Trabem - Runa Rugis - E-Book

Trabem E-Book

Runa Rugis

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Beschreibung

Düstere Gestalten haben den Planeten Trabem in Besitz genommen, seine Lichtquelle fortgebracht und die Menschen versklavt. Nach vielen Jahren des Elendes und des Leides macht sich eine kleine Gruppe mutiger Freunde auf um das Licht von Coelum wiederzufinden, welches alles Böse besiegen und Trabem wieder zum Leben erwecken kann. Doch der Weg dorthin ist gefährlich und der gefürchtete Tyrann Avaritia und seine Miseres haben von dem Plan erfahren. Schaffen es die Freunde den Planeten zu befreien? Ein Kampf gegen die Zeit und das Böse beginnt.

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Seitenzahl: 317

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Düstere Gestalten haben den Planeten Trabem in Besitz genommen, seine Lichtquelle fortgebracht und die Menschen versklavt. Nach vielen Jahren des Elends und des Leides macht sich eine kleine Gruppe mutiger Freunde auf, um das Licht von Coelum wiederzufinden, welches alles Böse besiegen und Trabem wieder zum Leben erwecken kann.

Doch der Weg dorthin ist gefährlich und der gefürchtete Tyrann Avaritia und seine Miseres haben von dem Plan erfahren. Schaffen es die Freunde den Planten zu befreien? Ein Kampf gegen die Zeit und das Böse beginnt.

Impressum

Originalausgabe

Copyright © 2024 by Runa Rugis

Es handelt sich hierbei um eine frei erfundene Geschichte!

Texte - Runa Rugis

Korrekturlesung by Gaby Z. – Bibliothekarin

Covergestaltung by Die Schurlin – Mediendesign

Testleser Elias J. H.

Formatierung Karl H. H.

Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

T R A B E M

„Das Licht von Coelum“

Eine fantastische Geschichte überMut, Gemeinschaft und Liebein einem anderen Universum

Part 1

Prolog

Trabem – ein Planet etwas abseits der anderen in den großen Weiten des Luxuniversums  – ein kleiner, aber ganz besonderer Planet. Benannt nach der Energiequelle, welche dem Planeten dieses ganz besondere Licht gab. Die Bewohner nannten es liebevoll das Licht von Coelum – das Himmelslicht. Es regelte den Tag- und Nachtrhythmus und am höchsten Punkt, dem Magna, strahlte es heller als alles andere und schenkte dem Planten das Leben, das sich auf ihm bewegte. Und es bewegte sich einiges auf Trabem. Sechs Völker hatten sich im Laufe der Zeit hier angesiedelt. Eines von ihnen waren die Menschen.

Es gab auf Trabem alles, was man zu einem guten Leben benötigte, vor allem das sehr wertvolle Carbyne. Tief im Inneren der Berge - ganz im Norden - wurde es abgebaut. Diesem Material verdankte Trabem auch seinen Wohlstand. Lange lebten alle friedlich im Einklang miteinander. Doch die Zeiten sollten sich schon bald ändern und das Schicksal des Planeten und seiner Bewohner ebenfalls.

In der Vergangenheit

Es wurde langsam dunkel auf Trabem. Kein Tag, keine Nacht! Ein zäher grauer Nebel hatte sich um die Nordhalbkugel gelegt. Die Menschen waren verzweifelt. Krankheiten waren ausgebrochen, es gab wenig zu essen. Das Wasser war verschmutzt. Schon vor langer Zeit hätten sie wissen müssen, dass etwas Schlimmes, etwas das ihr Schicksal auf eine schreckliche Art und Weise verändern würde, passieren wird. Doch es lag in der Natur der Menschen, dass die Gier nach immer mehr Macht, nach immer mehr Wohlstand ins Unermessliche wuchs. Nur hatten sie nicht damit gerechnet, dass schlussendlich der verzweifelte Kampf um Nahrung alle in einen furchtbaren Krieg, der alles zerstörte und Millionen das Leben nahm, führen würde. Die anderen fünf Völker hatten den Planeten schon vor einiger Zeit verlassen. Sie spürten, dass eine fremde böse Macht auf sie zukam, eine Macht, vor der es kein Entrinnen gab. Die Menschen waren jetzt auf sich alleine gestellt.

Und dann war es auch schon zu spät um zu flüchten. Ein mächtiges Heer ließ sich auf dem Planeten nieder. Grauenvolle Geschöpfe, der Gier und dem Verderben der Menschen entsprungen, versklavten alles was dazu im Stande war. Schon lange hatten sie von einem fernen Planeten aus zugesehen und gewusst, dass das Schicksal der Menschheit besiegelt war. Der richtige Zeitpunkt war nun gekommen. Mit brutaler Gewalt und Feuerkraft fielen sie auf Trabem ein. Es war kein Platz für Mitleid oder Zögern. Alles wurde niedergemetzelt und vernichtet. Nur Menschen, die bei bester Gesundheit und Lebenskraft waren wurden verschont. Jedoch nur zu einem Zweck – um als Sklaven ein tristes Dasein und ein von Arbeit gezeichnetes Leben zu führen. Der Himmel blieb düster und dunkel. Die Menschen suchten immer wieder nach dem Licht von Coelum, doch es blieb verschwunden. Die fremden Geschöpfe konnten jedoch ohne das Licht leben. Sie waren voller Hass und Schrecken und nährten und ergötzten sich an dem Leid der Menschen. Sie liebten die Dunkelheit. Der große Anführer der Invasion hatte das Licht von Coelum gestohlen und gut geschützt durch drei Todeszonen vor den Menschen verborgen. Und somit war das dunkelste Zeitalter der Menschen angebrochen. Die Herrschaft des Tyrannen Avaritia und seiner Miseres hatte begonnen.

