Tod am little big Horn - Alfred Wallon - E-Book

Tod am little big Horn E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Am 25. Juni 1876 wurde nicht nur das Schicksal von Lieutenant Colonel George A. Custer besiegelt, sondern auch das der 7th Cavalry. Custer führte seine Soldaten in den Untergang, weil er bis zuletzt die Überlegenheit von Sitting Bull und den vereinten Stämmen der Sioux ignorierte. Er glaubte stattdessen, gegen unwissende Wilde zu kämpfen, die man mit Leichtigkeit in die Flucht schlagen könne. An einem kleinen Fluss namens Little Big Horn starb der arrogante Offizier inmitten seiner Soldaten. Tod am little big Horn zeichnet die letzten Wochen Custers nach, der noch Jahre nach seinem Tod von der Presse als Held gefeiert wurde. Aber seinen dunklen und zwiespältigen Charakter kannten nur diejenigen, die mit ihm in die Schlacht zogen. Und als sie begriffen, wie sehr sich Custer geirrt hatte, war es schon zu spät...

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TOD AM LITTLE BIG HORN

ONLY EBOOK - WESTERN

BUCH 5

ALFRED WALLON

IN DIESER REIHE BISHER ERSCHIENEN

e101  Alfred Wallon Die letzten Tage von Stonewall Jacksone102  Alfred Wallon Das Gewissen eines Killerse103  Alfred Wallon Stahlspur nach Leadvillee104  Alfred Wallon Die Pioniere von Kentuckye105  Alfred Wallon Tod am little big Horne106  Alfred Wallon Geistertanze107  Alfred Wallon Die Expeditionen des Jedediah Smithe108  Alfred Wallon Die Expeditionen des Meriwether Lewis und William Clarke109  Alfred Wallon John Calhouns Geheimnis - Die Calhouns - Eine Texas-Dynastie - Band 1e110  Alfred Wallon Revolver-Rache

© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Mario Heyer

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Torsten Kohlwey

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-7579-4166-6

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INHALT

Vorwort

Prolog

Aufbruch

Vorstoß ins Feindesland

Spurensuche

Der erste Angriff

Major Renos Niederlage

Weg ohne Wiederkehr

Die Ernte des Todes

Historische Anmerkungen zum Roman

Über den Autor

VORWORT

»Ich lasse mich nicht hinreißen, noch bin ich impulsiv. Ich hasse so etwas. Alles, was ich geschafft habe, war das Ergebnis meiner Beschäftigung mit imaginären, im Ernstfall möglichen militärischen Situationen. Wenn die Lage während eines Feldzuges oder in der Schlacht bedrohlich wurde, führte ich mir alles, was ich je gelesen oder studiert hatte, vor Augen und konzentrierte mich wie durch eine Vergrößerungsglas auf die Lage – und daraus ergab sich die Entscheidung, die ich augenblicklich fällte«.

George Armstrong Custer, Lieutenant Colonel 7th Cavalry

Zwei Jahre vor seinem Tod am 25. Juni 1876 war George Armstrong Custer in eine Kampagne verwickelt, die einer der Auslöser für das spätere Gemetzel am Little Big Horn sein sollte. Den Grundstein dazu legte ein Befehl, der Custer und sein damaliges Regiment im Sommer 1874 in die Black Hills beorderte. Offiziell lautete der Befehl, dass Custer und sein Regiment im westlichen Dakota Ausschau nach einem möglichen Standort für die Errichtung eines Militärpostens halten sollten. Das war aber nur ein Vorwand, denn in Wirklichkeit gab es ganz andere Pläne – nämlich die Suche nach Gold, das für das weiße Amerika zu diesem Zeitpunkt eines der wichtigsten Ziele war.

Seit etlichen Jahren kursierten Gerüchte, dass es in den Black Hills Gold geben sollte – und viele hofften darauf, dass sich dies auch als wahr erweisen würde. Als sich die Nachricht von Custers Expedition verbreitete, erwarteten die Menschen von ihm, dass er auch Gold finden und dies anschließend der ganzen Welt verkünden würde. Custer, der Zeit seines Lebens nach Ruhm und Ehre gierte, nutzte diese einmalige Gelegenheit natürlich auf seine Weise und enttäuschte seine vielen Anhänger nicht.

