Touchpoints - Anne M. Schüller - E-Book + Hörbuch

Touchpoints E-Book

Anne M. Schüller

4,8

Beschreibung

Das Social Web hat die Art und Weise, wie wir kaufen und Business machen, für immer verändert. Eine Fülle neuer "Momente der Wahrheit" ist dabei entstanden. Momente der Wahrheit sind solche, in denen der Kunde erlebt, was die Versprechen eines Unternehmens taugen - um daraufhin seine Entscheidung zu treffen. Wie können Unternehmen die "Customer Journey", also die Reise eines Kunden durch das Unternehmen, zielführend begleiten? Wie können sie die wachsende Zahl der Offline- und Online-Touchpoints (Kundenkontaktpunkte) verknüpfen und nutzen, um damit Geld zu verdienen? Wie können sie Kunden und Mitarbeiter mit ihren Ideen und Meinungen aktiv involvieren, um Exzellenz zu erreichen? Und wie können sie ihre Kunden zu Fans, Promotoren und aktiven Empfehlern machen, um dauerhafte Umsatzzuwächse zu generieren? Touchpoint-Management ist das derzeit wohl am besten geeignete Instrument, um die Herausforderungen unserer neuen Business- und Arbeitswelt zu meistern. Anne M. Schüller hat es in zwei Teilen entwickelt: das Mitarbeiter-Touchpoint-Management, das die Beziehungen zwischen Führungskraft und internen Kunden neu strukturiert, sowie das Customer-Touchpoint-Management, das Kundenbeziehungen in unseren Zeiten von "social" und "mobile" passend gestaltet. Beide Teile gemeinsam machen die anwendenden Unternehmen strategisch wie auch operativ fit für die Zukunft: komplexitätsreduzierend, mit einfachen Bordmitteln umSetzbar und ohne teure Hilfe von außen. Ein Tool, das es auch erlaubt, mit punktuellen Maßnahmen sofort zu beginnen.

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Anne M. Schüller

TOUCHPOINTS

AUF TUCHFÜHLUNG MIT DEM KUNDEN VON HEUTE

Managementstrategienfür unsere neue Businesswelt

3., aktualisierte Auflage

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Sabine Rock, Frankfurt | www.druckreif-rock.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Umschlagfoto: Anne M. Schüller

©2013 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2012 erschienenen Buchtitel “Touchpoints” von Anne M. Schüller, ©2012 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-330-1ISBN epub: 978-3-86200-913-8

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

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Inhalt

Vorwort

Einblick

Touchpoints: Die Momente der Wahrheit

Hilfe! Komplexitätsreduzierer dringend gesucht

Der neue Weg: Die Customer Touchpoint Journey

Mit leichtem Gepäck reist sich’s besser

Touchpoint Management: Das Tool für unsere neue Businesswelt

Was ich noch sagen wollte

TEIL 1   DIE ERFOLGSFAKTOREN FÜR EINE NEUE BUSINESSWELT

Schöne neue Businesswelt

Wie spannend! Das neue Spielfeld

Wie die Zeit vergeht! Kurz in den Rückspiegel geschaut

Der lange Blick nach vorn in unsere neue Businesswelt

Die neuen Buzzwords: Networks, Social, Mobile & Co

The Network is watching you

»Like« oder »dislike«: Alles ist emotional

Sozial vernetzt: Das »Wir« gewinnt

Die große Mobilmachung: Always on

Gut unterwegs? Eine kleine Standortbestimmung

Neue Leitbilder dringend vonnöten

Organigramme – neu gebaut

Alt und neu auf einem Kongress

Wow: So geht Verhalten 3.0

Die neuen Vermarkter

Loyalty first: Loyalität, die Basis fürs Weiterempfehlen

Fans: Die neuen Promotoren

Buzz: Das neue Mundpropaganda-Marketing

Advocating: Das neue Empfehlungsmarketing

Fazit

TEIL 2    TOOL FÜR EINE NEUE BUSINESSWELT: DAS CUSTOMER TOUCHPOINT MANAGEMENT

Das Customer Touchpoint Management

Was sind Customer Touchpoints?

Die Ziele im Einzelnen

Alles zieht in die gleiche Richtung

Der Prozess in vier Schritten

Schritt 1: Die Ist-Analyse

Das Erfassen der kundenrelevanten Kontaktpunkte

Das Dokumentieren der Ist-Situation

Schritt 2: Die Soll-Strategie

Die angestrebte optimale Zielsituation

Wie man passende(re) Vorgehensweisen findet

Schritt 3: Die operative Umsetzung

Das Erstellen eines passenden Umsetzungsplans

Die Umsetzung eines passenden Maßnahmenmixes

Schritt 4: Monitoring und Optimierung

Erfolgskontrolle: Wie war’s?

Die Prozessoptimierung

Touchpoint-Projekte in der Praxis

Der lange Weg: Das Customer-Touchpoint-Projekt

Der schnelle Weg: Arbeit an einzelnen Touchpoints

Ein eindrucksvoller Weg: Die Großgruppenveranstaltung

Fazit

TEIL 3   TOOL FÜR EINE NEUE ARBEITSWELT: DAS COLLABORATOR TOUCHPOINT MANAGEMENT

Das Collaborator Touchpoint Management

Warum ein neues Instrument?

New Work: Die neuen Mitarbeiter

Die neue Rolle der Führungskraft

Das Exzellenzunternehmen

Der Prozess in vier Schritten

Schritt 1: Die Ist-Analyse

Den Mitarbeitern kluge Fragen stellen

Sehr effizient: Die Gewissensfrage

Schritt 2: Die Soll-Strategie

Genderführung: Der »kleine« Unterschied

Begeisterungsführung

Schritt 3: Die operative Umsetzung

Die neue Lobkultur und das Jahresgespräch

Ein Beispiel für Meeting 3.0

Social Media Guidelines für Mitarbeiter

Schritt 4: Monitoring und Optimierung

Das Kennzahlencockpit

Die Optimierungstools

Ausblick

In eigener Sache

Literaturhinweise

Quellen

Über die Autorin

Vorwort

von Gunter Dueck
Der Kunde sieht alles!

Das Internet füllte sich zuerst nur mit Fakten und Informationen, mit virtuellen Hochglanzprospekten und Mitteilungen der »Mächtigen«. Das haben wir zunächst aus der alten Welt der Magazine und Plakate übernommen. Jetzt aber wird das Internet »sozial« und wir sind alle drin. Wir schreiben, bloggen oder kommentieren überall alles, was uns so in den Kopf kommt. Wir jubeln, maulen, petzen, verreißen, empfehlen, liken und disliken. Das Laue und Blasse lassen wir links liegen, weil es keine Energie in die Fingerspitzen einschießt, so etwas überhaupt im Internet zu erwähnen. Das Lauwarme ist »nicht der Rede wert«.

Unternehmen, die etwas vermarkten wollen, sind überaus glücklich, wenn ihre Leistungen von Kunden empfohlen werden – sie leiden aber zunehmend auch unter deren ehrlich-kritischen Anmerkungen. Sie verlieren die Kontrolle über die Kommunikation. Meine Mutter versuchte oft, mir die Kontrolle über mein Handeln zu entziehen. Sie machte mir klar, dass Gott alles und sie fast alles sieht, insbesondere jeden Mangel, jede Missetat und jeden schlechten Gedanken – aber Gott würde mich gegebenenfalls auch bei Petrus loben, der ja an der Himmelspforte wacht.

»Social Media« und »Mobile« führen nun letztlich dazu, dass der Kunde alles sieht. Na gut, fast alles – oder wenigstens viel mehr als früher. Das Unternehmen begegnet dem Kunden heute an unzähligen Stellen. Es gibt, wie es in diesem Buch so treffend heißt, mehr »Touchpoints«.