Heute

1

Spero war eine von vielen jungen Frauen, die in die Versorgungseinrichtung tief im Norden gebracht wurde. Jeden Tag musste sie in den Hallen, streng bewacht von den Miseres, an den großen Brotbacköfen arbeiten. Es war ein harter Job, doch im Vergleich zu den Männern, die  zur Arbeit im Norden in den Minen gezwungen wurden, um einiges besser. Hier war es wenigstens immer sehr warm und dank ihrer Fingerfertigkeit fiel das eine oder andere zusätzliche Stück Brot für sie ab.

Heute war ein ganz besonderer Tag. Vielleicht würde er ihr Leben für immer verändern. Sie war bereits vor dem Klang des Folgetonhornes wach und wartete schon ungeduldig auf den durchdringenden Ton. Vorsichtig schaute sie auf die Pritsche links von ihr. Auch Vivet hatte die Augen bereits geöffnet. Vivet – sie war ihr so ans Herz gewachsen. Im Gegensatz zu ihr war Vivet klein und zierlich und man hatte immer das Gefühl auf sie aufpassen zu müssen. Vielen ging es in ihrer Gegenwart so. Pünktlich um 6 Uhr ertönte das Horn. Fast gleichzeitig sprangen sie aus ihren Pritschen, nickten sich unscheinbar zu, erledigten ihre Morgenwäsche und schlüpften in ihre dürftige Arbeitskleidung. „Ich bin so aufgeregt, hoffentlich geht alles gut“, sagte Vivet zu Spero. „Bitte, du darfst dir nichts anmerken lassen, wir machen alles so wie immer, nur keine Aufmerksamkeit erregen“, flüsterte Spero. Sie gingen mit all den anderen Frauen zu der Essensausgabe. Hier wurde jedem ein Stück Brot und etwas zu trinken gegeben. Dann hieß es gleich weiter zu den Arbeitsplätzen. Vivet und Spero arbeiteten fast Schulter an Schulter. Sie mussten Teig kneten und zu großen Brotlaiben verarbeiten. Diese wurden dann von anderen Frauen zu den großen Öfen gebracht und gebacken. Es war reine Fließbandarbeit. Jeden Tag dasselbe, doch heute sollte es anderes ablaufen. Vivet sah sich verstohlen um. Da stand er. Groß, breit und so hässlich, wie es eben nur ein Misere sein konnte - der Wächter Summo. Über Monate war es Vivet gelungen, sein Vertrauen zu erschleichen. Natürlich nur aus einem Grund. Die Freundinnen wollten fliehen. Seit Monaten gab es Gerüchte über die Inferis – eine Bewegung, die für die Freiheit der Menschen kämpfte und der es immer wieder gelang, den Miseres zu schaden. Die Inferis waren bis heute für die Miseres unauffindbar. Sie hatten sich in das Tunnelsystem tief im Inneren von Trabem zurückgezogen. Diese Tunnel stammten noch von ihren Vorfahren. Keiner der Miseres wusste jedoch, dass es diese existierten. Sie waren nur auf den Abbau des wertvollen Carbyne fixiert.

„Jetzt?“, fragte Vivet. Ihre Wangen glühten, was heute wohl nicht nur von der Wärme des Ofens kam. „Ja, ziehen wir es durch!“, antwortete Spero. Vivet sah sie freudig an. Dann stürzte sich Spero auf Vivet, zog sie an den Haaren und verpasste ihr eine kräftige Ohrfeige. Sie schrie: „Ich ertrage es nicht mehr neben dir. Immer laberst du mich voll. Halt endlich einmal deine Klappe!“ Vivet jaulte wie ein kleiner Hund und wehrte sich in dem sie Spero kratzte. Sofort liefen einige Wachen zu ihnen und trennten die Streithähne. Summa baute sich vor ihnen auf und zückte seinen Betäubungsstab. Er verpasste Spero eine volle Ladung. Bevor auch Vivet ihre Ration abbekam hielt er kurz inne und sein Gesichtsausdruck wurde fast milde. Dann spürte auch Vivet den Stromschlag und ihr wurde schwarz vor Augen. „Ab in die Zelle in die unterste Ebene mit ihnen!“, rief er den anderen Wachen zu. Diese packten die beiden Frauen und liefen mit ihnen davon. „Was gibt es da zu glotzen? Weiter an eure Arbeit! Oder will noch wer eine Ladung?“, drohte Summa den anderen Frauen. Alle blickten betreten und ängstlich zu Boden und nahmen ihre Arbeit schnell wieder auf. Mit einem angsteinflößenden Blick wandte er sich ab und stapfte Richtung Verlies davon.

