To Shatter the Night (Die verfluchten Lande, Band 2) - Katherine Quinn - E-Book

To Shatter the Night (Die verfluchten Lande, Band 2) E-Book

Katherine Quinn

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Beschreibung

Von Dunkelheit berührt. Aus Licht geboren. Schweren Herzens hat Jude Kiara im Nebel verlassen, um einen anderen Weg zu finden, den Fluch zu brechen – einen, der nicht beinhaltet, dass sie sterben muss. Doch so leicht will Kiara ihn nicht ziehen lassen und nimmt die Verfolgung auf. Dann erfährt sie, dass der Mondgott hinter ihnen her ist. Um Asidia vor der ewigen Nacht zu bewahren, muss er aufgehalten werden. Und auch ihre neuen Kräfte gilt es noch zu verstehen. Kurz darauf wird Jude gefangen genommen und die beiden erkennen entsetzt, dass ihre Liebe verdammt zu sein scheint … Die atemberaubende Fortsetzung des New York Times-Bestsellers To Kill a Shadow To Shatter the Night ist das epische Finale der düsteren Romantasy-Dilogie von Katherine Quinn. In einem High-Fantasy-Setting kämpft eine starke Protagonistin für ein verfluchtes Reich und die Liebe. Die New York Times-Bestsellerautorin kombiniert geschickt Star-Crossed Lovers mit Magie und Göttern. Eine prickelnde und abenteuerliche Geschichte über Intrigen und Verrat, Selbstakzeptanz, Familie und Hoffnung. Perfekt für alle ab 14 Jahren.

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Seitenzahl: 644

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Kapitel 1KIARASeit Tagen ist …

Kapitel 1KIARAHeute kam eine …

Kapitel 2JUDEWeshalb sich die …

Kapitel 3KIARAIch weiß, dass …

Kapitel 4JUDEUnser Sohn gehört …

Kapitel 5KIARASeit Tagen habe …

Kapitel 6JUDEDie Dunkelheit zu …

Kapitel 7KIARADer Mondgott fühlte …

Kapitel 8JUDEIch will hoffen, …

Kapitel 9KIARAÜber die Füchsin …

Kapitel 10JUDELorian und Maliah …

Kapitel 11KIARAWurden die Schattenbestien …

Kapitel 12JUDEManchmal vermisse ich …

Kapitel 13KIARASeit Monaten hast …

Kapitel 14JUDEIch wollte deinen …

Kapitel 15KIARABevor Raina die …

Kapitel 16JUDEKein Weg führt …

Kapitel 17KIARAEs ist nicht …

Kapitel 18JUDEWas wir am …

Kapitel 19KIARAHeute wurde meine …

Kapitel 20JUDELiebe ist nicht …

Kapitel 21KIARAIn Rae steckte …

Kapitel 22JUDEHütet euch vor …

Kapitel 23KIARADie Legende von …

Kapitel 24JUDEDeine Mutter hat …

Kapitel 25KIARAWer den Sprung …

Kapitel 26JUDEDie Tempel der …

Kapitel 27KIARADas Band, das …

Kapitel 28JUDEIn den Gegenden …

Kapitel 29KIARASelbst nachdem Raina …

Kapitel 30JUDEUnsere Albträume zeigen …

Kapitel 31KIARAIch bete für …

Kapitel 32JUDEIch hoffe, wir …

Kapitel 33KIARAKein Wesen ist …

Kapitel 34JUDEDer Junge hat …

Kapitel 35KIARAEs herrscht keine …

Kapitel 36JUDEDer Junge ist …

Kapitel 37KIARAWir führen zwei …

Kapitel 38JUDEMein ganzes Leben …

Kapitel 39KIARAÜber den Mondgott …

Kapitel 40JUDEVor neunzehn Jahre …

Kapitel 41KIARADie Schätze der …

Kapitel 42KIARADer Mond wird …

Kapitel 43JUDEIch habe einen …

Kapitel 44KIARAWer sich verliert, …

Kapitel 45JUDECerys, die Gottheit …

Kapitel 46KIARAEr hat sie …

Kapitel 47JUDEFür Schattenbestien gibt …

Kapitel 48KIARAArlo ist ein …

Kapitel 49JUDEHinter dem aufgesetzten …

Kapitel 50KIARAManche von Arlos …

Kapitel 51JUDELorian ist ein …

Kapitel 52KIARAMagie allein macht …

Auszug

Epilog

Danksagung

Content Note

Wenn ihr den Weg

aus der Dunkelheit sucht,

haltet niemals inne.

Das Morgengrauen kommt bestimmt

und ihr seid stärker, als ihr denkt.

Für Daniel, der mich Tag für Tag

daran erinnert, dass jeder Moment

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr am Ende des Buchs eine Content Note.

Achtung: Diese enthält Spoiler für die gesamte Geschichte!

Wir wünschen euch das bestmögliche Leseerlebnis.

Der Tag wird zurückkehren,

wenn die Dunkelheit dem Licht verfällt …

Oder das ist nur ein Haufen Unfug, wir werden uns alle gegenseitig umbringen und die Welt wird untergehen. Das wäre doch mal eine Prophezeiung.

KIARA

Heute kam eine Frau zu uns. Etwas an ihr jagte Feuer durch meine Adern. Und ihre Augen … helle bernsteinfarbene Augen, die mich an unsere jüngst verlorene Sonne erinnerten. Sie sagte, ihr Name sei Rae. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sie log.

Aus dem Tagebuch von Juniper Marchant, Sonnenpriesterin,

Jahr 1 des Fluchs

Jude Maddox, Kommandant der Ritter des Ewigen Sterns, glaubte, den aufopferungsvollen Helden spielen und mich einfach im Nebel zurücklassen zu können. Vor mir weglaufen zu können.

Als hätte ich keinen Spaß an einer Verfolgungsjagd.

Jake und ich eilten Judes Fährte nach, bis sie nicht mehr erkennbar war – seine Spuren vom Wind verweht.

Es war unheimlich still hier. Keine Maskierten, die uns angriffen, keiner von Lorians monströsen Wölfen, der uns an die Kehle sprang; nicht ein einziges Lebewesen – ob in der Luft oder auf der Erde – wagte es, sich uns zu nähern.

Wir zogen unschlüssig weiter. Je näher wir der Grenze zu Asidia kamen, desto mehr lichtete sich der Nebel. Das hieß jedoch nicht, dass es nun weniger gefährlich werden würde.

Meine Zuversicht schwand langsam, aber stetig. Aufgeben war für mich jedoch noch nie infrage gekommen, egal, wie aussichtslos die Lage erschien. Und schon gar nicht, wenn mein gebrochenes Herz schmerzte und die Wut mich vorwärtstrieb. Die Leute hatten mich früher bereits gemieden. Mich wie Dreck behandelt. Eine verfluchte Aussätzige, von der man sich besser fernhielt.

Aber das war vor ihm gewesen.

In Judes Abwesenheit breitete sich das hohle Gefühl in meiner Brust weiter aus. Auch wenn ich wusste, dass er gegangen war, weil er glaubte, ich würde mich mit dem Gottestöter umbringen wollen, um ihm das letzte Stück von Rainas Magie zu geben. Es spielte keine Rolle; er hätte mit mir reden sollen. Mir vertrauen sollen.

Jetzt würde ich ihn am liebsten anschreien.

Leider hatte er einen ziemlich großen Vorsprung. Ich war wirklich kein geduldiger Mensch.

Etwas hatte sich verändert, seit wir die Lichtung verlassen hatten. Der Nebel war weniger … sanftmütig. Möglicherweise nahm Jake diese unnatürliche Veränderung ebenfalls wahr. Wir gingen die meiste Zeit angespannt und schweigend durch den dichten Dunst, in dem es sich schlecht atmen ließ.

Dann stießen wir auf Hufspuren, die nach Nordosten führten, und zarte Hoffnung keimte in mir auf. Es könnten Judes Spuren sein. Womöglich hatte er eines der Pferde entdeckt, die wir verloren hatten, und war damit diesem schrecklichen Ort entkommen.

Da wir wussten, dass die Zeit gegen uns war, hielten wir in den folgenden Tagen lediglich an, wenn wir uns ausruhen mussten. Ich stieß außerdem auf ein paar essbare Schattenbeeren, die es hier nur selten gab. Sie waren zwar nicht giftig, schmeckten aber so.

Bis zur Grenze konnte es nicht mehr weit sein, vielleicht sogar nur noch einen Tag oder ein paar Stunden Fußmarsch. Dann würden wir in das Königreich zurückkehren, über das Cirian mit eiserner Hand herrschte. Ich wusste nicht, was schlimmer war – wieder unter Cirians Fuchtel zu stehen oder in den verfluchten Landen gestrandet zu sein, wo Albträume lebendig wurden.

»Ich hoffe bloß für ihn, dass er den Gottestöter nicht verloren hat«, brummte Jake neben mir. Seine Schultern hingen erschöpft herunter. Ich gab mir Mühe, ihn nicht zu lange anzuschauen – denn wann immer ich es tat, regte sich mein schlechtes Gewissen und ich musste mich hastig abwenden. Wegen mir befand er sich in diesem Schlamassel. »Bei unserem Glück hat der König ihn längst geschnappt.«

»Wie optimistisch«, sagte ich betont unbekümmert, um Jake zu beruhigen. »Wenn sich Jude einfach gefangen nehmen ließe, wäre er nicht der Mann, für den ich ihn gehalten habe.«

Jude war zu verdammt dickköpfig, um sich so schnell festnehmen zu lassen. Außerdem ginge ihm das gegen seinen Stolz. Schließlich war er der berüchtigte Meuchelmörder des Königs.

