen. Kurz bevor es schließlich so weit war, führte ich deswegen heftigste Diskussionen mit den Ärzten, doch ich wusste, dass es mein Recht war, dass sie meine Wünsche respektierten! Und ich war mir auch sicher, dass ich nichts – absolut nichts – gegen die Schmerzen brauchen würde. Dass das Baby durch mein Becken passte, wenn auch nur knapp, hatte man mittels Ultraschall sichergestellt, und abgesehen von der Steißlage, die zwar eine Erschwernis, aber kein Hindernis darstellte, gab es nichts, was gegen eine normale Geburt sprach. Ich wollte keine PDA, keine Schmerzmittel und keine Opiate. Sogar gegen Akupunktur hatte ich mich ausgesprochen. Ich wollte mich der vollkommenen Natürlichkeit einer Geburt hingeben und ein letztes Mal den Schmerz fühlen, den er in mir ausgelöst hatte. Ich wollte ein letztes Mal Santiago fühlen.

Und schließlich hatte ich auch meine Ärzte überzeugt.

Diego kam an einem Sonntagnachmittag zur Welt. Er wog drei Kilo, zweihundertfünfzig Gramm und maß zweiundfünfzig Zentimeter.

Ich hatte fast zehn Stunden in den Wehen gelegen, wobei jedoch erst die beiden letzten Stunden wirklich schlimm waren. Aufgeregte Mediziner schwirrten um mich herum, und ich bemerkte, dass ganz zum Schluss plötzlich alles sehr schnell gehen musste. Es war allerdings auch der erlösende Abschluss, der mir selbst die größten Glücksgefühle bereitete – als einer der Ärzte den kleinen Babykörper bereits fast vollständig in seinen Händen hielt und schließlich noch das Köpfchen aus mir herausrutschte. Schon zuvor hatte ich mich phasenweise in einem rauschähnlichen Zustand befunden, in dem mir kaum bewusst gewesen war, was geschah, welche Kräfte mein Körper mobilisierte und wie sehr ich mich verausgabte. Aber der Abschluss war mein Highlight – ein geradezu orgastisches Erlebnis – für das es sich definitiv zu kämpfen gelohnt hatte.

Und als sie mir Diego zeigten, war mein Glück vollkommen. Er war so verletzlich, so zart, makellos schön und kerngesund. Der Kummer darüber, dass Santiago ihn jetzt – wo das Wunder vollbracht war – nicht sehen konnte, erfasste mich erst ein paar Stunden später, als ich mich allein in meinem Zimmer befand. Doch ich weinte nicht nur deswegen. Ich weinte auch, weil Diego unfassbar schöne saphirblaue Augen hatte … und ich ihn trotzdem über alles liebte!

***

Zwei Jahre nach Diego kam Larissa zur Welt. Sie war mein Sonnenschein und der größte Liebesbeweis, den ich Ronan machen konnte. Er hatte sich ein Kind von mir gewünscht, nachdem er ein Jahr lang zugesehen hatte, was ich mit Diego aufführte.

Diesmal stimmte ich auch einer Hausgeburt auf Bali zu. Sie verlief ungleich einfacher und war binnen zwei Stunden mit einer Hebamme vollbracht.

Larissa hatte sich für den Zeitpunkt ihrer Ankunft exakt dasselbe Datum – denselben Tag und denselben Monat – wie Diego ausgesucht. Ein seltsamer Zufall …

Und eigentlich hätte Ronan diesmal dabei sein sollen, doch mein Problem war, dass ich Diego bis dahin noch nie allein gelassen hatte. Wenn er nicht gerade schlief, hatte ich ihn nahezu ständig auf dem Arm. Ich trug ihn immer mit mir herum, und viele, die uns kannten, hatten sich während des ersten Jahres schon Sorgen gemacht, dass der Junge vermutlich nie laufen lernen würde, da seine Füße kaum je den Boden berührt hatten. Natürlich war das übertrieben. Mittlerweile konnte Diego laufen. Doch das Letzte, was ich konnte, war, ihn irgendjemandem anzuvertrauen, der auf ihn aufpassen sollte. Mit Ausnahme von Ronan.

