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Todsicher oder die erstaunlichsten Fälle der Rechtsmedizin E-Book

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Todsicher

oder die erstaunlichstenFälle der Rechtsmedizin

Markus A. Rothschild (Hg.)

TODSICHER

oder die erstaunlichsten Fälle der Rechtsmedizin

Militzke Verlag

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Copyright © 2009 by Militzke Verlag GmbH, Leipzig

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Fanny Schoeler, Dr. Oliver Tekolf

Umschlaggestaltung: Thomas Butsch

Umschlagfoto: © Roy Botterell/Corbis

Satz und Layout: Thomas Butsch

Umsetzung als EBook: Christian Strebel

ISBN 978-3-86189-797-2

Besuchen Sie den Militzke Verlag im Internet unter: http://www.militzke.de

Inhalt

Vorwort

Ulrike Schmidt

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg

Grenzüberschreitung

Richard Zehner

Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Besuch der alten Dame

Walter Rabl

Gerichtsmedizinisches Institut des Kantonsspitals St.Gallen

Makaberes Rätsel aus dem Achensee

Markus A. Rothschild

Institut für Rechtsmedizin des Klinikums der Universität zu Köln

Glück

Wolfgang Huckenbeck

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf

Al Capone an der Ruhr

Sven Anders

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf

Westwärts

Véronique Henn

Institut für Pathologie des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg

Eberhard Lignitz

Sachverständiger für Rechtsmedizin und forensische Abstammungsbegutachtung

Tod eines Obdachlosen

Jan Sperhake

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf

Eine Frage der Ehre

Kurt Trübner

Institut für Rechtsmedizin der Universität Duisburg-Essen

Himmelfahrt im Elbekahn

Michael Bohnert

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg

Plötzlicher Säuglingstod oder Ersticken?

Steffen Heide

Institut für Rechtsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle

Die unbekannte Leiche im Teppich

Markus A. Rothschild

Institut für Rechtsmedizin des Klinikums der Universität zu Köln

Pech

Stephan Seidl

Institut für Rechtsmedizin der Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Eine Familientragödie

Thomas Riepert

Institut für Rechtsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Die Leiche in der Badewanne

Armin Fieguth

Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover

Zu Tode verwest

Wolfgang Huckenbeck

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf

Peter Gabriel

Institut für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Alltagsfälle zwischen Tragik und Skurrilität

Norbert Beck

Institut für Rechtsmedizin an der Otto von Guericke-Universität Magdeburg

Teufel Alkohol

Roman Bux

Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Go West

Knut Albrecht unter Mitarbeit von Dirk Breitmeier

Medizinische Hochschule Hannover

Ein Kinderskelett auf dem Schuldachboden

Vorwort

Seit einiger Zeit erlebt das Thema Rechtsmedizin einen wahren Boom. Fast jeder Fernsehsender hat mittlerweile eine Serie im Programm, in der die Rechtsmedizin die Hauptrolle spielt. War es in den achtziger Jahren nur die US-Produktion Quincy, so kann der Zuschauer heute alleine schon unter drei deutschen Produktionen auswählen.

Woher kommt dieses ungebrochene Interesse an der Rechtsmedizin, die innerhalb des medizinischen Fächerkanons eher eine Randdisziplin ist? Glaubt man den Medienfachleuten, so läuft die Kombination aus Sex und Crime immer gut, was wohl auch der Grund dafür ist, dass in der überwiegenden Zahl der Produktionen die Hauptrolle von einer zumeist sehr attraktiven Frau gespielt wird. Das Spannungsfeld zwischen der Schönen und dem Tod, das in der Psychologie/Psychiatrie auch im Wechselspiel zwischen Eros und Thanatos bestens bekannt und bearbeitet ist, wird hier sehr erfolgreich filmisch umgesetzt. Tatsächlich sind Frauen in der Rechtsmedizin nach wie vor unterrepräsentiert, vor allem in den höheren Positionen. Ein anderer Grund für den Erfolg rechtsmedizinischer Themen im Fernsehen ist die Verbindung aus Crime und Science. Rechtsmedizinische Institute sind im deutschsprachigen Raum fast ausschließlich an den Universitäten implementiert, weshalb neben den forensischen Dienstleistungen vor allem geforscht und gelehrt wird. Da zur Zeit Wissenssendungen ebenfalls sehr erfolgreich im TV laufen, ist die Kombination aus Krimi und Wissenschaft praktisch gleichbedeutend mit Rechtsmedizin.

