Tod eines Lords - C. L. Potter - E-Book
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Tod eines Lords E-Book

C. L. Potter

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Beschreibung

War der Tod des Lords wirklich ein skandalöser Unfall? England, Frühling 1912. Geplant ist ein erholsames Wochenende auf dem Land, das die junge Lady Christabel von ihrem Kummer ablenken soll. Stattdessen stolpert sie über die Leiche des jüngsten Sohns ihrer Gastgeber. Unterstützt von ihrer weltklugen Zofe Maud begibt sich die begeisterte Leserin von Detektivgeschichten auf die Suche nach Motiv, Mittel und Gelegenheit. Doch wie findet man einen Täter, wenn alle Anwesenden gute Gründe haben, das Opfer zu hassen? Ein spannender Cosy-Crime mit starken Heldinnen, die Upstairs und Downstairs ermitteln.

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Ähnliche


Ein Fall für Maud & Lady Christabel

Tod eines Lords

C. L. Potter

Inhalt

Das Buch & Die Autorin

Figuren

Ashburn Abbey

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Nachwort und Dank

Band 2

Impressum

Copyright © 2020, AIKA Consulting GmbH, alle Rechte vorbehalten.

Berliner Straße 52, 34292 Ahnatal

www.christianelind.de

Originalausgabe Juli 2020

Coverdesign, Satz und Layout: Wolkenart - Marie-Katharina Wölk, www.wolkenart.com unter Verwendung von Bildmaterial von ©Shutterstock.com

Lektorat 1: Katrin Rodeit, www.julia-rodeit.de

Lektorat 2: Lektorat Schmeinck – Korrekturen mit Herz

Korrektorat: Claudia Heinen, www.sks-heinen.de

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Autorin.

Für die Links zu Webseiten Dritter übernehme ich keine Haftung, da ich mir diese nicht zu eigen mache, sondern lediglich auf sie verweise, mit Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.

Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die im Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

Das Buch & Die Autorin

Das Buch

England, Frühling 1912. Geplant ist ein erholsames Wochenende auf dem Land, das die junge Lady Christabel von ihrem Kummer ablenken soll. Stattdessen stolpert sie über die Leiche des jüngsten Sohns ihrer Gastgeber.

Unterstützt von ihrer weltklugen Zofe Maud begibt sich die begeisterte Leserin von Detektivgeschichten auf die Suche nach Motiv, Mittel und Gelegenheit.

Doch wie findet man einen Täter, wenn alle Anwesenden gute Gründe haben, das Opfer zu hassen?

Die Autorin

C. L. Potter ist das Pseudonym von Christiane Lind, unter dem sie Landhauskrimis schreibt. Seitdem Christiane das erste Mal nach Südengland reiste, ist sie Herrenhäusern und deren Geheimnissen verfallen.