Ich spähte zum Himmel hoch und konnte neben dem blau gefärbten Mond ganz schwach den Nordstern erkennen. Hier draußen, Kilometer von der Grenze entfernt, war der Mond doppelt so groß wie sonst und trotzdem durch das triste Grau und die dürren Bäume hindurch kaum zu sehen.

Es passte mir gar nicht, wie wunderschön ich ihn eigentlich fand. Wann immer wir eine Rast einlegten, übernahm ich die erste Wache und starrte zu der milchigen Scheibe nach oben. Dann fragte ich mich stets, ob Jude womöglich ebenfalls gerade zum Himmel hochsah. Ob er es bereute, uns verlassen zu haben. Mich verlassen zu haben.

Meine frische Narbe pochte. Ich musste an die Ereignisse vor einigen Tagen denken, als ich sie erhalten hatte, und eine seltsame, prickelnde Wärme stieg wie so oft in meiner Brust auf. Die gerötete Narbe der Stichwunde, die Jude geheilt hatte, befand sich nur wenige Zentimeter unter meinem Herzen – eine Erinnerung an das, was wir durchgemacht hatten.

Ich strich mit meinen behandschuhten Fingern über die wulstige Haut, ein schwaches Lächeln trat auf meine Lippen. Was Patrick mir angetan hatte, war unverzeihlich und doch verband mich diese Narbe auf unerklärliche Weise mit Jude. Ich hatte ihn auf dieselbe Art gezeichnet. An der Stelle, an der ich ihn mit meiner Schattenkraft berührt hatte, befand sich nun ein Geflecht aus dünnen schwarzen Adern auf seiner Brust.

Es sah genauso aus wie die Narben auf meinen Händen, die mir die Schattenbestie zugefügt hatte.

»Wenn Jude schlau gewesen wäre, hätte er dich umgebracht, als er die Chance dazu hatte. Dann würden ihm jetzt alle drei Schlüssel von Raina gehören«, sagte Jake nach einer Weile. »Aber … du bist vermutlich zu charmant, um zu sterben. Was für ein Pech.«

Jake hatte mit mir die verhängnisvolle Lichtung verlassen, auf der ich Patrick getötet hatte, den Unsterblichen, der mit seiner Gier ganz Asidia verflucht hatte. Ich hatte Patrick eigentlich für meinen Freund gehalten, aber Freunde erstachen sich nicht gegenseitig mit einem Dolch.

Seitdem war Jake bei mir geblieben. Er verfolgte dasselbe Ziel wie ich und vertraute mir blind, ohne sich zu beschweren.

Das änderte trotzdem nichts daran, dass ich manchmal den Drang verspürte, ihm eine Ohrfeige zu verpassen.

»Das wäre die einfachste Lösung gewesen«, gab ich leise zu und stapfte weiter. »Auch wenn ich natürlich ungern sterben würde.« Jude hätte mir nur die göttliche Klinge ins Herz stoßen müssen, um das letzte Stück von Rainas Macht aus meinem Inneren zu befreien.

»Aber die einfachen Lösungen sind selten die richtigen«, sagte Jake ruhig und wich meinem Blick aus.

Ich runzelte die Stirn. »Seit wann bist du denn unter die Dichter gegangen?«

»Wenn man dem Tod gerade noch von der Schippe springt, ist man hinterher nicht mehr derselbe, Ki«, erwiderte er. »Außerdem konnte ich immer schon gut mit Worten umgehen.«

»Nur wenn du jemanden in dein Bett locken willst.«

Er zuckte die Achseln. »Es kann nicht schaden –«

»Psst«, warnte ich, blieb abrupt stehen und hob eine Hand. Meine Nackenhärchen hatten sich aufgestellt.

Nebelschwaden schlangen sich um meinen Körper wie die Arme eines Geliebten und wanderten von meinen Stiefeln zu meinen Oberschenkeln hoch. Ich biss die Zähne zusammen, als ein weißer Lichtblitz vor meinen Augen vorbeizischte. Blinzelnd versuchte ich, ihn und meine neu entdeckte Kraft zu unterdrücken. Dieser Rausch war zugleich aufregend und Furcht einflößend. Seine unbekannte Stärke jagte mir dabei die größte Angst ein.

Und es geschah schon wieder.

Die Düsternis um mich herum nahm Form an und wurde von Licht erfüllt, so als wäre über den Baumwipfeln ein helles Feuer aufgelodert. Das war eine von Rainas Gaben: die Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen.

Während der vergangenen Tage hatten ihre Kräfte sich ein paarmal bemerkbar gemacht. Wahrscheinlich würde ich mich nie so richtig daran gewöhnen. An die merkwürdige Hitze in meiner Brust. Oder daran, wie sich die Schatten in meinem Inneren zurückzogen, wenn Rainas Magie in Erscheinung trat. Fast so, als würden Dunkelheit und Licht in meinem Körper gegeneinander kämpfen.

Es war nicht angenehm.

Ich duckte mich etwas und schlich mich zum nächstgelegenen Baum. Nadelspitze Gräser bohrten sich in meine Hose. Geisterhafte Finger glitten meine Wirbelsäule hinunter. Ich erschauerte.

Im Nebel war es merkwürdig still und ich hörte … Stimmen.

Wieder richteten sich die Härchen in meinem Nacken auf. Etwas oder jemand war in der Nähe. Ohne mein Zutun strömten Schatten aus meinem Körper und wanden sich um mich herum, als wollten sie mich abschirmen.

»Jetzt habe ich wirklich Angst.« Jake fixierte die dunklen Schwaden mit finsterer Miene. »Sie tauchen immer auf, wenn es brenzlig wird.«

Da hatte er recht.

Vor mir nahm ich eine schnelle Bewegung wahr. Das Flattern eines Umhangs. Langes, lockiges schwarzes Haar.

»Siehst du das?« Ich deutete mit dem Kinn in die Richtung. Es schienen zwei Gestalten zu sein, die dicht beieinanderstanden. Durch das Dickicht war es jedoch schwer, Genaueres zu erkennen. Ich schlich ein Stück weiter, in der Hoffnung, von dort besser sehen zu können. Mit jedem Schritt wickelten sich die Schatten fester um meine Brust.

Eine dunkelhäutige Frau in enger Lederkleidung kam in Sicht. Unwillkürlich packte ich Jake und zog ihn hinter einen Baum, sodass uns der dicke Stamm verdeckte.

»Cirian ist unwichtig!«, sagte die Frau. »Der Mondgott sollte uns Sorgen machen. Er ist völlig außer Kontrolle. Wir müssen ihm Einhalt gebieten, sonst wird er den Tag ein für alle Mal zerstören. Wenn er die beiden tötet, ist alles verloren.«

Den Tag ein für alle Mal zerstören. Ich unterdrückte ein Keuchen. Wenn der Mondgott wirklich über die Welt herrschen wollte, dann würde er alle Hoffnung, die Sonne jemals zurückzubringen, zunichtemachen wollen.

»Er wird zuerst versuchen, Rainas Nachkommen zu finden«, knurrte die tiefe Stimme eines Mannes. »Maddox ist momentan in Fortuna.«

»Dabei sollte er vielmehr versuchen, in den Tempel des Mondgottes einzudringen, anstatt ziellos durch die Stadt zu irren«, gab die Frau leise zurück.

»Bevor das Mädchen ihm den Garaus gemacht hat, hat das kleine Wiesel mir verraten, dass der Mondstein wirklich existiert. Und dass man damit den alten Mistkerl nicht nur herbeirufen, sondern auch binden kann. Dann könnte Maddox den Dolch benutzen, um ihn sterblich zu machen.«

Wenn das wirklich stimmte … änderte das alles.

Ich verzog das Gesicht und spähte um den Baum herum. Der Mann trug eine pelzbesetzte Kapuze, die sein Gesicht fast vollständig verhüllte. Zu sehen war nur ein kantiges Kinn und dass er so kräftig gebaut war wie ein Bär.

»Hör zu, Lorian.« Die Frau seufzte. »Ich will mich damit ebenso wenig befassen wie du. Aber er stiehlt verdammt noch mal unsere Kräfte und ich kann inzwischen kaum mehr reisen, geschweige denn einen Soldaten unter meinen Einfluss bringen. Wir müssen die Erwählten warnen, dass Cirian nicht der Einzige ist, der es auf sie abgesehen hat.«

Lorian. Gott der Bestien und Beutetiere.

Ich wandte mich Jake zu und er formte mit den Lippen: »Heilige Scheiße.«

Lorian brummte einen Fluch. »Dann übernimm du das«, sagte er. »Ich habe mich bereits eingemischt und hätte beinahe Rainas Enkel getötet. Sollen sie es doch selbst herausfinden.«

»Kannst du nicht einmal freundlich sein, du dickköpfiger Kerl?«, fauchte die Frau und stemmte eine Hand in die Seite. Mit verengten Augen musterte ich ihren geschmeidigen Körper. Sie wirkte wie eine geborene Kriegerin in ihrer Lederkleidung und mit dem im trüben Licht funkelnden Schwert an ihrer Hüfte.

»Ich bin immer freundlich. Du machst es mir nur schwer.«

»Ich schwöre dir, wenn ich dich töten könnte, würde ich es tun.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Ich –«

Neben mir knackte ein Zweig. Das Geräusch schien durch den Wald zu hallen und die beiden Streitenden blickten auf. Ich funkelte Jake an, der nur schuldbewusst den Blick senkte.

