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Der neue Hochtaunus-Krimi von Alex Sassland!
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Tod in der Großen Kurve
Alex Sassland
Buchbeschreibung:
Eine Renovierung. Eine Mumie. Ein Familiendrama.
Die Handwerker reißen eine Wand im Handarbeitsladen heraus, hinter der sich ein jahrzehntelang verschlossener Raum öffnet. Eine Sammlung vergilbter Skizzen, Notizen, Zeitungsausschnitte und ein Brief rühren an alte Ereignisse.
Ein entsetzter Schrei. Eine Mumie liegt in einem der Nebenräume!
Was ist hier passiert? Haben die verstaubten Unterlagen mit dem Toten zu tun?
Kommissar Maurer sucht in alten Vermisstenmeldungen. Jules versucht, in ihrer eigenen Verwandtschaft ein lange gehütetes Geheimnis aufzudecken.
Über die Autorin:
Alex Sassland lebt und arbeitet im Hochtaunus, einer der schönsten Mittelgebirgslandschaften Deutschlands, nördlich von Frankfurt am Main.
Reizvolle Natur und idyllische Ortschaften, Radio- und Zeitungsmeldungen sowie Begegnungen setzen den Rahmen für ihre Regional-Cosy-Krimis.
Tod in der Großen Kurve
Hochtaunus-Krimi (2)
Alex Sassland
1. Auflage © 2020
Alex Sassland – alle Rechte vorbehalten.
c/o
Kerstin Büttel,
Obernhainer Weg 30
61273 Wehrheim
E-Mail: alex.sassland(at)gmail.com
Website: www.alex-sassland.de
Coverfoto: dirkb-foto.de
Dies ist ein fiktives Werk. Namen, Charaktere und Ereignisse entspringen der Fantasie der Autorin. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und zufällig. Einige Orte, Straßen, Plätze sowie Geschäfte gibt es zwar, aber sie dienen als Inspiration und werden fiktiv verwendet.
Inhaltsverzeichnis
19857
Kapitel 1 (2016)10
Kapitel 2 (2016)15
Kapitel 3 (1985)18
Kapitel 4 (2016)20
Kapitel 5 (1985)24
Kapitel 6 (2016)28
Kapitel 7 (2016)37
Kapitel 8 (1985)40
Kapitel 9 (2016)44
Kapitel 10 (1985)53
Kapitel 11 (2016)59
Kapitel 12 (2016)68
Kapitel 13 (2016)72
Kapitel 14 (1985)77
Kapitel 15 (2016)81
Kapitel 16 (2016)85
Kapitel 17 (2016)88
Kapitel 18 (2016)95
Kapitel 19 (1985)100
Kapitel 20 (2016)103
Kapitel 21 (2016)119
Kapitel 22 (1985)120
Kapitel 23 (2016)124
Kapitel 24127
Kapitel 25134
Kapitel 26141
Kapitel 27146
Kapitel 28152
Kapitel 29157
Kapitel 30167
Kapitel 31178
Kapitel 32181
Kapitel 33184
Kapitel 34190
Kapitel 35194
Kapitel 36197
Kapitel 37203
Kapitel 38213
Epilog216
Haupt- und Nebendarsteller218
1985
Robert Wolf nahm die Kopie des Original-Briefes an sich. Solche Aufträge erledigte er nur ungern, aber er brauchte jede Mark. Gerade hatte er sich sein Traumauto, einen Audi 90 Quattro gekauft, in Rallye-Ausführung. Der musste abbezahlt werden.
Die Hinweise, die Dr. Wilhelm Sandner ihm gegeben hatte, waren dürftig. Nur der Wohnort und die Namen waren bekannt. Keine Adresse. Das mache es interessanter, behauptete er, und bot ihm auch noch eine Wette darauf an, wie lange er für den Einsatz brauchen würde. So ein Blödsinn.
