Transkulturelle Kommunikation - Andreas Hepp - E-Book

Transkulturelle Kommunikation E-Book

Hepp Andreas

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
Beschreibung

Medienkommunikation kennt keine Grenzen: Nachrichtensender wie CNN, Al-Jazeera oder Blogs informieren uns über politische Geschehnisse in allen Teilen der Welt. Ob Katastrophen, Olympiaden oder Kriege – wir sind eingebunden in globale Medienereignisse, an denen wir uns mit Twitter und Facebook selbst beteiligen können. Auch die Geschichten, die wir aus Filmen und Youtube kennen, werden mittlerweile kulturübergreifend kommuniziert. In die Analyse dieser Phänomene führt dieses Lehrbuch ein. Thematisiert werden Konzepte der transkulturellen Medienforschung sowie Möglichkeiten und Grenzen von globaler Medienpolitik, Medienproduktion und Medienaneignung. Hierbei fokussiert der Autor medienübergreifend Fernsehen, Internet und Film.

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Seitenzahl: 526

Veröffentlichungsjahr: 2014

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vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich

[2][3]Andreas Hepp

Transkulturelle Kommunikation

2., völlig überarbeitete Auflage

UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit

UVK Lucius · München

[4]Prof. Dr. Andreas Hepp lehrt Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bremen.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unterwww.utb-shop.de.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dieses eBook ist zitierfähig. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenangaben der Druckausgabe des Titels in den Text integriert wurden. Sie finden diese in eckigen Klammern dort, wo die jeweilige Druckseite beginnt. Die Position kann in Einzelfällen inmitten eines Wortes liegen, wenn der Seitenumbruch in der gedruckten Ausgabe ebenfalls genau an dieser Stelle liegt. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014

Einbandgestaltung und -illustration: Atelier Reichert, Stuttgart

Einbandmotiv: © Carlsen Comics, Judith Park

Lektorat: Claudia Hangen, Hamburg

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz“

Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

UTB-Nr. 2746

ISBN(eBook) 978-3-8463-4035-6

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

[5]Inhalt

Vorwort

1

Einleitung

2

Zugänge zu transkultureller Kommunikation

2.1

Folgen der Globalisierung

2.2

Postkoloniale Kritik

2.3

Methodologische Reflexion

2.4

Integrative Analysen

3

Regulation transkultureller Kommunikation

3.1

Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen

3.2

Staatliche Regulation

3.3

Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulierung der Globalisierung

3.4

Global Governance der Medien

4

Medienproduktion und deren transkulturelle Kontexte

4.1

Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne

4.2

Transkulturalität in der journalistischen Praxis

4.3

Alternative Formen der Medienproduktion

4.4

Medienstädte als transkulturelle Orte

5

Transkulturalität von Medienprodukten

5.1

Hollywood, Bollywood und Nollywood

5.2,

Programmimporte und Formatadaptionen

5.3

Nachrichtenartikulationen

5.4

Medienereignisse

[6]6

Medienaneignung und Transkulturation

6.1

Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung

6.2

Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten

6.3

Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen

6.4

Medienidentität und Bürgerschaft

7

Perspektiven transkultureller Kommunikation

Literatur

Index

[7]Vorwort

Das vorliegende Buch hat eine längere Geschichte. Es handelt es sich dabei um eine Neufassung des ursprünglich 2006 erschienenen Bandes »Transkulturelle Kommunikation«, dessen Vorläufer wiederum meine 2004 erschienene Habilitationsschrift »Netzwerke der Medien« gewesen ist. Der Begriff der Neufassung erscheint insofern angemessen, als weite Teile vollkommen neu geschrieben wurden. Dies liegt einerseits daran, dass Fragen der transkulturellen Kommunikation seit der Erstauflage nicht weiter an Relevanz verloren, sondern gewonnen haben. Entsprechend gab es verschiedenste empirische Entwicklungen, die es zu berücksichtigen galt, wie auch weitere theoretische Diskurse um transkulturelle Kommunikation und Transkulturation aufzunehmen waren. Hinzu kam andererseits, das dass, was in dem Buch als Mediatisierung bezeichnet wird, seinen Charakter weltweit verändert hat. Verband man noch vor zehn Jahren mit Mediatisierung vor allem das Fernsehen und allenfalls ansatzweise das Internet, haben sich die Vorzeichen geändert: Eine fortschreitende globale Mediatisierung wird fast ausschließlich mit dem »Siegeszug« der digitalen Medien und dem Social Web gleichgesetzt. In dem vorliegenden Buch habe ich aber versucht, einen vermittelnden Weg zu gehen. Dieser nimmt zum einen die sich mit dem Aufkommen der digitalen Medien verändernde technische Grundlage von Medienkommunikation ernst, ohne zum anderen zu vergessen, dass es in vielen Regionen der Welt nach wie vor andere Medien sind – Fernsehen, Zeitung, Radio –, die für transkulturelle Kommunikationsprozesse entscheidend sind.