»Da ist jemand.« Die Frau zog ihr Schwert und blickte sich langsam um.

Mist. Wer immer sie war, sie unterhielt sich gerade mit einem Gott. Und war wahrscheinlich selbst eine Göttin …

Lorian schnüffelte wie ein Tier in der Luft, dann sanken seine Schultern entspannt nach unten. »Es sind nur die beiden, Maliah. Kiara Frey und der vorlaute Junge.«

»Wie unhöflich«, zischte Jake leise.

Maliah. Göttin der Rache und Vergeltung. Mein großes Vorbild seit meiner Kindheit. Unwillkürlich regten sich Schmetterlinge in meinem Bauch.

»Kommt heraus!«, rief Maliah und steckte ihr Schwert weg. »Wir wissen, dass ihr da seid. Und ich habe momentan keine Lust, euch hinterherzujagen.«

Jake und ich wechselten einen Blick. »Wir sind sowieso so gut wie tot. Warum also nicht ein Schwätzchen mit zwei wütenden Göttern halten?«, meinte Jake sarkastisch.

Ich verdrehte die Augen, trat aber mit erhobenen Händen hinter dem Baum hervor.

Maliah und Lorian starrten mir entgegen, während ich mit zitternden Knien auf sie zuging.

»Lauschen ist unhöflich, wisst ihr.« Maliah verschränkte die Arme.

Aus der Nähe betrachtet war sie geradezu überirdisch schön. Ihre dunkle Haut leuchtete förmlich im Mondlicht, auf ihrem Kopf türmten sich schimmernde Locken. Sie war von Kopf bis Fuß in Leder gehüllt und an ihrem Körper waren zahlreiche Waffen festgeschnallt, die sie äußerst bedrohlich wirken ließen. Ihre Kleidung lag eng an, sodass ich glaubte, jeden einzelnen definierten Muskel ausmachen zu können. Sie hob eine Braue und lenkte meinen Blick auf ihre grünen Augen, die verschmitzt funkelten. Bei den Göttern, der Mond schien wirklich nur für sie allein zu strahlen.

Mist, ich konzentrierte mich gerade auf die vollkommen falschen Dinge.

Hinter mir waren Jakes Schritte zu hören. Insgeheim hatte ich gehofft, dass er in Deckung bleiben würde.

»Es war nicht unsere Absicht zu lauschen«, beteuerte ich. »Wir haben zufällig Stimmen gehört und –«

»Beschlossen, eine Weile zuzuhören?« Maliah ließ die Hand von der Hüfte sinken. »Natürlich seid es ihr zwei.« Sie warf Lorian einen scharfen Blick zu. Sein Gesicht war immer noch unter der Kapuze verborgen, ich konnte lediglich sein stoppeliges Kinn sehen.

In mir schrie eine Stimme, dass ich weglaufen sollte. Jeder vernünftige Mensch hätte das getan. Doch die Bestie in mir regte sich, wollte losgelassen werden. Meine behandschuhten Hände prickelten und ich schaute nach unten. Schwarzer Rauch kräuselte sich um meine Fingerspitzen und pulsierte im Takt meines wilden Herzschlags.

Sich der Dunkelheit hinzugeben, war so viel leichter als dem Licht.

Sie gab mir ein Gefühl von Sicherheit.

Vernichte sie, flüsterte die Nacht in meinem Kopf. Es klang wie meine eigene Stimme und zugleich die einer Fremden.

Ich erstarrte. Zwar hatte ich immer schon geglaubt, dass die Nacht sprechen konnte, aber ich hatte sie noch nie so deutlich gehört.

Die Göttin legte den Kopf schief und musterte mich auf eine Art, die mir das Gefühl gab, irgendwie unvollständig zu sein. Als sie wie eine Schlange im Gras auf mich zuglitt, zog ich unwillkürlich meinen Dolch. Daraufhin lachte sie rau.

»Dir ist schon klar, dass du mir mit diesem albernen Messer nichts anhaben kannst, oder? Das kann nur Arlos Gottestöter.« Bei der Erwähnung des Gottes der Erde und des Ackerbodens, den ich einst für meinen Onkel gehalten hatte, verfinsterten sich ihre grünen Augen.

Hier im Nebel war Arlo keine große Hilfe gewesen, schon gar nicht, nachdem Jude ohne uns aufgebrochen war. Wenn ich meinem ehemaligen Onkel jemals wiederbegegnen sollte, hätte ich ein Wörtchen mit ihm zu reden. Oder würde vielmehr meine Klinge sprechen lassen.

»Verzeihung.« Ich biss mir auf die Zunge und steckte meinen Dolch eilig zurück. »Was führt euch hier in den Wald?«

Mir kam das alles ein bisschen zu … zufällig vor. Nachdem ich in letzter Zeit so oft belogen worden war, würde ich anderen nicht mehr so leicht vertrauen.

»Fortuna ist nicht weit entfernt«, antwortete Lorian. »Und dort befindet sich Rainas Nachkomme.«

Maliah boxte ihm gegen die Brust, was ihn nicht zu kümmern schien. Er zuckte nicht mal. »Das darfst du ihr doch nicht erzählen! Dann geht sie erst recht dorthin. Wenn sich die beiden am selben Ort aufhalten, wird es umso leichter für Cirian und seinen Gebieter sein, sie gefangen zu nehmen. Und der Dolch darf ihnen nicht in die Hände fallen.«

»Wir werden trotzdem nach Jude suchen.« Wie üblich redete ich, ohne nachzudenken. Dagegen musste ich dringend etwas tun. Aber ich würde Jude nicht sich selbst überlassen, so wie er es mit mir gemacht hatte. Denn genau so fühlte ich mich: als hätte er mich im Stich gelassen. Am liebsten wollte ich ihn an mich drücken und ihm zugleich eine runterhauen.

Maliah deutete anklagend mit dem Finger auf mich. »Ich habe dir ja gesagt, dass sie etwas Unüberlegtes tun wird, Lorian. Sie ist unberechenbar.« Sie musterte mich entnervt. »Du musst zum Tempel des Mondgottes gehen. Nach dem Jungen kannst du danach suchen.«

»Nein. Ich werde nicht damit warten.« Was bei den Höllen war nur in mich gefahren?

»Soll sie es ruhig versuchen«, sagte Lorian beschwichtigend. »Vielleicht kommt sie ja vor Cirians Männern dort an.«

Das Herz schlug mir bis zum Hals. Offenbar würde Fortuna bald von den Wachen des Königs durchkämmt werden. Ich musste Jude vor ihnen finden. Sie durften ihn nicht gefangen nehmen. Ihn foltern. Er hatte schon genug durchgemacht. Ich war vielleicht wütend auf ihn, aber ich würde nicht zulassen, dass er noch mehr leiden musste.

»Also gut.« Maliah warf die Hände in die Luft. »Aber sobald du deinen Kommandanten gefunden hast, reist ihr zusammen zum Tempel. Unser Lorian hier hat nämlich etwas in Erfahrung gebracht, das euch interessieren dürfte.«

Lorian seufzte verärgert. »Im Tempel gibt es einen Edelstein, mit dem sich der Mondgott in die Falle locken lässt. Wenn ihr diesen Mondstein gefunden habt, müsst ihr den Mondgott mit dem Gottestöter in einen Sterblichen verwandeln. Aus verlässlicher Quelle weiß ich, dass der Stein seine Göttlichkeit festhalten wird. Danach muss nur noch jemand die Bruchstücke seiner Magie für sich beanspruchen und seinen Platz einnehmen.« Ich konnte Lorians Augen zwar nicht sehen, spürte jedoch, wie sein Blick meine Haut versengte.

Ich drehte mich zu Jake um, der erschrocken aussah. Wir wussten beide längst, dass diese ganze Sache größer war, als wir uns je vorgestellt hatten – nun sollten wir dem Mondgott seine Magie nehmen, um zu verhindern, dass das Königreich in ewiger Nacht versank. »Wie wär’s mit etwas Hilfe?«, scherzte ich. Meine Schatten glitten an meinem Körper nach oben und die dünnen Zweige des Baums über mir erzitterten. Maliah richtete den Blick auf die raschelnden Blätter und runzelte die Stirn. Als sie dann meine Magie ins Auge fasste, verzog sie den Mund.

»Wir haben euch doch gerade geholfen«, sagte sie und presste die Lippen zusammen, als hätte ich sie beleidigt. »Hältst du uns wirklich für so gleichgültig?«

Ja, ich hatte die Götter tatsächlich oft für gleichgültig gehalten. Mir kam es ungerecht vor, dass immer alles an uns Sterblichen hängen blieb. Bei den Höllen, ich hatte nicht einmal gewusst, wer der wahre Feind überhaupt war, bis Jude mir diesen Zettel hinterlassen und mich davor gewarnt hatte, dass es außer Patrick noch andere gab, die nach uns suchten. Nach mir suchten.