Die Wächter hatten Spero und Vivet inzwischen in die Zelle geworfen und warteten auf weitere Anweisungen von Summa. Dieser blickte in die Zelle und befahl seinen Wächtern, sich wieder auf ihre Posten zu begeben. Er selbst würde die Bewachung übernehmen und für eine gerechte Strafe für dieses Verhalten sorgen. Die Wächter zogen sich schnell zurück. Schon nach wenigen Minuten rührte sich Vivet. Sie hob ganz langsam ihren Kopf und blickte in die Augen von Summa. Sie lächelte ihm dankbar zu. Dieser nickte nur ganz kurz mit dem Kopf. Sein Blick wirkte nicht mehr so hart, ja schon fast freundlich – soweit das bei einem Misere überhaupt möglich war. Vivet erhob sich langsam und wollte sich um Spero kümmern. Summa jedoch sagte: „Ich habe ihr eine größere Dosis verpasst. Sie wird wohl noch ein paar Minuten weggetreten sein. Wie ist euer Plan?“ Vivet wusste nicht, wie viel sie Summa sagen sollte. Sie entschied sich für einen Teil der Wahrheit. „Wir haben eine Nachricht von den Inferis erhalten. Aber das weißt du ja. Dank dir war das alles möglich. Die Inferis wissen anscheinend, wie man das Licht von Coelum erreichen kann. Wir werden heute Nacht von dieser Zelle fliehen und uns den Inferis anschließen. Ich hoffe, das reicht dir als Antwort, denn mehr kann ich dir leider nicht sagen“. Summa sah Vivet lange in die Augen. In diesem Moment gab es eine geistige Verbindung zwischen ihnen. Vivet nahm wahr, dass auch Summa ein Leben in Freiheit bevorzugen, es aber aufgrund seiner Herkunft wohl niemals haben würde. Sie empfand Mitleid und wünschte sich Erlösung für ihn. Auch Summa spürte die Verbindung und den Wunsch von Vivet. In diesem Moment räkelte sich Spero. Sie hielt sich den Kopf mit beiden Händen und fluchte. „Verdammt, musstest du mir unbedingt eine volle Ladung verpassen?“, fragte sie in Richtung Summa. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich wieder. Die Verbindung zu Vivet war erloschen. Wütend und verwirrt stapfte er Richtung Ende des Ganges und schlug die massive Eisentür hinter sich zu. Vivet half Spero sich Aufzurichten. „Der erste Schritt wäre geschafft“, sagte sie beinahe euphorisch. Spero nickte. „Hoffentlich läuft alles nach Plan, die Inferis sollten uns jetzt hier rausholen.“ Vivet blickte ängstlich in Speros Augen. „Und wie? Wir sind hier im untersten Verlies.“ Spero zuckte nur mit den Schultern. „Du weißt, die geheime Botschaft lautete: Ohne eure Hilfe wird die Menschheit niemals frei sein. Habt Vertrauen in die Inferis. Schließt euch uns an. Ihr seid Teil des großen Ganzen. Den Rest kennst du ja. Wir müssen jetzt geduldig sein. Summa passt auf uns auf.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, öffnete sich die große Stahltüre wieder. Ein merkwürdiges Geräusch, welches sie nicht zuordnen konnten, drang an ihre Ohren. Sie hielten sich an den dicken Gitterstäben fest und versuchten zu erspähen, was da vor sich ging. Angst stieg in ihnen auf. Etwas rollte den Gang entlang. Es hörte sich unheimlich und todbringend an. Ein Schauer lief über ihre Rücken. Sie konnten nicht erkennen was es war. Direkt vor ihrer Zelle kam es zum Liegen. Vivet wusste sofort, dass etwas schief gegangen war. Spero blickte mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden. Das Etwas dreht sich langsam in ihre Richtung. Erst jetzt erkannten beide was es war. Sie blickten in die weit aufgerissenen Augen von Summa. Sein Kopf war von seinem Körper abgetrennt worden. „Wir sind verloren“, flüsterte Vivet mit zitternder Stimme und wich entsetzt zurück.

2

Eine gebückte Gestalt bahnte sich Hilfe suchend einen Weg durch die Menschen, die alle auf ihre Essensration warteten. Sie sprach in verworrenen Sätzen und teilweise in einer Sprache, die keiner zuordnen konnte. Man beachtete sie kaum. Immer wieder versuchte die Gestalt auf sich aufmerksam zu machen. Sie zog hier und da an einem Saum oder an einem Ärmel. Aber jeder schüttelte sie nur ab. Auch Bellator wartete in dieser Schlange. Ihm war das eigenartige Geschöpf schon lange aufgefallen und er nahm sich ein Herz und legte seinen Arm um die Gestalt. „Was machst du hier? Hast du dich verlaufen oder suchst du jemanden?“, frage Bellator. Er erwartete einen müden trüben Blick, doch stattdessen musterten ihn wachsame leuchtende Augen. Die Gestalt hatte nur wenig Menschliches an sich. Bellator war plötzlich gar nicht wohl in seiner Haut. Er lenkte das Geschöpf aus der Menschenmenge heraus. „Warte hier! Ich bringe dir etwas zu essen“, sagte er und deutete auf einen großen Stein, der in der Nähe lag. Das Geschöpf ließ sich darauf nieder und hielt dabei durchgehend Augenkontakt mit Bellator. Wie konnte das sein? Es schien so, als ob es immer jünger werden würde. Bellator schaute es mit großen fragenden Augen an. „Was passiert hier?“, fragte er verwundert. Der Mund  öffnete sich und es sprach mit einer rauen kehligen Stimme: „Bellator, du musst die Hoffnung finden und sie dann auf die Südhalbkugel bringen. Hörst du! Du musst sie finden! Die Menschheit ist sonst verloren!“ „Woher weißt du meinen Namen?“, frage Bellator noch immer ganz verdutzt. „Und warum soll ich nach Süden? Und wie bringt man Hoffnung dorthin?“. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Das Geschöpf hatte sich nun noch mehr verändert und Bellator starrte in ein freundliches strahlendes Gesicht. „Du wirst sie finden, du bist der, nach dem ich gesucht habe. Der letzte Invisibla auf diesem Planeten“. Es lächelte ihn an und schloss seine Augen. Dann ging alles sehr schnell. Ein greller Blitzschlag zuckte durch die Halle und ließ die Menschen kurz innehalten. Sie alle fühlten in diesem Moment dasselbe – Hoffnung! Dann war auch schon wieder alles vorbei. Das Geschöpf fiel in sich zusammen und es blieb nur ein Häufchen Staub und sein Umhang am Boden liegen.

