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Tom will raus. Einfach weg. Am liebsten mit Katja, die er liebt und die ihn liebt, obwohl sie sich in der Öffentlichkeit nichts anmerken lassen will, denn Tom ist uncool. Denken die anderen.Wenn Tom die Augen schließt, sieht er nur Katja. Er malt ihr Gesicht, ein Meter, zwei Meter groß. Später will er sie zehn Meter groß malen – ein Wandgemälde mitten in Toronto. Da will Katja nämlich hin. Er auch. Mit ihr.Toms Vater interessiert sich nicht für ihn. Sagt Tom. Toms Mutter ist schon lange tot, gestorben, als er klein war. Kapiert hat er das damals schon, nicht die Geschichten, die die Erwachsenen erzählt haben, von Weggehen und Himmel. Schließlich wurde sie doch mit Erde bedeckt und liegt seitdem unter Blumen. Katja kennt Tom schon eine Ewigkeit, ist mit ihm aufgewachsen, Haustür an Haustür. Sie waren unzertrennlich, haben miteinander die Liebe kennen gelernt. Doch Tom wurde immer anhänglicher. Wie eine Klette. Konnte nicht loslassen. Die Zeit war schön mit ihm, doch die Zeit hat sich geändert. Katja hat sich geändert. Tom nicht. Katja wird nach Toronto gehen. Einfach weg. Auch von Tom. Toms Vater hatte Probleme, hat den Tod seiner Frau nicht verkraftet. Alkohol. Doch er hat sich wieder gefangen. Hat versucht, neu anzufangen. Hat versucht, eine neue Frau zu finden. Doch es hat nicht geklappt. Wegen Tom. Der dreht immer durch, wenn eine fremde Frau im Haus ist. Schlägt alles kurz und klein. Nimmt keine Hilfe an. Lebt in einer anderen Welt. Denn Tom hat ihn noch nicht verkraftet, den Verlust seiner Mutter. Und nun scheint er wieder etwas zu verlieren: Katja.
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Seitenzahl: 40
Veröffentlichungsjahr: 2020
Jan Liedtke
Toronto
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
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Über den Autor
Über das Stück
Impressum
TomKatjaVater
TOMDas ist mein Vater
In unserem WohnzimmerEr ist so unbedeutendwie er aussiehtWenn er stirbtwäre alles unkompliziertKönnte schnell passierener trinkt einen zu vieloder ist eines Tages zu fettHerzen halten nicht viel auswerden aus dem Wohnzimmer getragenin nem grauen PlastiksargDer Arzt würde mir Beruhigungstabletten gebenIch würde sie nicht nehmenAlles würde schnell gehenNiemand will beschissene MöbelDas Sofa auf das er raufgekotzthat selbstgebaute RegaleBücherSchwachsinnDas muss wegSchnellAlles löschenIch bestell einen Containerzerhack die Möbelmein Zeug schmeiß ich dazuEinen Abend späterlieg ich in der leeren Wohnungauf dem Bodennehme das Telefonreservier ein Ticket nach Torontound bin wegMit Katja nach Kanada
Er kennt Katja nichtNichts weiß erüber michDas ist Katjaim Garten von meiner GroßmutterSie wohnt nebenanSie weiß alles über mich
Als wir sechs warenhaben wir uns zum ersten Mal geküsstAuf diesem Apfelbaum daDie Lippen aneinandergedrücktbis wir keine Luft bekamenManchmal dabei die Augen aufgemachtuns angesehenunscharfe Gesichterdie Grimassen schneidenSie ist in den Garten gekommendurch die wilde HeckeWir haben uns ins Gummibassin gestürztWasserschlachtzwei Stunden langSie hat mir beigebrachtwie man auf einen Baum klettertSchweinebammel machtBuden und Wigwams bautWir haben Verstecken gespieltganze Tage durchDer Garten ist perfekt dafürEntweder hinter die Holzhaufenoder nach da hintenBis zum Bauchnabel Grasdrei Meter hoch die Sonnenblumen
In der Schulehaben wir uns in den Pausen getroffenMit Jungs konnte ich nichts anfangenStändig wollten sie jemanden fertig machenBrillen klauenTretenVerfolgungsjagden über den SchulhofBis einer aufgibtflenntIch wolltedass sie mich in Ruhe lassenSie haben mich Weiberheld genanntDas mochte ich
Mit 15 warn wir richtig verliebtzusammenfür alle sichtbarwenn wir im Kino den Film verpassenweil wir rumknutschenzu Konzerten von ULTRAin die Garage gehenmit siebzig Leuten in einer Wohnung tanzenuns bei Vollmond im Park betrinkenZwölf Sternschnuppen zählen
TOMWo gehst du hin
KATJAIn die Biblo
TOMWas issen das fürn Video
KATJALovestorylangweiligste Schnulze von / allen
TOMHab ich auch mal gesehen
KATJAWollte meine Mutter sehenWollte sich an irgendwas erinnern
TOMWas machste danachkann ich vielleicht mitkommen / vielleicht
KATJADanachdanach geh ich mit Martinzu LeutenKommst also besser nicht mit
TOMKönn wir uns mal treffenwie / früher
KATJAWillste mich in den Gartenvon deiner Omi einladenVersteckspielenWie früher is nichIch bin jetzt 15
TOMWerd ich auch bald
KATJAUnd wo guckst du jetzt hin
TOMIn die BäumeIch gucke den Wind an
KATJAWind ist durchsichtig
TOMIrgendwie sieht man den Wind doch
KATJAGuck mal meine Titten anGefallen dir meine Titten schon
TOMJa klar
KATJAIch bin eine FrauZwei Jahre blute ich schonwie verrücktjeden MonatDu könntest mir ein Kind machen
TOMWir sind doch selbst noch Kinder
KATJAWir sind keine KinderIch bin kein KindFass mich anKein Kind mehFASS MICH ANHast anfassen noch nicht gelerntHast noch nichts zum anfassen
TOMKann er nicht verstehenSoll in mein Zimmerdie Bilder sehnwas ich sehewenn ich die Augen schließeBeim malenhör ich meinen Puls durch nen VerstärkerMeine Augen sind MikroskopeKann man sich nicht irrenKatjas Gesicht ein MeterZwei Meter großSpäter werde ich sie zehn Meter groß malenein Wandgemäldemitten in Toronto
Seit Mutter weg isthat er die Fresse nicht aufgekriegtmich aus dem Bett geholtAls wenn nichts wäreIn die Badewanne gesetztZu viel Schaum gemacht
Das Frühstück hat gedauertZwei Stunden reinwürgenSeine Augen haben gedrehtAuswege gesuchtprobiert Tränen aufzustauen
Ich hab aus dem Fenster gesehendie ganzen TageEr ist nicht zur Arbeit gegangendie konnten nicht mit ihm rechnendie haben’s verstandenIch hab ihn gefragtFünfzig-Hundertmal am TagSie ist weggefahren weit wegIrgendwann morgens aufgewachtkapiertdass es wahr istgehörtdass er würgtHat mich auch krank gemachtKalter SchweißSchüttelfrostIch hab die Tür aufgemachtEr vor der Badewanneim schwarzen Anzugfrisch rasiert
Nach Aftershave und Kotze Riecht seine HautEr sieht mich anSeine Augen sind ausgefranstLächeltund lächelt
TOMMach mir was zum Frühstück