»Lorian kann seine Gestalt nicht mehr verändern und ich besitze nicht denselben Einfluss auf Soldaten und Krieger wie einst. Ich kann keine Armeen mehr mit meinen Gedanken lenken oder die Rachsüchtigen und Unbarmherzigen für meine Zwecke einspannen.« Sie wich meinem Blick aus und senkte ihn lieber auf die vielen polierten Klingen an ihrem Gürtel. Ich hatte den Verdacht, dass sie sich insgeheim schämte, und eine Welle des Mitgefühls überkam mich – sie war ganz anders als die gefürchtete Göttin, die ich früher angebetet hatte. »Wenn ihr eine Möglichkeit findet, unsere Kräfte von dem Bann zu befreien, mit dem der Mondgott uns belegt hat, dann können wir und die anderen Gottheiten euch helfen, die Sonne zurückzubringen. Vorzugsweise ohne dass einer von euch sterben muss.«

Oh, das wäre mir ganz recht.

Lorian hob das Kinn und stieß einen gellenden Pfiff aus. Ich musste mir die Ohren zuhalten, so laut war er. Als der Pfiff verhallt war, senkte ich die Hände und sah Lorian neugierig an. Er erwiderte meinen Blick nur stumm.

Gleich darauf kam ein gefleckter Jaguar zwischen den Bäumen hervor.

»Da ihr schon euer Leben aufs Spiel setzt, gebe ich euch einen Beschützer bis nach Fortuna mit«, sagte Lorian mit tiefer Stimme. »Brax ist ein hervorragender Wächter.«

Die riesige Bestie kam langsam näher und ich musste mich zusammennehmen, um nicht auf der Stelle die Flucht zu ergreifen. Mit ihren Pranken hätte sie mir mühelos das Fleisch von den Knochen reißen können. Hinter mir stieß Jake ein Wimmern aus. Es überraschte mich, dass er so lange still geblieben war.

»Ähm, danke?« Ich war nicht sicher, was ich sonst sagen sollte.

»Wir müssen weiter.« Lorian nickte Maliah zu. »Wenn wir zu lange an einem Ort bleiben, findet er uns.«

Ich wollte noch etwas sagen, aber in diesem Moment kam ein leuchtender Dunst auf, in dem sich Kobaltblau und Feuerrot in einem Wirbel aus Farben miteinander vermischten. Er hüllte die beiden Unsterblichen ein, wand sich an ihren Körpern nach oben, bis er sie von Kopf bis Fuß umschloss.

Jake griff nach meiner Hand und drückte sie fest, während wir zusahen, wie zwei der mächtigsten Götter – wenngleich sie momentan nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte waren – vor unseren Augen verschwanden.

Und uns mit … Brax allein ließen.

»Bei den Höllen. Jetzt müssen wir uns auch noch mit einem verdammten Jaguar herumschlagen«, nörgelte Jake. Die Kreatur musterte ihn mit hechelnder Zunge. »Warum starrt er mich so an? Er soll damit aufhören.«

»Er wird dir nichts tun«, sagte ich, aber gleichzeitig machten sich meine Schatten kampfbereit, für den Fall, dass sich mein vages Versprechen als unwahr erweisen sollte. Energie durchströmte mich und mir schien es fast, als würde ich schweben. Meine Haut juckte und spannte wieder.

»Eigentlich war dieses Gespräch nicht für unsere Ohren bestimmt, aber wir haben es nun mal gehört.« Ich sah Jake an. »Fortuna ist ganz in der Nähe. Und Jude ebenso. Wenn wir ihm erzählen, was wir herausgefunden haben, dann kommt er hoffentlich zur Vernunft und begleitet uns.«

»Vernünftig war dieser Mann noch nie. Vor allem wenn es um dich geht«, erwiderte Jake und da musste ich ihm zustimmen.

Mein Herz zog schon wieder so schmerzhaft wie vorhin.

Sowohl die Licht- als auch die Schattenmagie in meinem Inneren sprangen auf meine Gefühle an. Die Schatten reagierten besonders schnell, wenn ich aufgewühlt war. Sie steckten so tief in mir drin, dass ich fürchtete, der kleinste Hauch von Wut könnte sie zum Vorschein bringen, ehe ich sie zurückhalten konnte. Ich schloss die Augen und atmete aus. Langsam und gleichmäßig. Ich musste mich beruhigen, meine innere Mitte finden und lernen, beide Kräfte zu beherrschen, bevor sie mich vernichteten. Gedanken an Jude waren dabei nicht hilfreich.

»Ich hoffe wirklich, dieser Mondstein ist tatsächlich so mächtig, wie Lorian gesagt hat. Denn wir beide allein werden einen Gott nicht töten können. Jude und ich konnten Patrick nur mit vereinten Kräften besiegen.« Ich schüttelte den Kopf, war frustriert und rastlos. »Und er war längst nicht so gefährlich.«

Innerlich wünschte ich mir, einfach mit Jude weit weglaufen zu können, sobald ich ihn gefunden hatte, und diese ganze schreckliche Mission zu vergessen. Vielleicht könnten wir in irgendeiner kleinen Stadt untertauchen und dort ein schönes Leben führen. Neu anfangen, ohne dass die Rettung Asidias auf unseren Schultern lastete.

Ich wünschte mir, ich könnte selbstsüchtig sein. Ich wollte es so sehr.

Jake sah mir in die Augen und wir verstanden uns ohne Worte. Nach und nach schwand die Unsicherheit aus seinem Blick und das Selbstbewusstsein kehrte zurück, das er sonst immer wie einen Schild vor sich hertrug.

Wir würden das durchziehen. Gemeinsam.

»Nie im Leben hätte ich mit so etwas gerechnet.« Er deutete auf die Stelle, an der die beiden Götter gestanden hatten. »Aber ich bin wenigstens froh, dass ich das alles mit dir erlebe.«

Ich wandte den Blick ab. »Hör auf. Sonst muss ich dich noch umarmen«, sagte ich und verspürte den Drang, genau das zu tun.

Jake lachte. »O nein. Keine Umarmungen. Obwohl ich eine verdient hätte …«

»Jetzt spiel dich nicht so auf.« Ich boxte ihm gegen die Brust. Grinsend zerzauste er mir daraufhin mein ohnehin schon wirres Haar.

»Na los. Dann suchen wir mal deinen Kommandanten«, sagte Jake. »Sobald wir alle zusammen sind, sollten wir uns so gut wie möglich bewaffnen. Wir sind vielleicht kein ideales Heldentrio, aber Jude, du und ich … wir sind alles, was diesem armseligen Königreich geblieben ist.«

»Wortgewandt wie immer«, schnaubte ich. Im Geist sah ich vor mir, wie wir drei Seite an Seite kämpften.

Meine Schatten sammelten sich an meinen Fingerspitzen, aber bei dem Gedanken an Jude flammte ein kleiner Wärmefunke in meiner Brust auf. Ich spürte Rainas Gabe immer dann, wenn ich Judes Gesicht vor mir sah. Ihre Magie bestand aus Feuer, Hoffnung und Leidenschaft. Welche meiner zwei Kräfte würde wohl in Erscheinung treten, wenn ich ihn wiederfand? Den Jaguar, der uns begleitete, oder den Gott, der uns vernichten wollte, brauchte Jude nicht zu fürchten.

Mich dagegen schon. Denn ich war auf dem Weg nach Fortuna und auf dem Weg zu ihm.

JUDE

Weshalb sich die Gottheiten nach dem Verschwinden der Sonnengöttin verbargen, ist ein Geheimnis. Manche sagen, sie seien verflucht, genau wie unser Land, andere glauben, sie würden sich fürchten. Wovor, ist jedoch unklar.

Auszug aus Asidianische Legenden: Eine Geschichte der Götter

In der Schlauen Füchsin ging es so laut zu wie eh und je.

Auf der Bühne spielten Musikanten ein fröhliches Lied und Betrunkene schwankten mit vollen Bierkrügen in der Hand umher. Es roch nach Schweiß, Alkohol und schlechten Entscheidungen.

»O nein, du schon wieder!«, stöhnte Finn, als er mich sah.

Seit meiner Ankunft in Fortuna kam ich jeden Tag hierher und wurde immer wieder weggeschickt. Leider war diese Frau im Moment meine einzige Lösung. Sie besaß Wissen, aber sie weigerte sich, ein weiteres Mal mit mir zu sprechen.

In einer derart vollen Schenke aufzutauchen, war riskant. Immerhin war ganz Fortuna mit Fahndungsplakaten zugepflastert, die mein Gesicht zeigten. Als König Cirians Auftragsmörder hatten nicht allzu viele gewusst, wie ich aussah, jetzt aber hing mein Bild überall. Das gefiel mir nicht.

Wie der König überhaupt erfahren hatte, dass ich am Leben und nicht im Nebel gestorben war, war mir schleierhaft.

Der riesige Leibwächter stand vor der roten Tür, die zum Arbeitszimmer der Füchsin führte, wo sie sich zweifellos vor mir versteckte. Seit ich sie um Hilfe gebeten hatte, hatte sie sich kein einziges Mal mehr in ihrer eigenen Schenke gezeigt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie Angst vor mir hatte.

»Wie ich dir schon die letzten fünf Mal gesagt habe: Meine Herrin will dich nicht sehen und sie besitzt auch sicherlich nicht das, was du von ihr willst.« Finn verschränkte seine Arme, die dick wie Baumstämme waren. »Als ehrliche Bürgerin von Fortuna ist sie –«

Ich hob eine Hand, um ihm weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Dieselbe Rede hatte er mir bereits gehalten, aber jeder wusste, wie ehrlich die berüchtigte Diebin wirklich war.