Ich verfluchte die Hebamme, als sie meinte, es wäre okay, wenn auch Diego bei der Geburt im selben Raum mit dabei wäre, denn ich hatte das Gefühl und die große Angst, ihn damit zu traumatisieren. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass er mich leiden sah oder schreien hörte. Schließlich befahl ich Ronan, mit Diego von unserem Bungalow so weit wegzugehen, dass das unter keinen Umständen passieren würde. Und er war einverstanden. Falls es irgendwelche Komplikationen gegeben hätte, hätte man ihn geholt.

Doch es gab keine. Larissa war perfekt.

Meine beiden Kinder waren perfekt.

***

Die kommenden Jahre waren wohl die schönsten meines Lebens. Auch wenn ich unterschwellig öfters das Gefühl hatte, gewisse Bedürfnisse und Sehnsüchte, die zeitweise in mir aufflackerten, zu unterdrücken, sie hatten nie eine nennenswerte Größe erreicht, sodass ich sie über die Bedürfnisse und Sehnsüchte meiner Kinder gestellt hätte.

Auch Ronan gab sich alle Mühe, seine kleine Familie glücklich zu machen. Wir bewohnten eine der größten Villen am Hügel, etwas abgelegen vom restlichen Resort, hatten ein Kindermädchen, eine Haushaltshilfe, gelegentlich einen romantischen Abend zu zweit und keine finanziellen Sorgen. Wir beide fuhren teure Autos, wobei ich meines hauptsächlich dafür benötigte, unsere Kinder täglich in den nächstgelegenen Ort zu bringen, wo Larissa den Kindergarten und Diego mittlerweile eine englische Privatschule besuchte.

Es war ein herzerweichendes Erlebnis, die beiden dorthin zu begleiten, und ich hätte diese tägliche Pflicht nie im Leben einem Kindermädchen abtreten wollen. Als Larissa geboren wurde, hatte ich mir noch riesige Sorgen gemacht, wie Diego reagieren würde, wenn plötzlich eine kleine Schwester da war, die einen Teil meiner Aufmerksamkeit abbekam. Doch offensichtlich hatte es sich ausgezahlt, dass ich ihn während seiner ersten beiden Lebensjahre mit meiner Liebe förmlich überschüttet hatte, denn als Larissa zur Welt kam, reagierte er völlig anders als erwartet. Er war überhaupt nicht eifersüchtig. Im Gegenteil, er betrachtete sie, genau wie ich, als unser Geschenk. Anfangs vielleicht wie eine Puppe, doch auch später ließ seine Fürsorge nicht nach. Er liebte seine kleine Schwester, beschützte sie und gab stets acht, dass sie nirgendwo benachteiligt wurde – sei es beim Spielen, beim Essen oder wenn es einfach nur um den besten Sitzplatz im Auto ging. Und wenn wir morgens unsere Runde fuhren, dann wollte er stets zuerst sie in den Kindergarten bringen, bevor ich ihn in die Schule bringen durfte. Wir stiegen gemeinsam aus und begleiteten sie durch den großen Park. Dabei war meine Anwesenheit nahezu unnötig. Diego nahm Larissa an die Hand und zu zweit gingen sie vor mir her … wie ein kleines Liebespaar … den langen Weg durch die Anlage … bis in den Umkleideraum des Kindergartens. Es war ein Bild für Götter, offensichtlich dachte er, weil er diese Einrichtung bereits zwei Jahre vor ihr besucht hatte, kenne er sich aus und hätte dadurch eine gewisse Verantwortung. Zum Abschied küsste er sie stets auf die Stirn. Das hatte er vermutlich von unserem Kindermädchen abgeguckt, denn Ronan und ich küssten unsere Kinder immer noch auf den Mund. Wieder zurück im Jeep durfte Diego für das letzte Stück der Fahrt neben mir sitzen.