Die 7th Cavalry brach von Fort Lincoln in der Nähe von Bismarck auf. Zum Tross gehörten auch zwei Goldgräber und drei Reporter verschiedener Zeitungen. Custer wusste schon immer sehr genau, wie man medienwirksame Öffentlichkeitsarbeit betreiben musste, um erfolgreich zu sein. Er hatte bei seiner Expedition Glück, dass ihn die Indianer nicht daran hinderten, in die Black Hills vorzudringen, denn die meisten Stämme hielten sich zu dieser Zeit in Montana auf, wo das jährliche Sommertreffen stattfand.

Custer fand in der Tat Gold, wenn auch nur in geringen Mengen. Trotzdem sorgte er mit Hilfe der Presse dafür, dass die Medien von sensationellen Goldfunden berichteten, und dass man das funkelnde Metall schon zwischen den Graswurzeln entdecken könne. Einige Zeitungen griffen diese Berichte auf und steigerten sie noch ins Uferlose. Schlagzeilen wie »Lebhafte Zeiten in Sicht«, oder »Eine neue Zukunft in Dakota für alle« säumten die Titelseiten der bekannten Gazetten und brachten Custers Namen als neuen Nationalhelden, dem man wegen solch guter Nachrichten für immer dankbar sein müsse.

Die heraufbeschworenen »lebhaften Zeiten« ließen nicht lange auf sich warten. Eine Woge von Abenteurern, Goldsuchern und Glücksrittern breitete sich in den Black Hills aus. Mehr als 1.000 Weiße zerstörten das heilige Land der Indianer und verwüsteten deren Kultstätten. Zwei Jahre lang versuchten die Sioux-Indianer dennoch, mit den Weißen über die Zukunft der Black Hills zu verhandeln – aber schließlich mussten sie einsehen, dass selbst Verhandlungen den Strom der Goldsucher nicht stoppen konnten. Am Ende griffen sie alle Weißen an, weil sie buchstäblich von allen Seiten in die Enge getrieben worden waren. Und die Gallionsfigur dieser Bedrohung – Lieutenant Colonel George Armstrong Custer – musste sterben.

PROLOG

St. Paul / Minnesota

April 1876

»Kommen Sie herein, Lieutenant Colonel Custer«, forderte General Alfred H. Terry seinen Besucher auf und wies ihn mit einer kurzen Geste an, auf einem Stuhl am Fenster Platz zu nehmen. »Ich hoffe, Sie mussten nicht zu lange warten...«

George Armstrong Custer nickte nur, als er das Hotelzimmer betrat, in dem der bärtige General während seines Aufenthaltes in St. Paul wohnte. Er versuchte, sich seine eigene Unsicherheit nicht ansehen zu lassen und wich dem prüfenden Blick des Generals für einige Sekunden aus. Er blieb nach außen hin gelassen, auch wenn es ihm schwer fiel. Denn die letzten Wochen hatten ihn gezeichnet und ihm deutlich vor Augen gehalten, dass er den Bogen überspannt hatte. Welche fatale Folgen daraus entstanden waren, hatte er bereits zu spüren bekommen.

»Ich danke Ihnen, dass Sie sich für dieses Gespräch Zeit genommen haben, Sir«, erwiderte Custer, nachdem er Platz genommen hatte. »Ich glaube nämlich, dass Sheridans Entschluss zu voreilig war und...«

»Custer, Sie wissen wirklich nicht, was Sie eigentlich getan haben«, fiel ihm Terry ins Wort, während er nachdenklich über seinen Bart strich. »Das war ein Schritt zu weit – und das wissen Sie genau!«

Er musterte den Mann, dessen Äußeres sehr imposant wirkte. Seine schulterlangen blonden Haare waren seitlich gescheitelt und umrahmten ein Gesicht, dem der martialische Oberlippen- und Kinnbart etwas Aristokratisches verlieh. Die blaue saubere Unform unterstrich diesen Eindruck noch.

»Ich habe nur das gesagt, was ich denke, Sir«, erwiderte Custer leicht gereizt. »Auch in der Armee muss es möglich sein, seine Meinung offen zu äußern. Erst recht, wenn es die Wahrheit ist.«

»Manchmal ist es besser, diese für sich zu behalten«, antwortete Terry. »Vor allen Dingen, wenn es politischer Zündstoff ist, der die Glaubwürdigkeit unserer Regierung ins Wanken bringt. Schließlich haben Sie keinen Geringeren als den Kriegsminister W. W. Belknap beschuldigt, einer der Hintermänner eines dunklen Komplotts zu sein, in das sogar der Bruder unseres Präsidenten verstrickt gewesen sein soll. Ihnen müsste doch klar sein, dass so etwas nicht ohne Konsequenzen bleibt, oder?«