Figuren

Lentune Hall

Maud Gulliver, Zofe

Christabel Mowgray, Ladyschaft von Maud

Upstairs

Rosalind Mowgray, Countess of Waldeford, Christabels Mutter

Alastair Mowgray, Earl of Waldeford, Christabels Vater

Dahlia Mowgray, Christabels Schwester

Basil Mowgray, Christabels Bruder

Lavinia Mowgray, Christabels unverheiratete Tante

Godfrey Riddington, Christabels Patenonkel

Downstairs

Harold Rowe, Butler

Jessamine Eggerton, Hausdame

Nellie Cramton, Köchin

Leonard Arnold, Chauffeur

Harold Knight, Lakai

Gladys Bannerman, Hausmädchen

Enid Gillinham, Hausmädchen

Lucy-Anne Buxton, Küchenhilfe

Ashburn Abbey

Upstairs

Percy Willmington, Earl of Aylesgrave

Honora Willmington, Countess of Aylesgrave

Dunstan Willmington, ältester Sohn

Georgina Willmington, dessen Ehefrau

Lucian Willmington, jüngerer Sohn

Violet Keat, dessen Verlobte

Unity Willmington, Tochter

Beryl Banfour, deren Freundin

Ernest Pemborough, Gast

Downstairs

Marmaduke Trowbridge, Butler

Eunice Stanhoop, Hausdame

Harriet Pratt, Köchin

Rupert Kendall, Chauffeur

Simon Nott, Lakai

Flossie Hasket, Hausmädchen

Ivy Lovell, Hausmädchen

Dora Mullens, Küchenhilfe

Kapitel Eins

Lady Christabels Mutter wird mir den Hals umdrehen, war der erste Gedanke, der Maud durch den Kopf schoss, als die elegant gekleideten Damen in ihre nicht minder eleganten Handtaschen griffen und Hämmer herausholten. Der Anblick war so überraschend, dass die in Schwarz gekleideten Polizisten ebenso erstarrt verharrten wie Maud. Erschüttert beobachteten sie, wie die Ladys Fenster der piekfeinen Geschäfte an der Bond Street einschlugen. Das Geräusch der klirrenden Scheiben war ohrenbetäubend und übertönte selbst die skandierten »Wahlrecht für Frauen«-Rufe, die die Zerstörung begleiteten. Wie hatte Maud nur in dieses Chaos hineingeraten können?

Ihr Blick irrte von den Ladys hin zu den Bobbys und den Männern am Straßenrand, die nun ihre Chance witterten und mit erhobenen Fäusten auf die Protestierenden zuliefen. Wenn Maud nicht schnell genug wegkäme, würde sie gewiss in eine unerfreuliche Prügelei geraten. Sie drehte den Kopf hin und her, um einen Fluchtweg zu suchen. Dicht an dicht drängten sich die Frauen, wohl, um sich gegen die angreifenden Männer zu wehren.

»Maud? Maud, wo bist du?!«, erklang eine helle Stimme voller Panik, die sie daran erinnerte, warum sie sich hier befand. »Maud, was sollen wir nur machen?«

»Folgen Sie mir.« Maud lief auf die junge Frau zu und ergriff Lady Christabels Arm. »Wir müssen verschwinden. So schnell wie möglich.«

Maud konnte nur hoffen und beten, dass diese Eskapade ihrer Lady nicht zu weitreichenden Konsequenzen führte. Warum gelang es ihr nicht, auf die Vernunft zu hören und sich Lady Christabels Wünschen zu widersetzen? Vor allem, wenn diese vollkommen unvernünftig waren wie heute!

Mehr als einmal hätte sich Maud dafür ohrfeigen können, Lady Christabels Launen nachgegeben zu haben. Wären sie damals nur nicht auf diese vermaledeite Kundgebung der Frauenrechtlerinnen gegangen, dann müssten sie jetzt nicht um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten. Sich für das Wahlrecht einzusetzen, war auch nur eine von vielen Ideen Lady Christabels.

Als gelangweilte Tochter aus gutem Haus suchte und fand sie mit überraschender Regelmäßigkeit etwas Neues, in das sie sich mit immenser Energie stürzte, nur um es nach einem halben Jahr fallen zu lassen. Maud hatte die Malversuche ihrer Lady ebenso überstanden wie deren Begeisterung fürs Gärtnern und die Faszination für das Theater. Daher war Maud davon ausgegangen, auch diese Leidenschaft von Christabel Mowgray wäre ein kurzlebiges Strohfeuer. Als Lady Christabel ihr mit leuchtenden Augen von der Kundgebung dieser sogenannten Suffragetten erzählt hatte, hatte Maud nur mit einem Kopfschütteln geantwortet. Das hatte ihre Ladyschaft tief getroffen.

»Verstehst du nicht, wie wichtig das ist?« Christabel Mowgray stemmte die Hände in die Hüften. Es fehlte nur noch, dass sie wie ein verwöhntes Kind mit dem Fuß aufstampfte. »Ohne Wahlrecht bleiben wir Menschen zweiter Klasse.«

Was weiß jemand wie Sie schon von Armut und Unterdrückung, dachte Maud, aber sie fragte nur: »Wird sich die Welt ändern, wenn Frauen wählen dürfen?«

»Selbstverständlich.« Lady Christabel schüttelte den Kopf über ihre Ignoranz. »Wenn du erst Mrs Pankhurst hast reden hören, wirst du es verstehen.«

Alle weiteren Versuche Mauds, ihre Ladyschaft davon abzubringen, waren ebenso gescheitert. Also hatten sie sich an diesem grauen Novembertag unter einem Vorwand aus dem Stadthaus in Belgravia geschlichen, um Mrs Pankhurst anzuhören und danach an einer Kundgebung teilzuhaben.