Unternehmen, die etwas Wundervolles anbieten, haben in dieser neuen Kommunikationswelt viele neue Chancen, sich auszubreiten. Das Gute muss nun, wenn man seine Touchpoints gut managt, nie mehr Geheimtipp bleiben. Das wird Ihnen auf den folgenden Seiten gleich ganz klar. Unternehmen aber, die Zweifelhaftes verkaufen, können auf der anderen Seite völlig unter die Räder kommen, wenn sie in den Social Media zerrissen werden.

Wie können Unternehmen im Netz alle Chancen wahrnehmen – oder aber das Schlimmste durch geeignete eigene Reaktionen im sozialen Netz verhindern? Wie setzen sie ihre Mitarbeiter als Botschafter und Vermittler im Netz ein? Wie lernen sie zu verstehen, auf welche Weise sie ihre guten Leistungen anbieten sollen?

Die neue digitale Welt ist eine Zerreißprobe, wir fühlen uns zwischen Himmel und Hölle hin- und hergerissen. Das gilt zumindest für die erste Zeit, in der wir uns noch an diese Welt gewöhnen und uns viele Fragen stellen: Wie gehen wir mit den neuen Situationen um? Wie »managen« wir die neue Lage? Dieses Buch gibt Ihnen viele Antworten aus der Sicht des Kundenmanagements und des »Botschaftermitarbeiter«-Managements. Es hilft Ihnen, all die neuen Touchpoints erst einmal zu orten, wahrzunehmen und zu bewerten. Es bietet Ihnen Rat und Hilfe in einem ausführlichen ersten Teil.

Aber: Verstehen ist nicht alles! Sie sollen das Erkannte ja auch umsetzen – alles dazu finden Sie in Teil 2 (Customer Touchpoint Management) und Teil 3 (Collaborator Touchpoint Management). Die Autorin hat an alles gedacht! Arbeiten Sie in einem tollen Unternehmen? Dann frisch ans Werk! Wieder etwas gelernt und schnell umgesetzt. Haben Sie mit Kunden im Netz und anderswo Probleme? Dann müssen Sie sich wirklich aufraffen, den vollen Weg zu gehen. Nach der Lektüre dieses Buchs wissen Sie, worin das Problem besteht, wie es gelöst wird, warum Sie es lösen müssen und was Ihnen droht, wenn Sie es nicht lösen. Anne M. Schüller, ganz Expertin ihres Fachs, hat das wunderbar auf den Punkt beschrieben. Mehr kann ein Buch nicht tun. Die echte Lösung aber sind Sie! Denken Sie daran: Der Kunde sieht alles, was es zu sehen gibt. Und er sieht mit den Augen aller Kunden, die seinen Blick mit der Zeit geschärft haben.

Prof. Dr. Gunter Dueck

Philosoph, Autor, ehemaliger Chief Technology Officerder IBM Deutschland

Einblick

Ob die Kunden kaufen, entscheidet sich an den Touchpoints eines Unternehmens – und ob sie treu sind, auch. Vor den Kunden ist immer Showtime. Doch die Rollen sind nun vertauscht. Die Konsumenten sind die neuen Vermarkter. Alles ist entweder »like« oder »dislike«. Das »Reh« hat jetzt die Flinte in der Hand. Unternehmen können nur noch dann überleben, wenn die Netzwerke sie lieben. Weiterempfehlungen sind die neue Währung. Und Suchmaschinen sind das neue Weltgewissen.

»Sei wirklich gut und bringe die Leute dazu, dies engagiert weiterzutragen!«

Das Web ist wie eine gigantische, öffentliche Podiumsdiskussion. Vernebeln, vertuschen und Marketinglügen, all das ist in diesem Szenario ein Auslaufmodell. Selbst kleinste Fehler werden einem um die Ohren gehauen. Minderwertiges wird gnadenlos aussortiert. Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss zukünftig stimmen. Wer glaubhaft hilft, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, der wird in diesen neuen Zeiten die Zukunft am besten erreichen.

»Sei wirklich gut und bringe die Leute dazu, dies engagiert weiterzutragen!« So lautet das neue Businessmantra. Wer heute nicht empfehlenswert ist, ist morgen nicht mehr kaufenswert – und übermorgen tot. Aus der »Weisheit der Vielen«(James Surowiecki) ist eine »Macht der Vielen« geworden und aus der »Weisheit der Freunde« (Dan Rose) eine weltumspannende »Macht der Freunde«. An dieser neuen Konstellation kommt nun wirklich kein einziges Unternehmen mehr vorbei.

Die durchgängige Verschmelzung von Online und Offline steht an.

Wem diese Entwicklung zu verdanken ist? Der Hochzeit zwischen dem Social Web und dem mobilen Internet. Vor allem der Turboboom der Smartphones, Tablet-Computer und Apps verändert mit atemberaubender Geschwindigkeit die Art und Weise, wie wir Dinge tun und miteinander Geschäfte machen. Sie sind die Booster in das Universum einer neuen Businesswelt und markieren den Start des Web 3.0. Im Web 2.0 haben wir nur geübt, jetzt wird es ernst. Digitale Mobilgeräte öffnen das Tor in einen virtuellen Raum, der uns schon jetzt wie eine zweite Aura umgibt. Sie machen aus der schnellen Webgeneration eine superschnelle Mobile-Generation. LoMoSos (Local, Mobile, Social) nennt man sie gern.

Doch nicht nur die LoMoSos, wir alle leben in einer komplexen Symbiose mit dem Web. Die durchgängige Verschmelzung von Online und Offline steht an. Mixed Reality heißt dieses Phänomen. »Für die Menschen da draußen sind beide Welten längst zusammengewachsen. Die größte Herausforderung für die Unternehmen ist es nun, hier Ideen und Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die so selbstverständlich mit beiden Medienwelten spielen wie die Menschen, die sie nutzen«, sagt Wayne Arnold, CEO der Kommunikationsagentur Profero.

Das Rüstzeug dazu finden Sie in diesem Buch.

Abb. 1: Die alten und die neuen Berührungspunkte mit den Kunden

Touchpoints: Die Momente der Wahrheit

Touchpoints sind Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Kunden und auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. »Momente der Wahrheit« (Jan Carlzon) nennt man sie gern. »Berühren« ist ein bezauberndes Wort. So viel Leichtes, Zartes, Subtiles, ja fast schon Intimes schwingt dabei mit. Berührungspunkte erzählen von Nähe, von Vertrautheit und von wissendem Verstehen. Und sie sind sehr fragil: Ein falsches Wort, ein schräger Blick, und alles ist aus. Es ist letztlich die Meisterschaft der kleinen Dinge, die Summe der vielen Details, die Tuchfühlung zulässt und schließlich zum Ziel führt.

Im Marketingdeutschen wird die Vokabel »Touchpoint« in aller Regel mit »Kontaktpunkt« übersetzt. Doch dies ist eine unterkühlte, versachlichte, technokratische Begrifflichkeit. Das Wort Berührungspunkt drückt sehr viel besser aus, wie die Kundenbeziehungen in Social-Media-Zeiten neu zu gestalten sind.

Eine Berührung bedingt Freiwilligkeit.

