Tödliche Swing-Tänze - Thomas Ostwald - E-Book

Tödliche Swing-Tänze E-Book

Thomas Ostwald

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Als der Gangster-Boss Bruno Kinsky entführt wird, ahnt er noch nicht, was von ihm verlangt wird, um seine Beteiligung an einem Verbrechen nicht öffentlich zu machen. Seine neue Swing-Sängerin aus den USA scheint in den Fall verwickelt zu sein, und als ein alter Juwelier stirbt, ein bekannter Nationalsozialist in seinem Varieté auftaucht, ahnt er, dass dieser Fall viel von ihm abverlangen wird... Bruno Kinsky, Vorsitzender eines der berüchtigten Ringvereine Berlins zur Zeit der Weimarer Republik, war Kriegsteilnehmer im Großen Krieg, geriet danach auf die 'schiefe Bahn' und etablierte sich schließlich nach einigen gelungenen Coups als eine Art Gentleman-Verbrecher mit einem originellen Lokal, dem Sing-Sing in der Berliner Chausseestraße sowie einem Varieté. Seine Freundschaft mit dem obersten Kriminalisten Ernst Gennat lässt ihm zahlreiche Möglichkeiten... hier erzählt er seine Erlebnisse selbst!

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Seitenzahl: 122

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Thomas Ostwald

Tödliche Swing-Tänze

Berlin: Die Goldenen Zwanziger

Polizeikriminalrat Ernst Gennat und Bruno Kinsky vor dem Lokal Sing-Sing, Berlin,

Chausseestr. 11

Thomas Ostwald

Tödliche

Swing-Tänze

Berlin: Die Goldenen Zwanziger

Krimi

Edition Corsar D. und Th. Ostwald

Braunschweig

Impressum

Texte: © 2024 Thomas Ostwald

Umschlag:© 2024 Erstellt mit Bing Create

Verantwortlich für den Inhalt: Thomas Ostwald

Am Uhlenbusch 17

38108 Braunschweig

[email protected]

www.tatort-braunschweig

1.

In die ersten Klaviertöne mischten sich in rascher Folge drei krachende Schüsse.

Ich sprang von meinem Stuhl auf, griff nach dem Revolver auf dem Schreibtisch und sprang die Treppenstufen herunter. Dabei sparte ich mir auf dem Absatz die letzten Stufen und sprang herunter, federte ab und raste hinüber zur Bühnentür, als die plötzlich aufgerissen wurde und mir ein unbekannter Mann gegenüber stand, der sofort seine Waffe hob.

Mich fallenlassen und dabei gleichzeitig den Abzug durchziehen, war ein Reflex, den ich über Jahre trainiert hatte. Im Großen Krieg rettete er mir mehr als einmal das Leben.

So entging ich auch diesmal der Kugel. Während ich mich blitzschnell über die linke Schulter abrollte und an der Wand erneut den Revolver hob, taumelte mein Gegner zwei, drei Schritte nach vorn und brach dicht vor mir zusammen. Ich sprang auf und riss ihm die Pistole aus der Hand. Wieder war eine Bewegung in der noch offenen Türe zur Bühne, und ich hob den Revolver.

„Bruno!“, schrie meine Assistentin Franziska erschrocken auf, dann war sie an meiner Seite. „Um Himmels willen, bist du verletzt?“

„Nein, ich bin in Ordnung. Wer ist das und auf wen hat der Kerl geschossen?“

„Oh Bruno, das ist so schrecklich! Die arme Katrin – sie wurde in den Kopf getroffen und muss sofort tot gewesen sein!“

„Welche Katrin? Etwa die Sängerin, die für unseren Star probt?“

Franziska klammerte sich an mich und schluchzte, während ich ihr beruhigend über den Kopf strich. Jetzt kamen auch einige Tänzer durch den Eingang. Sie alle hatten Pistolen in der Hand. Das waren natürlich Theaterwaffen ohne jegliche Funktion und gehörten zu ihrem Auftritt.