Weite Teile der Neufassung habe ich während meines durch die Universität Bremen ermöglichten Forschungssemesters in einem sehr inspirierenden Forschungsumfeld am Goldsmiths, University of London, geschrieben. Hierfür danke ich beiden Institutionen, vor allem aber folgenden Personen: Am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen möchte ich Stefanie Averbeck-Lietz, Friedrich Krotz und allen Mitgliedern meines Fachgebiets – Matthias Berg, Cigdem Bozdag, Monika Elsler, Marco Höhn, Sigrid Kannengießer, Swantje Lingenberg, Anne Mollen, Johanna Möller, Anke Offerhaus, Cindy Roitsch und Laura Suna – sowie unserem Forschungskoordinator Leif Kramp dafür danken, dass sie sich in den sechs Monaten meiner Abwesenheit um alle Belange kümmerten und mir den Freiraum gaben, so das Manuskript zu verfassen. Nick Couldry, David Morley und den Kolleginnen und Kollegen vom Department for Media and Communication des Goldsmiths möchte ich für die große Gastfreundschaft vor Ort und vielfältige Diskussionen danken. Eingeflossen in dieses Buch sind daneben zahlreiche Anregungen von und Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, die zu viele sind, als dass ich sie hier aufführen könnte. Namentlich danken möchte ich aber meiner Familie – Beate Köhler, Levi Daniel Hepp und Naomi Liv Hepp –, dass sie bereit war, mit mir die Zeit im Ausland zu verbringen und zu tolerieren,[8] dass ich auch in einer Stadt wie London meine Zeit weitgehend am Schreibtisch verbrachte.

Unterstützt haben mich beim Verfassen des Manuskripts daneben vielfältige weitere Personen. So bezieht sich Kap. 4.2 auf gemeinsame Forschung mit Michael Brüggemann, Katharina Kleinen-von Königslöw, Swantje Lingenberg, Johanna Möller und Anke Offerhaus in dem Teilprojekt »Die Transnationalisierung von Öffentlichkeit am Beispiel der EU« des Sonderforschungsbereichs 597 »Staatlichkeit im Wandel« an der Universität Bremen, denen ich für die hier zusammenfassend präsentierte gemeinsame Forschung danken möchte. Darüber hinaus hat der Sonderforschungsbereich insgesamt die wissenschaftliche Arbeit, die in diesem Buch reflektiert wird, finanziell unterstützt. Danken möchte ich auch der Zeitschrift »Medien & Kommunikationswissenschaft« für die Möglichkeit, Kap. 2 des vorliegenden Buchs auf meinem dort in dem Sonderheft »Grenzüberschreitende Medienkommunikation« erschienenen Aufsatz »Transkulturelle Kommunikation als Ansatz der Erforschung grenzüberschreitender und grenzziehender Medienkommunikation« basieren zu können. Bei Literaturrecherchen halfen mir als studentische Hilfskräfte Annika Mahr, Judith Niesel, Philip Hurzlmeier und Ann-Christin Westphal. Die Erstellung vieler Grafiken wäre ohne die Hilfe von Cindy Roitsch nicht möglich gewesen, die von Cornelia Gutsche, Philip Hurzlmeier, Simone Michel und Franziska Römer unterstützt wurde. Vor Ort in London half mir Sebastian Kubitschko mit der mir fremden Bibliothek und vielen weiteren Dingen. Für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts danke ich Annalena Oeffner Ferreira, für dessen Korrekturen Heide Pawlik, für das Lektorat Claudia Hangen bzw. Rüdiger Steiner von der UVK Verlagsgesellschaft.

Widmen möchte ich dieses Buch meiner Großmutter Eugenie Hepp, die im Alter von 100 Jahren gestorben ist, während ich das Manuskript der »Transkulturellen Kommunikation« korrigierte. Ihre Verwurzelung sowohl in der Migration ihrer Familie als auch im Lokalen war immer präsent, wenn ich über transkulturelle Kommunikation schrieb.

Bremen, im Februar 2014

Andreas Hepp

Unter www.utb.de ist beim Aufrufen des Titels ein nach Kapiteln geordnetes und kommentiertes Verzeichnis mit weiterführender Literatur einsehbar.

[9]1

Einleitung

Fast schon euphorisch hat Marshall T. Poe in seiner breit angelegten Geschichte der Kommunikation die Gegenwart als eine Zeit der medienvermittelten Transkulturalität beschrieben. Während die Zeit des Buchdrucks und der audiovisuellen Medien die Zeit der Toleranz und des Multikulturalismus gewesen seien, bewegen wir uns nun – so sein Argument – hin in eine Zeit, in der Identitäten »jenseits von Kultur« (Poe 2011: 240) lägen. Identitäten sind für ihn zukünftig weniger in historischen (National-)Kulturen verwurzelt, sondern eher eine Mischung verschiedener historischer und auch (neu) erfundener Kulturen. Ein Beispiel dafür sind für ihn die – wie er es nennt – transnationalen Identitäten verschiedener Subkulturen. Während diese zuerst einmal jenseits des Internets gelebt werden, ermöglicht Letzteres doch einen vergleichsweise einfachen Zugang zu ihnen. Der aktuelle Medienwandel befördert damit einen alltagsweltlichen Transkulturalismus. Als Beleg führt Marshall T. Poe den von dem togolesischen Botschaftersohn und Kreativunternehmer Claude Grunitzky herausgegebenen Band »Transculturalism« an. In Letzterem wird Transkulturalismus als eine Form des Lebens beschrieben, bei der »einige Menschen Wege finden, ihre ursprüngliche Kultur zu überschreiten, um fremde Kulturen zu entdecken, zu studieren und zu infiltrieren« (Grunitzky 2004: 25). Mit dem aktuellen Medienwandel verbunden wird also eine ganz neue Welt des Lebens und Erlebens von Kultur, für die der Begriff des Transkulturalismus steht.