Mediziner anderer Disziplinen beneiden uns Rechtsmediziner häufig um diese oft sehr positive Publicity. Das Problem ist jedoch, dass die Filme, wollen sie unterhaltsam sein, viel Realität der Dramaturgie opfern. Die Rechtsmedizin, wie sie der Fernsehzuschauer geliefert bekommt, spiegelt die Realität oft kaum bis gar nicht wider. Rechtsmediziner sprechen in Anlehnung an eine US-Serie deshalb auch gerne vom CSI-Effekt. Dies bedeutet zum einen, dass dem Publikum in den Serien Untersuchungsmethoden vorgegaukelt werden, die es so gar nicht gibt, was zu enormen Erwartungen an die rechtsmedizinischen Dienstleistungen führt. Andererseits verzeichnen wir zum Beispiel in der Kölner Rechtsmedizin seit Jahren einen Anstieg der Bewerbungen von Studierenden, Medizinern, Biologen und Chemikern, die in der Regel keine Vorstellung davon haben, wie die Arbeitsweise der Rechtsmedizin tatsächlich aussieht.

Um dem interessierten Leser einen realistischeren Einblick in die Arbeit der modernen Rechtsmedizin zu geben, habe ich Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner eingeladen, ihren für sie eindrucksvollsten oder spannendsten Fall abseits der nüchternen Gutachtersprache einmal mit eigenen Worten zu schildern. Hierbei wird teilweise auch das eigene Erleben und Empfinden, das wir bei unserer gutachterlichen Arbeit ausblenden müssen, beschrieben. Das Buch zeigt auch auf, dass die Rechtsmedizin um einiges vielfältiger ist, als in den Filmen dargestellt und dass wir nicht nur Verstorbene, sondern auch Lebende auf Folgen von strafbaren Handlungen hin untersuchen und begutachten.

Und auch wenn in diesem Band die Rechtsmedizin im Vordergrund steht, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass die rechtsmedizinische Expertise nur ein Mosaikstein im gesamten Ermittlungsbild ist, mal ein kleiner Stein, mal ein größerer.

Die Namen der geschilderten Personen wurden zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte verändert. Die beschriebenen Fälle sind rechtskräftig abgeschlossen.

Köln im Dezember 2007

Prof. Dr. Markus Rothschild

Ulrike Schmidt

Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg

Dr. med. Ulrike Schmidt, geboren in Freiburg im Breisgau. 1988 Abitur am mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium in Gundelfingen, 1989– 1996 Studium der Humanmedizin in Freiburg, ebendort 1996 Promotion und Approbation als Ärztin. 1996–1999 Ärztin im Praktikum (ÄiP), nachfolgend Assistenzärztin am Institut für Pathologie der St. Vincentius-Kliniken in Karlsruhe. Seit 1999 Ärztin am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums in Freiburg.