Gleich darauf ließ sie jedoch die durchdringende Stimme von Karl-Heinz Lieberknecht, genannt Pistolen-Kalle, rasch zurückweichen. „Alles in Ordnung, Bruno?“, erkundigte sich der besorgte Kalle und warf einen Blick auf den Mann, der regungslos auf dem Boden lag. Kalle wartete meine Antwort nicht ab, es genügte ihm wohl, dass ich Franziska fest umschlungen hielt. Stattdessen tastete er jetzt den Pistolenschützen ab und drehte ihn herum.

Aus einer Brustwunde sickerte reichlich Blut und hatte bereits eine Lache unter dem Toten gebildet.

„Der ist hinüber!“, bemerkte Kalle.

„Kennst du ihn?“

„Nie gesehen, Bruno. Aber er gehörte zu den Tänzern. Er trägt ja auch den Anzug wie die anderen auf der Bühne. Auf die Weise muss er sich hier eingeschlichen haben, denn sonst wäre er niemals an Erich vorbeigekommen, der die eintreffenden Künstler kontrolliert. Und nicht zu vergessen – Waffen wären auf der Bühne bei dieser Show wohl kaum aufgefallen, Bruno.“

„Trotzdem eine unglaubliche Sauerei. Was ist mit dieser Sängerin, dieser Katrin? Ist sie wirklich tödlich getroffen worden?“, erkundigte ich mich.

„Das ist leider der Fall!“, antwortete in diesem Augenblick der alte Doktor Taubert, den ich für mein Varieté als Theaterarzt verpflichtet hatte. „Ich konnte ihr nur noch die Augen zudrücken. Dieser Mistkerl hat dem armen Mädchen direkt in die Stirn geschossen. Du solltest die Leute am besten nach Hause schicken, Bruno – der Schock sitzt bei allen tief!“

„Es war wohl keine gute Idee, die Tänzer mit Theaterpistolen auszustatten, die sie beim Tanz schwenken sollten. Von wem kam eigentlich diese blöde Idee?“

„Die hatte uns doch die Wrap vorgeschlagen – eine Swing-Show, bei der die Tänzer wie amerikanische Gangster gekleidet sein sollten und Pistolen trugen!“

„Natürlich, dumme Frage von mir!“, erwiderte ich. „Kannst du dich bitte auch mal um den Kerl hier kümmern, der von mir niedergeschossen wurde? Hat jemand die Polizei angerufen?“

„Polizei und Krankenhaus, Bruno, ich höre gerade schon eine Sirene, die werden jeden Moment hereinkommen. Soll ich mit ihnen sprechen?“

„Nicht nötig, Kalle, das mache ich selbst. Nimm alle in Empfang, ich muss mir erst einen Überblick auf der Bühne verschaffen.“

Als ich die Bühne betrat, bot sich mir ein schrecklicher Anblick. Zwei Männer knieten neben der toten Künstlerin, während alle anderen scheu an den Bühnenhintergrund zurückgewichen waren. Die beiden Tänzer bei der Toten erhoben sich mit wachsbleichen Gesichtern und wollten mir gerade berichten, was sie erlebt hatten, als zwei uniformierte Polizisten eintraten und gleich darauf zu uns auf die Bühne gelaufen kamen.

„Nichts anfassen, das ist ein Tatort!“, vermeldete ein etwas dicklicher, rotgesichtiger Beamter mit wichtiger Stimme. Dann fiel sein Blick auf die Theaterwaffen, die von den Tänzern am Bühnenrand abgelegt wurden. Bevor er noch etwas sagen konnte, antwortete ich ihm sarkastisch: „So? Na, dann wird ja wohl sicher auch von Ihnen die Inspektion A, Mord und Körperverletzung, verständigt?“, erkundigte ich mich sarkastisch. Der Schutzpolizist sah mich mit großen Augen an, aber bevor er seinen Mund erneut öffnete, stieß ihn sein Kollege an.