»Sir, ich weise darauf hin, dass ich selbst genügend Ärger in dieser Sache gehabt habe«, verteidigte sich Custer. »Sie wissen, dass mein Regiment von den Händlern in Fort Abraham Lincoln fast täglich betrogen wurde, weil sie überhöhte Preise forderten. Und ich hatte Grund zu der Annahme, dass ein Teil dieser Gewinne in eine Kasse floss, in die Belknap Einsicht hatte.«

»Selbst wenn es so gewesen wäre, ist das kein Grund, auch noch Orville Grant zu beschuldigen«, tadelte ihn Terry kopfschüttelnd. »Damit bringen Sie unseren Präsidenten in Verruf, und natürlich konnte er nicht länger zusehen, wie sich die Dinge mit der Zeit entwickelt haben. Seine Entscheidung gilt nach wie vor, Custer. General Sheridan steht Ihrer Bitte sehr kritisch gegenüber – und das wissen Sie ganz genau.«

Terrys ablehnende Haltung Custer gegenüber war nicht mehr zu übersehen. Custer wurde immer nervöser und kratzte sich nervös an der Schläfe. Denn er ahnte, dass seine Reise nach St. Paul nicht das gewünschte Ergebnis bringen würde.

»Ich habe sehr viel für dieses Land getan, General Terry«, versuchte er es noch einmal. »Das sollte man nicht vergessen. Ich habe mehrfach Verdienste im Kampf gegen die Indianer errungen. Oder hat man in Washington das schon vergessen? Offensichtlich, denn sonst wüsste man, dass ich es war, der Dakota für die weißen Siedler geöffnet hat. Und von den Kämpfen am Washita will ich erst gar nicht reden...«

»Sie gelten als impulsiv und sehr eigensinnig«, winkte Terry entschieden ab. »Bei dem, was wir vorhaben, werden aber Offiziere benötigt, die den Ernst der Lage auch einschätzen können. Selbst wenn es Ihnen nicht passt, Custer – aber ich habe immer noch sehr berechtigte Zweifel daran, Sie in dieses Vorhaben mit einzubeziehen.«

Custers linke Hand zitterte leicht. Ein Zeichen dafür, dass seine Fassung immer mehr bröckelte.

»Das kann und darf nicht sein!«, entfuhr es ihm auf einmal. »Ich habe mehr Erfahrung in Kämpfen mit den Indianern als jeder andere, Sir. Ich muss bei dieser Aktion mit dabei sein, General. Verstehen Sie, ich muss!«

»Das sehe ich aber anders«, musste sich Custer dann anhören. »Sie haben den Namen unseres Präsidenten in Verruf gebracht und...«

»Verdammt, ich sehe ein, dass das ein Fehler war!«, fiel ihm Custer ins Wort und erhob sich so abrupt vom Stuhl, dass dieser polternd nach hinten fiel. »Aber für diesen einmaligen Ausrutscher kann mich die Armee doch nicht für den Rest meines Lebens aufs Abstellgleis schieben...«

Er wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn und nestelte am Kragen seiner Uniformjacke herum, als wenn ihm die Luft allmählich knapp wurde.

»General Terry – ich flehe Sie an. Zerstören Sie nicht meine Karriere. Ich bin bereit, jeden Kompromiss einzugehen, aber ich möchte mit dabei sein, wenn es darum geht, die Indianer endlich in ihre Schranken zu verweisen. Ich kenne die Sioux wie kein anderer und weiß, was in Krisenfällen zu tun ist. Bitte, Sir...«

Beinahe hätte er sich vor Terry hingekniet, um ihm dadurch seine Unterwürfigkeit zu zeigen. Aber zum Glück kam es nicht dazu, denn Terry schien auf einmal seine ursprüngliche Meinung geändert zu haben. Er gab Custer ein Zeichen, was diesen ermutigte.