Denn wer Menschen erreichen will, der muss sie »berühren« – und Emotionalität zum Schwingen bringen. Entscheidend dabei: Eine Berührung bedingt Freiwilligkeit. Damit sie nicht nur flüchtig sei, muss sie zugelassen werden. Der Berührte selbst entscheidet dann, wie es weitergeht. Damit ist eigentlich schon alles über eine gute Kundenbeziehung gesagt: bitten statt auffordern, einladen statt aufdrängen, hinhören statt zuquatschen, fragen statt sagen, hinschauen, interagieren, sich kümmern, Interesse, Respekt und Wertschätzung zeigen, zeitnah agieren. Wenn schließlich dann noch ein Hauch von Magie und eine Brise Sternenstaub hinzugefügt werden, weckt das ein heftiges Wollen. Weil es fasziniert. Das macht Sie unvergleichbar und – viel wichtiger noch – unkopierbar.

Abb. 2: Kommunikationsmöglichkeiten über Social Media (Quelle: Ethority 2011) Der Einfluss sozialer Netzwerke auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik wird – in Verbindung mit dem mobilen Internet – exorbitant steigen.

Wie war das Leben leicht, als es nur ein paar wenige Touchpoints gab: klassische Werbung (Anzeigen, Fernseh- und Radiospots, Plakate) und dialogische Interaktion (telefonisch, persönlich, schriftlich). Heute sind die Touchpoints dort, wo die Kunden ihre Zeit verbringen: im Zickzack zwischen physischer und virtueller Welt, »social« und »mobile« vernetzt. Alle diese Touchpoints so virtuos zu verknüpfen, dass Transaktionen für kaufwillige Kunden immer wieder begehrenswert sind und positiven Buzz (Mundpropaganda) bewirken – das wird nun die große Herausforderung sein.

Dazu bescheren uns emsige Software-Schmieden fast täglich neue Tools, die sowohl digitale als auch mobile Interaktionen zwischen (potenziellen) Kunden und Unternehmen möglich machen und das Internet mit dem Outernet in Echtzeit verbinden. Es kommt für Anbieter und Konsumenten einer Sisyphusarbeit gleich, das Passende auszuwählen und für sich zu erschließen. Abbildung 2 wirft einen Blick auf die »neuen Momente der Wahrheit«, die Social Media Touchpoints, die allein in den letzten Jahren entstanden sind. Einige sind nur Spielereien, andere bei Erscheinen des Buchs womöglich schon tot. Und neue werden hinzugekommen sein.

Dabei spielen die indirekten Touchpoints wie zum Beispiel Meinungsportale, User-Foren, Testberichte, Blogbeiträge, Presseartikel, Mundpropaganda und Weiterempfehlungen eine zunehmend wichtige Rolle. Diese werden als »Earned Media« bezeichnet, denn man kann sie sich nicht kaufen, man muss sie sich stattdessen verdienen. Immer öfter werden heutzutage die webbasierten O-Töne Dritter – Google nennt sie die »Zero Moments of Truth« (ZMOT) – von anschaffungswilligen Kunden zuerst angesteuert. Diese – und absteigend weniger die teuer bezahlte Werbung (Paid Media) – führen zum Kauf oder Nichtkauf. Das heißt: Die Konsumenten entscheiden als neue Vermarkter über die Zukunft eines Unternehmens maßgeblich mit.

Hilfe! Komplexitätsreduzierer dringend gesucht

Um aus dieser gigantischen Welle mit all dem Wissen im Web das Relevante herauszufiltern und die Spreu vom Weizen zu trennen, brauchen wir technologische und auch persönliche Helferlein. Smarte Türsteher (Gatekeeper) werden zu einer lebenswichtigen Notwendigkeit. Digitale Diener und virtuelle Assistenten werden in naher Zukunft nur noch die Infos passieren lassen, für die es von uns – den Kunden – eine Erlaubnis gab. Unternehmen werden dann anklopfen und um Einlass bitten müssen. Alles, was nicht passt, muss draußen bleiben. Nur wer die richtigen Touchpoints im richtigen Moment richtig bespielt, kommt bis zum Kunden durch.

Apps sind die Boten dieser neuen Zeit: Komplexitätsreduzierer, die uns nur noch das in den Eingangskorb legen, was unserer Interessenlage entspricht. Während also viele sich gerade erst die Spielregeln der Social Media erarbeiten, ist »Personal Mobile Media« bereits absehbar. Der nächste Schritt wird dann die nötige Abschottung sein. Denn die unendliche Offenheit des universellen Webs ist ja nicht nur mühsam, sie macht uns auch verletzlich. Google+ bildet diese Entwicklung bereits ab. Da kann jeder seine eigene kleine Netzwerkwelt in geschlossenen Kreisen (Circles) formieren und so ein wenig Intimität genießen.

Vertrauen ist die Brücke zum Neuland.

Neben den technologischen Komplexitätsreduzierern gibt es übrigens einen Helfer, der aus einer ganz anderen Werkzeugkiste stammt. Sein Name: Vertrauen. Wo die Zeit nicht reicht oder das Wissen fehlt, um eine Sache genau zu durchleuchten, ist Vertrauen der beste Kitt. Und dort, wo wir von Fremden auf dem globalen Marktplatz Internet etwas kaufen, gibt es nur eine Chance: Vertrauen. Vertrauen ist die Brücke zum Neuland. Und Hoffnung auf das Happy End.

»Die Gesellschaft der Zukunft ist zum Vertrauen verdammt«, schreibt der Philosoph Peter Sloterdijk. Dabei können wohlmeinende Dritte uns eine große Hilfe sein, weil deren helfende Hand den Zaudernden vertrauensvoll führt. Sie erzeugen Reputationsvertrauen und machen unserem Hirn die Arbeit ganz leicht. »Wenn mein guter Freund mir die Marke X empfiehlt, kann ich sorglos zugreifen«, denkt der geneigte Verbraucher und kauft.

So haben die wichtigsten Komplexitätsreduzierer eine menschliche Gestalt. Wir finden sie in unserem realen Umfeld und auch in der virtuellen Realität: in privaten Netzwerken, in Business-Networks und im Social Web. Ihre »Likes« und »Dislikes« machen uns das Leben leicht und bequem. Sie verhindern Streuverluste und empfehlen nur das, was wirklich für uns zählt. Sie sind das Bindeglied zwischen dem Gewohnten und der Ungewissheit.

So haben die wichtigsten Komplexitätsreduzierer eine menschliche Gestalt.

Verlässliche Empfehlungen durch Dritte geben uns Orientierung. Sie verkürzen Entscheidungsprozesse. Sie verringern das Risiko, eine fatale Fehlentscheidung zu treffen. Und sie reduzieren die Gefahr, enttäuscht zu werden. Sie ersetzen mangelndes Wissen durch Vertrauen. Sie schaffen Sicherheit. Und sie helfen uns, eine Menge wertvoller Zeit zu sparen. Sie geben uns »Peace of Mind« und unserem Oberstübchen kortikale Entlastung (so nennen die Fachleute das). Deshalb wird ein gut gemachtes Empfehlungsmarketing in Zukunft der ganz große Renner sein. Es gehört an die erste Stelle im Marketingplan.

Der neue Weg: Die Customer Touchpoint Journey

Konzepte, die Unternehmen schnell und wendig machen, die Komplexität reduzieren und die ständig wachsende Menge an Ungewissem manövrierbar machen, müssen nun schleunigst auch im Management Einzug halten. Die neue Blickrichtung heißt Outside-in statt Inside-out. Die Blackbox der Binnensicht muss endgültig verlassen werden.

Die Reise des Kunden (Customer Journey) durch unsere Unternehmenswelt muss in Zukunft das Navigationssystem sein. Ursprünglich stammt der Begriff »Customer Journey« aus dem E-Commerce. Er beschreibt den Weg des Nutzers beim Surfen im Web über diverse Views und Clicks bis zum schließlichen: »Ja, ich kaufe.« Was bei dieser Betrachtungsweise gerne vergessen wird: Ein potenzieller Kunde springt nicht nur im Web hin und her, er verquickt vielmehr die reale mit der virtuellen Welt. Die »Offline-Online Customer Journey« oder besser gesagt die »Touchpoint Journey« der Kunden muss zukünftig Dreh- und Angelpunkt aller Unternehmensaktivitäten sein. Der Touchpoint-Management-Prozess ist das dazugehörige Ordnungssystem. Und der sozial vernetzte Kunde steht dabei an oberster Stelle.