„Aber – diese Waffen, das ist doch unmöglich!“

„Mensch, Siggi, dit is hier Bruno Kinsky, verstehste mir? Der is mit dem Gennat gut Freund!“

Das wirkte, und die Tatsache, dass er eine der leichten Pistolen aufnahm und seinem Kollegen in die Hand drückte. „Siehste? Spielzeug! Damit ist niemand erschossen worden, glaub mir, Fritz“, bemerkte er dazu. Der Rotgesichtige verzog plötzlich den Mund, als wolle er anfangen, zu weinen, dann riss er seine Schultern nach hinten, salutierte und stammelte etwas Unverständliches.

Ich hatte mich längst abgewandt und unterhielt mich mit Kalle und Erich, der die Tür zum Octopussy-Palace geschlossen hatte und in den Bühnenraum gekommen war. „Es wird sicher nicht einfach, aber noch ist die Spur vielleicht heiß genug, um den Auftraggeber zu finden. Hört euch in der Stadt um, nehmt ein paar unserer Brüder mit und seht zu, dass ihr nicht mit leeren Händen zurückkommt! So etwas darf sich nie wiederholen!“, schloss ich meine Anweisungen ab.

Die beiden waren meine besten Kräfte im Haus, und ich konnte mich felsenfest auf sie verlassen. Wenn jemand etwas über den Hintergrund dieser Tat herausfand, dann Erich und Kalle.

Sie verließen unser Varieté im gleichen Moment, in dem das inzwischen berühmt gewordene Auto-mobil der Inspektion A vorfuhr und die Kriminalbeamten damit begannen, ihre Gerätschaften auszuladen. Ernst Gennat, der gewichtige Leiter der Inspektion, hatte diesen Mercedes nach eigenen Vorstellungen umbauen lassen und fuhr allerdings selbst nur sehr ungern zu einem Tatort. Er war durchaus in der Lage, in seinem Büro die richtigen Schlüsse aus den gelieferten Fakten zu ziehen. Deshalb musste ich es mir zur Ehre gereichen lassen, dass er heute eine Ausnahme machte.

Zwei seiner Leute luden gerade die große Kamera aus, während sich ihr Chef rückwärts aus dem Mercedes quälte. Ich konnte ihn sehen, als gerade die Tür hinter meinen beiden Helfern langsam zurückschwang, eilte ihm deshalb entgegen und kam gerade richtig, um Ernst Gennat Feuer zu reichen. Er hatte sich kaum aufgerichtet, da griffen seine Finger in die Tasche und zogen ein Päckchen heraus.

„Du machst Sachen, Bruno! Ich weiß ja, dass du ständig auf der Suche nach neuen Attraktionen für dein Varieté bist, aber muss es gleich ein Mord auf der Bühne sein?“ Gennat zog bei dieser Begrüßung ein mürrisches Gesicht, aber ich kannte ihn besser als viele andere. Wir hatten seit Jahren ein Abkommen zwischen unseren Berliner Ringvereinen und ihm, und davon profitierten wir letztlich alle. Seine Aufklärungsrate bei den Mordfällen war ungewöhnlich hoch, und wir als Präsidenten der größten Berliner Ringvereine hielten dafür unsere Reviere von Mord und Totschlag sauber.

Nun ja, es gab auch bei uns Ausnahmen, aber die fielen kaum merklich ins Gewicht. Und wir waren dabei stets sicher, dass man unliebsame Opfer von Auseinandersetzungen nicht mehr finden konnte.

„Tja, Ernst, ich dachte mir, in diesen tristen Tagen könnten ein paar aufrüttelnde Schlagzeilen doch nicht schaden!“, erwiderte ich in der gleichen Art wie der Kriminalpolizeirat.

Schweigend stapfte er vor mir her und erklomm die seitliche, schmale Treppe zur erhöhten Bühne. Wir hatten eine neue, beeindruckende Show in Vorbereitung, und die erschossene Künstlerin war die zweite Besetzung, denn noch war unser Star nicht in Berlin eingetroffen. Ernst Gennat keuchte tatsächlich unter der Anstrengung, die paar Stufen hinauf- und dann bei der Leiche in die Hocke zu gehen, um einen besseren Überblick zu gewinnen.