Grenzüberschreitung

Es ist ein sonniger Spätsommertag, als die Mutter der 19 Jahre alten Vanessa Farnhold auf dem Polizeirevier einer kleinen Stadt im Süden Deutschlands erscheint. Sie meldet ihre Tochter als vermisst. Vanessa hatte das elterliche Haus am Vorabend verlassen, um eine kurze Besorgung zu machen, und war seither nicht mehr aufgetaucht. Auf der Suche nach Zeugen, die Vanessa an dem fraglichen Abend gesehen haben, stoßen die Polizeibeamten bald auf den 33-jährigen Günther Kunelt. Eine Polizeistreife sucht Kunelt bereits am nächsten Tag zu Hause auf. Er bittet die beiden Polizeibeamten in seine Wohnung und gibt bereitwillig Auskunft. Zufällig habe er Vanessa am Abend zuvor getroffen. Er habe mit ihr zusammen in seinem Wagen eine kurze Spritztour über Land gemacht, dann sei Vanessa in der Nähe ihres Wohnhauses ausgestiegen und habe sich verabschiedet. Angaben über Vanessas aktuellen Aufenthaltsort könne er nicht machen. Die Polizisten hegen zunächst keinen Verdacht und verlassen die Wohnung des mutmaßlichen Zeugen wieder. In den folgenden Tagen laufen die Ermittlungen weiter, und es wird klar, dass Günther Kunelt derjenige sein muss, der Vanessa vor ihrem Verschwinden zuletzt gesehen hat. Kunelt wird nun erneut vernommen und wiederholt seine Angaben gegenüber der Kriminalpolizei. Wo Vanessa sei, wisse er nicht. Überhaupt kenne er das Mädchen erst seit kurzem und auch nur flüchtig. Den Kriminalbeamten fällt auf, dass sich Günther Kunelt bei seiner Aus sage über den Ablauf des fraglichen Abends zunehmend in Widersprüche verwickelt. Und was sie zudem beunruhigt, ist die Tatsache, dass Günther Kunelt einige Verletzungen aufweist. Kunelt erklärt, dass er sich diese am Arbeitsplatz zugezogen habe. Die Ermittler haben Zweifel und veranlassen deshalb eine rechtsmedizinische Begutachtung. Noch am selben Abend wird Kunelt vom diensthabenden Rechtsmediziner Dr. Lamprecht untersucht. Vanessa ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Tagen verschwunden.

Es ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, dass die Tätigkeit als Rechtsmediziner nicht nur die Untersuchung von Verstorbenen und von Leichenfundorten beinhaltet. Die Dokumentation und Beurteilung von Verletzungen bei lebenden Personen stellt einen ebenso wichtigen Teil der rechtsmedizinischen Arbeit dar. In vielen Fällen handelt es sich um die Untersuchung von Gewaltopfern, insbesondere nach Körperverletzungs- und Sexualdelikten. Aber auch Beteiligte an Verkehrsunfällen werden untersucht, um z. B. die Frage zu klären, wer am Steuer eines unfallbeteiligten Fahrzeugs gesessen hat. Die rechtsmedizinische Begutachtung kann entscheidend dazu beitragen, den Ablauf eines Geschehens zu rekonstruieren und die Angaben der beteiligten Personen auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Die Erkenntnisse aus einer solchen Begutachtung können den Fortgang der polizeilichen Ermittlungen unter Umständen entscheidend mitbestimmen. Weniger häufig werden auch Tatverdächtige oder Zeugen eines Vorfalles untersucht, um die Art ihrer Beteiligung zu klären. Dabei müssen nach der Strafprozessordnung nur Beschuldigte eine solche rechtsmedizinische Untersuchung dulden. Unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich dann, wenn andernfalls ein unwiederbringlicher Verlust von Spuren droht, oder die Aufklärung einer Straftat verhindert werden könnte, werden auch Opfer oder Zeugen – bei richterlicher Anordnung sogar ohne ihre Einwilligung – untersucht. In der Praxis kommt es allerdings nur selten vor, dass eine Person die rechtsmedizinische Untersuchung verweigert. In der Regel kann man durch ein aufklärendes Gespräch über Sinn, Zweck und Notwendigkeit der Untersuchung eine Kooperation erreichen.

Günther Kunelt erklärt sich mit einer Untersuchung einverstanden. Zu diesem Zeitpunkt ist noch völlig unklar, ob er überhaupt eine Straftat begangen hat. Eins ist jedoch sicher: Die Verletzungen, die er an seinem Körper aufweist, sprechen für eine wenige Tage zurück liegende körperliche Auseinandersetzung. Besonders auffällig sind mehrere streifige, verkrustete Hautschürfungen, die sich u. a. an Kopf, Hals, Rücken und Unterschenkeln finden. Die ein bis drei Millimeter breiten, mit Wundschorf belegten Kratzer sind bis zu acht Zentimeter lang, einige sind in ihrem Verlauf teilweise unterbrochen, so dass der Eindruck von gestrichelten Linien entsteht. Auch an der Außenseite des rechten Unterschenkels finden sich drei derartige Verletzungen, alle drei zeigen eine unterschiedliche Verlaufsrichtung. Die meisten der am Körper von Kunelt festgestellten streifigen Wundkrusten sind von einer intensiven Rötung der umgebenden Haut begleitet, nicht jedoch von Blutergüssen. Nach Einschätzung von Dr. Lamprecht sind die Wunden durch stumpfkantige Gewalteinwirkung entstanden, z. B. durch tangentiales, schürfendes Entlanggleiten von Fingernägeln. Dazu passt auch, dass die Verletzungen an allen Stellen etwa gleich tief, die Wölbungen der Körperoberfläche gleichsam nachgezeichnet sind. Mehrere Zeugen hatten berichtet, dass Vanessa Farnhold eine selbstbewusste junge Frau sei, die sich durchaus zu wehren wisse. Auch ihre langen Fingernägel habe sie in solchen Fällen schon eingesetzt. Doch Günther Kunelt beharrt auf seinen bisherigen Angaben: Die Verletzungen seien zwar etwa eine Woche alt, jedoch habe er sich an seinem Arbeitsplatz verletzt. Vanessa habe er nach der abendlichen Spritztour in ihrem Wohnviertel abgesetzt und seither nicht mehr gesehen.