»Uns ist beiden klar, was sie alles verborgen hält. Wenn jemand hat, was ich brauche, dann sie.«

Die Füchsin war bereits in allen Städten Asidias auf Raubzug gegangen und verkaufte Geheimnisse, alte Schriften und vertrauliche Informationen so mühelos wie Edelsteine. An den Tatorten hinterließ sie stets das Symbol einer Klaue, was nicht sonderlich unauffällig war. Aber ich brauchte Informationen … und außerdem mussten wir noch das Gespräch führen, das seit neunzehn Jahren überfällig war.

Ich sah Finn, den über zwei Meter großen 150Kilo schweren Leibwächter, finster an. Er grinste, als wäre er der König aller Diebe und Halsabschneider.

»Egal, was du glaubst«, sagte Finn mit kehliger, rauer Stimme und beugte sich näher heran, »sie wird dir nicht helfen. Sie hat schon genug durchgemacht und du bist eine Komplikation, die sie nicht gebrauchen kann. Ich werde nicht zulassen, dass du ihr noch mehr Schmerzen zufügst.«

Ich würde ihr Schmerzen zufügen?

Wir standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Sein heißer Atem traf meine Wangen, seine Lippen waren zu einem Knurren verzogen. Ich erkannte diesen Ausdruck in seinem Gesicht nur zu gut wieder, den Beschützerinstinkt. Wie schnell seine Maske gefallen war.

Er mochte sich um die Füchsin sorgen, aber ich würde nicht nachgeben. Ich hatte ebenfalls jemanden, der mir wichtig war.

»Sag der Füchsin, dass ich Fortuna nicht verlassen werde«, warnte ich leise, aber nachdrücklich. Wenn man jemandem drohen wollte, musste man dafür nicht unbedingt die Stimme heben. Das hatte Isiah mir beigebracht. »Entweder sie empfängt mich oder …« Ich trat näher, damit Finn die inzwischen berüchtigten Narben in meinem Gesicht betrachten konnte. »… ich sehe mich gezwungen, ein paar Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen, die sie wahrscheinlich lieber geheim halten würde.«

Mich.

Finns Blick zuckte zu der Klinge an meinem Gürtel, als ich zurücktrat.

Es war nicht der Gottestöter. So unvorsichtig, ihn ständig bei mir zu tragen, war ich nicht und als der gute Kommandant, zu dem ich ausgebildet worden war, hatte ich natürlich auch einen Plan B … obwohl er wenig aussichtsreich war. Dennoch trat etwas Schweiß auf die dunkelbraune Stirn des Leibwächters. Vielleicht war er von mir doch nicht so unbeeindruckt, wie ich gedacht hatte.

Seine Nasenflügel blähten sich. »Ich überbringe ihr die Nachricht erneut, aber wenn du versuchst, meiner Herrin in irgendeiner Weise zu schaden, dann bekommst du es mit mir zu tun.« Er war äußerst loyal – eine Seltenheit an diesem Ort. Wie die Füchsin sich eine solche Treue wohl verdient hatte?

Ich starrte ihn noch einen Moment lang an und sah zu, wie ihm ein Schweißtropfen über die Schläfe und die tätowierte Klaue auf seiner rechten Gesichtshälfte hinunterlief.

Das Zeichen der Füchsin. Meiner Mutter.

Ich nickte knapp, obwohl wir beide wussten, dass die Sache längst nicht vorbei war. Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und verzog mich ans andere Ende des Schanktisches. Als Finn von einem Mann in einem hässlichen orangefarbenen Mantel abgelenkt wurde, holte ich meine Klinge heraus. Die Theke war mit Kerben und Flecken übersät. Deshalb war ich mir ziemlich sicher, dass niemandem meine Initialen auffallen würden, die ich nun zusammen mit einer schiefen Mondsichel ins Holz ritzte.

Kiara würde sie jedoch erkennen. Sollte ich festgenommen werden, würde sie wissen, dass ich hier gewesen war, und vielleicht würde ich bis dahin ja die Füchsin davon überzeugt haben zu helfen.

Ich steckte meinen Dolch wieder ein und stand auf, bevor der Barmann in meine Richtung schlurfen konnte. Als ich schließlich die Tür nach draußen aufstieß, wappnete ich mich für die Kälte, die meine Wangen nach der Wärme in der Schenke sofort brennen ließ.

Ich verzog das Gesicht und schlug mir meine Kapuze über den Kopf. So schlenderte ich durch die korrupte Unterwelt von Fortuna. Ich hasste diese Stadt, die nach allem stank, was ich an der Menschheit abstoßend fand.

Nicht dass ich überhaupt viele Menschen gemocht hätte.

Die lauten Rufe von Händlern, die ihre Waren anpriesen, hallten aus allen Richtungen über den Hauptplatz. Manche verkauften wirkungslose Arznei für unheilbare Krankheiten, andere verbotene Rauschmittel oder Getränke, die einen in eine Welt fernab der Wirklichkeit versetzten.

Kurz war das tatsächlich sehr verlockend, aber ich musste wachsam bleiben.

Zum Glück schenkten die Kunden mit den finsteren Mienen mir keine Beachtung. Sie hasteten nur in ihren dicken Wollumhängen und mit schweren, gemusterten Tüchern um den Hals vorbei, ihre Gesichter halb verborgen.

Im Gegensatz zu anderen Städten in Asidia steckten hier unter den Mänteln farbenfrohe Kleider und maßgeschneiderte Anzüge aus feinem Brokat und Samt. Die Männer trugen Satinzylinder, die Frauen tiefe Ausschnitte und kurze Röcke. Man zeigte jede Menge Haut und schwelgte in sinnlichen Vergnügungen. Die mit Kohle umrandeten Augen und bemalten Lippen waren schamlos und aufreizend.

Zwar hatte ich nicht vor, an diesem Ort zu bleiben, konnte jedoch nicht leugnen, dass er ein aufregendes Gefühl von Freiheit verströmte, das man in den anderen Regionen des Reiches vermisste. Vermutlich weil Cirian hier noch nicht den Ton angab.

Der Stall, in dem ich eine Box für Sternenlicht gemietet hatte, kam linker Hand in Sicht, und ehe ich mich versah, trugen meine Füße mich dorthin.

Orion, der junge Stallknecht am Eingang, tippte sich bei meiner Ankunft an die rot karierte Mütze. Ich hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, denn ich vertraute dem Burschen nicht. Womöglich würde er mich verraten, um die Belohnung auf meinen Kopf einzuheimsen.

»Sie war heute den ganzen Tag schlecht gelaunt«, beklagte er sich und wischte sich mit einer schmutzigen Hand übers Gesicht, wobei er noch mehr Dreck auf seiner Haut hinterließ. »Keiner der Jungs konnte sie beruhigen.«

Wahrscheinlich vermisste sie Kiara.

Genau wie du, du Narr. Bei dem bloßen Gedanken an sie hämmerte mein Herz heftiger. Aber jetzt blieb keine Zeit für Selbstmitleid.

Orion führte mich hinein und schloss das Tor zum größten Gebäudetrakt des Stalls auf.

Er deutete ungeduldig in Richtung der letzten Box. Zum Dank warf ich ihm eine gestohlene Münze zu. Eigentlich hatte ich niemanden bestehlen wollen, aber ich war verzweifelt gewesen und manche der Mistkerle hatten es verdient gehabt. Ich konnte es wirklich nicht leiden, wenn Leute sich für etwas Besseres hielten und andere schlecht behandelten.

Ein aufgebrachtes Wiehern ertönte aus der Box. Ich spähte nach drinnen und sah, wie Sternenlicht sich aufbäumte. Die enge Unterbringung schien ihr nicht zu gefallen.

»Schhhh, mein Mädchen«, gurrte ich und hob beruhigend die Hände, als ich zu ihr hineintrat. »Ich bin’s doch nur, alte Dame.« Als Sternenlicht den Spitznamen hörte, den Kiara ihr gegeben hatte, stellte sie alle vier Hufe auf dem Boden ab. Dabei verengten sich ihre Augen, als würde sie mich böse anfunkeln.

Sternenlicht war keine gewöhnliche Stute. Diesen Verdacht hatte ich schon, seit sie mich im Nebel gefunden hatte. An ihrem Bauch, wo die maskierten Untoten sie mit einem Pfeil getroffen hatten, war keine Wunde mehr zu sehen gewesen. Eigentlich hätte sie tot sein müssen.

Ich hielt meine Hand an ihre Nüstern und ließ sie daran schnüffeln. Dann strich ich ihr übers Fell. »Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte ich. »Sobald ich die Antworten habe, die wir brauchen, werden wir nach Kiara suchen.«

Sternenlicht wieherte leise.

»Du glaubst mir nicht?« Ich beugte mich ein Stück zurück, um ihr in die Augen zu sehen. »Du weißt, dass ich sie auch vermisse.« Letzteres flüsterte ich nur. Es laut auszusprechen, hätte der Maske, die ich mich zu tragen zwang, Risse zugefügt.

Schnaubend machte die Stute einen Schritt nach vorn und legte ihren Kopf auf meiner Schulter ab. Ich redete weiter beruhigend auf sie ein und streichelte ihr Fell.

Die Verbindung zwischen uns wurde mit jeder Berührung stärker. Auf ihr zu reiten, kam mir vollkommen natürlich und vertraut vor, obwohl das eigentlich unmöglich war. Andererseits war vermutlich nichts unmöglich; ich war Rainas Nachkomme, verflucht noch mal.

»Ich lasse dich nur ungern allein, aber ich kann nicht allzu lange bleiben«, murmelte ich nach einer Weile. »Wenn ich das nächste Mal herkomme, können wir diese Stadt hoffentlich verlassen.«

Sternenlicht schnaubte wieder, als ich mich abwandte. An der Boxentür blieb ich noch einmal stehen.