„Aber das ist wohl hoffentlich nicht Coleen Wrap, euer amerikanischer Star?“, rief Gennat erstaunt aus. Aber noch bevor ich etwas zu Katrin Möbius sagen konnte, hatte er schon die schwarze Perücke im modischen Bubikopfschnitt erkannt und zog sie der Toten vom Kopf. Anstelle der schwarzen Haare quollen jetzt ihre eigenen längeren, braunen hervor. Ach, warum benutzte ich diesen Ausdruck, den die Reporter erfunden hatten, um die modischen Frauen herabzusetzen? Flapper-Girls nannte man sie in Amerika, und das setzte sich auch immer mehr in Groß-Berlin durch. Das waren modebewusste, junge Frauen, die Hosenanzüge trugen, in der Öffentlichkeit rauchten und sich wenig vorschreiben ließen. Die Dietrich war dabei, ein Star zu werden – und was sie trug, wurde von diesen Frauen eifrig nachgeahmt. - „Nein, aber ich bemerke, dass du offenbar die Wrap kennst, was mich nun wirklich verblüfft, Ernst!“, bemerkte ich schließlich trocken.

Mein Freund nahm eine kleine Pillenschachtel aus der Anzugtasche und drückte darin seine Zigarette aus. Mit einem seltsamen Grunzlaut bemerkte er: „Na hör mal, Bruno! Ich werde wohl die in Österreich als Corinna Walther geborene Künstlerin Coleen Wrap erkennen. Du hast doch deine Drähte zur hiesigen Presse glühen lassen, nur damit in möglichst jeder Ausgabe ein Bild deines neuen Revue-Stars abgedruckt wird. Das erweckte meine Aufmerksamkeit, das gestehe ich gern. Eine durchaus attraktive junge Dame. Ich meine, auch die Tote hier.“

„Der Herr Kriminalpolizeirat bemerkt junge, attraktive Damen, ich bin doch sehr überrascht, mein Freund!“ Das konnte ich mir nicht verkneifen, denn durch seine Körpermaße wirkte Ernst Gennat nun nicht wirklich attraktiv für die Damenwelt. Allerdings mit einer Ausnahme. Das war seine Vorzimmerdame Gertrud Steiner. Sie vergötterte ihren Chef geradezu. Inzwischen waren die Beamten seiner Inspektion mehrfach hin und her gelaufen und hatten zahlreiche Gegenstände aus dem Mercedes ausgeladen. Jetzt wurde die Kamera aufgebaut und ich ging mit Ernst etwas abseits, um die Männer nicht bei ihrer Arbeit zu stören.

Ich war im Übrigen nicht davon überzeugt, dass sie etwas finden würden, was uns dem Täter ein Stück näherbringen könnte. So sehr ich auch Gennats Methoden schätze, so war ich doch davon überzeugt, dass Ernst und Kalle bessere Erfolge bringen würden.

„Hast du die kleine Narbe an ihrem Hals bemerkt?“, erkundigte sich der Kriminalpolizeirat, als ich mit ihm hinüber an die Bar ging und uns zwei Biere aus Flaschen einschenkte. – Nein, was für eine Narbe?“ - Der Polizist zuckte die Schultern, ließ sich schwer in einen der bequemen Sessel in der Nische neben der Bar fallen und nahm einen langen Schluck aus seinem Glas, das ihm Doris mit Sprudel gefüllt hatte. „Sieh sie dir nachher nach einmal an, bevor sie weggebracht wird. Dann wirst du vielleicht verstehen, warum ich mich dafür interessiere. Aber jetzt die eigentlich Frage, Bruno: Cui bono?“