Wenn wir aufmerksam die Medien verfolgen, scheint es daneben andere Seiten von Transkulturalität zu geben. Die Rede ist dann von transkulturellen Konflikten, die es in Organisationen zu managen gilt, oder aber von dem transkulturellen Konflikt zwischen dem »Westen« und dem »Rest« der Welt (Hall 1994a: 137–179). Nicht nur wissen wir von solchen transkulturellen Konflikten durch die verschiedenen Medien: neben dem World Wide Web können dabei ebenso traditionelle Massenmedien wie beispielsweise das Fernsehen oder die Zeitung genannt werden. Medien können selbst treibende Kräfte in solchen transkulturellen Konflikten werden. Exemplarisch wurde dies 2006 in dem sogenannten Karikaturenstreit deutlich (Eide et al. 2008): Europäische Karikaturen über den Propheten Mohammed lösten Proteste in der arabischen Welt aus, was in Europa zu einem öffentlichen Diskurs über den Islam und religiöse Werte führte. Produziert wurden die Karikaturen für die dänische Tageszeitung JYLLANDS-POSTEN, durchaus mit dem Ziel, Kontroversen auszulösen. Sie stehen somit für den Blick eines bestimmten Mediums auf »fremde Kulturen«. Erfahren von diesen Karikaturen haben die Menschen in der arabischen Welt wiederum durch die Medien – durch ein kritisches Dossier, das unter islamischen Geistlichen kursierte, Internetseiten und durch Berichte von AL JAZEERA –, was unterschiedliche Proteste auslöste. Über diese Proteste wurde dann in europäischen (Massen-)Medien mit zum Teil sehr distanzierenden Kommentaren berichtet. Die durch die Globalisierung der [10]Medien mögliche transkulturelle Kommunikation führt, wie dieses Beispiel zeigt, ebenfalls zu Konflikten zwischen Kulturen (und Religionen) und bringt diese nicht zwangsläufig zusammen.

Solche wenigen Beispiele machen deutlich, wie komplex und vielfältig das Phänomen der transkulturellen Kommunikation ist. Sie zeigen, wie notwendig ein differenziertes Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen transkultureller Medienkommunikationsprozesse ist, wenn man die sich globalisierende Medienkommunikation angemessen einschätzen und beurteilen möchte. Transkulturelle Kommunikation betrifft uns alle, wenn wir im Fernsehen, Kino und in der Presse mit Medienprodukten konfrontiert sind, die über die Grenzen verschiedener Kulturen hinweg »reisen«. Sie betrifft uns, wenn wir über das Internet mit Menschen anderer Kultur in Kontakt stehen. Auf welche Weise und von welchen Unternehmen werden diese transkulturell verfügbaren Medienprodukte hergestellt? Wie verhält sich die Medienpolitik zu den Aktivitäten global agierender Medienkonzerne? Durch was zeichnen sich transkulturelle Medienprodukte aus? Wie werden sie rezipiert und angeeignet? In welcher Beziehung steht all dies zu unserer kulturübergreifenden Kommunikation im Social Web? Und welche Theorien und Ansätze sind es, die uns in diesem Feld bei einer kritischen Betrachtung weiterhelfen? Diese Fragen sind es, auf die ich mit dem vorliegenden Buch zumindest ansatzweise eine Antwort geben möchte. Bevor ich in dieser Einleitung allerdings einen kurzen Überblick über das Buch insgesamt gebe, möchte ich einige Anmerkungen zu dem Begriff der transkulturellen Kommunikation machen.