Bevor ich es mir anders überlegen konnte, warf ich ein rotes Streichholzschächtelchen zu ihr ins Stroh. Darauf waren eine goldene Klaue und ein Bierkrug aufgedruckt – das Wappen der Schenke Zur schlauen Füchsin. Es war nicht der erste Hinweis, den ich Kiara hinterließ, nur für den Fall, dass ich geschnappt wurde und sie Hilfe brauchte. Ich hoffte nur, dass die Füchsin Kiara dann unterstützen würde.

Vielleicht war es Wunschdenken anzunehmen, dass Kiara inzwischen nach mir suchte, aber falls sie es tat, würde sie in den Schenken beginnen. In der Schlauen Füchsin hatte ich daher schon meine Initialen in die Theke geritzt. Außerdem hing in der Spielhölle Zum rollenden Würfel das Gemälde einer Blumenwiese an der Wand, das mich an unsere Lichtung erinnerte. Wenn man genau hinschaute, konnte man erkennen, dass das Bild an einer Ecke leicht geknickt war. Dahinter steckte jetzt ein Zettel im Rahmen, auf dem lediglich stand: Zur schlauen Füchsin.

Ich hatte nicht unterschrieben, aber Kiara würde meine Handschrift erkennen.

Mit ein paar letzten, leisen Worten verabschiedete ich mich von Sternenlicht und mein Magen verknotete sich, als ich den Stall verließ.

Wenn mir jemand vor ein paar Monaten gesagt hätte, dass ich einmal Gewissensbisse haben würde, weil ich ein Pferd allein ließ, hätte ich ihn ausgelacht. Aber wahrscheinlich hätte ich genauso gelacht, wenn man mir gesagt hätte, dass ich eine ungehobelte, sarkastische, schlagkräftige und atemberaubende Frau treffen würde, die mir mein Herz stehlen würde.

Isiah machte sich im Totenreich bestimmt gerade über mich lustig. Ich steckte die Hand in die Tasche und strich mit den Fingern über meine alte Anstecknadel. Es war nicht die gleiche, die Kiara Isiahs Leichnam abgenommen hatte, aber sie symbolisierte unsere Bruderschaft. Das kalte Metall hatte eine tröstliche Wirkung auf mich. Dass er mein engster Freund gewesen war, hatte ich erst erkannt, als ich ihn verloren hatte.

Zurück auf der geschäftigen Hauptstraße huschte ich an ein paar Bettlern und einigen Kindern vorbei, die mit zerfledderten Karten spielten. Um sie herum hatten sich zahlreiche Zuschauer versammelt, um Wetten abzuschließen.

Die Menge teilte sich vor mir, als spürten die Leute, wer da unter ihnen wandelte. Ich glitt durch den Pulk hindurch und bog in eine leere Seitenstraße ein, die von Sonnenfeuersteinen trüb beleuchtet wurde.

An einem Buchladen und einem Teehaus mit zugezogenen Vorhängen hingen Schilder mit der Aufschrift Geöffnet, auch wenn in Letzterem mit Sicherheit kein Tee ausgeschenkt wurde. Der Mann, der soeben mit halb offener Hose und einem benommenen, aber vergnügten Ausdruck auf seinem geröteten Gesicht aus der Tür trat, vermittelte mir einen ziemlich guten Eindruck davon, was in diesem Haus wirklich zum Verkauf stand.

Die Türglocke läutete, als ich den Buchladen betrat. Der stämmige Besitzer, der hinter seinem Schreibtisch saß, nahm meine Ankunft nur mit einem ungehaltenen Knurren zur Kenntnis. Er war fürstlich dafür bezahlt worden, den Mund zu halten. Was ihn betraf, war ich ein Geist.

Ich bewegte mich leise an den Bücherstapeln und staubigen Regalen vorbei bis ganz nach hinten, wo eine hölzerne Treppe zur Wohnung des Besitzers hochführte.

Dort oben gab es keine Sonnenfeuersteine, aber ich war in der Dunkelheit aufgewachsen, die ebenso mein treuer Freund war wie meine Klinge. Jetzt jedoch allein die Stufen hinaufzusteigen und in die ewigen Schatten der Nacht einzutauchen, kam mir irgendwie … schwerer vor.

Hinter dem schäbigen Badezimmer mit der gesprungenen Porzellanbadewanne lag mein bescheidenes Quartier. Ich steckte den langen Kupferschlüssel ins Schloss, schob mich nach drinnen und verriegelte die Tür hinter mir.

Im Palast hatte ich zwar auch nicht gerade in Saus und Braus gelebt, aber zumindest hatte ich dort ein anständiges Bett gehabt. Hier lag nur eine Matratze in einer Ecke des Raums und das Bettzeug war von Motten zerfressen und mit undefinierbaren Flecken übersät. Abgesehen davon war lediglich Platz für einen kleinen Schrank, dessen eine Tür schief in den Angeln hing.

Bislang war ich noch nicht entdeckt worden, aber Sicherheit war eine Illusion – wohin ich auch ging, Cirian würde nach mir suchen. Die Fahndungsplakate waren der beste Beweis dafür.

Unser ursprünglicher Trupp aus Rekruten und Rittern hätte inzwischen längst nach Sciona zurückkehren sollen. Wenn Cirian mich also nicht für tot hielt, dann würde er vermuten, dass ich mich abgesetzt hatte … und das hatte ich ja auch. Fahnenflucht wurde mit dem Tod bestraft, aber ich könnte mir vorstellen, dass er andere Pläne mit mir hatte, die weitaus schlimmer waren als eine durchgeschnittene Kehle. Irgendwoher wusste er, dass ich noch am Leben war.

Den Gottestöter würde er jedoch niemals in die Hände bekommen, und das gab mir Hoffnung.

Ich ließ mich stöhnend auf der Matratze auf die Knie fallen, zog meinen Umhang und meine Jacke aus und legte die Hände auf meine Oberschenkel. Die Stille verhöhnte mich mehr als die Schreie, die durch meine Albträume hallten. Wann immer ich die Augen schloss, hörte ich ihre Stimme und sah ihr schmerzverzerrtes Gesicht, als Patricks Klinge sie durchbohrte.

Kiara. Sie war Segen und Fluch zugleich, und wann immer ich nicht an meinen Plan dachte, erschien ihr Bild vor meinem geistigen Auge. Ich konnte es nicht verhindern und hatte den Versuch längst aufgegeben. Sofort breitete sich Hitze in mir aus.

Zwischen meinen Brauen machten sich Kopfschmerzen bemerkbar und ich ließ den Kopf auf die fleckige Matratze sinken. Draußen hatte es angefangen zu regnen, denn leise prasselten jetzt Tropfen gegen die dünne Fensterscheibe. Die stete Melodie ließ mich nun in den dringend benötigten Schlaf sinken. Es war Tage her, seit ich mich das letzte Mal richtig ausgeruht hatte.

Bevor meine Erschöpfung die Oberhand gewann, rief ich mir noch einmal das Bild von wallendem rotem Haar und feurigen bernsteinfarbenen Augen ins Gedächtnis. In diesem Wachtraum schlang ich die Arme um sie, zog sie fest an mich und atmete ihren ganz eigenen Duft ein.

Leider reichte die bloße Vorstellung nie an die echte Sache heran.

Ich erwachte von lautem Klopfen.

Sofort war ich auf den Beinen und hatte meine Klinge gezogen. Der Ladenbesitzer wusste, dass er sich von meinem Zimmer fernhalten sollte, also konnte er es nicht sein. Was bedeutete …

Verdammt. Ich griff mir meine Jacke und den Umhang und öffnete das Fenster, das auf die Hintergasse hinausging. Das Hämmern an der Tür hörte auf.

Gerade als ich mich auf den Metallsims hinausschwang, wurde die Tür aufgestoßen und Holz zersplitterte. Ich erblickte drei bewaffnete Soldaten mit silbernen Helmen auf dem Kopf und gekleidet in die blutroten Waffenröcke der Garde des Königs.

Cirians Männer.

»Halt!«, schrie einer von ihnen, aber da ließ ich mich bereits aus dem zweiten Stock auf die Straße unter mir fallen. Meine Stiefel verursachten kaum ein Geräusch, als ich in der Hocke landete.

Ich warf noch einen Blick über die Schulter nach oben, bevor ich losrannte – einer der Soldaten beugte sich gerade wild mit den Armen fuchtelnd aus dem Fenster. Seine einfältigen Kumpane hasteten wahrscheinlich bereits die Treppe hinunter, um die Verfolgung aufzunehmen.

Jegliche Schläfrigkeit war wie weggewischt und hatte willkommenem Adrenalin Platz gemacht.

Festgenommen zu werden, war keine Option.

Wenn es nur um mein eigenes Leben gegangen wäre, hätte ich mich ihnen entgegengestellt und hoffentlich ein paar von ihnen mit ins Grab genommen. Aber jetzt gab es Menschen, die auf mich zählten. Menschen, denen es nicht egal war, ob ich lebte oder starb. Ihre Liebe war zu einer Bürde geworden, die ich trotz allem gern trug.

Und dann war da außerdem die restliche Bevölkerung dieses Königreichs.

Ich zog den Zeitmesser aus der Jackentasche. Es war drei Uhr morgens. Selbst jetzt noch war die Stadt voller betrunkener Feiernder und es war nicht weiter schwierig, mir meine Kapuze über den Kopf zu ziehen und mit der Menge zu verschmelzen.