Abb. 3: Die Gewichtung im Sales Funnel verlagert sich zu Loyalty und Buzz.

Wenn wir von nun an alles aus der Sicht des Kunden betrachten, dann wird aus einem Verkauf (Sales) ein Kauf und aus einem »Point of Sales« ein »Point of Experience« mit einer entsprechenden Vor- und Nachkaufphase. Der alte Sales Funnel (Verkaufstrichter) muss demnach umgeschrieben, neu gewichtet und vor allem erweitert werden. Schon heute – und in Zukunft noch viel mehr – stehen am Anfang und am Ende eines Kaufprozesses in aller Regel Mundpropaganda und Weiterempfehlung. Die beste Basis dafür? Sie heißt, wie wir noch sehen werden, Kundenloyalität.

Lassen Sie die Kunden mitmachen, so oft es nur geht!

Um dabei all dem am Ende nicht vom Wege abzukommen, involviert man am besten die Kunden. Eine Sicherheit, dass sie immer die passenden Antworten haben, gibt es natürlich nicht. Aber die Chance, sich auf den Weg in die richtige Richtung zu machen, steigt hierdurch gewaltig. Von Kunden kann man sehr viel lernen, wenn man kluge Fragen stellt. Deshalb: Lassen Sie die Kunden mitmachen, so oft es nur geht! Das erzeugt ganz nebenbei den loyalisierenden »Mein-Baby-Effekt«. Denn wer lässt schon gern sein Baby im Stich?

Mit leichtem Gepäck reist sich’s besser

Auf der Reise in die Zukunft brauchen Sie Leichtigkeit, da die Märkte sich ständig im Wandel befinden und kaum mehr zu berechnen sind. Hierzu sind netzwerkartige Strukturen, kurze Entscheidungswege, Flexibilität und ein schnelles Vorankommen nötig. Deshalb muss zunächst der bleischwere Ballast aus alten Businesstagen über Bord. Sperrige Managementmoden, Topdown-Hierarchien, Budgetierungsexzesse und Standardisierungswahn – all das sollte schleunigst ausgemustert werden. Es produziert im Grunde nichts als Bürokratie und Administration.

Doch Bürokratie und Administration lähmen und machen dumm. Und Standards bewirken eben nur Standardleistungen – und langweiliges Mittelmaß. Sie geben Planungssicherheit? Ein Widerspruch in sich! Alles, was Unternehmen heutzutage dem Markt anbieten, ist eine Beta-Version, also permanente Vorläufigkeit. Man kann und muss es immer noch ein wenig besser machen. Wenn überhaupt, dann ist höchstens das Geschäft mit regelmäßig kaufenden, durch und durch loyalisierten Fankunden planbar.

Die neue Kundengeneration wartet nicht ab, bis Unternehmen ihre langen Entscheidungswege abarbeiten und zäh in die Pötte kommen. Sie haben es satt, dass unternehmerischer Kostensparwahn in schlechten Service umgemünzt wird. Sie werden auch nicht mehr Bittsteller sein. Wenn es klemmt, ziehen sie schleunigst von dannen. Und im Web erzählen sie der ganzen Welt, warum das so ist. Für die Konsumenten ist das ein Trumpf ohnegleichen – für schlecht aufgestellte Unternehmen hingegen bedeutet es Lebensgefahr.

Deshalb sind gute, neue, frische Ideen, über die sich angeregt reden lässt und die man wärmstens empfehlen kann, so dringend vonnöten. Dazu braucht es Leichtigkeit – und Möglichkeitsräume. Und es braucht Mitarbeiter, die im »Wollen« statt »Müssen« sind: Menschenversteher, Begeisterungsmanager, Kunden-glücklich-Macher. Selbst das beste Produkt bleibt dürftig, wenn es an Sympathie und guten Gefühlen mangelt. »Muss-Gesichter«, die wie Aufziehpuppen ihre öden Vorschriften abarbeiten, mögen wir gar nicht gern. Wo die Stimmung nicht gut ist, da kaufen wir nicht. Und wen wir nicht leiden können, den empfehlen wir nicht. Da kann das Angebot noch so ausgetüftelt sein. Es bleibt bei einem lautstarken »Nein«.

Touchpoint Management: Das Tool für unsere neue Businesswelt

Was Unternehmen also auf ihrem Weg in die Zukunft nun brauchen? Ein Tool, das schnell und wendig macht, das die Fülle der Berührungspunkte in ein lockeres Ordnungssystem packt – und das in der Lage ist, die neue Wirklichkeit komplett zu integrieren. Sie brauchen ein Tool, das Komplexität reduziert, das den Kunden in seiner neuen Funktion als Vermarkter integriert und die Mitarbeiter mit Leichtigkeit ins »Wollen« bringt.

Das Kontaktpunkt-Management (Touchpoint Management) ist dieses Tool. Es hat zwei Facetten:

1. Das Kundenkontaktpunkt-Management

2. Das Mitarbeiterkontaktpunkt-Management

Das Kundenkontaktpunkt-Management (Customer Touchpoint Management), das es als reines Analysetool bereits gibt, habe ich zu einem Managementprozess weiterentwickelt, der schnell, effizient und mit einfachen Bordmitteln einsetzbar ist. Das Ziel? Eine exzellente Reputation, durch und durch loyale Immer-wieder-Kunden und jede Menge Neugeschäft durch aktive positive Empfehler. Guter Profit kommt so am Ende ganz von allein. In diesem Buch werden dabei die »neuen Momente der Wahrheit« im Vordergrund stehen. Sie werden in Zukunft den Unterschied machen.

Ziel ist es, alle Mitarbeitenden auf das Wohlergehen der Kunden einzuschwören

Das Mitarbeiterkontaktpunkt-Management (Collaborator Touchpoint Management) ist neu. Ich habe es aus dem Kundenkontaktpunkt-Management heraus entwickelt. Es berücksichtigt unter anderem, dass Unternehmen zunehmend mit Kollaborateuren, also Externen jenseits klassischer Arbeitsverträge, zusammenarbeiten. Ziel ist es, alle Mitarbeitenden auf das Wohlergehen der Kunden einzuschwören. Um das zu erreichen, braucht es nicht nur neue Leitbilder, neue Organigramme und eine »lachende Unternehmenskultur« (Anne M. Schüller). Die digitalisierte Net-Generation erfordert zudem ein neues Führungsverständnis.

Ein Pluspunkt: Das Touchpoint Management ist sowohl für die Big Player am Markt als auch für den Mittelstand bestens geeignet. Es handelt sich um ein ganzheitliches Konzept, das es erlaubt, sofort an Schlüsseltouchpoints mit punktuellen Maßnahmen zu beginnen. In Teil zwei und drei dieses Buchs finden Sie, ganz auf die Praxis ausgerichtet, alle erforderlichen Schritte dazu.

Doch zunächst sollten wir Klarheit darüber gewinnen, wie unsere schöne neue Businesswelt denn nun funktioniert. Im ersten Teil werden deshalb einige wesentliche Erfolgsfaktoren näher beleuchtet. Wir schauen uns vor allem an,

•  was alt ist, was bleiben kann, was weg muss und was neu hinzugenommen werden soll in diesen neuen Zeiten,

•  was hinter den Schlagworten steckt, die uns so in Atem halten: Networks, Social, Mobile, Links und Likes,

•  wie sich die neue Verkaufsmannschaft, bestehend aus Fans, Multiplikatoren und Empfehlern, effizient einsetzen lässt.