Selbst die mit Verve vorgebrachte Rede hatte Maud nicht davon überzeugen können, dass wählende Ladys die Welt verbessern würden. Denn Armut und Elend des Londoner East Ends würde es auch weiterhin geben, wenn Frauen ihre Stimme abgeben durften. Ganz zu schweigen davon, dass viele der Suffragetten das Wahlrecht nur für wohlhabende Damen forderten und arme Frauen weiterhin nicht das Recht bekämen, über ihr Schicksal zu entscheiden.

Trotz dieser Vorbehalte hatte Maud als gute Zofe ihre Lady begleitet und dabei insbesondere die Polizei im Blick gehabt. Sie hatte Übles darüber gehört, wie die Bobbys die Damen behandelten, die für das Frauenwahlrecht kämpften. Wenn die Polizisten schon nicht davor zurückscheuten, ihre Knüppel gegen feine Damen zu schwingen, wie mies würden sie dann erst eine Zofe anpacken?

Also entschied Maud, dass Weglaufen der klügere Teil der Tapferkeit wäre. Als die Ordnungshüter ihre Fassung wiedergewonnen hatten und mit erhobenen Schlagstöcken auf sie zupreschten, zog Maud Lady Christabel hinter sich her und schürzte die Röcke, um davonzurennen. Doch sie hatte nicht mit dem Eigensinn ihrer Ladyschaft gerechnet.

»Kommen Sie, Mylady.« Maud griff Lady Christabels Arm und wollte sie hinter sich her zerren, nur weg von den prügelnden Polizisten und schreienden Frauen. »Wir müssen abhauen, so schnell wir können.«

»Ich lasse meine Schwestern nicht im Stich.« Mit der ihr eigenen Sturheit stemmte Christabel Mowgray die Füße in den Boden und bewegte sich kein Stück. »Ich bin bereit, für meine Überzeugungen ins Gefängnis zu gehen.«

Manchmal kam es Maud vor, als wäre sie zwanzig Jahre älter als ihre Ladyschaft und nicht nur fünf. Womöglich wäre sie auch derart weltfremd, wenn sie mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wäre wie Lady Christabel. Maud hatte gelernt, sich mit ihrem Platz in der Welt zu bescheiden, aber an Tagen wie diesen verfluchte sie das Schicksal, das sie nach London geführt hatte. Wenn ihre Ladyschaft in dieser bockigen Stimmung war, half nur eines: ehrliche und deutliche Worte.

»Das sagen Sie nur, weil Sie noch nie einen Knast von innen gesehen haben«, zischte Maud. »Dort stinkt es wie in einer Kloake und es ist eisig kalt. Sie müssen sich mit vielen einen winzigen Raum teilen. Kommen Sie!«

Zu Mauds Erstaunen gab Lady Christabel so plötzlich nach, dass Maud ins Stolpern geriet. Nachdem sie sich gefangen hatte, sah sie hoch und entdeckte einen Ausdruck von Verblüffung, gepaart mit Ekel auf Lady Christabels feinen Zügen. Aus verengten Augen musterte ihre Ladyschaft einen elegant gekleideten Gentleman, der sich weder von den Bobbys noch von den kreischenden Damen einschüchtern ließ. Die Polizisten, die eben noch auf Maud zugelaufen kamen, drehten um, um sich einfachere Opfer zu suchen.

Neugierig betrachtete Maud den Gentleman, den sie auf den ersten Blick unerfreulich fand. Möglicherweise hatte sie zu viele Kriminalromane gelesen, in denen die Bösewichte dunkelhaarige Männer mit eingefallenen Gesichtern waren. Aber nein, das war es nicht allein. Es war der Ausdruck von Arroganz und Langeweile, der auf seinen hageren Gesichtszügen lag. Die Mundwinkel waren spöttisch herabgezogen, als wüsste er mehr als die anderen in seiner Umgebung. Wer war das und was verband ihre Ladyschaft mit ihm?

