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Im unendlichen Weltraum lauert eine tödliche Gefahr: Autoritäre Mächte versuchen die kommende Mondlandung der Vereinigten Staaten von Amerika zu sabotieren. Um die Verschwörung aufzudecken, wird ein spezielles Crewmitglied ins Astronautenteam der NASA eingeschleust. Doch der Showdown im All wird alles verändern. Ein packender Spionagekrimi mit Achille Corso und Pentesilea Orsini. Buchtrailer: https://youtu.be/E0GGxo--mb4
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Seitenzahl: 180
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Alexander P. Dyle
Eireen M. O’Brien
Tod im Weltall
Kriminalroman
Astronaut John Glenn, der erste Amerikaner im Weltall. Damals dauerte eine Mission noch knapp 5 Stunden © 1
Artemis-Mondmission Logo 2
Ein leichtes Schütteln, eher ein Vibrieren des unmittelbar bevorstehenden Infernos, erfasste den ganzen Körper von Dottoressa Pentesilea Orsini.
„Wird schon schiefgehen…“ dachte die zierliche Italienerin mit blonden Haaren und auffallend blassem Teint.
„Zahlreiche Menschen beneiden mich aktuell um meinen Platz in der Crew des Artemis Testfluges. Auch wenn das nur ein eilig einberufener Testflug vor der erneuten Mondlandung der westlichen Staatengemeinschaft darstellt…“ dachte Orsini.
Ein weiteres Rütteln auf dem Kennedy Space Center in Cape Canaveral gab die unmissverständliche Botschaft durch: Treibstoff-Versorgung ist nun abgehängt. Ohne einen besonderen Grund seitens der Bodenkontrolle in Houston oder der Crew würde nun nichts mehr den Start der Rakete aufhalten.
Alles war erst ganz kurzfristig so zusammengewürfelt worden. Zum einen das erneute Mondlandungsprogramm: Von einer Zusammenarbeit der Menschheit zur friedlichen Erforschung des Weltalls waren die Staaten vor einigen Jahren abgerückt. Alles erinnerte an einen neuen Space Race – zuerst zum Mond und dann gleich weiter zum Mars. Natürlich musste das aus politischen Gründen von den Vereinigten Staaten gewonnen werden. Um der Welt die technologisch-politisch-moralische Überlegenheit der demokratischen Rechtsstaaten gegenüber den autoritären Regimen des Ostens zu zeigen. Etwa so hatten sich Vertreter der Regierung vor einem Jahr bei Pentesilea Orsini und ihrem Verlobten, dem Privatdetektiv Achille Corso ausgedrückt. [2]
„Gut, eigentlich bin ich nur Mission Specialist. Was man früher bei Segelexpeditionen des 18. Jahrhunderts als akademischen Ballast zur Austrimmung des Whitby-Kohlefrachtschiffes mitführte. Also die Zeichner und Wissenschaftler, die eine Expedition begleiten und ihr einen akademischen Anstrich geben. Aber wenn es hart auf hart kommt, verzichtbar sind…“ dachte Pen bei sich, so wurde sie von ihrem Verlobten und Freunden meistens genannt.
Vor einigen Stunden hatte der Tag X mit einem Frühstück begonnen. Das Frühstück vor einem Weltraumflug ist eine kritische Sache. Wenn man zu wenig Nahrung zu sich nahm, war man flau und hatte beim Start eine Energiekrise. Wer zu viel oder zu reichhaltig Nahrung zu sich nahm, der kotzte in der Regel seinen Anzug voll.
Bei den ersten Mondflügen der Apollo-Missionen der 1960er Jahre, die knapp die 1970er Jahre erreichten, war das Essen im Weltall bereits eine grosse Sache geworden. Vorbei waren die Zeiten von suborbitalen Flügen: Bei John Glenn hatte der erste Weltraumflug eines Amerikaners vier Stunden, 55 Minuten und 23 Sekunden an Bord von Mercury-Atlas 6 gedauert. Juri Gagarin flog sogar nur einmal rund um die Erde in 108 Minuten, inklusive die Landung. Da musste man sich außer etwas Wasser und ein Sandwich nicht viel mitnehmen. Nur hatte sich beim damaligen Space Race gezeigt, dass Essen im Weltraum und auf dem Mond keineswegs einfach war. Brotkrümel in der Kabine waren eine echte Gefahr für die Elektronik. Und die Aufenthalte im All wurden immer länger. Die Mondlandung von Apollo 11 war eine Expedition von 8 Tagen, 3 Stunden, 18 Minuten und 35 Sekunden. Die längste Apollo-Mission war Apollo 15 mit 12 Tagen, 7Stunden, 11 Minuten und 53 Sekunden.