Wie wir auf den folgenden Seiten noch sehen werden, ist der Begriff der transkulturellen Kommunikation eingebunden in eine weitergehende wissenschaftliche Diskussion um Globalisierung und Mediatisierung. Deswegen ist es sicherlich nicht möglich, ihn erschöpfend in zwei oder drei Sätzen zu definieren. Einleitend kann es also nur um eine erste Orientierung gehen. Bereits die eingangs genannten Beispiele haben deutlich gemacht, dass in diesem Buch medienvermittelte Formen transkultureller Kommunikation Gegenstand der Betrachtung sind, also nicht die direkte Faceto-Face-Kommunikation von Menschen untereinander. Dies hängt damit zusammen, dass transkulturelle Kommunikation insbesondere über Medien erfolgt. Im Gegensatz zu interkultureller und internationaler Kommunikation – also Kommunikation zwischen Menschen oder Gruppen von Menschen, die verschiedenen Kulturen bzw. Nationalstaaten angehören – hebt der Begriff der transkulturellen Kommunikation auf solche Kommunikationsprozesse ab, die »über verschiedene Kulturen hinweg« geschehen. Exemplarisch kann man an die vielen Beispiele der eigenen Internetpraxis denken, das Lesen von Online-Zeitungen anderer Weltregionen (so man die jeweilige Sprache versteht) oder aber das Laden von Bildern und Musik aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Man kann aber auch an einen Hollywood-, Bollywood- oder Nollywood-Film denken, der von Menschen verschiedenster Kulturen rezipiert und angeeignet wird. Dass für solche Zusammenhänge mit transkultureller Kommunikation[11] ein eigener Begriff reserviert wird, hat seinen Sinn darin, dass eine Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen einen vielschichtigeren Zugang notwendig macht, als er mit den Begriffen der interkulturellen oder internationalen Kommunikation verbunden ist. Es kann nicht wie bei einer Beschäftigung mit Phänomenen interkultureller oder internationaler Kommunikation (nur) darum gehen, verschiedene nationalkulturelle Kommunikationsmuster miteinander zu vergleichen. Solche Differenzen werden im Forschungsfeld der transkulturellen Kommunikation zwar auch berücksichtigt. Daneben geht es aber ebenso um Muster, die über verschiedene traditionale Kulturen hinweg differenzstiftend sind. Konkret kann man diesbezüglich beispielsweise an bestimmte Darstellungsmuster oder Formate wie »Who wants to be a Millionaire?« denken, die in verschiedenen »nationalen Medienkulturen« zugleich auftreten und über diese hinweg bestimmte Sendungen definieren. Ein Ansatz der transkulturellen Kommunikation will also neben nationalkulturellen Spezifika in kulturübergreifenden Kommunikationsprozessen auch solche Spezifika vergleichend in den Blick bekommen, die verschiedene traditionale Kulturen übergreifen, ohne gleich der These zu verfallen, wir hätten es deshalb mit einer globalen Einheitskultur der Standardisierung oder McDonaldisierung zu tun.

Wie damit deutlich wird, steht der Begriff der transkulturellen Kommunikation in direkter Nähe zu zwei anderen Konzepten, nämlich denen der Mediatisierung und Globalisierung. Beide Konzepte bezeichnen sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse. Beginnen wir hier zuerst einmal mit dem Ausdruck der Mediatisierung. Wie ich an anderer Stelle sehr ausführlich dargelegt habe (Hepp 2013a: 27–62), fasst Mediatisierung in einer ersten sehr allgemeinen Annäherung das Wechselverhältnis zwischen medienkommunikativem Wandel einerseits und soziokulturellem Wandel andererseits. Wir können für die gesamte Menschheitsgeschichte sagen, dass nicht nur die Zahl der technischen Kommunikationsmedien über ihren Verlauf hin erheblich zugenommen hat. Auch haben die jeweils bestehenden Kulturen und Gesellschaften erheblich etwas damit zu tun, wie wir miteinander kommunizieren. Einerseits hat Mediatisierung damit so etwas wie quantitative Aspekte in dem Sinne, dass eine wachsende Zahl von Medien immer länger (zeitliche Dimension) an immer mehr Orten (räumliche Dimension) und in immer mehr Situationen (soziale Dimension) zur Verfügung steht. Andererseits können wir von qualitativen Aspekten der Mediatisierung sprechen, d. h. davon, dass Medien unsere Kommunikation prägen und damit auch, wie wir durch unsere Kommunikation unsere Kulturen und Gesellschaften hervorbringen oder konstruieren.

Dieser Zusammenhang klingt in den eingangs zitierten Überlegungen von Marshall T. Poe an, der Transkulturalität in eine enge Beziehung damit setzt, wie internetbasierte Medien unsere heutige Kommunikation prägen. Die Sachlage ist allerdings komplizierter, als das bei ihm anklingt. Dies hängt damit zusammen, dass das »Prägen« der Medien weit vielfältiger ist, als er vermutet. Wir haben nicht einfach ein »Sollen« (Poe 2011: 240) des Internets, das dann eine bestimmte Transkulturalisierung[12] weltweit befördert. Vielmehr verbergen sich hinter dem Ausdruck der »Prägkräfte der Medien« (Hepp 2013a: 49) zwei sehr konkrete Zusammenhänge: Einerseits institutionalisieren Medien die Art und Weise, wie wir kommunizieren. Mit E-Mail, Fernsehen, Internetradio, Mobiltelefon etc. werden nicht einfach nur Apparaturen bezeichnet, sondern mit ihnen sind immer auch bestimmte Formen bzw. Muster der Kommunikation verbunden. Andererseits verdinglichen Medien unsere Kommunikation, indem mit ihnen eben diese Apparate und deren Infrastrukturen aufgebaut werden. Besteht erst einmal eine solche Verdinglichung von Kommunikationsmöglichkeiten, so ist deren Veränderung mit einem großen Aufwand verbunden: Aus dem zentralisierten Kommunikationsnetz des Radios kann man nicht einfach mehr ein dezentrales Kommunikationsnetzwerk machen, auch wenn dies in seinen Anfängen technisch vorstellbar war (Brecht 1932).