»Christabel Mowgray. Wie überaus überraschend, Sie hier anzutreffen.« Ein süffisantes Lächeln erschien in seinen Mundwinkeln. »Ich hoffe sehr, Sie haben nichts mit dem Getümmel dort hinten zu schaffen?«

»Lucian Willmington.« Maud bemerkte, wie Lady Christabel ihre Nase rümpfte, als würde man sie mit einem verfaulten Stück Fleisch konfrontieren. »Auch ich habe nicht erwartet, Sie hier zu sehen.«

»Mylady«, drängte Maud, die fürchtete, dass ihnen wenig Zeit für höfliches Geplänkel blieb. »Wir sollten uns sputen.«

Weil sie es gewagt hatte, sich in das Gespräch der Herrschaften einzumischen, warf ihr Mr Willmington einen musternden Blick zu. Seine Mundwinkel zogen sich nach unten, aber er würdigte sie keiner weiteren Beachtung. Stattdessen wandte er sich an Lady Christabel.

»Ich hoffe, wir werden bald eine bessere Gelegenheit zum Plaudern finden.« Spöttisch verneigte er sich. »Normalerweise würde ich anbieten, Ihnen sicheres Geleit zu gewähren, doch ich habe einen wichtigen Termin.«

Bevor eine der beiden Frauen etwas erwidern konnte, hatte er sich schon umgedreht. Elegant schlängelte er sich zwischen den Männern hindurch, die eben noch am Straßenrand gestanden hatten und nun bedrohlich näher kamen.

»Was für ein Geck!«, zischte Lady Christabel. »Dass ich ausgerechnet ihm hier begegnen muss. Er wird es bestimmt meinem Vater erzählen.«

Das fehlt mir noch zu meinem Glück, dachte Maud und unterdrückte ein Aufseufzen. Denn wer wird die Schuld dafür bekommen? Hoffentlich erhalte ich nicht die Kündigung. Ihre Eltern sollten wissen, wie Lady Christabel ist, aber dennoch müsste ich die Angelegenheit ausbaden. Tod und Teufel!

In dem Moment erklang ein schriller Schrei, als ein Bobby auf eine am Boden liegende Frau einschlug, die ihre Arme schützend über den Kopf erhoben hatte. Um sie herum nahm Maud ein wildes Durcheinander wahr und erkannte mit Schrecken, wie nahe ihnen die Ordnungshüter inzwischen erneut gekommen waren. Hätte Lady Christabel sich nur nicht mit dem Gespräch aufgehalten. Die ohnehin schmale Lücke, die ihnen eine Flucht ermöglichte, drohte sich zu schließen.

Als Maud spürte, wie die kämpferische Entschlossenheit ihrer Herrin angesichts des Dramas um sie herum weiter ins Wanken geriet, zog sie Lady Christabel hinter sich her. Mit schmerzenden Lungen raste sie auf die schmale Bresche zu, die ihnen den Weg in die Freiheit zeigte. Genau in diesem Moment kamen zwei Polizisten von links auf sie zu gerannt, die Gesichter unter den hohen schwarzen Kappen kaum erkennbar. Mauds Blick irrte umher, aber es gab kein Entkommen. Entweder standen ihnen weinende Frauen, die in Polizeigewahrsam genommen wurden, oder kämpfende Frauen, die mit ihren Handtaschen auf die Polizisten einschlugen, im Weg. Maud blieb stehen, um sich zu orientieren. Als Lady Christabel, überrascht von dem plötzlichen Halt, in sie hineinkrachte, stolperte Maud und schlug sich das Knie auf dem harten Kopfsteinpflaster Londons an.

»Hierher, schnell!«, erklang eine angenehme Stimme links von ihr. »Sputen Sie sich!«

Als Maud ihren Kopf wandte, erspähte sie einen ihr unbekannten Mann, der sie mit der linken Hand zu sich winkte. Die Tintenflecken an seinen Fingern waren das Erste, was ihr an ihm auffiel. Sie und das Notizbuch, das er eilig in die Tasche seines gut geschnittenen, aber abgetragenen Mantels schob, enttarnten ihn als Journalisten. Kurz verhielt sie und überlegte, ob sie dem Fremden vertrauen sollte. Meinte er es wirklich gut mit ihnen oder würde sie am nächsten Tag ein Foto und den Namen ihrer Ladyschaft in der »Daily Mail« lesen?