Er fuhr am späten Nachmittag über die Saalburg nach Wehrheim und ging erstmal ins Gasthaus ›Zum Taunus‹. Wirtshäuser waren in kleinen Ortschaften die beste Informationsquelle. Die Stammgäste waren zwar meist nicht sehr redselig, aber er verstand es durchaus, brauchbare Informationen aus ihnen herauszuholen. Ein paar Tassen Kaffee, etliche Bierchen und einige Schnäpse später kannte er die ganze tragische Geschichte.
Es war spät geworden. Trotzdem ging er zunächst an Irene Klausners Handarbeitsladen vorbei. Er war schon geschlossen, aber nebenan brannte noch Licht. Er klopfte an eine Scheibe und eine Stimme forderte ihn auf, um das Gebäude herum in den Hof zu kommen. In einer schmalen Tür stand ein alter Mann und sah ihn fragend an.
»Kommen Sie schon rein, junger Mann. Draußen ist es saukalt und ich will nicht für ganz Hessen heizen. Was wollen Sie?«, fragte er über die Schulter, schon wieder im Hineingehen begriffen. Wolf folgte ihm und hörte, wie die Tür mit einem Klicken hinter ihm ins Schloss fiel.
Offenbar war das eine Werkstatt oder besser, eine ehemalige Werkstatt, denn es gab kaum noch Mobiliar. Ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl. Ein paar Werkzeuge und ein schmales Buch lagen auf dem Tisch. Eine einzelne Glühbirne verbreitete nur wenig Licht. Und warm war es hier. Der Alkohol, den er zwecks Informationsgewinnung konsumiert hatte, machte sich schlagartig bemerkbar. Er schwankte leicht und der Alte sah ihn misstrauisch an. Er riss sich zusammen und zog die Briefkopie aus seiner Jackentasche.
»Ja, wissen Sie, ich bin Privatermittler. Wolf, Robert Wolf. Ich bin beauftragt, ich meine, ich suche die Erben von Liliane und Roman Hammer. Wenn es welche gibt, heißt das, natürlich. Das ist ja so eine tragische Geschichte! Beide bei einem Unfall umgekommen. Im Taunus haben sie erzählt, dass sie eine Tochter haben, die jetzt bei einer Irene Klausner lebt? Wissen Sie, wo ich die finden kann? Ich muss dringend mit ihr sprechen, sie hat eine große Erbschaft, die auf sie wartet. Eine sehr große Erbschaft sogar. Stellen Sie sich vor, ein Gemälde von Monet! Das ist ungeheuer wertvoll. Bestimmt Millionen! Es gibt schon seltsame Testamente, muss ich sagen. Eigentlich hätte Roman Hammer das erben sollen, aber nur, wenn er noch verheiratet wäre mit, wie hieß sie noch gleich – Liliane, komischer Name.« Er unterstrich seine weitschweifige, leicht lallend vorgebrachte Erläuterung mit ausladenden Armbewegungen und verlor das Gleichgewicht. Im Fallen riss er den Tisch um. Benommen blieb er auf dem Rücken liegen.
Es wurde dunkel um ihn herum.
Kapitel 1 (2016)
Der Oktobertag versprach golden zu werden, und er hatte ganz normal angefangen.
Laufen, duschen, Joghurt mit Heidelbeeren und Hafer-Crunchies, Kaffee mit viel Milch, Morgenmagazin im Fernsehen und das Usinger Anzeigenblatt vom Samstag. Heute hielt sich Jules Klausner allerdings nicht lange damit auf. Sie band sich ein Tuch um die Haare, zog alte Klamotten an und schlüpfte in ein paar feste Stiefel. Ein prüfender Blick in den Spiegel im Flur zeigte, dass ihre kräftige Figur durch diese Kleidung eher ungünstig betont wurde, aber das war ihr heute egal. Sie schnappte sich Jacke und Tasche und fuhr zu ihrem Handarbeitsladen in der Hauptstraße von Wehrheim. Hier waren die Renovierungsarbeiten in vollem Gange. Der ursprüngliche Verkaufsraum im vorderen Teil des Gebäudes war schon fast fertig.