Für einen Haftbefehl reichen die Indizien nicht aus, so dass Günther Kunelt auf freiem Fuß bleibt. Die Ermittler behalten Kunelt jedoch im Visier. Weitere fünf Tage später wird er von Kriminalbeamten an seinem Arbeitsplatz in der benachbarten Schweiz aufgesucht. Man bittet ihn darum, einmal genau zu zeigen, wie er sich die verdächtigen Verletzungen zugezogen habe. Auch Dr. Lamprecht und ein Beamter der schweizerischen Kantonspolizei sind bei dieser Rekonstruktion anwesend. Günther Kunelt führt die Beteiligten zu einer Laderampe, auf welcher er an dem bezeichneten Tag Holzpaletten gestapelt habe. Eine solche Palette sei ihm beim Auflegen aus der Hand geglitten und aus etwa 1,5 Meter Höhe zu Boden gefallen. Dabei habe die Palette seinen rechten Unterschenkel getroffen und die streifigen Hautschürfungen verursacht. Diese Darstellung kann Dr. Lamprecht nicht überzeugen. Der Anprall einer Holzpalette hätte wegen der ausgeübten Druckkräfte auch zu einer begleiten den Einblutung in die umgebenden Weichteile geführt. Ein Bluterguss hatte in der Umgebung der Hautschürfungen aber nicht vorgelegen. Wie ist es außerdem zu erklären, dass die drei Verletzungen am rechten Unterschenkel, die durch eine herabfallende Palette entstanden sein sollen, unterschiedliche Verlaufsrichtungen zeigen? Müssten sie in diesem Fall nicht parallel zueinander liegen, entsprechend der von Kunelt geschilderten Schürfrichtung? Und schließlich ist auch die gleichmäßige Wundtiefe so nicht erklärbar. Bei dem von Kunelt geschilderten Anprall wäre in Anbetracht der gewölbten Kontur des Unterschenkels ein tieferes Wundzentrum mit seicht auslaufendem Wundrand zu erwarten gewesen. Dies trifft auf die festgestellten Wunden ebenfalls nicht zu. Günther Kunelt schildert und demonstriert bei dieser Rekonstruktion noch weitere Verletzungsmechanismen. Doch zwischen seinen Angaben und der Art, Form und Ausprägung seiner Verletzungen bleiben aus rechtsmedizinischer Sicht nicht auflösbare Widersprüche bestehen. Immer dringender wird der Verdacht, dass Kunelt mehr über das Verschwinden von Vanessa Farnhold weiß, als er den Ermittlern gegenüber angibt. Seit nun mehr zwölf Tagen fehlt von Vanessa jede Spur.