Bellator hatte die ganze Zeit wie gebannt auf das Wesen gestarrt. Erst jetzt bemerkte er, dass es um ihn herum ganz ruhig geworden war und ihn alle anstarrten. „Die Miseres lassen sicher nicht lange auf sich warten“, dachte Bellator und blickte sich weiter um. Und da liefen sie auch schon auf ihn zu und streckten ihre Hände nach ihm aus. Grob zogen sie ihn an den Haaren von dem Stein weg und schrien: „Was ist hier los? Woher kam das Licht? Antworte sofort oder du wirst gleich unsere Peitsche zu spüren bekommen!“ Der Drang zu flüchten schoss wie eine Gewehrsalve durch Bellators Körper. Mit einem Ruck riss er sich von den Wachen los. Tränen schossen ihm in die Augen, denn ein Büschel von seinem Haar blieb in der Hand einer der Wachen hängen. Dann sprintete er so schnell er konnte quer durch den Raum und lief durch einen der Seitengänge hinaus ins Freie. Dort suchte er sofort nach einer Nische im Fels und tauchte in einem der dunklen Stollen unter. Die Wachen liefen ihm mit ihren Blendern hinterher. Die Lichter hatten es in sich. Diese Art von Helligkeit war nicht für das menschliche Auge geeignet. Sah man direkt in den Lichtstrahl, so erblindete man vorübergehend. Bellator wusste das natürlich und war sich auch der Gefahr bewusst. Immer wieder lief er im Zick-Zack-Kurs durch die Finsternis. Seine Kenntnisse über das Tunnelsystem waren wirklich einzigartig. Immer weiter entfernten sich die Stimmen der Wachen. Ein paar Meter noch, dann wäre er in Sicherheit. Nur eingeweihte Menschen kannten die Zugänge zu den unterirdischen Tunnelsystemen. Schnell schlüpfte er in einen dieser Eingänge und konnte jetzt durchatmen. Sein Magen meldete sich mit einem lauten Knurren. Eines wurde ihm jetzt klar, sein Essen würde heute wohl ausfallen. Er lief weiter – tief in den Tunnel hinein. Er fühlte sich jetzt wieder ganz sicher und blieb stehen um durchzuatmen. Im selben Moment packte ihn etwas Unbekanntes am Arm und zog ihn in eine kleine Nische. Er wehrte sich mit Händen und Füßen. Doch sein Gegenüber gab ihn keinen Zentimeter frei. Er zappelte wie verrückt. „Beruhige dich und hör mir zu!“, knurrte jemand in sein Ohr. „Ich kann dir alles erklären.“ Bellator hörte auf sich zu wehren und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Aber außer dem Atemgeräusch des Fremden konnte er nichts wahrnehmen. Ein leises Knarren ertönte, fast wie das Geräusch einer sich öffnenden Tür. „Aber hier gab es keine Tür ….!“, wunderte sich Bellator. Die Luft veränderte sich. Ein angenehmer leichter Wind strich über sein Gesicht. Der Unbekannte zog in weiter in die Dunkelheit hinein. Und tatsächlich – sie traten durch eine Tür. Sehr eng und klein, fast unsichtbar, verbarg sie sich auf der linken Seite der Nische. Vorsichtig setzte Bellator einen Fuß vor den anderen. Und plötzlich wurde es etwas heller … ein angenehmes Licht, ein Licht, das Bellator schon lange nicht mehr gesehen hatte. Es war fast wie eine Erinnerung aus seiner Kindheit. Damals hatte das Licht von Coelum noch gestrahlt und Trabem war voller Leben gewesen.

Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit. Erst jetzt begriff Bellator, dass der Fremde eine Art Kanüle in der Hand hatte, welche das Licht abgab. Als er aufblickte, schaute er in die großen smaragdgrünen Augen seines Gegenübers und traute seinen Augen nicht. Er hatte noch nie zuvor einen von ihnen gesehen. Immer wurde nur darüber getuschelt und nie ein Name laut ausgesprochen. Er hatte bis zu diesem Augenblick geglaubt, dass es sie gar nicht gab. Aber jetzt war alles anders. Ein Clara blickte ihn aufmerksam an. Sie waren der Saga nach uralte Wesen, die von einem anderen glücklichen Leben auf diesem Planeten übrig geblieben waren. Ein besonderes Merkmal von ihnen waren die leuchtenden grünen Augen und das glänzende lange goldene Haar. Keiner wusste wie und wo sie überlebt hatten, geschweige denn woher sie überhaupt kamen. Bellator war so beeindruckt, dass er im Moment keinen Ton herausbrachte. Der Clara sagte: „Ich bin Primus, der letzte Clara auf Trabem. Ich musste warten, bis Videns dich gefunden hatte. Wir wollten kein Risiko eingehen. Du bist zu wichtig!“ Bellator verstand gar nichts. Was meinte dieser Clara damit? Für was war er so wichtig? Sein Gegenüber sprach ruhig und bestimmt weiter. „Du musst die Hoffnung finden! Wir haben sie in dieser dunklen Welt aus den Augen verloren. Wenn du sie nicht erreichst, dann ist das Schicksal der Menschheit besiegelt. Niemals mehr wird das Licht von Coelum scheinen und alles Leben wird endgültig vernichtet werden.“ Bellator erwachte langsam aus seiner Erstarrung und meinte: „Du hast sicher den Falschen erwischt. Ich bin nur ein einfacher Bursche, der versucht, ein paar Menschen und sich selbst am Leben zu halten. Ich glaube nicht, dass ich dir helfen kann!“ Er versuchte, sich aus der Klammer des Claras zu befreien. Dieser redete jedoch unbeirrt weiter. „Bist du nicht so schnell, dass man dich beinahe nicht bemerkt?“ Bellator nickte langsam. „Und stiehlst du nicht jeden Tag etwas Brot und wirst dabei nie erwischt?“ Wieder nickte Bellator. „Und kennst du außer deiner Familie noch jemanden der so ist?“ Bellator schüttelte den Kopf. Plötzlich wurde es ihm klar. Er war anders. Er war es schon immer. Lange hatte er sich es nicht eingestehen wollen, aber jetzt war er sich ganz sicher. Er war ein Invisibla. Ein ebenfalls der Saga nach eigenes Volk, welches die Gabe besaß, fast unbemerkt zu bleiben, wenn es das wollte. Warum hatten ihm seine Eltern nie etwas gesagt? Oder hatten sie? Irgendwie hatte er immer das Gefühl, dass da noch mehr war. Seine Mutter sprach immer von etwas Besonderem in seiner Familie. Jetzt wusste er, was sie damit gemeint hatte. Aber was wollte der Clara von ihm? Und wo waren sie hier überhaupt?