Besser in der Zeitung als in Holloway! Wenn ich zulasse, dass Lady Christabel im Gefängnis landet, bringt ihre Mutter mich um. Nein, dafür ist die Countess of Waldeford zu vornehm, aber sie wird mich ohne Referenzen entlassen.

Diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie waren so beängstigend, dass Maud sich entschloss, ihr Schicksal dem Schreiberling anzuvertrauen. Mit einem kräftigen Stoß schubste sie ihre Herrin in seine Richtung, schlug einen Haken um den Polizisten, der die Hände nach ihr ausgestreckt hatte, und folgte Lady Christabel. Die hatte dem Mann ihre Hand gegeben, was Maud aufstöhnen ließ. Hoffentlich bemerkte niemand, wie unschicklich sich die junge Dame benahm. Jeder Fehler Lady Christabels würde ihrer Zofe angekreidet werden, das wusste Maud nur zu gut.

Galant hielt er ihre Hand, während er unvermutet die Richtung wechselte, um aus der sich anbahnenden Katastrophe zu entkommen. Der Journalist und Lady Christabel liefen so schnell, dass Maud Mühe hatte, ihnen zu folgen. Endlich verlangsamten sie ihre Schritte und bogen in eine der vielen kleinen Nebenstraßen ein.

Dankbar lehnte Maud sich an die roten Ziegel einer Hauswand und rang nach Atem. Nachdem sie wieder Luft bekam, sah sie sofort zu ihrer Ladyschaft und ihrem Retter. Die beiden standen sich gegenüber und er hielt noch immer ihre Hand. Maud verdrehte die Augen. Das würde gewiss kein gutes Ende nehmen.

»Danke«, hauchte Lady Christabel und senkte den Kopf. Zu Mauds Überraschung liefen die Wangen der jungen Frau rot an. »Sie haben uns gerettet. Wie furchtbar gemein diese Polizisten sind.«

So sanft, beinahe schüchtern, hatte Maud ihre Herrschaft bisher nicht erlebt. Das war ihr Anlass und Grund, den jungen Mann, der sie gerettet hatte, gründlich zu begutachten. Er sah ansprechend aus, zweifelsohne, mit seinem braunen Haar und den grauen Augen. Eine klassische Nase, ein sinnlicher Mund und ein schmales Gesicht – alles wohlproportioniert, aber kein Grund zu erröten. Das Einzige, was ihn über die Vielzahl anderer gut aussehender Männer erhob, war die linke Augenbraue, die aussah, als hätte er sie fragend hochgezogen. Das gab seinem Gesicht einen pfiffigen Charme, von dem Maud nicht gedacht hätte, dass er Lady Christabel gefallen könnte.

»Es war mir ein Vergnügen.« Als der junge Mann verunsichert zu Boden sah, wünschte Maud sich einmal mehr, sie hätte verhindert, dass ihre Lady heute an der Kundgebung teilnahm. »Mein Name ist Fleeth. Nicholas Fleeth.«

Er schien mehr sagen zu wollen, aber ihm versagte die Stimme. Es war kein Wunder, dachte Maud, dass ihm die Worte fehlten. Selbst derangiert vom Kampf mit den Polizisten und außer Atem war Lady Christabel das Bild einer englischen Rose. Ihre Wangen, die jetzt gerötet waren, waren zart und ohne Makel, ihre großen Augen von einem exquisiten Graublau. Die etwas zu lange, schmale Nase und der etwas zu volle Mund minderten Lady Christabels Schönheit nicht etwa, sondern fügten sich zu einem Gesamtbild zusammen, das bereits mehreren Galanen das Herz gebrochen hatte.

Einzig die Haarfarbe, nicht blond, aber auch nicht braun, passte nicht perfekt. Bisher widersetzten sich die widerspenstigen Locken allen Versuchen Mauds, sie mit Hilfe von Kamillensud, Honig oder Backpulver aufzuhellen.

»Ich bin Christabel Mowgray«, sagte ihre Ladyschaft schließlich, den Blick weiterhin auf den jungen Mann gerichtet, als gäbe es nichts Wichtigeres.