Damit wurde die Ernährung wichtig. Für die kommenden Reisen zum Mars wird mit noch viel, viel längerer Reisezeit gerechnet [3].
Je nach Position der Erde zum Mars rechnet die NASA mit fünf bis sieben Monaten. Für eine Reiserichtung versteht sich. Bei so langen Aufenthalten im Weltall und einem fremden Planeten wird die Nahrung zum entscheidenden Faktor. Schlechtes Essen lässt die Crewmoral auf gefährliche Level absinken, unausgewogenes Essen macht die Crew krank und der nächste Arzt ist Millionen Kilometer entfernt. Daher muss Weltraumessen nicht nur haltbar sein, nicht krümeln, sondern auch wohlschmeckend und abwechslungsreich sein.
In der Weltraumstation ISS wurde daher auch eine weltalltaugliche Espresso-Maschine entwickelt, die den Namen ISSpresso erhielt und die erste Italienerin im Weltall, Samantha Cristoforetti berühmt machte, wie sie in einem Star Trek-Kostüm einen Kaffee trank.
„Die erste Italienerin im All musste sich noch gegen 8400 Mitbewerber durchsetzen – während mir die NASA, eigentlich genauer die CIA regelrecht nachrannte. Und alles nur weil sie eine Agentin im Weltraum brauchen, um eine Sabotage zu verhindern.“ reflektierte Pen Orsini.
Darum wurde Pentesilea Orsini als Ernährungsspezialistin in diesem Testflug mitgenommen. Frauen gelten für die Marsmissionen als besonders wichtig. Für die psychologische Balance der Crew und weil Frauen kleiner und leichter sind (enorm wichtig, wo jedes Gramm zählt) und auch weniger Ressourcen verbrauchen. Zudem war auch das amerikanische Weltraumprogramm nicht von einer genderpolitischen Politik verschont gewesen. Bei einer Vierpersonencrew muss mindestens eine Frau dabei sein, noch besser zwei.
„Darum wurde ich selektioniert, zusammen mit der Australierin Allison J. Carpenter (Command Module Pilot), der Ersatzcrew Command Module Pilotin Alexandra Thiele aus Deutschland und einer japanischen Missionsspezialistin namens Mariko Yamamoto…“ dachte Pen als der Beginn des Countdowns von der Bodenstation angekündigt wurde.
„T minus ten minutes and counting.“ verkündete die Astronautin Thiele.
Sie war nur dabei, weil Carpenter vor drei Tagen mit Lebensmittelvergiftung ausfiel.
„Ein riesiges Pech für Carpenter – wenn es denn wirklich eine Panne bei der Nahrungsaufnahme war. Was wenn es Sabotage war? Die ganze Ausbildungs- und Trainingsphase hatte verschiedene seltsame Vorfälle gehabt. War der Saboteur entgegen aller Vorsichtsmaßnahmen doch an Bord?“ dachte Pen, sagte aber nichts, da ihre Rolle streng geheim war. Offiziell war sie ein Wissenschaftsoffizier wie Mr. Spock – mit blauer Star Trek-Uniform. Im Gegensatz zu den Technikern der Serie überleben die Blauen die Missionen, da sie als tragende Figuren weiterhin gebraucht wurden.
Die Weltraumanzüge für die Artemis-Missionen sind zwar alle orange gehalten und die EVA-Anzüge in blau-weiß (EVA Extra Vehicular Activities, Außenbord-Einsatzanzug für den Weltraum oder die Mondoberfläche).
Das Anziehen der Anzüge war bereits mehrere Stunden her. Zuvor waren alle noch in den Bathroom geflitzt und hatten alles was sie konnten „entsaftet“.
Pen hatte ein eher bescheidenes Frühstück zu sich genommen. Tee statt Kaffee, etwas Brot, etwas Rührei und ein Steak – das war die Tradition bei der NASA.
Nach dem Ausfall von Carpenter war die ganze Crew äußerst vorsichtig. Eine weitere Rochade im Team würde es nicht geben können. Dann müsste der Testflug abgesagt werden.