Primus erhellte den Raum und Bellator fand sich in einer unterirdischen großen Halle wieder. Er traute seinen Augen kaum. Nie zuvor war er hier gewesen. In der Mitte stand ein gewaltiger Tisch aus Marmor. Rundherum reihten sich große anmutig wirkende Holzstühle, verziert mit wunderschönen Schnitzereien. Er zählte sechs Stück davon. „Wo sind wir hier?“, fragte er. Primus schaute auf ihn herab und erklärte: „Das ist die große Halle der sechs Vertreter der sechs Völker, die einst in Frieden und Harmonie auf Trabem wohnten. Doch dann wurde das sechste Volk, die Menschen, gierig. Sie wollten immer mehr an Reichtum und Macht. Sie bekriegten uns und sich untereinander. Die anderen fünf Völker verließen den Planeten, denn sie wussten, dass sich eine dunkle Macht näherte und seine vernichtenden Fühler nach den Menschen und Trabem austreckte. Die Claras haben Trabem nie aufgegeben. Ich habe immer unter euch verweilt, um das Geschehen zu beobachten. Und jetzt ist es an der Zeit zu handeln!“ Bellator traute seinen Ohren nicht. Die ganzen alten Geschichten! Seine Großmutter hatte ihm immer davon erzählt, er hatte geglaubt es wären Märchen gewesen. „Aber wie kann ich da helfen?“, fragte er mit einem verwirrten Blick. „Du musst die Hoffnung finden! Das ist deine Aufgabe, dafür bist du bestimmt!“, sagte Primus. „Aber wie findet man Hoffnung?“, fragte der junge Mann schon fast verzweifelt. Primus beugte sich weit zu Bellator herunter und sah ihm fest in die Augen. „Die Hoffnung lebt in Form eines Menschen. Sie ist dazu bestimmt, das Licht aus den Fängen von Avaritia zu befreien. Sie war es von Geburt an. Aber sie kann das nicht alleine tun, sie braucht Unterstützung. Und du wirst der Erste sein, der sie auf ihrem gefährlichen Weg begleitet!“ Jetzt erst begriff Bellator, was der Salvator da sagte. Die Hoffnung war ein Mensch, genauer gesagt eine Frau. Aber wie um alles in der Welt sollte er sie finden? Primus erklärte ihm, dass es seine Aufgabe wäre, die Gegenbewegung der Inferis anzuführen, tief in dem Tunnelsystem, verborgen vor den Augen der Miseres. Bellator traute seinen Ohren nicht. Er war ein Auserwählter? In diesem Moment fing sein Herz so schnell zu schlagen an, dass er glaubte es würde gleich aus seiner Brust springen. Seine Beine drohten zu versagen. Er rang nach Luft. Als ihm die Verantwortung, die gerade auf ihn übertragen wurde bewusst wurde, schaute er auf. Doch der Clara war verschwunden. Bellator stand alleine in der großen Halle. Seine Gedanken überschlugen sich. Es verging einige Zeit, bis er sich wieder beruhigte. Dann atmete er tief ein und machte er sich auf den Weg zu seinen Freunden. Er wusste nun, was er zu tun hatte.

So hatte Bellators Weg, der Anführer der Inferis zu werden, begonnen. Bis zu diesem Zeitpunkt, als Primus auftauchte, hatten die Inferis ihre Aufgabe darin gesehen, die Menschen mit Nahrung zu versorgen, damit nicht noch mehr von ihnen an den Folgen der täglichen harten Arbeit starben. Jetzt tat sich eine ganz neue Rolle für sie auf.

Seit dem Aufeinandertreffen zwischen Bellator und Primus waren ein paar Monate vergangen. In der Zwischenzeit war es Bellator gelungen, eine kleine, aber effektive Abwehr in den Tunnelsystemen aufzubauen. Immer mehr Menschen mit dem Drang nach Freiheit und Frieden schlossen sich ihm an. Unter ihnen auch besondere Menschen, wie sein Freund Amicum. Schon immer interessierte er sich für die Geschichten der sechs Völker. Er hatte sämtliche Aufzeichnungen darüber zusammengetragen. Auch besaß er alte Karten und Pläne von Trabem. Dies alles sollte einmal zur Befreiung des Planeten beitragen. Doch jetzt galt es in erster Linie die Hoffnung zu finden. Erst kürzlich hatten sie einen Tipp erhalten. Diesen verfolgten sie nun seit Wochen. Der Weg führte in die Hochburg der Miseres. Ganz im Norden gab es eine Versorgungsstation. Schwer bewacht und für die Inferis gab es so gut wie keinen Weg hinein. Zumindest nicht von außen.