Ich ging langsamer und bemühte mich, unbekümmert zu wirken, obwohl mein Herz hämmerte und meine Stirn schweißbedeckt war. Man hatte mich früher aufgespürt, als ich erwartet hatte, und das, ohne herausgefunden zu haben, wie ich Kiara davor bewahren konnte, ein vorzeitiges Ende zu finden. Das war nicht gut, gar nicht gut.

In Wahrheit hätte ich es besser wissen müssen, als in der Stadt zu bleiben. Mein Stolz hatte die Oberhand gewonnen. Der Drang, meiner Mutter zu zeigen, dass ich kein Kind mehr war, das sie so einfach loswerden konnte. Auch wenn es ihr letzten Endes wahrscheinlich egal war. Menschen änderten sich nicht – ganz gleich, ob sie einem mit ihrem Handeln das Herz in Stücke rissen.

Zur Schlauen Füchsin konnte ich nicht zurück, deshalb ging ich eine der größeren Straßen entlang, vorbei an einigen bescheidenen Spielhöllen, in denen es von Gästen nur so wimmelte.

Hinter mir hörte ich Rufe, doch ich ließ mich davon nicht aus der Ruhe bringen.

Ich schlenderte in den Rollenden Würfel und schob mich durch die Menge der warmen Leiber, die sich um die mit rotem Samt verkleideten Tische drängten.

Mit der Schulter stieß ich gegen eine Frau in einem blutroten Überrock, die ein Tablett trug, das ihr prompt aus der Hand fiel. Getränke flogen durch die Luft und ergossen sich über die Gäste, die fluchend ihre durchtränkten Kleider zu trocknen versuchten. Als die Kellnerin sich nach mir umsah, hatte ich bereits den Kücheneingang erreicht.

Die Köche an den Arbeitstischen wedelten verärgert mit den Händen, als ich an ihnen vorbeieilte, und ein paar der Kellnerinnen warfen mir neugierige Blicke zu. Doch keiner hielt mich auf, während ich auf die Tür zurannte, die auf die Hintergasse hinausführte.

Die eisige Nordluft schlug mir mit erstaunlicher Wucht entgegen. Der Wind wehte mir die Kapuze vom Kopf, sodass mein leicht wiedererkennbares Gesicht zu sehen war. Ich zog sie rasch erneut über, dankbar dafür, dass sich kaum jemand in der Nähe befand. Die meisten schliefen in einem der vielen Zelte, die in der Gasse aufgestellt waren. Ich reckte den Hals und hielt auf ein grünes zu, das ich vor Kurzem einem kleinen Jungen gekauft hatte, nachdem ich mit ihm eine Vereinbarung getroffen hatte. Vielleicht war mir auch einfach gegen den Strich gegangen, dass ein Kind in der Kälte zittern musste, während andere im Luxus schwelgten.

Es wurde Zeit für Plan B.

Kiara würde klug genug sein, meine Spur schließlich zumindest bis hierher zu verfolgen. So wie ich sie kannte, würde sie vermutlich nicht eher ruhen, bis sie mich gefunden hatte, um mir die Meinung zu geigen. Ich musste also darauf hoffen, dass sie auf dem Weg war, wenn sie sich nicht sogar schon in der Stadt befand.

Ich zog das Zelt auf und ging in die Hocke.

Wie ich erwartet hatte, schreckte der Junge sofort aus seinem unruhigen Schlaf hoch. Er hielt ein krummes Messer in der kleinen Hand, seine grünen Augen wirkten verschlafen.

Gut gemacht. Seine Überlebensfähigkeiten waren nicht zu verachten.

»Es wird Zeit«, bellte ich. Ich warf ihm den Beutel zu, den ich an meiner Hüfte getragen hatte. »Wenn sie kommt, übergib ihr das Päckchen.«

Bevor der Junge noch etwas erwidern konnte, sprang ich auf, rannte die Gasse entlang davon und verschwand in der Menge. Ich durfte keine Zeit verlieren.

Der Straßenjunge, auf den ich an meinem dritten Tag in Fortuna gestoßen war, hielt jetzt meine Zukunft in den Händen – die Zukunft des ganzen Reiches. Und meine restlichen Münzen. Ich betete darum, dass ich mich in ihm nicht getäuscht hatte und er Wort halten würde, anstatt nur mein Geld einzustecken.

Ich musste darauf vertrauen.

Seine Kleider waren zerrissen und fadenscheinig gewesen, aber er hatte einen wertvollen Gegenstand besessen: ein glänzendes Amulett der Sonnengöttin. Als ich ihn in der Menge entdeckt hatte, hatte er das Kinn gehoben und mir frech in die Augen gesehen. Unsere Blicke waren sich begegnet und ich hatte die unnatürliche Hitze in meinen Adern gespürt, die mir immer vertrauter wurde. Da hatte ich mein Leben in die Hände des Schicksals gelegt. Es war mir … richtig vorgekommen. Als hätte der Himmel selbst mich gelenkt.

In Gedanken bei dem Jungen hielt ich auf einige Wagen zu, die sich bereit machten, die Stadt zu verlassen. Ich musste raus aus Fortuna und im umliegenden Wald Zuflucht suchen.

Kaufleute luden ihre Waren auf und bellten ihren Lehrlingen zu, dass sie sich beeilen sollten, weil bald der neue Tag anbrechen würde. Ich musterte einen offenen Karren, der mit einer dicken blauen Plane abgedeckt war. Da. Der würde mich aus der Stadt bringen, und wenn ich erst durchs Tor wäre, würde ich in der Nacht verschwinden.

Während der Besitzer sich um sein Pferd kümmerte, kroch ich unter die Plane und hinter die Bierfässer, die von ihr bedeckt wurden. Dabei achtete ich darauf, nicht zu viel Gewicht auf eine Stelle zu legen. Das kleinste Geräusch könnte mich verraten.

Ich schob mich hinter eines der Fässer und bemühte mich, gleichmäßig zu atmen.

Kurz darauf fuhr der Wagen los und die Anspannung in meinen Schultern löste sich.

Es funktionierte; ich würde aus Fortuna entkommen, ich war auf dem Weg aus der Stadt. Als Nächstes würde ich eine der ehemaligen Sonnenpriesterinnen ausfindig machen. Vielleicht konnte sie mir weiterhelfen.

Der Wagen schaukelte, die Holzräder blieben an jeder Kante im Kopfsteinpflaster hängen. Eingezwängt lehnte ich mich in der unbequemen Haltung etwas zurück.

»Halt!«

Ich erstarrte, jeder Muskel spannte sich an. Wir hätten das Tor längst erreicht haben müssen.

Stiefel stapften über das Pflaster und meine Kehle verengte sich, als das Poltern immer lauter wurde. Sie kamen in meine Richtung.

Ein Rascheln ertönte. Die Plane wurde weggerissen.

»Na, wen haben wir denn da?«

Hände schlossen sich um meine Knöchel und ich wurde zwischen den Fässern hervor auf den Boden gezerrt. Mein Aufschrei blieb mir im Hals stecken. Dieselben Hände drückten mich nach unten, und bevor ich meine Klinge ziehen oder in das Gesicht meines Angreifers blicken konnte, hob sich ein stählerner Stiefel über meinen Kopf.

KIARA

Ich weiß, dass du schon vor Wochen in den Nebel geschickt wurdest, aber ich habe noch kein Wort über deine Rückkehr gehört. Wenn irgendjemand die verfluchten Lande betreten und dort überleben kann, dann du. Was heißt, dass du dich abgesetzt hast und irgendwo versteckt hältst. Ich bin nicht so töricht, darauf zu warten, dass du dich bei mir meldest, aber ich werde auch nicht untätig herumsitzen.

Ungesendeter Brief von Liam Frey an seine Schwester Kiara,

Jahr 50 des Fluchs

Ein paar Stunden später befanden wir uns kurz vor Fortuna. Sich an den Patrouillen am Waldrand vorbeizuschleichen, war bisher nicht weiter schwierig gewesen, da die meisten von ihnen bereits mehr als ein Bier intus gehabt hatten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Wenn man mich zu dieser üblen Truppe geschickt hätte, würde ich mich auch betrinken.

Brax folgte uns weiterhin wie ein Schatten zwischen den Bäumen. Jake reckte daher immer wieder den Hals und warf nervöse Blicke über die Schulter.

»Wenn du so weitermachst, zerrst du dir noch einen Muskel«, warnte ich ihn.

Jake sah mich ungläubig an. »Willst du etwa behaupten, dass es dir gar nichts ausmacht, dieser Bestie den Rücken zuzukehren?«

Da war was dran.

»Nein. Aber ich glaube, Maliah und Lorian haben die Wahrheit gesagt. Es gefällt mir zwar nicht, aber …«, ich zwang mich, zuversichtlich zu klingen, »… ich hatte den Eindruck, dass die Götter uns mehr brauchen als wir sie.«

»Als ich den Rittern beigetreten bin, hatte ich nicht vor, mich mit Göttern herumzuschlagen«, murrte Jake. »Das ist allein deine Schuld.«

»Ja, vermutlich schon.« Ich schenkte ihm ein reumütiges Grinsen. »Aber wir haben Glück, dass Fortuna schlecht bewacht ist. Das ist doch immerhin etwas.« Ein schwacher Trost.

Als das hohe Holztor der Stadt in Sicht kam, bedeutete ich Jake, stehen zu bleiben. Die Lichter von Fortuna flackerten wie Kerzen im Sturm am Fuß des Hügels, auf dem wir standen.