Auf Basis dieses Fundaments geht es dann auf Tuchfühlung mit Ihren externen und internen Kunden.

Was ich noch sagen wollte

Wenn ich hier über Chefs, Mitarbeiter und Kunden schreibe, sind natürlich immer Männer und Frauen gemeint. Nur wenn es den Unternehmen gelingt, das Beste von Männern und das Beste von Frauen optimal zu nutzen, ist wahre Exzellenz erreichbar. Ferner ist dieses Buch nicht nur für Sales & Marketing, sondern für alle Führungskräfte gedacht, denn ein modernes Kundenmanagement geht wirklich jeden im Unternehmen an.

Drei Dinge noch, die mir dabei besonders am Herzen liegen:

1.  Das Buch schlägt die Brücke von der Theorie zur tagtäglichen Praxis. Denn in diesen Umbruchzeiten brauchen die Unternehmen vor allem eins: Antworten. Bücher, die (nur) den Zeigefinger heben und sich an grauer Theorie ergötzen, gibt es genug.

2.  Sie brauchen keine externen Consultants im Touchpoint Management. Sparen Sie sich lieber das Geld und nutzen Sie die kollektive Intelligenz der besten Ratgeber, die zu finden sind: die eigenen Mitarbeiter und die sozial vernetzten Kunden.

Wenn es den Unternehmen gelingt, das Beste von Männern und das Beste von Frauen optimal zu nutzen, ist wahre Exzellenz erreichbar.

3.  Warten Sie nicht auf das nächste gehypte Management Tool (aus Amerika). Wer unreflektiert in die (falsche) Ferne schaut, bei dem läuft schnell mal etwas schief. Exzellenz entsteht vielmehr durch Tuchfühlung mit den Kunden von heute, gesunden Menschenverstand und das Touchpoint Tool für die »Momente der Wahrheit«.

In jedem Fall wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen und überragenden Erfolg bei der anschließenden Umsetzung. Schreiben Sie mir gern, wie es Ihnen dabei ergangen ist. Ich bin gespannt.

Ihre

Anne M. Schüller

München, im August 2011 (aktualisiert im Oktober 2012)

P.S.: Ein kleiner Hinweis zu den Anglizismen in diesem Buch: Seit der Echtzeit-Verknüpfung zwischen Online und Offline – und einer zunehmenden Dominanz des Internet – haben Anglizismen auch verstärkt Eingang in die Geschäfts- und Arbeitswelt gefunden – ob wir das wollen oder nicht.

TEIL 1

DIE ERFOLGSFAKTOREN FÜR EINE NEUE BUSINESSWELT

Schöne neue Businesswelt

Noch nie gab es so viele Möglichkeiten wie heute, seine Wunschkunden zum (Wieder-)Kauf zu bewegen. Und täglich werden es mehr. Doch die Umsätze steigen nicht länger proportional zum Werbedruck, sie hängen mit der Güte der Reputation, der Wertigkeit der Mundpropaganda und der Zahl der aufrichtigen Weiterempfehlungen zusammen. Werbung, auf die zu achten es sich lohnt, kommt nun vornehmlich aus dem Kreis der vernetzten Verbraucher.

Willkommen in der Empfehlungsökonomie.

Kaufbestimmend ist, was das eigene Netzwerk sagt. Vorbildliches wird vergnügt gefeiert und Gutes kräftig gelobt. Übles wird hingegen schwer bestraft. Früher geschah das nur im kleinen Kreis, heute kommt ein Fehlverhalten vor der ganzen Welt an den Pranger. Man wird geteert, gefedert und so auf dem Markplatz Internet vorgeführt. Und ob die Unternehmen das nun wollen oder nicht: Die Menschen machen rigoros Gebrauch von ihren neuen Möglichkeiten.

Wie spannend! Das neue Spielfeld

Digitale Mundpropaganda ist inzwischen fast so etwas wie Bürgerpflicht.

Social Media und das mobile Internet haben in kürzester Zeit die Rahmenbedingungen für Management, Sales und Marketing komplett auf den Kopf gestellt: Die Unternehmen wurden, um es auf den Punkt zu bringen, vom Jäger zum Gejagten. Früher konnten die Marktplayer ihren Werbeschrot(t) völlig unbekümmert in die Welt hinaus ballern. Heute erzeugt alles, was sie tun, öffentliche Resonanz. Ist sie negativ, dann schadet dies Image und Umsatz empfindlich. Und selbst wenn sie positiv ist, müssen Unternehmen das moderieren. Digitale Mundpropaganda ist inzwischen fast so etwas wie Bürgerpflicht. Die größte Empfehlungsmaschine, die es je gab, heißt Social Web. Den Menschen im Cyberspace zuzuhören und dann in deren Sinn zu agieren, ist heute erste Unternehmenspflicht.

In diesem neuen Szenario werden nur solche Produkte, Dienstleistungen und Marken überleben können,

•  die die Menschen sinnvoll und nützlich finden,

•  für die das eigene Netzwerk und / oder die Öffentlichkeit schwärmt,

•  in die man sich »verlieben« kann.

So wird es nun bei der Marktbearbeitung und im Kundenkontaktpunkt-Management vorrangig um folgende Fragen gehen:

•  Wird das, was wir tun, und vor allem, wie wir es tun, unser öffentliches Ansehen stärken?

•  Wird das, was wir tun, und vor allem, wie wir es tun, ein positiv-meinungsbildendes Weitererzählen bewirken?

•  Wird das, was wir tun, und vor allem, wie wir es tun, unsere Kunden zu Fans und Empfehlern machen?

Wer auf diese Fragen kluge Antworten parat hat, der erlangt eine gute Reputation, Loyalität, hochwertiges Neugeschäft und schließlich Profit fast wie von selbst. Die beiden wichtigsten Grundsätze dabei lauten:

Die Wahrheit verkauft sich am besten.

+

Nur die wirklich Guten kommen durch.

Die neuen Tonangeber

Nicht die eigene Firmenwebseite, sondern das Suchfeld von Google & Co. ist heute der Startpunkt für eine potenzielle Kundenbeziehung – und oftmals gleichzeitig das Ende. Marken sind nur noch dann etwas wert, wenn sie aktives Unterstützungspotenzial von Freunden, Fans und Fürsprechern haben. Menschen beobachten verstärkt, was andere mögen, und orientieren sich daran. Dabei rücken zunehmend solche Multiplikatoren in den Fokus, die als Meinungsmacher und Referenzgeber fungieren. Ihr Urteil beeinflusst das Konsumverhalten ganzer Gruppen.

Viele Menschen hören erst einmal, was »Leaduser«, »Influencer« und »Opinion-Leader« so von sich geben. Sie sind die neuen Supertargets für Sales und Marketing. Sie müssen gesucht und gefunden werden. Wenn man sie dann als Botschafter gewinnt, wird alles ganz leicht. Die wenigsten unter uns sind nämlich Vormacher, die meisten sind Nachmacher. So kommt es, dass Menschen sich an denjenigen orientieren, die das Sagen haben. Und immer mehr Menschen folgen solchen Stimmen offline und online nahezu blind.

Die wenigsten unter uns sind nämlich Vormacher, die meisten sind Nachmacher.