„Bellator, Bellator, das musst du dir ansehen!“, rief Amicum ganz aufgeregt. Er wedelte wie wild mit einer alten Karte vor Bellators Augen herum. „Was gibt es denn so Aufregendes?“, fragte Bellator. „Sieh da! Sieh doch! Es gibt nördlich von hier einen Tunnel, der direkt zu der Versorgungsstation im Norden führt.“ Bellator traute seinen Ohren nicht. Schnell ging er mit Amicum in dessen „Reich“. Man konnte diesen Ort nur so bezeichnen. In einer großen Höhle hatte sich Amicum mit seinen ganzen Plänen und Schriften eingerichtet. An den Wänden hingen Karten. Aufgeschlagene Bücher und Zettel mit Kritzeleien lagen überall herum. Bellator fragte sich immer, wie Amicum sich hier zu Recht fand. Schnell zog ihn Amicum zu einem der Tische hin und breitete die Karte aus. Es war ein sehr altes Schriftstück und kaum noch leserlich, aber Amicum schien das keine Probleme zu bereiten. „Sieh hier. Ich habe diese feine Linie herausgefiltert und auf einem größeren Plan eingefügt. Es ist ein direkter Zugang zu der Versorgungsstation im Norden. Allerdings liegt der Eingang hinter der Stadt. Genau bei den Quartieren der Miseres. Ich weiß nicht, wie wir dahin kommen sollen, aber es wäre eine Möglichkeit, unbemerkt in den Norden zu gelangen. Bellator starrte auf die Karte und sagte nichts. Dann hellte sich seine Miene auf:  „Das lasse Mal meine Sorge sein“, antwortete er, „ich weiß schon, wie wir dahin kommen. Das hast du super gemacht. Ich weiß zwar nicht wie du es machst, aber keiner kann die Karten lesen, so wie du es kannst. Lass uns diese Neuigkeit den anderen mitteilen und einen Plan ausarbeiten.“ Amicum nickte aufgeregt.

Der erste Schritt Richtung Hoffnung war getan. Und sie hatten zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, welch großes und gefährliches Abenteuer hier für sie begann.

3

In den Minen im Hochgebirge von Trabem hatten die Miseres alle arbeitsfähigen Männer in einem Lager zusammengepfercht, um die Schätze von Trabem abzubauen. Hier gab es alles, was das Herz eines Miseres höher schlagen ließ. Gold, Silber, Diamanten … und vor allem das ganz seltene und wertvolle Carbyne. Dieses silbern glänzende Material war für die Belagerer der Hauptgrund, warum sie überhaupt hier waren. Sie nutzten es für die Herstellung ihrer fahrbaren Untersätze und ihrer Flugobjekte. Dieses Material hatte eine so hohe Widerstandskraft, dass es alles andere in den Schatten stellte und war zudem leicht zu verarbeiten. Aber der Abbau war sehr mühsam. Man musste tief im Inneren der Berge danach suchen. Es ließ sich auch nicht einfach herausholen. Schwere Maschinen und vor allem Lasertechnik wurde eingesetzt. Das Carbyne war mit dem Fels verbunden und musste  herausgelasert werden. Hier war äußerste Vorsicht geboten, denn nur reines Carbyne war wertvoll und ließ sich weiterverarbeiten. Es war eine mühsame und sehr zeitaufwendige Aufgabe. Die Männer hier litten sehr unter den schweren Bedingungen. Die ganze Zeit hieß es unter Tag hart arbeiten und anschließend ließen die spärlichen Unterkünfte nur eine unzureichende Erholungsphase zu. Die Pritschen in den engen Schlurfen waren unbequem und auch um die Körperpflege war es nur schlecht bestellt. Die drei Essensrationen am Tag – hauptsächlich aus Brot und Wasser bestehend – waren zu wenig um zu leben, aber auch zu viel um zu sterben. Die Miseres hatten kein Mitleid. Wer es nicht schaffte, der starb. Und es waren viele, die es nicht schafften ….

Nur ein Arbeiter stach immer wieder mit Durchhaltevermögen und vor allem ungeheurer Muskelkraft aus der Masse heraus – Viribus. Er war groß, hatte einen ungewöhnlichen Körperbau und es schien, als ob ihm die Arbeit in den Minen gar nichts ausmachte – zumindest körperlich. Er hatte schon vielen, die dringend eine Pause benötigten, Arbeit abgenommen und sie so vor dem sicheren Tod bewahrt. Die meisten sahen zu ihm auf. Für viele galt er als etwas ganz Besonderes, ja es wurde sogar von dem „Retter“ gemunkelt. Seit Monaten kursierten Gerüchte, dass die Zeit der Befreiung der Menschen bevorstünde. Die Menschheit sollte genug gelitten und ihre Gier nach Macht und Reichtum teuer bezahlt haben. Es war Zeit für eine zweite Chance. Die Miseres wussten von diesen Geschichten und taten alles, um sie zu unterbinden. Sobald irgendwo darüber getuschelt wurde rollten Köpfe. Aber sie konnten ihre Augen und Ohren nicht überall haben und so hatten es die Arbeiter geschafft, heimlich Botschaften zu übermitteln. Alle hier wussten, dass es die Inferis auf Trabem gab und sich hier viele Menschen um einen Anführer namens Bellator scharrten. Es war ihnen gelungen, Kontakt mit den Inferis aufzunehmen.

In einem unbewachten Moment schlüpfte Ira, ein ganz besonders enger Freund von Viribus, in einen der alten Tunnel. Schon Wochen vorher hatten sie herausgefunden, dass dieser nach draußen führte und der Ausgang einige Meter vor der Basis der Miseres endete. Der Tunnel war eigentlich kein richtiger Tunnel. Er glich einem Schlurf und nur ein kleiner wendiger Mensch, ohne Angst vor der Enge, konnte durchkriechen. Ira war, was den Körperbau betraf, das genaue Gegenteil von Viribus und somit wie geschaffen für diese Aufgabe. Immer wieder gelang es ihm, bei seinen Ausflügen in die Außenwelt wichtige Informationen über die Pläne der Wachen und das ganze System der Miseres einzuholen. Eines Tages wurden gerade wieder „neue Arbeiter“ herangeschafft. Ira war so nahe an der Gruppe, dass er die Möglichkeit hatte, ein Gespräch unter zwei Männern zu belauschen. „Ich habe gehört, die Inferis sind auf der Suche nach der Hoffnung. Nur sie kann das Licht von Coelum wieder zurückbringen“, sagte der Eine. Der Zweite erwiderte: „Ja, die Hoffnung. Ich habe auch davon gehört. Bellator will sich schon bald auf die Suche nach ihr machen. Die Inferis haben sogar schon einen Plan ….“ Bevor er weiter sprechen konnte, traf ihn ein Peitschenhieb. Er fiel zu Boden. „Ich will kein Wort hören, verdammtes Menschenpack!“ Ein weiterer Hieb verfehlte den zweiten Mann nur knapp. Sofort half er dem anderen Mann auf, der sich vor Schmerzen auf dem Boden wand. Beide erhoben sich rasch und blickten in die Augen des wohl furchteinflößendsten Wächters hier in den Minen – Veroxo.