Der Countdown rief alle zurück in die Gegenwart. Oft sind Leute auffallend still, verkriechen sich in Erinnerungen, um sich nicht vorzustellen, dass sie in einer Kapsel auf vielen Tonnen hochexplosiven Raketentreibstoff festgeschnallt sind.
Kurioserweise war es der kontroverse US-Präsident Donald Trump gewesen, der die Mars-Landung bis zum Ende seiner nicht stattgefundenen zweiten Amtszeit vorgesehen hatte. Die passende Gesichtsfarbe für die Marsmission hatte sich der Präsident bereits zugelegt. Als ihm die NASA erklärt hatte, dass bis 2024 ein Marsflug unmöglich war, hatte Trump die Executive Order Space Policy Directive No 1 herausgegeben, bei der er die NASA anwies, sich auf eine möglichst baldige Mondlandung zu konzentrieren.
Jetzt standen die neuen bemannten Raumflüge unmittelbar bevor und die NASA wollte das gesamte Equipment noch einmal unter Weltraum-Bedingungen testen.
Der Testflug würde 4 Tage im Erdorbit kreisen und das Herausziehen der Landungskapsel würde in der Schwerelosigkeit getestet. Ebenso mehrere Außenbordeinsätze mit den neuen Weltraum-Außenbord-Anzügen.
Pen bedauerte, dass im Erdorbit der Mond-Rover nicht dabei war.
„T Minus 60 Seconds“ wurde aus dem Lautsprecher in die Kapsel übertragen. Als Missionsspezialistin saß Pen unterhalb des Kommandanten und der Command Module Pilotin. Neben Pen war der LEM-Pilot Kenneth P. Fisher. Da keine Mondlandung vorgesehen war, sondern lediglich Ankoppelungsmanöver, war er ebenfalls von untergeordneter Bedeutung auf diesem Flug.
Dann begann die Leistung der Triebwerke rapide anzusteigen, das Rütteln und vibrieren wurde stärker.
„T minus 10, 9, 8, 7…“
Pen dachte daran, wie vor mehr als einem Jahr alles begonnen hatte….
Orion-Patch © 3
Vor etwas mehr als einem Jahr blätterte Pentesilea Orsini in einem Wissenschaftsmagazin. Ihre Aufmerksamkeit blieb bei einem Artikel hängen, welcher den bald bevorstehenden erneuten Flug zum Mond thematisierte.
Wie schon damals beim Apollo-Programm sollte ein bemannter Raumflug die Astronauten zuerst zum Mond bringen und diesen umkreisen. Jedoch sollte noch keine Landung erfolgen.
Neu besteht die Crew der Artemis-Mission nicht mehr aus drei, sondern aus vier Besatzungsmitgliedern. Auf dem Flug zum Mond sind nun ein Kommandant, ein Pilot und zwei Missionsspezialisten dabei.
Die Kapsel mit dem schönen Namen Orion würde eine Crew in 4 Tagen zum Mond bringen. Die Rückreise wird ebenfalls mit 4 Tagen angesetzt und je nach Aufenthaltsdauer der Mission kann eine solche bis 21 Tage dauern.
Der Artikel befasste sich auch intensiv mit der Rolle der Frauen in der Weltraumforschung, ein Thema das Pentesilea Orsini sehr gefiel. Nicht nur, dass Frauen, alle Funktionen im Weltall genauso gut erfüllen könnten wie Männer, sondern weil es im Hinblick auf die extrem langen Flüge zum Mars auch handfeste praktische Gründe gab. Der Artikel rechnete vor, dass Frauen weniger Ressourcen brauchen und weniger Gewicht aufweisen. Im Weltall, wo jedes Gramm Ausrüstung das hochgeschossen werden soll sich direkt in zusätzlichen Raketentreibstoff umrechnen lasse, sei das ein unbestreitbarer Faktor.
Weil zusätzliches Gewicht nicht nur mehr Treibstoff bedeutet, sondern der Treibstoff auch ein Eigengewicht hat und die Vergrößerung der Tanks ebenfalls das Gewicht erhöhen, summiert sich das Problem hoch.
Pro Kilogramm Gewicht kommt man schnell auf etwa 103 Kilogramm Treibstoff für einen Flug zu einer erdorbitalen Raumstation wie die ISS. [4]
„Ist der Artikel lesenswert?“ fragte Achille Corso, seines Zeichens Privatermittler und Mediziner.