„Du fragst mich, wem es etwas bringt, die Berliner Revue-Tänzerin und Sängerin Katrin Möbius zu töten? Natürlich der Konkurrenz, wem sonst? Vielleicht steckt irgendeiner dieser Kerle dahinter, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld! Davon gibt es doch nun in Groß-Berlin mehr als genug, oder?“ Ich spürte, wie mein Blutdruck anstieg und ich mich mühsam beherrschen musste. Da war eine schwerreiche Gruppe kürzlich in Berlin angetreten, um noch mehr Geld zu verdienen. Die zahlreichen, kleinen Cabarets, die überall praktisch über Nacht aus dem Boden schossen, die vielen Kleinbühnen, die Nepper-Lokale, in denen harmlose Berlin-Touristen bis auf den letzten Pfennig ausgeplündert wurden – das alles interessierte diese Leute nicht. Sie waren scharf auf Unternehmungen wie den Friedrichstadtpalast und natürlich – auf mein Varieté, dem ich den Namen Octopussy-Palace gegeben hatte. Ein Blick in das Gesicht von Ernst Gennat zeigte mir, dass er nicht meiner Meinung war. Aber er erklärte mir nicht seine Gründe, sondern deutete nur mit dem Kopf in Richtung Bühne, nahm sein Glas auf und leerte es bis auf den letzten Tropfen.

„Ich erspare dir das, Bruno. Die Möbius hat eine besonders geformte Narbe am Hals. Die stammt zweifellos von einer Messerklinge. Und das bedeutet für mich, dass sie schon einmal in Schwierigkeiten steckte.“

„Du meinst also…“

Ich unterbrach mich, als sich Gennat erhob.

„Komm morgen in mein Büro. Es könnte sein, dass wir dann schon erheblich mehr wissen.“

2.

„Haller? Ich brauche deine Hilfe.“

Ich bemühte mich um eine ruhige Stimme, auch wenn mir in diesem Augenblick das Herz spürbar bis in den Hals hinauf schlug. Das war ein Gefühl, dass ich zuletzt in Verdun erlebt hatte. Bislang war es mir gelungen, durch alle Wirrnisse meines neuen Lebens mehr oder weniger elegant zu schlüpfen. Doch diesmal stand sehr viel auf dem Spiel. Mehr als nur mein Leben. Es ging um meinen guten Ruf. Und der war mich wichtiger als alles andere. Vor allem wichtiger als Geld. Davon besaß ich mehr als genug, aber wer kann schon aufhören, wenn man die zahlreichen Möglichkeiten erkannte, die sich in einer Stadt wie Berlin boten? Ich jedenfalls konnte es nicht.

Hermann Haller war im Moment die absolute Nummer 1 in Groß Berlin. Jedenfalls, wenn es um eine Revue ging, die die Halle füllte und an jedem Abend für ausverkaufte Ränge sorgte. Hermann Haller hatte schon 1896 Erfahrungen gesammelt mit seinem Olympia-Riesentheater, und nachdem er bis 1923 Direktor des Theaters am Nollendorfplatz war, wurde er nun Chef des Theaters im Admiralspalast. Man sprach in ganz Berlin von den Haller-Revuen, und ich wurde deshalb schon sehr früh auf ihn aufmerksam.

„Was brauchst du, Bruno? Eine Sängerin, einen Klavierspieler oder eine Big Band? Du weißt, dass ich dir alles liefern kann, und nur Spitzenkünstler, das Beste vom Besten!“

Ich musste unwillkürlich grinsen. Das war Hermann Haller, wie ich ihn mochte. Eine große Klappe, aber dahinter steckte wesentlich mehr als bei den meisten anderen Berliner Varieté-Direktoren.

„Nur so eine bescheidene Frage, Hermann. Kennst du jemand, der aussieht wie Coleen Wrap?“

Jetzt war es Hermann Haller, der laut auflachte.

„Willst du mich veralbern, Bruno? Das ist Katrin Möbius, und wie ich wohl weiß, ist die bei dir fest engagiert – sehr zu meinem Kummer! Will sie dich verlassen? Das könnte ich verstehen! Bei dir ist man schließlich keine große Nummer, wenn man nicht aus Amerika kommt!“

„Was redest du denn da? Die Wrap kommt aus Amerika und ist mein Star in der nächsten Show!“, erwiderte ich trotzig. „Katrin ist Klasse, aber in diesem Fall zweite Besetzung!“

Haller ließ ein glucksendes Lachen ertönen, das mich nicht sonderlich heiter stimmte. Deshalb fuhr ich auch im gereizten Ton fort: „Also, Hermann, hast du jemand wie die Wrap an der Hand oder nicht?“

„Was ist mit der Möbius? Rede mit mir, Bruno!“