Doch Maud hörte das Klappern genagelter Schuhe auf dem Straßenpflaster und musste erkennen, dass sie noch lange nicht in Sicherheit waren. Also schürzte sie erneut ihre Röcke, holte tief Atem und lief los. Über die Schulter rief sie den beiden Turteltauben zu: »Kommen Sie, sonst landen wir alle in Holloway!«

Kapitel Zwei

Während Christabel den langen Flur entlang zum Frühstückszimmer ging, kreisten ihre Gedanken nur um die Frage, warum sie noch nichts von Nicholas gehört hatte. Vor seiner Abreise hatte er ihr hoch und heilig versprochen, ihr jeden Tag eine Nachricht zu senden. Doch gestern war kein Telegramm gekommen oder aber – und dieser Gedanke bereitete ihr Sorgen – ihre Eltern hatten es abgefangen.

Auf keinen Fall durfte sie sich etwas anmerken lassen. Wenn sie sich durch Worte oder Gesten verriet, stünde ihre Zukunft auf dem Spiel. Niemals würde ihre Familie zulassen, dass Christabel unter ihrem Stand heiratete. Daher gab es nur eins: Sie musste mit ihrem Geliebten durchbrennen, nach Gretna Green vielleicht. Bei dem Gedanken an eine romantische, heimliche Hochzeit stieg ihre Stimmung und frohgemut öffnete sie die Tür zum Frühstückszimmer.

Wie jeden Morgen fiel ihr Blick auf die imposanten Porträts zweier Vorfahren, die in dem mit dunklem Holz verkleideten Raum hingen. Über dem Kamin war ein düster wirkender Herr in schwarzer Kleidung zu sehen, während an der langen Wandseite ein beinahe lebensgroßes Bild eines Mannes in roter Kleidung mit einem Hermelinkragen platziert war. Christabel mochte das Zimmer nicht, sie fühlte sich von diesen grimmig blickenden Vorfahren beobachtet und beurteilt.

Zu ihrer Überraschung frühstückte ihre Mutter heute nicht im Bett, sondern saß neben ihrem Ehemann am Frühstückstisch. Was mochte das nur zu bedeuten haben? Christabel hatte gelernt, jegliche Abweichung von der täglichen Routine als Bedrohung zu betrachten. Denn zumeist ging damit der Versuch ihrer Mutter einher, Christabel einen passenden Ehemann unterzujubeln. Daher wappnete sie sich innerlich, während sie freundlich lächelte.

Nachdem sie ihrer Familie einen guten Morgen gewünscht hatte, suchte sie sich einige Leckerbissen am Büfett. Verführerisch dufteten Würstchen und Speck, die auf Warmhalteplatten brutzelten. Pochierte Eier, Toast und zwei Scheiben Schinken – mehr gönnte Christabel sich nicht, weil sie sonst einen tadelnden Blick ihrer Mutter geerntet hätte.

Sie setzte sich neben Dahlia, ihre jüngere Schwester, und bestrich eine Toastscheibe dünn mit Butter. Warum nur schwiegen die Mitglieder ihrer Familie? Hatten sie etwa von Nicholas erfahren? Christabel ließ das Messer sinken, um das Zittern ihrer Finger zu verbergen.

»Ich habe Dudley Gillet gestern im Klub getroffen«, sagte ihr Vater betont beiläufig. »Er hat sich nach dir erkundigt.«

Alastair Mowgray schenkte seiner ältesten Tochter ein schmallippiges Lächeln. Jeder Zoll ihres Vaters gab ihn als »Landedelmann« zu erkennen. Seine hochgewachsene Gestalt wirkte sportlich und hager wie die eines Mannes, der viel Zeit auf dem Pferderücken zubrachte. Die kräftige Nase hatten glücklicherweise weder Christabel noch Dahlia geerbt. Das braune Haar trug er akkurat kurz geschnitten, das Kinn und die schmalen Wangen waren glatt rasiert. Langsam schlichen sich erste Strähnen von Grau in seine Haare, was ihm ein noch distinguierteres Aussehen verlieh.