„Sehr mein Schatz, die Weltraumforschung interessiert mich außerordentlich…“ sagte Pen.
Die neue Weltraumtechnik sah daher vor, dass die SLS-Rakete für die Flüge tief in den Weltraum auch Frachtvarianten haben sollte. Für eine Marslandung musste eine vorgängige Rakete für die Rückkehr vom Mars auf dem roten Planeten gelandet werden. Denn der Mars ist zwar nur etwa halb so groß wie die Erde und die Masse des Mars ist sieben Mal geringer – doch im Vergleich zum Mond, der nur ein Viertel der Größe der Erde hat und 81-mal weniger Masse - ist dieses Rückkehrproblem beträchtlich.
„Ach der Weltraum, dies wäre doch einmal ein Ort, wo man ein paar Tage wissenschaftliche Experimente durchführen sollte.“ schwärmte Pen.
„Das Astronautenessen soll doch recht speziell sein und Kaffee im Weltall ist wahrscheinlich grauenhaft…“ fand Achille Corso.
„Du hast wohl noch nicht von der ISSpresso-Maschine an Bord der ISS gelesen? Die soll richtig guten italienischen Kaffee machen…“ versprach Pen.
„Wirklich, ich habe da so meine Erfahrungen im Ausland gemacht mit Espresso-Maschinen, die…“
Das Klingeln des Telephons unterbrach Achille Corso. In der Hoffnung auf einen neuen Fall nahm er das Telephon an.
„Pronto?“
„Si, si, certamente…“
„Pen? Ja sie ist da, ich reiche den Anruf herüber…“
Achille Corso brachte das Telephon seiner Verlobten.
„Es ist Dyle, er hat einen vertraulichen Auftrag.“ flüsterte er.
„Pen Orsini ist am Apparat…“
„Hier ist Dyle, Wie geht es?“
„Hervorragend.“
„Genaue Angaben zum Auftrag kann ich am Telephon nicht machen. Wäre es möglich, wenn ich morgen Nachmittag mit jemanden zu Besuch vorbeikomme?“
„Ja, sicher. Ich werde etwas Gebäck vorbereiten.“
„Ideal, denn es wird um Essen gehen.“
Am kommenden Nachmittag fand sich Dyle pünktlich ein. Er hatte einen unscheinbar wirkenden Mann mit Brille und grauem Anzug mitgebracht. Pen und Achille schätzten den unbekannten Mann auf etwa 50 Jahre. Er hatte eine alte Ledermappe bei sich, welche ihm den Eindruck eines Schullehrers oder eines Versicherungsinspektors verlieh.
Sie begrüßten sich herzlich. Dann wandte sich Pen an den Unbekannten.
„Und sie sind…?“
„Bitte erst in der Wohnung und wenn sie den Fernseher eingestellt haben.“ flüsterte der Mann und huschte wie eine Katze hinein.
„Es hat alles seine Gründe.“ beruhigte Dyle die irritierte Pen.
Pen und Achille folgten den beiden in die Wohnung. Achille verschloss die Türe sorgfältig, und sah wie Pen im Wohnzimmer den Fernseher anstellte.
Sie wählte eine politische Diskussionssendung, in der Vittorio Sgarbi teilnahm. Das sollte für genügend Lärm sorgen, falls jemand versuchen sollte, das Gespräch zu belauschen. [5]
„Regen sie sich nicht auf, in Italien werden politische Debatten so geführt… Herr?“
„Blagan, Carl Henry Blagan.“ flüstertet der Mann.
„Angenehm, was kann ich für sie tun?“ sagte Pen.
Aus der Debatte am Fernseher brandeten die ersten Wutausbrüche ins friedliche Wohnzimmer „Questo cretino …economico dell cazzo…ignorante…porca putana…quatro stronzi…“ [5]
„Im US-Fernsehen würde das alles im Piep-Geräuschen zensuriert…“ meinte Blagan.
„Ich weiß, aber in Italien wären Politdebatten, wie das Abhören des Sputniks im Orbit - nur Gepiepe, sonst nichts…“ meinte Achille.
„Tipicamente inutile, tipicamente politico…Ex-communista…mafioso…faccia di m****a…“ ging der Lärm aus der Glotze weiter.