Die meisten Menschen leben gegenwärtig in dem, was man als mediatisierte Welten bezeichnen kann (Hepp/Krotz 2012, 2014). Gemeint ist damit, dass für ihre »kleinen Lebens-Welten« (Luckmann 1970) bzw. »sozialen Welten« (Strauss 1978) in der Art und Weise, wie sie bestehen, technische Kommunikationsmedien konstitutiv sind und sie im oben umrissenen Sinne durch diese geprägt werden. Die heutige Welt der Schule kommt beispielsweise nicht ohne Medien aus; das betrifft nicht nur das Schulbuch, sondern zunehmend auch Computer und Internet. Die Welt der Politik ist insofern mediatisiert, als die Form von Demokratie, die wir leben, darauf beruht, in Medien wie dem Fernsehen und dem Social Web für die eigene politische Vorstellung werben, aber ebenso andere kritisieren zu können. In einem solchen Sinne sind die verschiedenen Welten gegenwärtiger Vergemeinschaftung jenseits von Medienkommunikation überhaupt nicht denkbar: Was wäre die Gothic-Szene ohne ihre Musik, oder was wären die Serienfans ohne ihre Fernsehserien? Ähnliches gilt auch für die Welten sozialer Bewegungen. So könnten wir uns beispielsweise die Occupy-Bewegung ohne Social Web kaum vorstellen. Mediatisierte Welten sind also die Ebene, auf der sich Mediatisierung in der gelebten Medienkultur konkretisiert – und dies verstärkt in verschiedenen Regionen der Welt.

Indirekt klingt bei solchen Überlegungen der Wandel der Globalisierung an. Über Globalisierung wird seit den 1990er-Jahren viel diskutiert. Hierbei gilt die Globalisierung der Medienkommunikation als eine zentrale Dimension der Globalisierung überhaupt. Diese Zentralität lässt sich an den globalen Finanzmärkten verdeutlichen, deren Funktionieren die Existenz weltweiter Kommunikationsnetzwerke voraussetzt. Dies ist nicht nur notwendig, um die Finanztransfers selbst zu tätigen, sondern auch, um notwendige Informationen zu erhalten, damit man erfolgreich transnational spekulieren kann.

Wir werden in diesem Buch mit einem eher vorsichtigen Begriff der Globalisierung der Medienkommunikation operieren und darunter so viel verstehen wie die weltweite Zunahme medienvermittelter Konnektivitäten, also die Zunahme von technisch vermittelten Kommunikationsbeziehungen. Eine so verstandene Globalisierung[13] der Medienkommunikation hat viel mit Mediatisierung zu tun: In dem Moment, in dem die Welten, in denen Menschen leben, mediatisierte Welten werden, steigen auch – zumindest dem Potenzial nach – die Möglichkeiten ihrer in verschiedene Regionen der Welt reichenden Kommunikationsbeziehungen erheblich. Dies betrifft sicherlich zuerst einmal die Menschen der sogenannten entwickelten Länder und da wiederum nicht alle. Aber auch in anderen Regionen der Welt ist das Leben der Menschen zunehmend ein Leben in mediatisierten Welten. Auch wenn hier privilegierte Gruppen vorangeschritten sind, betrifft dies – wie wir im weiteren Verlauf dieses Buchs sehen werden – ebenso Menschen in prekären Lebenssituationen. Diese entfalten ebenso transkulturelle, kommunikative Konnektivitäten.

Der Grund für diese vorsichtige Definition von medialer Globalisierung ist bereits mit den eingangs genannten Beispielen angeklungen: Indem die medienvermittelten Kommunikationsbeziehungen sehr Unterschiedliches zur Folge haben können – von der Abgrenzung und Stabilisierung bestehender Kulturgemeinschaften über Konflikte zwischen diesen bis hin zu Annäherungsprozessen –, erscheint zuerst einmal ein analytisches Instrumentarium notwendig, das keine direkten Unterstellungen über die hochkomplexen Folgen der Globalisierung der Medienkommunikation macht. Letzteres ist beispielsweise für Verständnisse der Medienglobalisierung als Homogenisierung oder Amerikanisierung der Fall. Diese können die Widersprüchlichkeit von Medienglobalisierung nicht fassen, weil hier von vornherein eine bestimmte Wirkungsweise unterstellt wird.

Mit diesem Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation sind zwei weitere Konzepte verbunden, die in dem vorliegenden Buch immer wieder Verwendung finden, nämlich erstens das des Netzwerks und zweitens das des Flusses. Wenn man von Konnektivitäten spricht, so will der Ausdruck des Netzwerks die strukturellen Aspekte dieser Konnektivitäten fassen. Es geht hier ganz konkret um die »Verbindungen« zwischen verschiedenen »Knoten«, die in deren Struktur beschrieben werden können. Man denke hier etwa an bestimmte Kommunikationsnetzwerke wie die des Satellitenfernsehens oder des Internets. Der Ausdruck des Flusses hebt dagegen stärker auf Prozesse entlang solcher Netzwerke und über sie hinweg ab. Dies sind beispielsweise die Kommunikationsflüsse, die de facto im Internet oder auch entlang von Satellitennetzwerken verlaufen. Solche Kommunikationsflüsse haben dann unterschiedliche Spezifika und Verdichtungen – sie sind nicht gleichmäßig in einem Netzwerk verteilt.