Bereits am nächsten Tag wird der Verdacht zur Gewissheit. Eine Arbeitskollegin von Kunelt hatte im Bereich der Laderampe einen merkwürdigen Geruch wahrgenommen und die Polizei informiert. Nach Genehmigung eines entsprechenden Rechtshilfeersuchens durch die schweizerischen Behörden wird das Gelände der Firma, bei der Günther Kunelt beschäftigt ist, von der deutschen Kriminalpolizei und ihren schweizerischen Kollegen durchsucht. Bereits nach wenigen Minuten zeigt einer der Leichenspürhunde einen Fund in einem ebenerdigen Schacht an. Dieser Schacht befindet sich neben der Laderampe, auf welcher Kunelt noch am Vortag die angebliche Entstehungsweise seiner Verletzungen demonstriert hatte. Günther Kunelt, der gerade von einer Dienstfahrt zur Firma zurück kehrt, wird von der Kantonspolizei verhaftet. Im hinteren Bereich des Schachtes findet sich eine Aufschüttung von Steinen und Schutt, darunter ist ein großer blauer Müllsack zu erkennen. Während Spuren gesichert werden, wird auch Dr. Lamprecht über den Fund informiert. Bei seinem Eintreffen vor Ort birgt man den Sack. Eben falls am Fundort anwesend ist ein schweizerischer Rechtsmediziner. In dem Sack befindet sich die unbekleidete Leiche einer jungen Frau. Der Körper ist mit Hilfe von Klebeband in angehockter Stellung fixiert, so dass ein kompaktes Paket entstanden ist. Bei einer ersten informativen Besichtigung, die so vorsichtig wie möglich erfolgt, um keine Spuren zu zerstören, wird ein charakteristisches Schmuckstück gefunden. Den Anwesenden ist klar: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich um den Leichnam der seit fast zwei Wochen vermissten Vanessa Farnhold.

Kriminalbeamte bei der Bergung des Plastiksacks aus dem Schacht

Da es sich bei dem Tatverdächtigen um einen deutschen Staatsbürger handelt und da sich die Tat offenbar in Deutschland ereignet hat, entscheiden die Behördenvertreter der beiden Länder, den Leichnam zur weiteren Untersuchung nach Deutschland überführen zu lassen.

Obwohl bereits Fäulniserscheinungen vorliegen, können bei der Obduktion noch Blutunterlaufungen in den Halsweichteilen nachgewiesen werden. Diese Hämatome sind Folge lokaler Gewebsquetschungen. Sie werden in dieser Art nach Würgeangriffen dort gefunden, wo die Fingerkuppen und Fingernägel des Angreifers ihre Spuren am Hals des Opfers hinterlassen. Dass es tatsächlich zu einer Halskompression gekommen ist, die über längere Zeit den Blutabfluss aus dem Kopf behindert hat, wird durch zahlreiche punktförmige Stauungsblutungen belegt, die sich in den Augenbindehäuten und im Gesicht der Toten finden. Todesursache war somit eine Strangulation durch Würgen. Die Tatsache, dass das Kehlkopfskelett selbst unversehrt ist, widerspricht dieser Diagnose nicht. Besonders bei jungen Menschen sind Kehlkopf und Zungenbein häufig noch nicht verknöchert, also knorpelig und daher verformbar. Ein Anpressen des Kehlkopfes gegen die Wirbelsäule, wie es beim Würgen in der Regel geschieht, kann deshalb ohne strukturelle Verletzungen des Kehlkopfskeletts bleiben. Bei älteren Personen, deren Kehlkopf und Zungenbein verknöchert sind, finden sich hingegen häufig Brüche des Ringknorpels, der Schildknorpelhörner oder des Zungenbeins. Die mehrtourige Fesselung des Körpers und die Verpackung in einem Plastiksack lassen keinen Zweifel daran, dass der Leichnam nach der Tat über die Landesgrenze zu seinem späteren Fundort geschafft wurde.

Ein weiterer auffälliger Befund sind die Totenflecke an der Körperrückseite. Diese zeigen quer verlaufende, streifige Aussparungen, welche durch die Druckwirkung der eng am Körper anliegenden Klebebandtouren entstanden sind. Sobald der Kreislauf zum Erliegen gekommen ist, sinkt das Blut der Schwerkraft folgend in die tiefer liegenden Körperpartien ab. Entsprechend der Position des toten Körpers bilden sich die Totenflecke aus, die erst nach mehreren Stunden fixiert sind. Eine Ausbildung von Totenflecken unterbleibt dort, wo das Absinken des Blutes durch Druck von außen verhindert wird. Die festgestellten Totenfleckaussparungen unter den Fesselungen sprechen dafür, dass die Klebebandumwicklungen angelegt worden sind, bevor die Totenflecke fixiert waren. Auch hätte eine voll ausgeprägte Leichenstarre die Verschnürung des Körpers erheblich erschwert. Demnach erfolgte die Verpackung des Leichnams mit hoher Wahrscheinlichkeit in den ersten Stunden nach Todeseintritt.