Klassische Werbung hingegen ist für die meisten längst zweite Wahl. So haben Marktforscher herausgefunden, dass, wenn es um den Erfolg von Kinofilmen geht, Twitter-Beiträge mehr Einfluss haben als die komplette Marketingmaschinerie der Filmstudios. Und eine Untersuchung der Otto Group hat bereits 2010 gezeigt: 53 Prozent der befragten Internetnutzer erachten Bewertungen und Kommentare anderer Onliner als glaubwürdig, während nur 40 Prozent die Produktinformationen auf Hersteller-Websites verlässlich fanden. Sogar 54 Prozent der Interviewten haben aufgrund von entsprechenden Onlinekommentaren oder Produktbewertungen ein Produkt, das für einen Kauf infrage kam, dann doch nicht gekauft.

Schlechte Anbieter verlieren also heute bereits jeden zweiten potenziellen Kunden alleine durch das Internet – und ohne es zu merken.

Die neue Empfehlungsökonomie: Buzz wird mobil

Schlechte Anbieter verlieren heute fast jeden 2. potenziellen Kunden allein durch das Internet – und ohne es zu merken.

Auch wenn ein Großteil des Weitererzählens immer noch offline passiert – digitale Mundpropaganda wird zunehmend marktbestimmend. Und sie wird mobil. Noch während wir im Restaurant beim Nachtisch sitzen, schicken wir unsere gaumenfrischen Geschmackseindrücke bereits an ein passendes Bewertungsportal. Beratungsgespräche mit unserem Finanzberater werden live ins Internet geschickt – und dort spöttisch diskutiert. Kaum haben wir eine neue Wohnung besichtigt, posten wir schon erste Bilder an unsere Facebook-Wall, damit die Freunde sie kommentieren können. »Der gesamte Immobilienmarkt spielt sich künftig im mobilen Internet ab«, prognostiziert Axel Gloger, Herausgeber des Trendletters. Diese Prognose kann auf viele Branchen erweitert werden.

Im Social Web gibt es keine Geheimnisse mehr.

Früher mussten wir, um unsere Erfahrungen in die Welt hinauszuschicken, erst nach Haus gehen und warten, bis der Rechner hochgefahren war. Dank mobiler Endgeräte ist so etwas heute ganz leicht. Alles wird via Touchscreen in Echtzeit öffentlich gemacht. Selbst Einzelmeinungen können dabei ein großes Gewicht bekommen, wenn sie von Tausenden gelesen werden. »Leichen im Keller« stellen auf der anderen Seite eine große Gefahr dar, denn früher oder später kommt jede Untat heraus. Im Social Web gibt es keine Geheimnisse mehr. Onlinenetzwerke verstärken immer, was in sie eingespeist wird. Sie intensivieren die Persönlichkeit eines Unternehmens – und das im Guten wie im Bösen. So wird es, um mit Googles Ex-CEO Eric Schmidt zu sprechen, in Zukunft darum gehen, die Dinge, die nicht entdeckt werden sollen, erst gar nicht zu tun. Dann braucht man sich auch keine Sorgen zu machen.

Wer hingegen schlechte Leistungen erbringt, verheimlicht, verschleiert, bei Leistungsfeatures lügt oder bei der Preisgestaltung betrügt und so den Kunden über den Tisch ziehen will, bekommt jetzt blitzschnell ein Problem. Gebloggter, getwitterter oder den Meinungsportalen anvertrauter Unmut erreicht heute innerhalb von Minuten die breite Öffentlichkeit – und wird von den sensationshungrigen Medien dankbar recycelt. Und mehr noch: Das, was die Menschen über ein Unternehmen sagen, hat bei den Suchmaschinen Vorrang vor dem, was die Unternehmen über sich selber sagen. Selbst Suchmaschinen-Algorithmen bevorzugen People-Buzz – und bringen ihn ganz weit nach vorn auf die Trefferlisten.

Die Social-Web-Ethik wird universell

Eines ist heute schon klar: Das Social Web ist viel mehr als ein bisschen Mitmischen bei Facebook, Twitter & Co. Es macht Kunden und Konsumenten quasi allwissend – und Anbieter endlich vollumfassend dialogfähig. Für ausnahmslos alle Unternehmensbereiche ist es außerdem ein unglaublich wertvolles Recherchetool. Nun erst kann das Internet seine ganze Stärke entfalten.

Das Social Web hat schon längst damit begonnen, eine universelle Ethik zu begründen.

Ferner hat das Social Web schon längst damit begonnen, eine universelle Ethik zu begründen. Dabei umfasst »social« ein ganzes Wertebündel rund um die Begriffe »gesellschaftlich«, »gesellig« und »sozial«. Im Deutschen beinhaltet »sozial« die Fähigkeit einer Person, sich für andere Menschen zu interessieren und sich in andere einfühlen zu können. Dies bedeutet auch, das Wohl Dritter im Auge zu behalten und fürsorglich an die Allgemeinheit zu denken. Vernetzt zu sein ist ein wichtiger Baustein dafür.

»Vernetzung heißt Kooperation und Kooperation erzeugt Moral. In Netzwerken ist es intelligent, nett zu sein«, sagt der Medienphilosoph Norbert Bolz. Das betrifft Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen.

Öffentlichkeit erzeugt immer sozialen Druck. Und gesellschaftlicher Druck zwingt – wie Untersuchungen aus der Spieltheorie zeigen – zu fairem Verhalten. So wird auch das Böse eingedämmt. Nicht mal hinter verschlossenen Türen kann man heute noch die Sau rauslassen. Denn verschlossene Türen gibt es in einer Netzwerkgesellschaft nicht mehr. Das Mauscheln in Hinterzimmern lässt man also besser sein. Denn irgendeiner schaut immer durchs Schlüsselloch. Und im Web erzählt er der ganzen Welt, was er dort sieht. Whistleblowing nennt man das jetzt. Und dies hat mit Petzen rein gar nichts zu tun.

Whistleblower tun nämlich durchaus etwas Gutes: Sie decken nicht tolerierbares Fehlverhalten, gravierende Missstände und illegales Handeln auf. Wenn sie dabei an das Allgemeinwohl denken, gehen sie sogar persönliche Risiken ein. Ihr Schutz heißt Öffentlichkeit. Und die will endlich (!) sauberen Profit sehen. Ja, man kann auch erfolgreich sein, ohne zu zerstören. Man kann Gewinne erzielen und gleichzeitig die Welt verbessern. Genau den Unternehmen, die solche Werte leben, wird ein Großteil der Kunden die Treue halten.

Der unglaubliche Siegeszug der sozialen Medien ist wohl auch damit zu erklären, dass dort der gesunde Menschenverstand regiert und sich niemand um verwinkelte Managementtheorien schert. So hat das Social Web schon längst begonnen, die gesamte Art und Weise, wie wir miteinander Geschäfte machen, unwiderruflich zu verändern. Selbst wenn es im ersten Moment nicht den Anschein hat: Die Auswirkungen sind gewaltig. Sie kommen einem Paradigmenwechsel gleich.

Wie das »Web der Menschen« entstand

Als Paradigmenwechsel im Sinne des US-amerikanischen Wissenschaftsphilosophen Thomas Samuel Kuhn wird eine Änderung des Blickwinkels bezeichnet, »wenn durch diese Änderung die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Forschung und des bereits vorhandenen Wissens gegeben wird. Festgestellt wird dieser Wechsel von der betreffenden ›Wissenschaftsgemeinde‹« (Wikipedia).

Als Paradigmenwechsel wird eine Änderung des Blickwinkels bezeichnet.

Ein großer Paradigmenwechsel fand mit Aufkommen des Internets und vor allem seit Beginn der kommerziellen Nutzung des World Wide Web statt. Dabei markieren die achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts das Ende der Industriegesellschaft und den Beginn der Wissensgesellschaft.