Heute sollte endlich der Mauerdurchbruch zum hinteren Teil des Gebäudes erfolgen.Die alten Grundrisspläne zeigten einen großen Raum und zwei kleinere, die vor langer Zeit einmal eine Einheit mit dem jetzigen Laden gebildet hatten. Wann der Durchgang zugemauert worden war, ließ sich nicht mehr rekonstruieren. Diese Räume passten perfekt zu ihrem Ausbauvorhaben.
Wie immer gab es ihr einen Stich, wenn sie an ihre gemeinsamen Pläne dachte. Sie vermisste Irene Klausner schmerzlich. Sie war ihre Großtante gewesen und hatte sie nach dem tödlichen Unfall ihrer Eltern vor mehr als dreißig Jahren aufgenommen und wenig später adoptiert.
Wenige Wochen zuvor hatten sie diese Räume zusätzlich angemietet, sie aber bisher nicht besichtigen können, weil es angeblich keinen Schlüssel für die einzige Tür gab.
Jules war die Entscheidung leicht gefallen, als Irene ihr vorgeschlagen hatte, den Wehrheimer Handarbeitsladen künftig gemeinsam zu führen, ihn zu modernisieren und zu vergrößern. Wenige Tage später war sie in ihrem Obstgarten von der Leiter gestürzt.
Nach Irenes Tod hatte sie in dem Chaos dann vergessen, dem Vermieter zu sagen, dass er ein neues Schloss einbauen lassen solle.
Die Handwerker entluden gerade den Lieferwagen. Es ging ihr heute alles nicht schnell genug. Ihr Puls hatte sich merklich beschleunigt, das war bestimmt die Neugier darauf, was sie dort finden würde.
Ungeduldig verfolgte sie die Vorbereitungen. Von der Eingangstür aus sah sie zu, wie einer der Männer den Umriss des Durchbruchs entlang der deutlich sichtbaren Füllung des alten Durchlasses markierte und dann mit mächtigen Vorschlaghammerschlägen zielgenau die Mauer zerschmetterte. Der Putz zerplatzte in tausend kleine Brocken, die Mauersteine splitterten mit einem ohrenbetäubenden Krachen und polterten in großen Stücken zu Boden.
Schlagartig war der ursprüngliche Verkaufsraum des Ladens mehr als doppelt so groß. Fahles Licht fiel durch die gelblichen Riffelglas-Scheiben an der rechten Seite.
Sobald sich der Staub etwas gelegt hatte, wollte sie unbedingt die Erste sein, die die alten Räume betrat. Erwartungsvoll drängte sie sich an den Handwerkern vorbei, die schon angefangen hatten, die Brocken in eine Schubkarre zu schaufeln. Sie stolperte und tastete sich dann etwas vorsichtiger über den Schutt in den Durchgang. Sie sah sich um.
Durch ein kleines Fenster links an der Seite zum Hof fiel etwas Sonnenlicht in den großen Raum, einige Staubpartikel tanzten noch in der Luft. Daneben befand sich eine schmale Tür, die auf den Hof führen musste. An der rechten Seite lehnten ein paar Bretter zwischen den Fenstern, ein verbeulter Blecheimer lag in der Ecke. An der Schmalseite gegenüber dem Durchbruch befand sich ein dunkelbrauner Schrank. Von der Decke baumelte eine Fassung mit einer Glühbirne, mitten im Raum stand ein Holztisch mit einem Stuhl. Alles war mit einer dicken Staubschicht überzogen.
Sie bewegte sich langsam durch den Raum, um möglichst wenig Schmutz aufzuwirbeln. Auf dem Tisch lag ein dünnes Buch.
Sie beugte sich vor, konnte aber nichts erkennen. Behutsam hob sie den Einband an und sofort stob eine kleine Wolke auf. Sie nieste, wirbelte noch etwas mehr Staub auf, kniff die Augen zusammen und blinzelte.
Auf der ersten Seite des Buches stand ›Notizen‹ und die Jahreszahl 1985. Dann lag das schon mehr als dreißig Jahre hier? So lange war anscheinend niemand in diesem Raum gewesen. Eine richtige Zeitkapsel!