Ira machte sich ganz klein in seinem Versteck. Wenn man ihn entdecken würde, bedeutete das seinen sicheren Tod. Aber er hatte genug gehört und schlich sich vorsichtig wieder in Richtung Tunneleingang. So war es gelungen, die Nachricht über das Bestehen der Inferis bis in die Minen zu bringen. Von da an schlich sich Ira so oft wie möglich nach draußen und versuchte, so viele Informationen wie möglich zu bekommen. In den großen Trucks, in denen die Männer herangeschafft wurden, waren auch immer zwei Mechaniker – Menschen. Es war Ira gelungen, durch Klopfzeichen Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Da die Mechaniker immer die gleiche Route von der Versorgungsstation im Norden zu den Minen fuhren, konnten so wertvolle Informationen übermittelt werden. Keiner der Miseres merkte, dass es während der Arbeiten an den Trucks leise Klopfzeichen gab. Eines Tages gab es eine besonders wertvolle Information. Bellator hatte wohl herausgefunden, wo die Hoffnung zu finden war. Er brauchte dringend Unterstützung. Ira kroch zurück in die Minen und teilte Viribus die Neuigkeit mit. „Bellator braucht dringend Hilfe von mutigen und starken Männern. Viribus, wir müssen jetzt handeln! Wir müssen fliehen! Die Menschen brauchen uns!“ Viribus blickte auf seinen kleinen Freund herab und nickte. „Ja Ira, ich weiß zwar nicht warum, aber ich spüre es. Der Gedanke nach Freiheit breitet sich immer mehr in meinem Kopf aus. Ich muss hier raus, um meinen Beitrag zu leisten.“ Ira starrte seinen Freund mit großen Augen an. Hoffnung und Kampfgeist blitzten in ihnen auf. Schon länger hatten sie sich Gedanken über einen Fluchtweg gemacht. Der Schlurf, den Ira für die Beschaffung der Informationen benutzte, war viel zu eng und Viribus würde da auf keinen Fall durchpassen. Also musste ein anderer Weg gefunden werden. Es gab noch einen kleinen unscheinbaren Tunnel an der Ostseite. Doch der wurde immer streng bewacht. Also brauchten sie einen sehr guten Plan, den sie hatten nur einen Versuch. Sie mussten besonders vorsichtig vorgehen. Die Miseres waren sehr misstrauisch. Veroxo war der Schlimmste von ihnen. Er hatte hier das Sagen. Dies stellte er eindeutig zur Schau. Für jedes kleinste Vergehen, für jede Schwäche, für jedes Wort zu viel teilte er Peitschenhiebe aus. Seine Peitsche hatte es in sich. Sie war mit Dornen bespickt und leitete zusätzlich Elektrizität. Wenn er damit ausholte, sprühte es blaue Funken und der, den sie traf, hatte besonders schlimme Schmerzen zu erleiden. Schlug er mehrmals zu, so war nur mehr der Tod des Arbeiters zu beklagen. Still und leise wurden die Toten abtransportiert und in tiefe Löcher in das Erdinnere geworfen. Diese Löcher wurden bei den Männern „Redemptios“ genannt – was so viel wie die „Schlunde der Erlösung“ hieß. Für viele hier war der Tod auch wirklich eine Erlösung.

Nach langem Überlegen war der Fluchtplan endlich fertig. Es gab nur eine Möglichkeit. Um nach draußen zu gelangen, mussten sie Veroxo herausfordern. Nur wenn er abgelenkt wurde, würden die beiden es in den Tunnel an der Ostseite schaffen. Doch wer sollte diese sichere tödliche Aufgabe übernehmen? Und es gab nur einen Fluchtversuch. Sollte dieser schief gehen, so würde Veroxo dies alle spüren lassen. Ira schaute Viribus mit traurigen Augen an. „Ich mache das! Es wird ganz offensichtlich sein, dass ich dich angreife. Wenn Veroxos Aufmerksamkeit auf mich gerichtet ist, verschwindest du so schnell du kannst im Tunnel. Das ist die einzige Lösung, nur so kann es funktionieren!“ „Bist du verrückt?“, konterte Viribus. „Das kann ich auf keinen Fall zulassen. Zwei Peitschenhiebe genügen und du bist tot. Wir werden ganz sicher einen anderen Plan finden!“ Viribus schrie diese Worte laut hinaus und Verzweiflung machte sich in ihm breit, denn er wusste tief im Inneren, dass Ira Recht hatte. Es war wahrscheinlich der einzige Weg hier raus. Aber er wollte seinen Freund auf keinen Fall opfern. „Nein, das kann ich nicht zulassen!“, sagte er mit bestimmendem Tonfall. „Das musst du auch gar nicht“, antwortete Ira und sah ihm entschlossen in die Augen, „ich bestimme das selbst. Du weißt ganz genau, es ist der einzige funktionierende Plan, damit du hier wegkommst. Die Menschen brauchen dich. Schau dich doch an, du bist das Symbol für Mut, Kraft und Stärke. Genau du wirst in diesen dunklen Tagen von der Menschheit dringend gebraucht. Ich sehe meine Verantwortung darin, dich auf deinem Weg zu unterstützen, auch wenn das meinen sicheren Tod bedeutet!“ Ira sah in Viribus traurige Augen und wusste, dass er ihm tatsächlich mehr bedeutete, als er es jemals gewagt hatte zu hoffen.