Eines Tages fragte er mich: »Wird sie einmal in meine Schule gehen?« Er hatte wohl schon mitgekriegt, dass nur sehr wenige Kinder aus dem örtlichen Kindergarten anschließend die internationale Schule besuchten.

»Natürlich wird sie in deine Schule gehen«, antwortete ich. »Sie soll ja auch in Englisch und Französisch unterrichtet werden, so wie du.«

Er nickte und machte sich Gedanken, die er mit mir nicht teilte, aber ich merkte, dass ihn irgendetwas beschäftigte. Ich führte ihn zur Schule, und als ich die beiden wieder abholte, war fröhliche Stimmung. Wir aßen ein Eis im Dorf und fuhren danach wieder hinauf zum Resort.

Doch als wir ein paar Tage später Larissa wieder im Kindergarten abgeliefert hatten und zurück im Auto waren, meinte Diego: »Es wird leichter, wenn sie erst mal schulpflichtig ist.«

Ich starrte ihn entgeistert an, weil diese Äußerung so befremdlich wirkte, dass ich mir überhaupt nicht erklären konnte, wie er dazu kam. Ich wusste nicht mal, woher er das Wort »schulpflichtig« hatte! Doch er zeigte sonst keine Reaktion und blickte bloß gedankenverloren aus dem Fenster.

Es war das erste Mal, dass mir sein Verhalten seltsam erschien. Aber dabei sollte es nicht bleiben …

Diego liebte es auch, Larissa in der Früh einen Zopf zu flechten. Ich fand es beachtlich für sein Alter, dass er das schon konnte, da sie ihn vom Scheitel weg eingeflochten trug. Aber eines Tages erzählte mir eine Betreuerin aus dem Kindergarten, dass sie nahezu jeden Morgen Larissas Frisur wieder auflösen und lockerer flechten müssten, weil sie sonst ständig über Kopfschmerzen klagte. Ich sprach mit beiden Kindern darüber und erklärte vor allem Diego, dass er ihr den Zopf zu streng machte. Dann sah ich ihm ein paarmal dabei zu. Doch er konnte es nicht anders. Und schließlich wollte ich, dass er es aufgab und mich machen ließ oder wir für Larissa eine neue Frisur fanden. Schließlich konnte sie ihr Haar auch mit einer Spange zurückbinden oder einen einfachen Zopf tragen. Doch bei der Diskussion geriet er in eine solche Rage, dass er mit seinen sechs Jahren in Tränen ausbrach. Er lief im Gesicht hochrot an und schien mich mit seinen Blicken töten zu wollen. Larissa saß auf ihrem kleinen Schemel und sah mich komplett verstört und angsterfüllt aus großen Augen an. Ich wusste sofort, dass ich diesmal zuerst sie trösten musste. Doch als ich es tat, lief er davon.

In meiner Verzweiflung bat ich Ronan, mit Diego zu reden und schließlich einigten wir uns gemeinsam mit Larissa, dass ich ihr in Zukunft den Zopf flechten würde, den ihr Bruder so sehr an ihr liebte und den sie selbst auch unbedingt so wollte.

Diego sprach ohnehin nie viel, aber an diesem Morgen sprach er weder im Auto noch als er sie an der Hand in den Kindergarten führte. Erst, als er danach wieder allein neben mir saß, sagte er: »Wenn sie erst mal in meine Schule geht, wird alles leichter.«

»Was wird leichter?«, fragte ich entsetzt. »Diego, du musst dich nicht um ihre Frisur kümmern und wir müssen sie auch nicht jeden Tag gemeinsam in den Kindergarten bringen. Es ist mein Job als Mutter, das zu tun. Wenn du willst, fahren wir ab morgen zuerst dich zur Schule! Larissa wird stolz sein, ihren großen Bruder dorthin begleiten zu dürfen.«

Diego senkte seinen Blick und seine Miene verzerrte sich schmerzlich, als wäre er gekränkt darüber, dass ich ihn nicht verstand!

Mitfühlend streichelte ich über seine Haare. »Was wird leichter?«, hauchte ich.