»Bei all Ihren Schwächen sind Sie ein guter Truppenführer, Custer«, sagte er schließlich. »Deshalb werde ich mich für Sie einsetzen. Aber ich würde Ihnen raten, dass Sie ein Telegramm an Präsident Grant schicken und sich nochmals bei ihm für ihre Verfehlungen und falschen Verdächtigungen entschuldigen. Das würde auch General Sheridan besänftigen – wenn Sie verstehen, was ich meine...?«

»Danke, General Terry«, seufzte Custer. »Ich bin Ihnen wirklich zu großem Dank verpflichtet und werde alles tun, Sie nicht zu enttäuschen. Ich verspreche Ihnen, dass ich...«

»Es ist gut, Custer«, unterbrach ihn Terry. »Aber verlassen Sie sich darauf, dass ich Sie genau beobachten werde – und zwar bei allem, was Sie tun. Beim geringsten Fehler werde ich Sie sofort vom Dienst suspendieren lassen. Haben wir uns verstanden?«

»Deutlicher hätten Sie es nicht zur Sprache bringen können, Sir«, nickte Custer und ergriff die Hand des Generals, die er kurz drückte. »Sie werden es nicht bereuen, dass Sie mir Ihr Vertrauen geschenkt haben. Diese elenden Rothäute müssen auf jeden Fall in ihre Schranken verwiesen werden. Und ich möchte mit dazu beitragen, dass das so schnell wie möglich über die Bühne geht.«

»Das wird es«, meinte Terry mit einem angedeuteten Lächeln. Damit war alles gesagt, und Custers militärische Talfahrt war erst einmal gestoppt. Gerade noch rechtzeitig. Als Custer sich von General Terry verabschiedete und das Zimmer verließ, konnte man ihm nicht mehr ansehen, dass er Minuten zuvor noch sehr verzweifelt gewesen war. Hätte ihn jetzt jemand beobachtet, so hätte er einen siegessicher grinsenden Lieutenant Colonel Custer aus General Terrys Zimmer kommen sehen, der fest entschlossen war, seine persönlichen Pläne in die Tat umzusetzen.

Terry wäre wahrscheinlich sehr entsetzt darüber gewesen, wenn er sie gekannt hätte – und vermutlich wäre seine Entscheidung dann anders ausgefallen. So aber hatte er sich von Custer blenden lassen. Und es würde nicht das letzte Mal so sein.

* * *

»Du wirkst deutlich zufriedener als heute Morgen, George«, sagte Captain Thomas Custer zu seinem Bruder, als er ihn in der Hotelbar am späten Nachmittag aufsuchte. »Wie ist es gelaufen?«

»Gut«, erwiderte Custer grinsend und winkte der Bedienung zu, ihm noch ein Glas Whiskey zu bringen. »General Terry hat einsehen müssen, dass dieser Feldzug nicht ohne mich stattfinden kann – und natürlich auch nicht ohne dich, Tom.«

»War es schwer, ihn zu überreden?«, wollte sein Bruder wissen.

»Nicht sonderlich«, kam prompt die Antwort. »Schließlich habe ich einen guten Namen in der Öffentlichkeit, und weite Teile der Bevölkerung stehen hinter mir und meinen Truppen. Sheridan und Terry würden sich keinen Gefallen damit tun, mich abzuweisen. Das würde man nämlich nicht verstehen...«

Wohlweislich unterließ er es, seinem Bruder den tatsächlichen Ablauf der Unterredung zu schildern und dass er sich vor Terry sehr erniedrigt hatte. Für ihn zählte nur das Ergebnis, und das hatte er schriftlich dokumentiert bei sich. Immer noch grinsend zog er das Telegramm aus der Uniformtasche und zeigte es Thomas Custer. Der nahm es an sich und überflog die Zeilen, die General Philip Sheridan höchstpersönlich verfasst hatte.

...Ihre Bitte wird erfüllt. Sie haben sich aber dem Kommando von General Terry unterzuordnen und seine Befehle strikt zu erfüllen. Bei Zuwiderhandlungen müssen Sie mit dauerhaften Konsequenzen rechnen. Gez. General Philip Sheridan...

»Das klingt aber nicht sonderlich positiv«, meinte Captain Thomas Custer. »Sie werden dich weiterhin beobachten – das musst du dir immer vor Augen halten.«

»Was kümmert mich das?«, winkte Custer ab. »Bei diesem Feldzug wollte ich dabei sein, und das habe ich geschafft. Wenn wir erst mitten im Indianerland sind, dann werde ich ausscheren und mich von General Terry freimachen. Ich werde auf eigene Faust zuschlagen – so wie du es von mir kennst, Tom.«