„Mit dem Stichwort Kommunisten haben wir einen guten Anfang. Ich bin von der Regierung der Vereinigten Staaten. Einer dieser Dienste aus der Buchstabensuppe…“
„NSA oder CIA?“ fragte Achille
„CIA… und wir suchen eine Agentin für einen Spezialauftrag bei der NASA.“
„Wieso kommen sie nach Italien, gibt es nicht genügend Agentinnen in den USA?“ fragte Pen.
„Wir haben an verschiedenen Positionen unsere Agenten. Doch wir vermuten, es könnte ein Saboteur im Astronautenteam geben. Und wir müssen offiziell die gewünschte Politik aufrechterhalten. Daher brauchen wir eine Frau und jemand aus Europa. Also eine Ermittlerin die wir als ESA (European Space Agency) Mission Specialist vorstellen.“ erklärte Blagan unerwartet offen.
„Ist die Mission gefährlich?“ wollte Corso wissen.
„Wahrscheinlich nicht, die Aufgabe der Agentin ist es, den Spion zu enttarnen, dann übernehmen wir.“ sagte Blagan.
„Gibt es denn Hinweise, wer die Person sein könnte?“ wollte Dyle wissen.
„Leider nicht, wir haben die Personaldossier überprüft. Es gibt verschiedene Kandidaten aber keinen konkreten Hinweis.“ erklärte Blagan.
„Wie genau soll das alles ablaufen?“ wollte Pen wissen.
„Wir arrangieren ihre Selektion von der ESA, dann sind sie als Mission Specialist bei einem der zwei Teams dabei, die wir aus den möglichen Verdachtsfällen zusammengestellt haben. Sie trainieren zusammen in einer Marsstation in der Wüste von Arizona. Im Alltagsleben sollte es möglich sein, den Spion zu enttarnen. Am Ende der Ausbildung wird eines der Teams eine Testmission im All durchführen. Diese ist wichtig, aber nicht entscheidend für eine Mondlandung.“
„Also eine Fake-Mission?“ fragte Pen.
„Nein, nein, die Mission wird echt sein – nur halt ohne großen Medienrummel und ohne Flug zum Mond. Alles wird im Erdorbit getestet.“
„Können Sie nicht eine Italo-Amerikanerin einschleusen?“ fragte Corso.
„Wir vermuten, der Gegner kennt einige unserer Operative Agents. Es wäre fatal, wenn der Spion unsere Agentin enttarnen sollte.“ beschwor Blagan die Anwesenden.
„Und was wäre meine Aufgabe als Mission Specialist? Ich bin Forensikerin – nicht gerade ein Job, der auf der Mondlandung das total gesuchte Berufsbild ist…“ fragte Pen.
„Wir bauen ihnen eine V-Frau-Identität auf. Können Sie kochen?“ fragte Blagan, im Hintergrund tobte noch immer die Politdebatte.
„Selbstverständlich…Sie sind heute Abend zum Essen eingeladen. Das wirkt für einen allfälligen Beobachter dann ganz normal in Italien…“ sagte Pen.
„Die Frage mit dem Kochen hat einen Grund. Die NASA braucht eine Spezialistin für Space Food und wie man dieses abwechslungsreich und schmackhaft macht – insbesondere für die monatelangen Mars-Flüge.
„Legenden im Geheimdienstumfeld werden so gemacht, dass sie besonders glaubhaft sind, also eine Mischung aus Wahrheit und Erfindung, die jeder Nachprüfung standhalten wird. Nur so viel Erfindung wie unbedingt nötig.“ ergänzte Dyle.
„Wir haben ein fiktives Profil für unsere Agentin entwickelt: Eine Frau, wegen der Frauenquote und weil Männer gerne bei Frauen aus ihrem Leben erzählen und sich dabei verplappern. Zudem eine Akademikerin, aus Europa, geschult in detektivischer Ermittlung und Forensik – was wir bei der Legendenbiographie mit einem harmlosen Job verdecken.“ sagte Blagan.
„Und was wäre meine fiktive Biographie?“ wollte Pen wissen.
„Biologin und Ernährungsspezialistin. Biologie ist ein Ausbildungsteil bei der Forensik? “ fragte Blagan.
„Ja schon, aber eben nur ein Teil.“ sagte Pen ganz ehrlich.
„Es wird reichen, denn alle anderen Teammitglieder kommen aus Berufsfeldern ohne universitäre Biologiekenntnisse.“ beruhigte sie Blagan.
Inzwischen war die politische Debatte im Fernsehen zu Ende, die Teilnehmer hatten den Streit ohne Herzinfarkte überlebt.