Er sah mich an und kämpfte mit den Tränen. »Dann muss ich mir nicht den ganzen Tag Sorgen um sie machen!«

Erst jetzt wurde mir klar, dass er scheinbar ein Problem damit hatte, dass Larissa erstmals unter fremden Leuten war, während sie zu Diegos Kindergartenzeit den ganzen Tag bei mir zu Hause verbracht hatte. Ich nahm ihn auf meinen Schoß, um ihn zu trösten, und erklärte ihm, dass er sich um sie nicht zu sorgen brauchte, sie wäre im Kindergarten gut aufgehoben, das wisse er doch selbst.

Aber er erklärte mir im Gegenzug, dass es »sehr hart« im Kindergarten wäre, und er wisse, wie sehr Mädchen oft von Jungs oder anderen Mädchen geärgert würden.

»Larissa hat mir noch nie etwas davon erzählt«, beruhigte ich ihn. »Und sie wird lernen, sich selbst zu helfen.«

Einigermaßen konnte ich ihn damit beschwichtigen. Aber mir fiel auf, dass er sie von da an regelmäßig am Nachmittag befragte, was genau sie im Kindergarten erlebt hatte. Auch Ronan sprach noch mal mit ihm und die Lage entspannte sich allmählich wieder. Bloß manchmal, wenn ich im Auto seinen kummervollen Blick miterleben musste, wünschte ich mir, dass sie bald endlich in seine Schule ging, wo er sehen konnte, dass es ihr gut erging.

Ich fragte mich, woher er diese Einstellung hatte. Und natürlich dachte ich manchmal an Santiago, wenn ich ihn ansah. Speziell in letzter Zeit streifte mich manchmal ein eisiger Schauer, wenn ich in seine Augen blickte. Da waren plötzlich braune Sprenkel, die sich aufdringlich durch das schöne Saphirblau zogen!

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, Diego von klein auf einfühlsam damit vertraut zu machen, dass er zusätzlich zu Ronan noch einen biologischen Vater hatte. Aber irgendwie kam nie der richtige Zeitpunkt, denn wenn wieder alles rund lief, war ich bloß noch glücklich und dankbar und wollte den Frieden durch nichts zerstören. So verbohrt, wie Diego in manchen Dingen sein konnte, hatte ich Angst, ihm zusätzlich zu Larissa mit einem biologischen Vater noch eine zweite Last aufzubürden.

Schließlich war Ronan einverstanden, es ihm erst später zu erklären, wenn er etwas reifer wäre. Vielleicht hatten wir beide auch Angst, dass Ronan dann seinen guten Einfluss auf Diego verlieren könnte, mit dem er ihn bisweilen jedes Mal zurück auf den Boden brachte, wenn er sich etwas nicht Machbares in den Kopf gesetzt hatte.

Im Großen und Ganzen hielt ich das alles für Phänomene frühkindlicher Entwicklung, ein verpeiltes Rollenverhalten, übertriebene Geschwisterliebe und vielleicht auch etwas Eifersucht. Mir war sehr lange nicht bewusst, was in Diego wirklich vorging und was in ihm, trotz all meiner Liebe und Zuwendung, langsam und kontinuierlich heranwuchs. Während er die Grundschule besuchte, war ich tatsächlich auch noch manchmal mit mir selbst und meinen Gefühlen beschäftigt …

Ich liebte Ronan. Ich liebte ihn sehr. Darum kränkte es mich zunehmend, dass bei uns auf sexueller Ebene nie dieses Feuer entflammt war, das ich mit anderen Männern zuvor schon erlebt hatte. So sehr Ronan sich auch bemühte, auf meine Sehnsüchte oder Neigungen einzugehen, ich merkte, dass es bei ihm nicht aus Überzeugung kam und das machte für mich einen gewaltigen Unterschied. Ich wollte ihn nicht darum bitten müssen, gewisse Dinge zu tun, denn allein durch die Frage verlor das Ganze für mich an Reiz. Meine tiefsten Sehnsüchte zu befriedigen, funktionierte anders.