»Und was wird Terry unternehmen, wenn er davon Wind bekommt?«

»Gar nichts«, lächelte Custer siegessicher. »Denn er wird nur noch meinen Erfolg sehen und die Siege, die ich mit der 7th Cavalry erringe. Wir werden die Rothäute jagen wie die Teufel, Bruder. Wenn diese militärische Strafaktion beendet ist, wird es keine freien Indianer mehr geben. Sitting Bull und Crazy Horse werden begreifen müssen, dass sie Relikte der Vergangenheit sind und nicht mehr in die neue fortschrittliche Zeit passen. Unserer Rasse gehört dieses Land. Auch wenn ich verstehe, wie verzweifelt die Sioux sind und mich gut in ihre Lage hineinversetzen kann. Aber niemand von uns kann das Rad der Zeit zurückdrehen. Es ist eben, wie es ist.«

Er trank das zweite Glas leer und entdeckte in diesem Moment einen Mann im dunklen Anzug, der gerade die Hotelbar betreten hatte und seine Blicke in die Runde schweifen ließ. Als er Custer und seinen Bruder an einem der Tische sitzen sah, blickte er sehr erstaunt drein. Custer setzte wieder sein gewinnbringendes Lächeln auf und erhob sich rasch vom Tisch.

»Was für eine Überraschung!«, rief er. »Mark Kellogg! Was haben Sie denn in St. Paul zu tun?«

Der Angesprochene ergriff die ausgestreckte Hand des Lieutenant Colonels.

»Der New York Herald ist immer dort, wo es etwas Wichtiges zu berichten gibt, Mr. Custer«, erwiderte Kellogg achselzuckend. »Es hat sich herumgesprochen, dass Sie sich in St. Paul aufhalten. Angeblich, weil Sie eine Unterredung mit General Terry hatten. Stimmt das?«

»Sie sind außergewöhnlich gut informiert, Mr. Kellogg«, schmunzelte Custer. »Wollen Sie sich nicht einen Moment zu uns setzen? Meinen Bruder Captain Tom Custer kennen Sie vermutlich ebenfalls?«

»Nicht persönlich«, antwortete der Reporter des New York Herald und nickte Custers Bruder freundlich zu. »Aber gehört habe ich natürlich schon von Ihnen, Sir.«

»Ich lade Sie auf einen Drink ein«, sagte Custer. »Es gibt nämlich etwas zu feiern – und wenn Sie wollen, kann der New York Herald exklusiv darüber berichten.«

Solche Aussagen ließen Kellogg natürlich sofort aufhorchen. Er holte einen Notizblock und einen Stift aus seiner Tasche und blickte Custer erwartungsvoll an, während die Bedienung ein Glas Whiskey vorbeibrachte.

»Ich bin ganz Ohr«, sagte Kellogg. »Was sind das denn für interessante Neuigkeiten?«

»General Terry hat mich gebeten, dass ich mit meinem Regiment an der Strafexpedition gegen die Sioux teilnehme«, ließ Custer nun die Katze aus dem Sack. »Die Vorbereitungen dafür laufen bereits auf Hochtouren. Spätestens in zwei Monaten werden wir ein Kesseltreiben veranstalten und den Rothäuten lehren, wer die wirklichen Herren in diesem Land sind. Die Black Hills werden neues Siedlungsland für entschlossene Farmer und Rancher werden, Mr. Kellogg. Unsere junge Nation braucht dringend neue Lebensräume – und dort werden wir sie finden.«

Der Reporter machte sich eifrig Notizen und schaute immer wieder zu Custer, der diesen Moment sichtlich genoss. Denn er wusste, dass ein eifriger Reporter wie Mark Kellogg ihm ganz sicher dazu verhelfen würde, wieder im richtigen Rampenlicht zu stehen.

»Schreiben Sie, dass die Armee altgediente Indianerkämpfer braucht, um diesen Krieg endlich zu einem Ergebnis zu bringen«, diktierte Custer dem Reporter. »Meine Jungs von der 7th Cavalry sind jedenfalls bereit dazu. Das gleiche gilt auch für meine Brüder Tom und Boston. Gemeinsam werden wir eine Strategie fahren, die von Erfolg gekrönt sein wird.«

Custer hielt einen Moment inne, als er bemerkte, wie Kelloggs Blicke an seinen Lippen hingen. Kein Zweifel, für ihn war das eine Sensation – und Custer konnte davon ausgehen, dass er eine sehr gute Presse bekommen würde. Aber selbst das genügte ihm noch nicht.

»Was halten Sie davon, wenn Sie uns auf diesem Feldzug begleiten, Mr. Kellogg?«, schlug Custer nun zur Überraschung des Reporters vor. »Dann wären Sie nämlich hautnah dabei und könnten Ihren Lesern schonungslos alle wichtigen Details berichten. Exklusiv natürlich, das versteht sich von selbst.«

Kellogg musste erst einmal schlucken, als ihm Custer dieses verlockende Angebot machte.