Dankbar, den Lärm jetzt ausschalten zu dürfen, schaltete Achille Corso die Glotze aus.
Danach unterhielten sie sich über alltägliche Dinge auch über Biologie, nur für den Fall, dass jemand versuchte zu lauschen.
Am frühen Abend zog sich Pen in die Küche zurück. Die Ehre von Italien stand auf dem Spiel, schließlich zirkulierten seit ein paar Jahren Gerüchte, dass gewisse Klassiker der italienischen Küche eigentlich von Italienern in den USA erfunden wurden und dann nach Italien gekommen seien.
Pen durchsuchte die Vorräte. Spaghetti waren da, Cheri-Tomaten, Olivenöl natürlich und frische Venusmuscheln und weitere Meeresfrüchte. Das Hackfleisch war eingefroren und kam daher nicht in Frage.
Folglich trug Pen allen Besuchern Spaghetti alle Vongole auf.
„Für Fernreisen nicht geeignet, da die Muscheln ganz frisch sein müssen…“ sagte sie zum CIA-Agenten.
Blagan war schon nach wenigen Bissen davon überzeugt, dass Pentesilea Orsini eine glaubwürdige Spezialistin für die Optimierung des Weltraum-Essens abgeben würde.
„Exzellent…Fantastisch…“ lobte er die Kochkünste.
Der scheinbar graue Bürokrat taute an diesem Abend zunehmend auf und schien auch viel mehr Humor zu haben als sein Aussehen vermittelte. In seinem Job war Humor einfach nicht gefragt.
Schon am nächsten Tag begann Pen ihre Trainingseinheiten im Fitnesscenter stufenweise zu erhöhen und organisierte sich Literatur über Weltraum-Nahrung.
Zugleich nutzte Agent Blagan die Einflusskanäle des Geheimdienstes um ihr am Weltraumforschungsinstitut außerhalb von Rom eine Anstellung zu verschaffen.
Die dortigen Mitarbeiter nahmen das gelassen hin, da es den Eindruck machte, dass ein reicher Vater seiner Tochter eine Stelle verschaffe – was im Land des Stiefels weitherum als normal angesehen wird. Und wenn man aus der Familie Orsini kam, dann war die Frau sowieso als Schwarzer Adel auf das engste mit dem Vatikan verbandelt…
Pen und Achille konnten in der Tat die Familienbeziehungen nutzen und eine Wohnung im Palazzo organisieren, welcher 1712 im Besitz der Familie Orsini gekommen war.
Das Besondere am Palazzo der Orsini ist, dass er die früheren Wohnhäuser des Mittelalters ersetzte, die in der Ruine des Marcellustheaters gebaut worden waren.
Achille fand diese Wohnung in einem antiken Theater ganz passend, würde Pentesilea doch eine großartige Theaterrolle der Food-Spezialistin geben.
Die Wohnung im Palazzo war in mehrfacher Hinsicht ideal: Pen konnte mit ihrem Fiat Topolino Roadster in rund 40 Minuten vom Weltraumforschungsinstitut am Stadtrand von Rom nach Hause pendeln.
Achille war als Liebhaber der antiken Kultur im Herzen des Alten Roms. Nur neun Minuten zu Fuss zum Largo Argentina, mit der teilweise sichtbaren Kurie des Pompeius Magnus. Hier, direkt einen Meter hinter und unterhalb einer Bushaltestelle lag die berühmte Apsis. Genau hier wurde 44 vor Christus Julius Caesar ermordet.
Noch praktischer war, dass das legendäre Restaurant Giggetto nur zwei Minuten zu Fuss vom Marcellustheater aus zu erreichen war. [6]
Folglich konnte Pen bei Bedarf von dort ein Abendessen holen – oder Achille und Dyle dorthin zum Essen schicken, wenn es länger dauern sollte im Forschungslabor.
Denn Pen stellte nach wenigen Wochen fest, dass wenn sie sich den ganzen Tag mit Kochen und Essen im Labor beschäftigte, die Motivation proportional absank, nach Hause zu eilen und wieder zu kochen…
Nach der ersten Woche gingen Pen und Achille ins Giggetto und bestellten sich die frittierten Artischockenherzen als Vorspeise und Spaghetti Carbonara als Primo, gefolgt von Saltinbocca alla Romana und Patate fritte als Secondo.