Sicherlich sind Begriffe des Netzwerkes, des Flusses oder der Prägkräfte von Medien Metaphern, d. h. Bilder, mit denen wir uns komplexe soziokulturelle Zusammenhänge vor Augen führen. Vielleicht haben sich diese Konzepte aber gerade wegen ihrer Bildhaftigkeit als Beschreibungsansätze etabliert, um Phänomene der Globalisierung und Mediatisierung zu fassen. Durch solche Begriffe werden diese zuerst einmal abstrakten »Metaprozesse« (Krotz 2007) fassbar und damit auch begreifbar. Der [14]Ausdruck Metaprozess bedeutet hier nicht nur, dass Mediatisierung und Globalisierung sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse sind. Zusätzlich ist mit dem Ausdruck der Gedanke verbunden, dass Globalisierung und Mediatisierung nicht auf wenige Untersuchungsvariablen heruntergebrochen werden können, entlang derer sich diese dann als Transformationsprozesse beweisen ließen. Vielmehr eröffnen solche Metaprozesse als Beschreibungskonstrukt ein gewisses »Panorama« (Hepp 2013a: 42–48) der langfristigen Veränderung – ein Panorama, das es dann ermöglicht, bei der Analyse konkreter Einzelphänomene die richtigen Fragen zu stellen und die Phänomene, die man betrachtet, in einen übergreifenden Rahmen einzuordnen.

Mein Ziel im Weiteren ist es, einen Zugang zu dem sich in den letzten Jahren nachhaltig entwickelnden Bereich der transkulturellen Kommunikation zu bieten. Meine Argumentation steht dabei in enger Beziehung zu den Darlegungen in dem Buch »Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten«. In »Medienkultur« geht es gewissermaßen um einen Blick »in« einzelne Kulturen hinein. Dort habe ich mich damit befasst, was Kulturen charakterisiert, wenn sie mediatisiert sind. In »Transkulturelle Kommunikation« rückt der Kontakt der verschiedenen mediatisierten Kulturen in den Vordergrund. Im Zentrum steht also der Blick auf das Verhältnis »zwischen« Medienkulturen, ein Verhältnis, das durch transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet ist.

Diese Betrachtung ist stets mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens kann sie in einem Buch nie die gesamte Welt abdecken. Dazu sind die Zusammenhänge, um die es geht, viel zu reichhaltig. Zweitens ist sie stets von einem gewissen Standpunkt aus geschrieben, indem jede derartige Beschreibung eine Beobachterposition hat, die als solche nie vollkommen »neutral« sein kann. Um beide Probleme zumindest ansatzweise zu lösen, argumentiere ich auf den folgenden Seiten exemplarisch. Das heißt, für alle im Weiteren interessierenden Phänomene und Fragen werden solche Beispiele herausgegriffen und beschrieben, die ich zumindest für den aktuellen Zeitpunkt als charakteristisch ansehe. Die Argumentationsgrundlage legen dabei zumeist empirische wissenschaftliche Studien, wobei deren Methodiken vielfältig sind und von umfassenden standardisierten Befragungen und Inhaltsanalysen bis hin zu Fallstudien reichen. Herangezogen werden daneben Überblickswerke anderer Kolleginnen und Kollegen. In manchen Fällen stützt sich meine Argumentation auch auf eher journalistische Arbeiten. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo es um sehr aktuelle Entwicklungen geht und keine anderen Datenquellen zu finden gewesen sind.

Zum Standpunkt, von dem aus ich argumentiere, ist zu sagen, dass dieser durch die Sprachen, die ich beherrsche (Deutsch und Englisch), gekennzeichnet ist. Hinzu kommt, dass gerade bei einer Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation die eigene kulturelle Verortung eine Rolle spielt. In meinem Fall ist dies die eines Europäers, der in erheblichem Maße auch Potenziale transnationaler Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung sieht, wofür die EU ein Beispiel ist. Mit der eigenen kulturellen Positionierung kann man vermutlich nur so umgehen, indem man sie, wie[15] hier geschehen, explizit macht und wo nötig weiter reflektiert. Wirklich umgehen lässt sie sich nicht.

Beides in Kombination – die notgedrungen exemplarische Argumentation und die eigene sprachlich-kulturelle Positionierung – hat dazu geführt, dass verschiedene weitere Beispiele, die für eine vertiefende Betrachtung von Fragen der transkulturellen Kommunikation von großem Interesse wären, in diesem Buch nicht weiter verfolgt werden konnten. Dies betrifft vor allem den afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raum. Ich habe mir aber große Mühe gegeben, an entsprechenden Stellen auf die Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen zu verweisen. Wie gesagt geht es in diesem Buch nicht darum, so etwas wie eine »Weltgeschichte der Globalisierung von Medienkommunikation« zu schreiben. Ein solches Buch wäre ein anderes Projekt, auch wenn erste Ansätze dazu bestehen (beispielsweise Mattelart 1999 oder Tunstall 2007). Es geht mir darum, möglichst konzis den Ansatz der transkulturellen Kommunikation vorzustellen. Dieser wäre meines Erachtens ein wichtiger Bezugspunkt auch für das Schreiben einer solchen Weltgeschichte. Ebenso erscheint er mir wichtig – und das ist möglicherweise noch entscheidender – für ein ganz alltägliches und kritisches Verständnis dessen, was mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung in unserer Welt so vor sich geht.

Meine weitere Darstellung gliedert sich – neben dieser Einleitung und dem Ausblick – in fünf größere Teile. Das Kapitel »Zugänge zu transkultureller Kommunikation« stellt den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus verschiedenen Perspektiven vor. Es geht darum zu verstehen, dass Transkulturalität nicht einfach eine weitere Vergleichsebene ist, die der der Interkulturalität und Internationalität hinzuzufügen ist. Vielmehr konkretisieren sich im Begriff der transkulturellen Kommunikation ein bestimmtes Verständnis der Folgen der Globalisierung, eine postkoloniale Kritik und eine methodologische Reflexion. Diese drei zusammengenommen machen die originäre Zugangsweise der transkulturellen Kommunikation aus.