Irgendwann gab ich mich schließlich damit zufrieden, nur noch »normalen« Sex zu haben. Doch ich lag oftmals danach mit Tränen in den Augen neben Ronan im Bett und glaubte, vor Sehnsucht nach dem gewissen Prickeln zu sterben. Ich hatte Angst, es irgendwann nicht mehr auszuhalten. Und irgendwann kam es, wie es kommen musste … Ich spürte, dass es sich nicht mehr vermeiden ließ. Es tat mir unheimlich leid für Ronan, aber … ich wollte nur noch ausbrechen.

***

Anfangs dachte ich an einen Seitensprung. Vereinzelt gab es Männer in unserem Resort, die mich interessierten. Doch, mit einem Gast etwas anzufangen, war in meiner Position an Ronans Seite ein Tabu. Noch dazu, wo er auch seine Söhne aus erster Ehe zu uns nach Bali geholt hatte. Patrick arbeitete im Managementbereich des Resorts und Leon führte eine Tauch- und Surfschule nicht weit von uns. Wir kannten viele Leute. Und viele Leute kannten uns. Allein schon dadurch war ein Verhältnis in meiner Umgebung ein Ding der Unmöglichkeit!

Dann dachte ich an das berüchtigte Jahrestreffen, das Santiago für seine Ex-Geliebten veranstaltete. So eindringlich, wie mich David einst in New York davor gewarnt hatte, konnte ich mir ausrechnen, dass ich dort auf meine Kosten kommen würde. Aber meine generelle Angst, Santiago gegenüberzutreten, oder dass er mir vielleicht ansehen könnte, dass ich inzwischen zwei Kinder geboren hatte, war viel zu groß. Ronan meinte zwar, ich wäre schlanker und schöner denn je, dennoch fürchtete ich, dass mich bei einem Blick in Santiagos Augen mein Gewissen gnadenlos verraten würde. Und das durfte ich nicht riskieren.

Dann gab es aber auch Jude, der mich in meinen Fantasien beglückte … dessen Telefonnummer ich allerdings nicht mehr hatte.

Und dann gab es Amistad … »Komm zu mir nach Atlanta, du findest mich in der Klinik. Es ist ganz leicht … Ich hätte gern noch mehr Spaß mit dir gehabt.«

Die Worte, die er mir zum Abschied mitgegeben hatte, zogen mich weit mehr als nur lustvoll an. Sie waren magisch. Und wieder glaubte ich zu sterben, wenn ich an Amistad dachte und meine Sehnsucht dabei fühlte. Zum ersten Mal berührte ich mich selbst, während ich neben Ronan im Bett lag. Ich brauchte mir nicht mal vorzustellen, dass Amistad mir Schmerzen zufügte, es genügte bereits, an ihn zu denken … an seine unerbittliche Dominanz, seinen festen Blick und seine verführerische Stimme … Ich seufzte leise und kam binnen Sekunden zu einem Orgasmus, der die ersehnten Feuerwerke durch mein Gehirn schießen ließ und trotz aller Beherrschung tausendmal besser war als jeder Blümchensex.

Zu Tränen gerührt hielt ich Amistad in meinem Herzen fest. Ich wollte nach Atlanta. Und kaum war dieser Gedanke geboren, gab es auch kein Zurück mehr.

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Jetzt kam es mir plötzlich zugute, dass Ronan von Anfang an darauf bestanden hatte, dass ich regelmäßig drei Wochen pro Jahr eine Auszeit nahm. Ich besuchte dann gemeinsam mit den Kindern meine getrennt lebenden Eltern in Spanien. Fallweise reiste ich auch allein weiter, um mich mit Jana oder Natalie in den Staaten zu treffen.

Jana lebte mittlerweile in Champaign, Illinois. Sie hatte mich ganz zu Beginn meiner Zeit auf Bali einmal besucht! Um genau zu sein … ich hatte sie nach Bali geholt, nachdem mir in den ersten Monaten meiner Schwangerschaft ein schamanischer Heiler empfohlen worden war, der mich wahrlich beeindruckt hatte …