»Ähm … Ki, da wir schon mal hier sind … Du hättest doch sicher nichts dagegen, wenn ich zwischendurch an ein paar Spieltischen mein Glück versuche, oder?« Jake hob fragend eine Braue und ein schelmisches Leuchten trat in seine Augen. Wie hatte ich dieses Funkeln vermisst! »Ich muss sagen, dass ich ein exzellenter Würfelspieler bin, und wir sind wirklich weit gereist …«

Natürlich, er wollte Würfel spielen. Während auf unsere Köpfe eine Belohnung ausgesetzt war.

»Diese Fähigkeit hast du bisher noch gar nicht erwähnt. Was mich überrascht, denn sonst prahlst du schließlich mit allem, auch wenn du nur mittelmäßig darin begabt bist.« Ich schüttelte mich, als mir die unzähligen privaten Einzelheiten in den Sinn kamen, die er mir auf unserer Reise anvertraut hatte.

Jake zuckte die Achseln, reckte jedoch stolz die Brust. »Ich habe noch eine Menge Fähigkeiten, von denen du nichts weißt. Und nicht alle haben damit zu tun, hübsche Männer ins Bett zu kriegen.«

Jup. Es ging schon wieder los.

»Du bist wirklich die Bescheidenheit in Person. Die Jungs, die du mit deinen kristallblauen Augen verführst, können einem echt leidtun«, zog ich ihn auf. »Vielleicht findest du ja eines Tages jemanden, für den du deinen liederlichen Lebenswandel aufgibst.«

Jakes Gesicht verzog sich zu einem empörten Ausdruck. »Das bezweifle ich, Ki, aber träum ruhig weiter. Dieser Kerl müsste nämlich einer ganzen Liste von Ansprüchen gerecht werden.«

»Und die ist bestimmt lang«, schnaubte ich. Obwohl sein einziger Anspruch – von dem, was ich bislang über Jake erfahren hatte – darin zu bestehen schien, dass seine Liebhaber noch atmeten.

»Du wärst überrascht«, sagte Jake, ohne mit der Wimper zu zucken. »Gut aussehend, aber intelligent. Mutig, aber sanft. Und er darf nicht witziger sein als ich.«

»Keinen Sinn für Humor also?«

Jake stieß mich kräftig in die Seite. »Sei nicht so spießig, Ki.«

»Ich sage nur die Wahrheit.« Ich tippte ihm gegen die Nase und er zog eine finstere Miene. »Zumindest bist du hübsch anzusehen.«

Das schien ihn zu besänftigen und seine Lippen zuckten, als er ein Lächeln unterdrückte. Mit Schmeicheleien konnte man sein Herz am schnellsten gewinnen.

Dann verfielen Jake und ich in angenehmes Schweigen, während wir das Tor aus der Ferne beobachteten.

Inzwischen kannten wir einander so gut, dass wir spürten, wenn der andere eine Ablenkung von den Gedanken brauchte, die ihm im Kopf herumspukten. Jake achtete darauf, Jude nicht zu erwähnen, und erzählte mir stattdessen – viel zu viele – Geschichten über sein Leben in seinem Heimatdorf Tulia.

Die lustigste handelte davon, wie er und Nic, sehr zum Ärger der Dorfobersten, einen ganzen Monat lang der Arlo-Statue auf dem Marktplatz alberne, große Hüte aufgesetzt hatten. Ein violetter Hut mit Tüll und gelb gefärbten Federn hatte dem Gott offenbar besonders gut gestanden.

»Ich würde sagen, wir improvisieren einfach und gehen rein«, sagte Jake schließlich.

Die Bilder von Arlo mit buntem Hut verschwanden aus meinem Kopf.

Jake verschränkte die Arme. »Wenn Cirians Soldaten hier noch nicht durchgekommen sind, dann –«

»Warte mal, hörst du das?« Ich deutete zurück zum Wald, wo lautes Hufgetrappel ertönte, das mit jeder Sekunde näher kam. Dann brach eine Horde Männer mit Fackeln in den schwarz behandschuhten Händen aus dem Unterholz. Die Flammen beleuchteten das Blätterdach über ihnen. Sie trugen allesamt dicke Umhänge, aber unter einem davon sah ich Rot hervorblitzen. Ich verzog das Gesicht, als der Anführer ein paar Befehle rief, die die anderen hastig befolgten.

Die Garde des Königs.

»Ich zähle zwei Dutzend«, sagte Jake und duckte sich rasch hinter einen Busch. Ich folgte seinem Beispiel. Das Gestrüpp bot nicht viel Schutz, und wenn die Soldaten genau hinsahen, würden sie uns wahrscheinlich entdecken.

»Wir müssen Jude sofort finden. Bevor sie es tun. Ich weiß einfach, dass er hier ist.« Wie zur Bestätigung wurde meine Narbe warm. Hin und wieder schmerzte sie auch; der Gottestöter hatte seine Spuren hinterlassen. »Wenn der König Jude gefangen nimmt und wirklich eine Marionette des Mondgottes ist, dann haben wir verloren, bevor wir es überhaupt versucht haben.«

»Als wären wir nicht ohnehin schon im Nachteil.«

»So oder so, wir müssen uns beeilen.« Ich konnte nicht länger still sitzen und rannte nun seitlich den Hügel hinunter, weg von den Soldaten und vom Haupttor. Ich hoffte inständig, dass die Gardisten des Königs sich nicht weiter umsehen würden. Zum Glück war ich dermaßen schmutzig, dass sie mich vielleicht nicht entdecken würden. Ich warf einen Blick über die Schulter und sah zwei blaue Augen, die in der Nacht funkelten. Brax blieb auf Abstand und hielt Wache.

Leicht zitternd schlug ich mir meine Kapuze über den Kopf und versteckte mein rotes Haar darunter. Jake sprintete hinter mir her. So rannten wir nach unten und schlugen einen kleinen Bogen, bis wir keuchend und außer Atem den Holzwall unweit des Tors erreichten.

Zur Linken sahen wir, wie die Garde des Königs unter den grimmigen Blicken der schläfrigen Wachposten auf dem Wall in die Stadt preschte.

Im Norden hatte Cirian nicht viele Freunde. Fortuna und die Städte im Umkreis regierten sich selbst ohne die Hilfe des Königs.

Ich packte Jake, schlang einen Arm um seine Hüfte und zog ihn auf das Tor zu. Wir könnten uns als Liebespaar ausgeben, das in der Stadt eine Unterkunft suchte oder sein Glück im Spiel versuchen wollte. Die Wachen würden uns nicht erkennen, es sei denn, sie hatten den ausdrücklichen Befehl, nach uns Ausschau zu halten, und wussten, wie wir aussahen. Ich spekulierte darauf, dass das nicht der Fall war.

Jake versteifte sich etwas, aber ich schmiegte mich demonstrativ an seine Brust und die Wachen beachteten uns nicht weiter.

Wie ich gehofft hatte, betrachteten sie uns wohl nur als harmloses Pärchen, das sich betrinken und Spaß haben wollte. Niemand schenkte uns einen zweiten Blick. Die Wachen waren zu sehr auf die Gardisten konzentriert, die soeben die Leute in den überfüllten Straßen beiseitescheuchten.

Durch das Tor gelangten wir auf den Hauptplatz der Stadt, der etwa zehnmal so groß war wie Cilas. Überall standen farbenfrohe Händlerkarren. Ausgefallen gekleidete Taschenspieler und Schlangenmenschen führten ihre Künste vor. Es wäre ein bezauberndes Bild gewesen, hätte sich beim Anblick der heranreitenden Soldaten nicht überall Furcht in den Gesichtern der Menschen breitgemacht.

Viele, die zuvor sicher nur fröhlich die Straßen entlanggeschlendert waren, ergriffen jetzt die Flucht und trampelten in ihrer Eile über andere hinweg. Von einem Moment auf den nächsten hatte schreckliches Chaos in der Stadt Einzug gehalten.

Laute Rufe waren zu hören. Einige Soldaten sprangen von ihren Pferden, packten die Umstehenden und schrien ihnen ins Gesicht. Ich verstand nicht, was sie sagten, hätte aber wetten können, dass es um Jude ging, besonders als ich zu meiner Rechten ein Fahndungsplakat sah, das an einem Laternenmast befestigt war.

Ich stieß Jake an und deutete darauf. Es war eine grobe Zeichnung von Jude. Der Künstler hatte seine vollen Lippen so gemalt, als wären sie mürrisch verzogen. Darunter stand: Belohnung bei Gefangennahme. Lebendig.

»Zumindest will Cirian ihn nicht tot sehen.« Jake verzog das Gesicht.

Dennoch, Judes Antlitz war jetzt allen Stadtbewohnern bekannt. Und wer auch immer ihn sah, würde ihn mit Sicherheit verraten, um die Belohnung einzusacken.

Jemand rempelte Jake an, sodass dieser ins Stolpern geriet. Er richtete sich jedoch gleich wieder auf und zog mich in eine nahe gelegene Gasse, während der Tumult auf dem Platz größer wurde.

Ein Mann wurde von der Menge zu Boden gestoßen und kreischte auf. Er versuchte gerade, wieder hochzukommen, da wurde er von Hufen niedergetrampelt und blieb reglos liegen. Der Gardist auf dem Rücken des Pferdes lachte hämisch, spuckte einem anderen Mann ins Gesicht, riss sein Reittier dann herum und trieb es weiter in die Stadt hinein.