Das sich anschließende Kapitel befasst sich mit Regulationen und Infrastrukturen transkultureller Kommunikation. Inwieweit haben politische Agenden die Globalisierung der Medienkommunikation beschleunigt? Wie konnten globalisierte Infrastrukturen der Medienkommunikation entstehen? Für eine Auseinandersetzung damit ist ein vergleichender Blick auf die unterschiedlichen Mediensysteme der Welt von großem Vorteil. Die Beziehung zwischen Fragen transkultureller Kommunikation und Regulation kann aber nicht auf die Frage reduziert werden, wie bestimmte Medienpolitiken die Globalisierung der Medien befördert haben. Umgekehrt ist die Globalisierung der Medienkommunikation selbst für die (Medien-)Politik eine Herausforderung: Früh wurde dies in der medien- und kommunikationspolitischen Diskussion der UNESCO gesehen, wo bereits in den 1970er-Jahren die Forderung nach einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung laut wurde. Aktuell wird dieser Rückbezug an Konzepten einer Global Governance der Medien deutlich – also anhand von Versuchen, »globale Medien« durch selbst-»globalisierte Regulationen« zu steuern.

[16]Das Kapitel, »Medienproduktion und deren transkulturelle Kontexte«, setzt sich mit der Produktion transkultureller Kommunikation auseinander. Behandelt wird im weitesten Sinne, welche Unternehmen Medieninhalte anbieten, die »transkulturell verfügbar« sind und durch welche Produktionskulturen sich diese Medienkonzerne auszeichnen. Diskutiert wird weiter das Entstehen von transkulturellen Formen des Journalismus. Daneben interessieren – spätere Überlegungen im sechsten Kapitel vorbereitend – alternative Formen der transkulturellen Medienproduktion. Zum Schluss widmet sich das dritte Kapitel dem Phänomen globaler Medienstädte als herausragende Lokalitäten einer transkulturell orientierten Medienproduktion.

Von der Medienproduktion weg bewegt sich das darauffolgende Kapitel hin zu den Medienprodukten bzw., um konkreter zu sein, zu transkulturellen Medienrepräsentationen. Dabei beginnt das Kapitel mit dem Bereich, der immer wieder stark die Diskussion um transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet hat, nämlich dem des Films. Dieser wird anhand der Beispiele Hollywood, Bollywood und Nollywood fokussiert. Dann wechselt der Schwerpunkt zu Produktimporten und Formatadaptionen, durch die im fiktionalen Bereich weitere transkulturelle Kommunikationsbeziehungen geschaffen werden. Anschließend wird die Frage diskutiert, inwieweit transkulturelle Nachrichtenartikulationen und damit auch politische Öffentlichkeiten bestehen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Betrachtung von Medienereignissen – vielleicht dem Phänomen auf Repräsentationsebene, das für eine Auseinandersetzung mit Fragen transkultureller Kommunikation die höchste Relevanz hat.

Das folgende Kapitel »Medienaneignung und Transkulturation« beschäftigt sich mit transkultureller Kommunikation aus der Sicht des Medienhandelns von Menschen in deren Alltag. Zuerst wird hier ein Begriff von Medienaneignung als Prozess der kulturellen Lokalisierung erarbeitet. Dieses Verständnis ermöglicht es, die Diskussion um einen »digital divide« in mediatisierten Alltagswelten aus einer anderen Perspektive zu sehen als bisher. Dies führt dann zu sich mit transkultureller Kommunikation verändernden Gemeinschaften und Vergemeinschaftungen, den medienbezogenen Identitäten von Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten und sich hieraus ergebenden Herausforderungen für die (politische) Bürgerschaft.

Den Abschluss des Buchs bildet das Kapitel »Perspektiven transkultureller Kommunikation«. Hier werden die Kernpunkte der vorangegangenen Kapitel aufgegriffen und auf dieser Basis einige Anmerkungen dazu gemacht, welche Perspektiven der transkulturellen Kommunikation bestehen – sowohl im Hinblick auf den Gegenstandsbereich als auch im Hinblick auf die in diesem Buch umrissene wissenschaftliche Zugangsweise.

Verschweigen möchte ich in der Einleitung zu diesem Buch nicht, dass es in einer Haltung geschrieben wurde, die versucht, eine vorschnelle Wertung zu vermeiden. Gleichwohl ist aber allein die Entscheidung dafür, sich mit transkultureller Kommunikation zu beschäftigen, nicht frei von normativen Implikationen. Mir geht es[17] darum, die Möglichkeiten transkultureller Kommunikation auszuloten, weil ich diese für in hohem Maße wichtig halte für menschliche Kooperation in Zeiten fortschreitender Globalisierung. In einem solchen Sinne hat Richard Sennett (2012: x) festgestellt: »Dank moderner Kommunikationsformen haben wir mehr Kanäle zwischen den Menschen, aber verstehen uns immer weniger darin, gut zu kommunizieren.« Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leistet, diese Kommunikation, und damit auch die kulturübergreifende Kooperation, zu verbessern.