»Das klingt in der Tat sehr interessant, Sir«, meinte er. »Wenn Sie gestatten, werde ich gleich meinen Bericht fertig schreiben und anschließend ein Telegramm nach New York senden. Ich muss natürlich um Erlaubnis fragen, ob ich Sie begleiten darf. Aber ich bin überzeugt davon, dass mein Vorgesetzter diesem Vorschlag selbstverständlich zustimmen wird.«

»Davon gehe ich ebenfalls aus, Mr. Kellogg«, lächelte Custer. »Einen schönen Abend noch«, rief er dem Reporter nach, als sich dieser überhastet von den beiden Offizieren verabschiedete und mit schnellen Schritten die Hotelbar wieder verließ. Er hatte die Story seines Lebens gewittert und würde vermutlich alles tun, um weiterhin am Ball zu bleiben.

»Ich glaube nicht, dass Sheridan und Terry von dieser Idee so begeistert sein werden, dass uns ein Reporter begleitet«, gab Thomas Custer zu bedenken.

»Was kümmert mich das, Tom?«, entgegnete Custer abwinkend. »Für mich zählt nur, dass ich mit von der Partie bin. Kellogg wird seinen Teil dazu beitragen, dass Sheridan und Terry auf keinen Fall einen Rückzieher machen können. Die Sache läuft – und zwar genau in meinem Sinn.«

AUFBRUCH

»Was weißt du eigentlich über die Sioux, Isaiah?«, erkundigte sich Theodore Hancock bei seinem farbigen Kameraden Isaiah Wells. »Glaubst du wirklich, dass wir Sitting Bull und seine Krieger in die Flucht schlagen können?«

»Was denn sonst?«, erwiderte der farbige Rekrut, der auf recht abenteuerlichen Wegen zur 7th Cavalry gestoßen war. »Man mag von Custer denken, was man will. Aber er weiß zu kämpfen. Wenn er nicht unser Kommandant wäre, dann würde ich berechtigte Zweifel daran haben. Selbst wenn wir die besseren Waffen besitzen – es gibt immer noch ein hohes Risiko. Und zwar für jeden von uns.«

»Erzähl dem Jungen lieber nicht zu viel, Isaiah«, mischte sich Neil Banks in das Gespräch der beiden ein. »Sonst macht er sich womöglich noch in die Hosen vor Angst und...«

»Halt den Mund!«, entgegnete Hancock, der sich wütend umgedreht hatte und Banks mit funkelnden Blicken anstarrte.

»Jetzt reg dich ab«, schmunzelte der ältere Banks. »Ich wollte doch nur einen Scherz machen, Hancock. Nicht mehr und nicht weniger.«

Der sommersprossige Hancock murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, bedachte Banks noch mit einem giftigen Blick und entfernte sich schließlich. Wells blickte ihm kopfschüttelnd hinterher, während ein Spähtrupp gerade das Tor von Fort Abraham Lincoln passierte und von seinem Erkundungsritt zurückkehrte.

»Sei vorsichtig, was du sagst«, riet er Banks. »Hancock ist schon seit einigen Tagen ziemlich nervös. Vergiss nicht, dass der Junge im Ernstfall kämpfen muss. Und zwar Auge um Auge. Sowas muss man ihm schonend beibringen.«

»Es wäre besser, wenn er sich nicht zur 7th Cavalry gemeldet hätte«, brummte der ältere Banks. »So wie ihm geht es noch einigen anderen. Keiner von denen weiß, auf was sie sich überhaupt eingelassen haben. Die sehen nur ihren Lieutenant Colonel Custer und den Optimismus, den er verbreitet.«

»Was ist daran falsch?«, meinte der farbige Soldat. »Die 7th Cavalry hat ihm einiges zu verdanken. Für die meisten Soldaten dieser Truppe ist er so etwas wie eine schillernde Gallionsfigur.«

»Ich wäre vorsichtig mit dieser Behauptung«, erwiderte Banks. »Custer hat nur eins im Sinn – nämlich in der Öffentlichkeit zu glänzen. Deshalb hat er diesen Zeitungsfritzen bei sich. Du hast ihn doch auch gesehen, oder?«

»Das schon« musste Wells zugeben. »Es ist zwar ungewöhnlich, einen Reporter mitzunehmen. Aber das ist Custers Entscheidung. Dieser Kellogg wird uns schon nicht behindern. So einer wie der hält sich dezent im Hintergrund.«