Sie seufzte kaum hörbar. Das Manöver ihres Vaters war einfach zu durchsichtig. Warum nur hatte er sich in Fragen ihrer möglichst baldigen Heirat auf die Seite ihrer Mutter geschlagen? Schlimm genug, dass Rosalind Mowgray Christabel jeden Tag zu einem Besuch bei passenden Familien zerrte, damit sie dort begutachtet werden konnte wie eine Zuchtstute. Sicher, es war ungewöhnlich, dass Christabel bisher jeden Heiratsantrag ausgeschlagen hatte, obwohl einige vielversprechende Kandidaten darunter gewesen waren. Aber konnten ihre Eltern nicht begreifen, dass ihr die Liebe wichtiger war als eine gute Partie?

»Dudley ist ein furchtbarer Langweiler.« Christabel hielt den Blick stur auf ihren Teller gerichtet, weil sie fürchtete, dass ihre Miene sie verraten würde. »Er kann sich nur über Pferde und die Jagd unterhalten.«

Nun schaute sie ihren Vater direkt an und lächelte, um ihre Worte abzumildern, aber das half nichts. Als sie ihm Widerworte gab, kniff er die ohnehin schmalen Lippen zusammen, bis sie einen Strich bildeten. Die Falte zwischen seinen Augenbrauen vertiefte sich und er verengte die grauen Augen.

»Der junge Gillet ist eine gute Partie«, mischte sich nun, wie zu erwarten, ihre Mutter ein. Hinter Rosalind Mowgrays Lächeln verbarg sich die schlecht verhüllte Absicht, ihre älteste Tochter endlich angemessen zu verheiraten. Schließlich war Christabel bereits 22 Jahre alt und auf dem besten Weg, als alte Jungfer zu enden. Christabels unpassendes Benehmen verschlechterte die Heiratsaussichten für Dahlia, die in dieser Saison ihr Debüt gegeben hatte und nun, ebenso wie Christabel, jeden Tag zu Besuchen geschleppt wurde. Dahlia allerdings genoss den Heiratszirkus und konnte es kaum erwarten, die Ehe zu schließen. Ihr stellte sich nur die Frage, wen sie heiraten wollte, nicht ob.

»Lieber bleibe ich unverheiratet, als mein Leben in tödlicher Langeweile zu verbringen.« Christabel stieß ein undamenhaftes Schnauben aus. Selbst wenn sie nicht in Nicholas ihre große Liebe gefunden hätte, wäre Dudley niemals infrage gekommen. »Tante Lavinia führt ein viel spannenderes Leben als wir.«

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, was Christabel sehr deutlich machte, wie stark ihre Worte gegen die guten Sitten verstießen. Manchmal hasste sie es unglaublich, eine Angehörige des Adels zu sein, für die Hunderte von Benimmregeln galten. Die meisten von ihnen entstammten dem letzten Jahrhundert und hatten nach Christabels Auffassung nur die Aufgabe, Frauen zu einem langweiligen Leben zu verdammen. Ihre Eltern hingegen sahen darin die Basis des Funktionierens ihrer Gesellschaft, was immer wieder zu Konflikten führte. Weil sie ihre Eltern liebte, bemühte Christabel sich meistens, diese Streitigkeiten zu vermeiden, aber die Vorstellung, mit Dudley Gillet verheiratet zu werden, hatte sie diese Vorsicht vergessen lassen.

»Deine Tante kann sich ihren unkonventionellen Lebensstil nur leisten, weil sie durch das Erbe ihrer Patentante abgesichert ist.« Rosalind kniff die Lippen zusammen. »Wie würdest du dein Leben bestreiten wollen?«

»Wenn ihr mir erlauben würdet zu studieren, fände ich bestimmt etwas, mit dem ich meine Eigenständigkeit sichere.« Obwohl sie dieses Gespräch oder ein ähnliches bestimmt mehr als ein Dutzend Mal geführt hatten, konnte Christabel ihren Mund einfach nicht halten. »Frauen sollten mehr Möglichkeiten haben, als nur zu heiraten.«

Ihre Eltern wechselten einen Blick, wie ihn Christabel nur zu gut kannte. Falls sie nur einen winzigen Funken Hoffnung gehegt hatte, ihre Familie von ihrer Liebe zu Nicholas überzeugen zu können, starb er nun einen schnellen Tod.

»Mit deinen Reden verdirbst du mir jegliche Chance auf eine gute Partie«, mischte sich nun auch noch Dahlia ein.

---ENDE DER LESEPROBE---