Ein weiterer Paradigmenwechsel hat vor wenigen Jahren eingesetzt. Abgegrenzt durch die Begriffe Web 1.0 und Web 2.0 kennzeichnet er das Erwachen der Netzwerkgesellschaft. Mit dem mobilen Internet ist nun das Web 3.0 an der Reihe. Ziel dieses »semantischen Webs« (Wikipedia) ist es auch, die Bedeutung von Informationen für Computer verwertbar zu machen. Dazu braucht es Verstehen. Siri, die Stimme aus dem iPhone, ist, selbst wenn derzeit noch nicht ganz perfekt, ein Vorbote dieser neuen Zeit, in die wir uns gerade mit Volldampf hineinbewegen.

Das Web 1.0 war ein Web der Technokraten und es gehörte den Unternehmen. Es stand für Produkte und Handel, für territoriale Gelüste und Machtexzesse, für Monologe und Topdownhierarchien. Das Vorgehen war monochron: analytisch, logisch und unterkühlt strukturiert einer fixierten Linie folgend. Wertschöpfungsketten nannte man das. In einer Wissensgesellschaft war und ist derjenige am erfolgreichsten, der die besten Ideen hat. In einer Netzwerkgesellschaft hingegen kommt der am weitesten, der die besten Ideen hat plus die meisten Fans mobilisiert plus die Kraft der Networks zu nutzen weiß.

In einer Netzwerkgesellschaft kommt der am weitesten, der die besten Ideen hat plus die meisten Fans besitzt plus die Kraft der Networks zu nutzen weiß.

Wie die Natur, als sie aus Einzellern Mehrzeller machte, so hat auch die Menschheit schon immer die »Macht der Vielen« genutzt und sich zu Netzwerken zusammengeschlossen: Aus Nomaden wurden Siedler, aus Siedlern Stämme und Völker. Handwerker bildeten Zünfte, Menschen mit gleichen Interessen schlossen sich in Verbänden, Vereinen und Genossenschaften zusammen. Doch erst mit Entstehen des Social Web konnten Netzwerke von einer Größe entstehen, die die ganze Welt zusammenführen. Und so bekommen heute auch die vielfältigen Formen des Weiterempfehlens einen neuen Stellenwert. Erst digital können sie ihre ganze Kraft entfalten.

Social everything: Die ganze Welt wird »sozial«

Das Web 2.0. postuliert, in Anlehnung an die Versionsnummern von Softwareprodukten, eine neue Generation des Internets und grenzt es von früheren Nutzungsarten ab. Der Begriff wurde Ende 2005 von Buchautor und Verlagsinhaber Tim O’Reilly populär gemacht. Das Wesen des Web 2.0 ist polychron, also geprägt durch einen hohen Kommunikationsgrad und einen ungehinderten Meinungsaustausch. Bei hoher Aktivitätsdichte findet eine lockere Vernetzung in alle möglichen Richtungen statt. Das Ganze hat Tempo und ist quirlig, komplex und konfus. Aus solchem Chaos wird ständig Neues geboren. Kreativität, Flexibilität, Offenheit und Schnelligkeit sind die entscheidenden Parameter dabei. Während das Web 1.0 für »Hunting« stand, steht das Web 2.0 für »Farming«. Und das Web 3.0 fährt über beobachtendes Zuhören, motivierendes Einbinden und intelligentes Verknüpfen schließlich die Netzwerkernte ein. Jede Aktivität eines Unternehmens wird dabei künftig Social-Media-Anteile enthalten und diese wertschöpfend nutzen.

Während das Web 1.0 für »Hunting« stand, steht das Web 2.0 für »Farming«.

Bereits das Web 2.0 gehört den Menschen. Es steht für Gespräche, für Teilen, für Werte, für Kooperation und Gleichrangigkeit, für transparente Beziehungen und ehrliche Interaktion. Bezeichnenderweise wurde der technokratisch anmutende Begriff Web 2.0 auch schnell in den Hintergrund gedrängt. Heute sprechen wir vom Social Web. Es hat nicht nur eine neuartige Infrastruktur bereitgestellt, sondern auch einen Wertewandel eingeleitet und letztlich eine neue Gesellschaftsphilosophie geschaffen.

Das beeinflusst jedes unternehmerische Tun: Wir kommunizieren im Web mit Social Networks und betreiben Social Commerce. Wir arbeiten als Social Enterprises mit Social Capital an Social Investments. Kunden profitieren von Social-Shopping-Aktionen. Gute Tipps geben sie an ihr Social Graph via Social Plugins weiter. Und Marketer versuchen, durch Social CRM unterstützt, die in Social Communities mit Social Games, Social Talk oder Social Dating beschäftigten Konsumenten über Social PR und Social Advertising zu erreichen, um schließlich mit ihnen Social Business in der bunten Welt der Social Media zu machen. Ohne jetzt hier alle Begriffe im Detail erläutern zu wollen: Als Social Media werden digitale Plattformen bezeichnet, die den interaktiven Austausch von Menschen untereinander ermöglichen.

Social everything: Die ganze Welt wird »social«. Und sie rückt dabei immer enger zusammen. Über geographische und kulturelle Grenzen hinweg stehen wir nicht nur vor einem Offline-Online-Verschmelzungsprozess, sondern (hoffentlich) auch vor einer Entwicklung, die soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit wahr werden lässt. Ein One-World-Feeling liegt in der Luft. Das schon so lang vorhergesagte globale Dorf ist endlich gebaut. Jetzt müssen wir es nur noch gemütlich für alle machen.

Abb. 4: Internet, Gesellschaft und Businesswelt im Zeitverlauf

Wie die Zeit vergeht! Kurz in den Rückspiegel geschaut

Die Unterschiede zwischen der alten und der neuen Businesswelt sind enorm. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Miteinander in den Unternehmen. Es erfordert ebenso durchgreifende Veränderungen im Umgang mit den Kunden an den einzelnen Touchpoints. Das gilt im Übrigen für alle Touchpoints, nicht nur für jene, die das Social Web hervorgebracht hat.

Wir müssen verstehen, wie das »große Bild« unserer neuen Businesswelt funktioniert.

Was in einem ersten Schritt dafür nötig ist? Zunächst gilt es zu verstehen, wie das »große Bild« unserer neuen Businesswelt funktioniert. Nur das kann einen Einstellungswandel bewirken. Und nur dann können wir in den »Momenten der Wahrheit« stilsicher das Passende tun. Schauen wir uns also das Ganze zwecks Standortbestimmung zunächst aus der Konzeptperspektive heraus an: Was ist alt – und was ist neu?

Ein Blick zurück im Zorn

Lang, lang ist es her – der Taylorismus lässt grüßen –, da funktionierten Unternehmen wie autistische Silos. Patriarchalisches Führen, Bereichsegoismen, sinnentleerte Arbeitsteilung, vordefinierte Standards und ausgefeilte Kontrollmechanismen waren die Norm. Ober stach Unter. Der »Dienstweg« war heilig, über alle Instanzen hinweg. Abarbeiter erfüllten ohne Murren und stets prozesskonform die ihnen zugewiesenen Aufgaben. Im stillen Kämmerlein erfanden Ingenieure Produkte, die möglichst rationell zu fertigen waren. Die Kommunikationsabteilung machte die Werbung dafür und der Vertrieb verkaufte sie dann. Massenproduktion, Push-Marketing (Reklamegeschrei in den Markt hinein) und Hardselling (»Anhauen, umhauen, abhauen«) waren die Norm. Dementsprechend ging es auch an den einzelnen Touchpoints zu: Ich Hersteller – du kaufen!