Ihre Freundschaft war vor Jahren in den Minen entstanden und gewachsen. Viribus hatte sich von Anfang an immer vor ihn gestellt wenn es Ärger gab und dafür nicht nur einmal Schläge und Essensentzug eingesteckt. Aber Viribus war so hart im Nehmen, dass es Ira schon manchmal etwas unheimlich vorkam. Ira konnte es ihm nur danken, in dem er, bedingt durch seine geringe Körpergröße, immer wieder zusätzliche Essensrationen stehlen konnte. Diese gab er dann an Viribus weiter. Eine Aufgabe wie die Beschaffung der Informationen von außen kam für Ira daher wie gerufen. So konnte er ein bisschen Wiedergutmachung leisten und fühlte sich gebraucht. Tief im Inneren wusste er es schon lange - er würde für Viribus sterben!

Keiner von beiden hatte den älteren unscheinbaren Mann bemerkt, der immer wieder dort auftauchte wo auch sie waren. Preditor war dafür bekannt, dass er den Miseres kleine Informationen über die Arbeiter zutrug. Im Gegenzug dafür ließen sie ihn in Ruhe und er erhielt ab und zu eine zusätzliche Essensration. Preditor war zwar im Vergleich zu den anderen Arbeitern schon älter und nicht mehr so belastbar, aber seine Ohren waren die eines Luchses. Immer wieder nahm er Wortfetzten von Flucht, Inferis und Hoffnung auf. Als er genug gehört hatte, um sich daraus seine Geschichte zu machen, lief er schnurstracks zu Veroxo. Der Wächter schaute wie immer mit ausdrucksloser Miene auf den alten Mann hinunter. Er hasste den kleinen Verräter. Doch hatte dieser ihm schon so manches Mal wichtige Informationen zukommen lassen. Nichtsdestotrotz würde er ihn irgendwann nicht mehr verschonen, das schwor er sich in diesem Moment.

Nachdem Preditor mit ängstlichem Blick seine Geschichte dargebracht hatte, schnaubte Veroxo nur verächtlich durch die Nase und schrie: „Von hier gibt es kein Entkommen! Hoffnung hin oder her. Und nun verschwinde, bevor du meine Peitsche zu spüren kriegst, du elendiger Verräter!“ Die Worte dröhnten in Preditors Ohren. Schnell und ohne nochmals aufzusehen trat er den Rückzug an. Was er nicht mehr sah, war das Feuer und der Zorn der in Veroxos Augen aufleuchtete. Veroxo würde auf diesen lächerlichen Fluchtversuch vorbereitet sein und konnte dann die ganze Strafe an Viribus auslassen. Oh, wie er diesen Arbeiter hasste! Irgendetwas an ihm war unangreifbar. Kein anderer konnte so viele Peitschenhiebe einstecken und so lange ohne Nahrung auskommen. Veroxo wollte es sich nicht eingestehen, dass ihn dieser Umstand eigentlich etwas beunruhigte. Er beschloss, Viribus und seine Sippe rund um die Uhr bewachen zu lassen. Dem großen Herrscher Avaritia würde er vorerst keine Meldung machen. Diese Entscheidung sollte sich später als sein größter Fehler herausstellen.

Viribus und Ira hatten den Fluchtplan nun fertig gestellt. Sie warteten nur noch auf den richtigen Zeitpunkt. Einige der Arbeiter waren eingeweiht und würden die Rauferei zwischen ihnen anfeuern, damit Viribus genug Zeit hätte, um ungesehen in den Tunnel unterzutauchen. Ab hier war er dann auf sich alleine gestellt.

Heute war es so weit. Auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz kamen sie auch an dem kleinen Tunnel im Osten vorbei. Kurz davor sollte die Rauferei starten. Die Arbeiter, die eingeweiht waren, gingen knapp hinter ihnen. „Jetzt“, murmelte Viribus leise. Ira sprang von hinten auf seine Schultern und verpasste Viribus immer wieder Faustschläge auf den Kopf. Er konnte zwar nicht so hart zuschlagen wie er wollte, aber alles musste so echt wie möglich aussehen. Schnell schrien die Arbeiter hinter ihnen. „Ira, Ira, schlag den Großen!!!“ Die Stimmen drangen in Iras Kopf und aus dem Augenwinkel sah er ein paar Wächter auf sie zulaufen. „Auseinander, ihr nutzlosen Wesen!“ schrien diese schon von weitem. Bei den beiden Streithähnen angekommen versuchten sie, Ira von Viribus herunterzuziehen. Doch Ira hing wie eine Klette an Viribus. Ein wildes Handgemenge entstand. Plötzlich griffen auch die Arbeiter rundherum ein und warfen sich auf die Wächter. Ira nutzte die Gelegenheit und lockerte den Griff um den Hals seines Freundes. Ganz leise flüsterte er ihm ins Ohr: „Geh, mein Freund. Befreie uns!“ Und mit diesen Worten sprang er vom Rücken Viribus und landete direkt im Haufen sich raufender Arbeiter und Wächter. Viribus blickte rasch um sich, trat zwei Schritte Richtung Osten und tastete an der Wand entlang. Der Eingang dieses Tunnels war ziemlich versteckt. Da! Er fühlte die kleine Einbuchtung! Jetzt musste er nur noch die erste sehr enge Passage bewältigen, der Rest sollte ein Leichtes sein. Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als ihn die fürchterliche Peitsche am Rücken traf. Er war so erschrocken über diese plötzliche Wendung der Dinge, dass er im ersten Moment gar nicht reagierte. Das schaurige Lachen von Veroxo dröhnte in seinen Ohren. „Zurück, du elendiger Bastard! Was hast du gedacht? Du könntest mich – Veroxo - austricksen?“ Viribus überlegte, ob er Veroxo angreifen sollte, aber die anderen Wachen hatten die Arbeiter inzwischen wieder unter Kontrolle gebracht und plötzlich herrschte eine eisige tödliche Stille.