Sie ging vorsichtig weiter zum Schrank. Die Türen hingen schon so schief in den Angeln, dass sie gar nicht mehr geschlossen werden konnten.
Jules öffnete beide Flügel und musterte das Schrankinnere. Sie sah zwei flache Pappschachteln, ausgebeult und mit Wasserflecken. In der oberen lagen vergilbte Zeitungsausschnitte. Die andere hatte einen Deckel. Sonst war der Schrank leer.
Jules nahm beide Schachteln heraus und wandte sich wieder dem Tisch zu. Mit der freien Hand hob sie vorsichtig das Buch auf und versuchte, den gröbsten Staub abzuschütteln, ohne allzu viel davon aufzuwirbeln. Das gelang nur teilweise, da das alte Notizbuch einen Einband aus Stoff hatte. In den hatte sich der Staub regelrecht hineingefressen.
Sie sah sich noch einmal im Raum um, aber mehr gab es hier nicht.
Kapitel 2 (2016)
Jules ging rasch an den Handwerkern vorbei, die schon ungeduldig darauf warteten, dass sie weitermachen konnten. Draußen im Hof setzte sie sich auf die Bank und legte das Notizbuch und die geschlossene Schachtel neben sich. Die Zeitungsausschnitte fand sie viel interessanter.
Sie nahm den ersten aus der offenen Box. Der leichte Wind blies eine Handvoll feine Krümel weg, zum Glück an ihr vorbei. Leider war auf diesem Ausschnitt nur ein Ort, aber kein Datum zu sehen. Es ging um eine polizeiliche Ermittlung, die eingestellt worden war, weil es keine Hinweise auf Manipulation gegeben habe. Das Papier war vergilbt und brüchig. Der zweite Ausschnitt befasste sich mit einem Unfall in der sogenannten »Großen Kurve«, einer Serpentinenkurve auf der Straße zum Sandplacken, bei dem zwei Menschen zu Tode gekommen waren. Allerdings wurden keine Namen genannt. Auch hier kein Datum, nur der Ort.
Mit wachsendem Unbehagen nahm sie den nächsten Ausschnitt aus der Schachtel. Dieser war eine halbe Zeitungsseite groß und zeigte den Aufmacher des Usinger Anzeigers am 12. November 1984.
Jules wich die Farbe aus dem Gesicht. Sie musste heftig schlucken. Das war der Tag nach dem Unfall ihrer Eltern gewesen und der Artikel handelte genau davon. Das körnige, schwarz-weiße Foto zeigte ein völlig zerstörtes Auto an einem Baum, rechts davon auf der Straße war der Rettungswagen zu sehen.
Jules fröstelte trotz dicker Jacke im kühlen Wind, der durch den Hof strich und die Blätter aufwirbelte. Immerhin war es Oktober, auch wenn heute die Sonne schien. Zwei der Männer wuchteten den alten Schrank in den Container. Bei der unsanften Landung brach er krachend auseinander und sie zuckte erschreckt zusammen. Um sich zu beruhigen, sog sie die kühle, frische Luft tief ein und atmete langsam wieder aus.
Sie legte die Ausschnitte wieder in die Schachtel und nahm das Buch zur Hand. Durch leichtes Klopfen vorne und hinten auf den Einband flog noch etwas mehr Staub davon. Bevor sie es aufschlug, drehte sie es nach allen Seiten, aber auf dem Einband war nichts zu sehen. Offenbar war es tatsächlich ein Notizbuch, jedenfalls fand sie beim schnellen Durchblättern nur handschriftliche Einträge. Die Schrift allerdings konnte sie kaum entziffern, die sah sehr krakelig aus. Solche Schnörkel hatte sie lange nicht gesehen, das letzte Mal in einem alten Lesebuch vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Sütterlin? Oder sogar deutsche Buchstaben. Da musste sie sich erst wieder einlesen, es war lange her, dass sie im Studium die deutsche Kurrentschrift lesen gelernt hatte.