Auch Günther Kunelt wird den deutschen Behörden überstellt. Kunelt gibt nun an, dass Vanessa bei ihm in der Wohnung gewesen sei. Sie habe ihn um Geld gebeten und er habe sie dazu überredet, als »Gegenleistung« Nacktfotos von sich machen zu lassen. In Kunelts Wohnung werden tatsächlich Nacktfotos von einigen Frauen gefunden, außerdem mehrere »Sexspielzeuge«. An einem davon werden sowohl seine eigenen DNA-Merkmale als auch die DNA-Merkmale der Getöteten nachgewiesen. »Irgendwie« sei es zwischen ihm und Vanessa zu sexuellen Handlungen gekommen. Diese seien einvernehmlich und ohne Zwang erfolgt. Angehörige und Freunde von Vanessa werden später aussagen, dass Vanessa sich niemals freiwillig für Nachtaufnahmen hergegeben hätte und dass ihr Günther Kunelt, den sie erst kurze Zeit gekannt hatte, in keiner Weise sympathisch gewesen sei.

Kunelt gibt weiter an, dass es später am Abend einen Streit gegeben habe, welcher eskaliert sei. Er selbst habe an diesem Abend so viel Alkohol getrunken, dass er sich nicht mehr an den eigentlichen Tatablauf erinnern könne. Erst morgens sei er in der aufgeräumten Wohnung wieder zu sich gekommen. Der Leichnam von Vanessa sei bereits mit Klebeband verschnürt gewesen und hätte – in einen Plastiksack verpackt – in der Abstellkammer gelegen. Das Paket mit der Leiche habe er wenige Tage in seiner Wohnung versteckt gehalten, bevor er es im Kofferraum seines Wagens über die Grenze auf das Gelände seines Arbeitgebers transportiert habe. So stellt sich nachträglich heraus, dass die Streifenpolizisten, die Kunelt zu Beginn der Ermittlungen in seiner Wohnung aufgesucht hatten, in unmittelbarer Nähe der von ihnen gesuchten, allerdings bereits toten Frau gewesen waren.

In der Öffentlichkeit schlagen die Wellen hoch. Vor dem Gefängnis, in dem Günther Kunelt einsitzt, sammeln sich Menschen, die Vanessa gekannt haben. In Sprechchören und auf Transparenten machen sie ihrer Wut und Trauer Luft. In den folgenden Wochen erstatten mehrere Frauen aus der Region Anzeige. Sie geben an, von Günther Kunelt missbraucht und vergewaltigt worden zu sein. Insgesamt werden sechs Fälle von Vergewaltigung zusammen mit der Tötung von Vanessa vor dem Landgericht angeklagt und verhandelt. Günther Kunelt macht vor Gericht keinerlei Angaben zu der Tat. Er wird aufgrund von Zeugenaussagen und Sachbeweisen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes verurteilt, auch in vier der angeklagten Vergewaltigungen ergeht ein Schuldspruch. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Richard Zehner

Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Dr. rer. medic. Richard Zehner wurde 1965 in Frankfurt am Main geboren. 1984–1990 Studium der Biologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1991 Mitarbeit an Forschungsprojekten am Battelle Institut Frankfurt. Seit Ende 1991 tätig am Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Dort Aufbau und Leitung des Bereichs Forensische Molekularbiologie. 1999 Promotion. Forschungsschwerpunkte: Spurenkunde, Insektengenetik, phylogenetische Fragestellungen.

Besuch der alten Dame

Dienstag, 7 Uhr, ein friedlicher Sommermorgen, der einen angenehmen Tag verspricht. Juri und Alexander klingeln an der Haustür von Frau Blum, einer älteren Dame. Sie sind mit zwei weiteren Bekannten aus der polnischen Kleinstadt Zagan nach Oberhessen gekommen, um das Haus von Frau Blum zu renovieren. Frau Blum bezahlt gut, bietet eine angenehme Arbeitsatmosphäre und spendiert hin und wieder auch mal eine Kiste Bier. Seit drei Wochen renovieren die vier Arbeiter nun das Haus, der Keller wird ausgebaut, ein Schwimmbad angelegt und das Dachgeschoss modernisiert.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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