Während sie auf das Essen warteten, begann Pen die Resultate ihrer Nachforschungen zu erzählen:
„Obwohl nur wenige Stunden unterwegs, hatte Juri Gagarin sogar ein Mittagessen dabei. Rate mal was es gab?“ fragte Pen.
„Borscht in Beuteln?“ sagte Achille in totaler Unkenntnis.
„Fleisch und Schokoladensauce.“ sagte Pen.
„Und wie hat er das Fleisch gebraten?“
„Gar nicht, es waren zwei Zahnpastatuben mit püriertem Fleisch und eine Tube mit Schokosauce. Die Tuben hat er in den Mund gequetscht.“
„Lecker…“ sagte Achille mit zynischem Ton.
„Kann ich zuhause auch mal machen, wenn dir das schmeckt…“ sagte Pen, ebenfalls zynisch.
„Aiuto…“
Dann servierte der Kellner die frittierten Artischockenherzen. Die Blätter waren durch das Frittieren knusprig und aromatisch.
„Mit dem Apollo-Programm haben die Amerikaner dann das Weltraumessen verbessert, weil nun in der Kapsel heißes Wasser zur Rehydrierung von gefriergetrocknetem Essen zur Verfügung stand. Neben mehr Essgenuss sollte die Nahrung auch gesünder werden.
Das rehydrierte Essen klebte am Löffel und konnte so problemlos gegessen werden. Dafür kämpfte man damals mit dem Geschmack. Um das Verdauungssystem nicht anzuregen, kochte man das Essen mit wenig Gewürzen.“
Inzwischen waren sie beim Primo angekommen und Pen versteckte den Salzstreuer, da ihr Verlobter nur allzu oft zum Streuer griff, um sein Essen zu versalzen.
„Wie würzt man eigentlich im Weltraum?“ fragte Achille während er den Salzstreuer suchte…
„Pfeffer wird mit Olivenöl gemischt als Würzflüssigkeit heutzutage mitgeliefert…“ sagte sie unschuldig.
„Und Salz?“
„Das habe ich noch nicht herausgefunden, möglicherweise gibt es im Weltraum kein Nachsalzen…“
Da das Salz verschwunden war, griff Achille zum Weinglas. „Was wird eigentlich von den Astronauten getrunken?“
Pen überlegte einen Moment, nahm ihrerseits ihr Weinglas und prostete ihrem Verlobten zu.
„Leider keinen Wein, das wird meine Kochexperimente unangenehm einschränken…. Im Weltraum sind die Getränke als gefriergetrocknete Mischungen mitgenommen worden. Auf den Apollo-Missionen gab es Kaffee, Tee, Limonade und Orangensaft…“ sagte Pen.
„Und wie gibt man Zucker oder Milch in den Kaffee?“
„Gar nicht, je nach Präferenz ist der Kaffeebeutel bereits mit Sahne und Zucker versehen.“
Danach kehrte die Aufmerksamkeit wieder dem Essen im Restaurant zu bis zur Pause, wo sie auf den Secondo warteten.
„Muss das Essen eigentlich irgendwie genehmigt werden?“ fragte Achille.
„Um als weltraumtauglich zertifiziert zu werden, muss ein Menü eine gigantische Administration zur Zertifikation durchlaufen. Zum einen den Test zur physiologischen Eignung: Das Essen muss hohe Ernährungswirkung haben, leicht verdaulich sein und wenn möglich auch noch schmackhaft. Dann muss das Essen lange lagerbar sein, gut zu verpacken und sehr einfach zu servieren sein. Zudem soll das Essen möglichst wenig Abfall hinterlassen.“
Der Kellner brachte Saltinbocca alla Romana und Patate fritte.
„Ich versuche, mit Saltinbocca zu experimentieren, aber der Zahnstocher zur Befestigung des Salbeiblattes und des Parmaschinkens kann ich mir bereits abschminken…“ erzählte Pen.
„Und die Marsala-Sauce als Bratenfond?“ fragte Achille.
„Vermutlich auch, obschon es einen Präzedenzfall für Wein bei der NASA gibt.“ erklärte Pen.
„Lass mich raten. Religion als Ausnahme.“
„Genau. Buzz Aldrin nahm bei der Mondlandung von Apollo 11 auf dem Mond das presbyterianische Sakrament des Heiligen Abendmahls ein.“ erzählte Pen, dann kramte sie in ihren Unterlagen und zog einen Zettel hervor.