Kam das alles nur in grauer Vorzeit vor? Der Marketing- & Vertriebs-Excellence Monitor 2010 ergab, dass gerade mal 6 Prozent der befragten Unternehmen eine gemeinsame Marketing- und Vertriebsplanung haben. Weitere Ausführungen will ich uns hier ersparen. Nur so viel vielleicht: In den Teppichetagen tummeln sich tatsächlich immer noch Graumelierte, die nicht mal E-Mails schreiben können. Wie wollen diese Leute ihre Unternehmen in die Zukunft führen? Und ob man es glaubt oder nicht: Es gibt nach wie vor Firmen, die keine eigene Webseite haben. Was die ins Internetzeitalter hineingeborenen »Digital Natives« dazu sagen? »Wer nicht im Web gefunden wird, der existiert gar nicht – und wird auch nicht gekauft.«

Verirrt in der Matrix

Mit Aufkommen des World Wide Web wurden die Dinge komplexer – und das Miteinander vernetzter. Matrixorganisationen mit horizontal-diagonal-vertikalen Strukturen entstanden. Der Vertrieb entdeckte den Nutzenverkauf. Kluge Hersteller begannen ihre Produkte mit passenden Dienstleistungskonzepten aufzumöbeln. Servicestrategien wurden geboren und die Kundenorientierung rückte in der Wahrnehmung deutlich nach vorn. Damit wuchs auch die Zahl der Touchpoints. CRM (Customer Relationship Management) kam in Mode, doch es war in der Umsetzung meistens IT-getrieben und deshalb ganz »kalt«. Kunden wurden sozusagen »abgefertigt« und »verwaltet«. Aber Menschen sind kein bürokratischer Vorgang. Und Menschen sind auch keine Datenpakete.

Abb. 5: Die Konzepte einer veralteten Businesswelt

Heute treten gute Marken als aktive Dialogpartner auf. In der Matrixzeit hingegen betrieben sie Einwegkommunikation: Mit hohem Werbedruck wurden Botschaften verbreitet (»Kaufen! Sie! Jetzt!«). Und die Verbraucher? Sie hörten zu und kauften dann fleißig und brav. Emsige Presseabteilungen schickten Lobeshymnen in die Welt hinaus, um am Image zu basteln. Zudem wurden Fesselspiele erfunden: Kundenbindungsprogramme nannte man das.

Menschen sind kein bürokratischer Vorgang. Und sie sind auch keine Daten.

Den Mitarbeitern wurden Mission-Statements und Leitbilder an die Wand genagelt – für den schönen Schein. In Wirklichkeit gaben Zahlenakrobaten und Profitcenter die Marschrichtung vor. Die Karriereleitern kannten nur ein einziges Ziel: ganz weit nach oben. Das Fußvolk der »einfachen« Mitarbeiter wurde als Humankapital postuliert. Die Pest der Shareholder-Value-Denke nahm das Management in den Griff: Turbokapitalismus und Maximalrenditen im 3-Monats-Takt. Tja, in einer Matrix kann man sich ganz schön verlaufen. Beim Spiel mit den Bauklötzen der Macht haben sich viele verzockt. Kollateralschäden inbegriffen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 / 2009 markierte das Ende dieser Zeit. Das war ganz schön eng, doch wir sind, so scheint’s, noch mal davongekommen.

Der lange Blick nach vorn in unsere neue Businesswelt

Der Begriff Web 2.0 markiert das Ableben des Von-oben-nach-unten-Monologs und den unumkehrbaren Beginn eines gleichrangigen Dialogs zwischen Unternehmen und ihren Anspruchsgruppen (Stakeholder). Aus dem Topdown Web wurde das Social Web – und aus Shareholder-Value wurde Shared Value (Michael Porter). Manchen kommt das wie ein kleines Wunder vor. Denen, die im Dienste des Shareholder-Value-Wahns ihre Seele verkauften, erscheint es wie eine späte Erlösung: Das Management in den Unternehmen übernimmt endlich (!) Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. Corporate Social Responsibility nennt man das nun. Bleibt zu hoffen, dass es den maßgeblich Beteiligten ernst ist mit dieser Haltung und sie nicht nur unter einem schönen neuen Namen modernen Ablasshandel betreiben.

Die Chancen stehen gut, denn die maßgeblichen Medien ziehen – zumindest derzeit noch – mit. Und die Brutstätten der zahlenfixierten Web-1.0-Zeit, die Business-Schulen und Elite-Universitäten mit ihren autistischen Ökonomiemodellen, adaptieren gerade kleinlaut ihre Studienpläne: Wirtschaftsethik kommt ins Programm. Viel wird entstaubt und manch irrige Managementlehre (aus Amerika) wird endlich verfeuert, denn selbst für die Mottenkiste taugt sie nicht mehr. Was sich nun noch dringend ändern muss: diese verzwirbelt-gestrige Hohepriester-Sprache in Master- und Doktorarbeiten. Warum? Damit die Manager menschlich reden lernen im Business – und dann endlich auch verstanden werden können.

Die talentierten Berufseinsteiger haben sich ethisches Tun auf die Fahnen geschrieben.

Die neue Workforce

Ein Umstand ist geradezu bahnbrechend: Die talentierten Berufseinsteiger, die Young Professionals und High Potentials in spe, die jedes Unternehmen so händeringend sucht, sie haben sich ethisches Tun auf die Fahnen geschrieben. Der Blick auf die Unternehmenskultur als Auswahlkriterium ist ihnen bei der Jobsuche mindestens genauso wichtig wie potenzielle Karrierechancen. Sie sind Vorreiter für ganz neue Formen des Arbeitslebens. Sie fordern Balance zwischen Beruf, Umwelt und persönlichem Lebensstil ein. »Die wollen nicht mehr Zeug, sondern mehr Zeit«, hat der Philosoph Richard David Precht in einem Interview mit der Wirtschaftswoche im Oktober 2010 gesagt.

Heute bewerben sich die Arbeitgeber bei den aussichtsreichsten Kandidaten

Was für sie außerdem wichtig ist? Autonomie und Gestaltungsraum, Kollaboration und Selbstorganisation – und Sinn. Autoritäten, die nur kraft ihres Amtes bestehen, sowie traditionellen Befehlsketten verweigern sie sich. Der Chef als Ansager und Aufpasser? Für sie ein Auslaufmodell. Sie sind Zuhörer und immerzu Lernende. Sie stehen für Gleichrangigkeit, für Miteinander und Teilen. Wer den wertvollsten Content liefert, wird von ihnen am meisten geschätzt und findet sich im Zentrum ihrer Netzwerke wieder. »Wer im Web 2.0 neue Formen der Kooperation und der Dezentralisierung von Macht erlebt, will sich nicht in betonierten Hierarchien einengen lassen«, resümiert der Zukunftsforscher Andreas Haderlein.

Als Stellensuchende verfügen sie – so wie die Kunden auch – über alle Möglichkeiten, ein Unternehmen streng zu durchleuchten, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Ihre potenziellen Kollegen haben nämlich schon längst öffentlich gemacht, wie es hinter den Kulissen zugeht und was die Führungskräfte wirklich taugen. Die alten Handbücher des Personalwesens können also getrost ausrangiert werden. Denn auch hier haben sich die Verhältnisse gewandelt: Heute bewerben sich die Arbeitgeber bei den aussichtsreichsten Kandidaten. So lautete zum Beispiel eine Standardfrage im Einstellungsgespräch früher wie folgt: »Was wissen Sie über unsere Firma?« Jetzt, so erzählen mir die Personalrekrutierer, drehen die Spitzenbewerber den Spieß einfach um, und das geht dann so: »Ich habe mich über die Reputation Ihres Managements und das Arbeitsklima in Ihrem Unternehmen informiert, und nun erklären Sie mir mal, weshalb ich bei Ihnen arbeiten sollte!«