»Abwarten«, meinte Banks. Mehr hatte er zu diesem Thema nicht zu sagen. Stattdessen glitten seine Blicke hinüber zu den Stallungen und Schuppen. Dort war ein gutes Dutzend Soldaten damit zugange, die Tiere zu füttern und zu striegeln, bevor es am nächsten Morgen losging. Es würde für lange Zeit die letzte ruhige und vor allen Dingen sichere Nacht sein, die die Soldaten verbringen würden. Im Quellgebiet des Powder River gab es keine schützenden Mauern. Sondern nur Wildnis und jede Menge Sioux-Indianer, die den Soldaten auflauern und im unerwarteten Augenblick zuschlagen würden.

Wells Gedanken brachen ab, als er Lonesome Charly Reynolds näherkommen sah. Er nickte Banks und Wells kurz zu.

»Na, ihr könnt es auch wohl kaum erwarten, bis es endlich morgen früh losgeht, wie?«, wandte er sich an die beiden Rekruten. »Ich will euch einen guten Tipp geben, Jungs. Legt euch endlich schlafen, damit ihr morgen früh ausgeruht seid. Custer wird es mächtig eilig haben, den Powder River zu erreichen. Lieutenant Varnum hat heute schon an mich und die anderen Scouts klare Order erteilt. Das wird kein Zuckerlecken...«

»Hast du sonst noch was gehört, Charly?«, wollte Banks wissen. »Komm, jetzt lass uns nicht im Ungewissen. Wenn es etwas gibt, das für uns wichtig ist, dann sag es lieber gleich.«

»Ich weiß nicht, ob ihr das hören wollt«, erwiderte der untersetzte Scout. »Ihr kennt doch Bloody Knife, oder? Dann wisst ihr auch, dass der Bursche ansonsten die Ruhe selbst ist. Aber seit heute früh faselt er die ganze Zeit irgendetwas von düsteren Visionen, die er angeblich gehabt hat und dass es nicht gut ist, was Custer und die anderen Generäle vorhaben.«

»Hör ja auf mit diesem ganzen Hokuspokus!«, beklagte sich Banks. »Dieses ganze Zeugs kann man doch sowieso nicht ernst nehmen.« Er bemerkte Wells plötzlichen und sehr nachdenklichen Blick. »Isaiah, glaubst du etwa an solchen Heidenkram?«

»Meine Großmutter erzählte mir manchmal von ihren Träumen, Neil«, erwiderte der farbige Soldat. »Damals war ich noch ein kleines Kind und habe nicht viel von dem verstanden, was sie mir vermitteln wollte. Heute sehe ich manche Dinge in einem anderen Zusammenhang und weiß, dass in manchen Träumen immer ein Stück Wahrheit steckt.«

»Jetzt fängst du auch noch an«, seufzte Banks. »Gütiger Himmel, langsam frage ich mich, wo ich hier hingeraten bin. Nichts für ungut, Leute – aber ich bin nicht scharf darauf, mir das noch weiter anhören zu müssen. Bis später...«

Banks hatte es sichtlich eilig, den Platz zu überqueren und sich in sein Quartier zurückzuziehen. Aberglaube und düstere Geschichten machten ihn immer nervös. Vielleicht weil er aus eigener Erfahrung wusste, was das zu bedeuten hatte. Aber wenn dem so war, dann wagte er es trotzdem nicht, seine Gedanken anderen zu offenbaren.

»Was ist denn mit Banks los?«, erkundigte sich der Scout. »Der soll sich doch nicht alles so zu Herzen nehmen...«

»Der meinst das nicht so, Charly«, antwortete Wells. »Vielleicht hat ihn auch das Jagdfieber gepackt. Anders kann ich es mir nicht erklären. Vergiss es einfach.«

Reynolds wollte gerade etwas darauf erwidern, unterließ es aber, als er in diesem Moment Custer aus der Kommandantur eilen sah. Er ging auf Lieutenant Charles Varnum zu und wechselte einige Worte mit ihm. Daraufhin beorderte Varnum Mitch Bouyer und Bloody Knife zu sich – und als er Reynolds bei Wells stehen sah, winkte er auch ihn zu sich.

»Bis später, Isaiah«, sagte Reynolds und beeilte sich, den Befehl seines Lieutenants zu befolgen.

Wells schaute ihm nur noch kurz nach, bevor er ebenfalls zu seinem Quartier ging. Mittlerweile war die Sonne ein gutes Stück weiter nach Westen gezogen. Der Abend war nicht mehr fern. Aber im Gegensatz zu den letzten Tagen wurde die Spannung, die sich unter den Soldaten ausgebreitet hatte, immer größer und war spürbar für jeden der einzelnen Rekruten. Auch wenn Wells das sich nicht zugestehen wollte – aber auch er spürte etwas von der Tragweite der kommenden Ereignisse. Denn er hatte genau wie seine Kameraden gelesen, was einige Zeitungen über die bevorstehende Schlacht mit den Sioux schrieben. Natürlich wurde Custer immer wieder zitiert und von den Reportern im Grunde genommen als der wichtigste Militärstratege gehandelt.

»Wenn das mal gut geht«, murmelte Wells und musste ausgerechnet jetzt an die Träume seiner Großmutter denken. Schließlich schob er die düsteren Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Wesentliche. Und das hieß nichts anderes als sich selbst auf die morgige Strafexpedition bestens vorzubereiten.

* * *

Als Custer sich auf den Rückweg zu seinem Haus in Fort Abraham Lincoln begab und er seine Frau Elizabeth auf der Veranda entdeckte, lächelte er ihr zu. Jedoch konnte sie seinen Optimismus nicht teilen. Ihre Miene wirkte eher verschlossen, und das erregte Custers Unmut.

»Was ist mit dir, Libbie?«, erkundigte er sich, während er seinen Hut abnahm. »Schau nicht so traurig drein – heute ist ein wichtiger Tag für mich.«

»Für dich ja«, erwiderte sie spröde. »Ich habe bemerkt, wie dich dieser Reporter vom New York Herald auf Schritt und Tritt begleitet und sich seine Notizen dabei gemacht hat.«

»Ja und?«, entgegnete Custer verwundert. »Was ist denn schon dabei? Schließlich sollen die Menschen unseres Landes erfahren, was wir planen. Es ist ein Teil meiner Aufgabe, Libbie. Nicht mehr und nicht weniger.«

»Sei lieber etwas vorsichtiger«, riet ihm seine Frau. »Es gibt auch Stimmen, die behaupten, dass dir der Erfolg zu Kopfe steigt. Vergiss nicht, dass Sheridan und Terry dich genau beobachten werden. Wenn du den Bogen wieder überspannst, dann wirst du kein zweites Mal solches Glück haben, einen neuen Fürsprecher zu finden und...«

»Libbie, ich muss mich doch sehr wundern«, unterbrach sie Custer, in dessen Augen es kurz aufblitzte. »Warum redest du schlecht über manche Dinge, die ich sorgfältig geplant habe? Schließlich kommt dieser Erfolg auch dir zugute. Oder bist du etwa unzufrieden mit dem Leben, das du führst? Schau dir doch dieses Haus an. Es ist groß und geräumig und bietet dir viel Platz. Ein normaler Offizier könnte sich das nicht leisten.«

»Ich habe über vieles nachgedacht, George«, sagte Elizabeth Custer. »Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es besser gewesen wäre, wenn du einen Schritt weniger ins Rampenlicht getreten wärst. Weißt du eigentlich, unter welchen Erfolgsdruck du dich selbst setzt? Ich habe fast jeden Artikel gelesen, den die Reporter über dich schreiben...«

Sie schaute dabei auf einen Stapel Zeitungen, die sich Custer hatte schicken lassen. Denn er genoss es natürlich, solche Berichte zu lesen. Vor allen Dingen dann, wenn die Verfasser ihn als Volkshelden darstellten und ihm blind vertrauten, dass er und die 7th Cavalry das Indianerproblem ein für alle Mal lösten. Er selbst tat noch ein Übriges dazu, indem er eigene Berichte verfasste, die er Kriegsmemoiren nannte und deren Veröffentlichung er irgendwann plante. Kelloggs Zeitung hätte wahrscheinlich ein Vermögen dafür gegeben, wenn man jetzt schon einen Blick darauf hätte werfen können. Aber Custer behielt diese persönlichen Aufzeichnungen stets unter Verschluss. Nur seine Frau Libbie kannte den genauen Inhalt und war gleichzeitig auch sein eifrigster Kritiker. Später sollten Neider behaupten, dass Elizabeth Bacon Custer einen Teil dieser Berichte geschrieben habe, weil Custer darauf bestand, dass sie immer zugegen war, wenn er seine Gedanken zu Papier brachte.

---ENDE DER LESEPROBE---