[18][19]2

Zugänge zu transkultureller Kommunikation

Die Beschäftigung mit Medienkommunikation in ihrem globalen Kontext hat in den letzten Jahren einen Boom erfahren: Immer stärker ist ins Bewusstsein der Kommunikations- und Medienwissenschaft gerückt, dass ein Spezifikum medienvermittelter Kommunikation (kulturelle) Grenzüberschreitungen, aber auch neue Grenzziehungen sind. Mit Etablierung der Satellitenkommunikation, des Internets und zunehmend auch einer globalisierten Mobilkommunikation wurde deutlicher, dass viele Momente des aktuellen Medienwandels nicht an nationalstaatlichen oder nationalkulturellen Grenzen haltmachen, sondern per se grenzüberschreitend sein können. Gleichzeitig sind aber auch vielfältige neue Prozesse der Grenzziehung auszumachen. Während eine sich für globale Fragen interessierende Mediengeschichte zeigt, dass manches der Phänomene bei einem näheren Blick dann doch nicht ganz so neu ist (siehe Briggs/Burke 2009; Bösch 2011), kann man allerdings sagen, dass die fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung der letzten Jahre den Blick der Kommunikations- und Medienforschung für Fragen grenzüberschreitender Kommunikation geschärft hat.

Parallel zu diesem (empirischen) Relevanzgewinn finden wir eine Begriffsverschiebung in den Publikationen. Manche Studien arbeiten bis heute mit den Begriffen der »internationalen Kommunikation«, der »interkulturellen Kommunikation« und der »Entwicklungskommunikation«, betonen aber in jüngerer Zeit die globale Einbettung derselben. »Internationale Kommunikation« (Thussu 2006) legt dabei den Akzent auf eine die Landesgrenzen übergreifende produzierte Medienkommunikation, verbunden mit dem Gedanken, dass (öffentliche) Massenkommunikation primär nationalstaatlich orientiert ist (Esser/Pfetsch 2004). Bei der »interkulturellen Kommunikation« (Jandt 2012) rücken stärker auch Fragen der personalen, wechselseitigen Medienkommunikation in den Blick, und es gibt deutliche Übergangsbereiche zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft auf der einen Seite und Sprach- und Literaturwissenschaften auf der anderen Seite. Die »Entwicklungskommunikation« (McPhail 2009) befasst sich – durchaus getrieben von konkreten Problemen – zuerst mit der Frage, welchen Beitrag die Medien für eine »Modernisierung« (Lerner 1977) der damals sogenannten »Dritten Welt« leisten können, später mit der Nutzung von Medien als »Hilfe zur Selbsthilfe« (Servaes 1999). Letztlich werden Grenzziehungen und Entgrenzungen in all diesen Fällen aber primär national gedacht.

Mit der fortschreitenden Globalisierung und Mediatisierung haben sich dann weitere Begriffe etabliert, insbesondere die der »transnationalen« und »transkulturellen Kommunikation«. Der Begriff der »transnationalen Kommunikation« trägt hierbei nach wie vor den Bezug zu Nationalstaat und Nationalkultur in sich, betont aber das Bestehen von Phänomenen, die weitergehend sind, als dass man sie im »Inter« von Nationen einordnen könnte (siehe bereits Schiller 1979). Der in diesem Buch im [20]Zentrum stehende Begriff der transkulturellen Kommunikation geht noch einen Schritt weiter. Das Kernargument lautet, dass die Etablierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation nicht einfach damit verbunden ist, dass es sich bei ihm um eine weitere Analyseebene vergleichender Kommunikations- und Medienforschung handelt. »Transkulturell« fasst also nicht nur das Interesse für kulturübergreifende Kommunikationsprozesse, wie im Englischen der Ausdruck »cross-cultural« in der Medien- und Kommunikationsforschung (Lewis 1999). Letztlich ist mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation eine grundsätzlichere Umorientierung verbunden. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich in diesem Kapitel in vier Schritten vorgehen. Zuerst werden die drei primären Diskursfelder, auf die sich der Ansatz der transkulturellen Kommunikation bezieht, rekonstruiert: die kommunikativen Folgen der Globalisierung, die Kritik des Postkolonialismus sowie die methodologische Reflexion bestehender vergleichender Forschungsansätze. Dies macht dann viertens – als integrierendes Fazit und Weiterführung der Diskussion zugleich – das Potenzial des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation in einer empirischen Analyse der kommunikativen Figurationen in globalisierten, mediatisierten Welten greifbar.

Damit bei dieser Darstellung keine Missverständnisse entstehen, erscheinen zu Beginn einige Klärungen notwendig. So ist im Weiteren der Begriff des Ansatzes bewusst im Sinne des englischen »approach« gewählt. Dieser Ausdruck soll verdeutlichen, dass es sich bei der transkulturellen Kommunikation nicht um eine geschlossene Theorie handelt (wie beispielsweise die Systemtheorie) oder um eine Schule von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (wie bei der Frankfurter Schule). Vielmehr hat sich um diesen Begriff herum in einem nun mehrere Jahrzehnte anhaltenden wissenschaftlichen Diskurs eine spezifische Zugangsweise auf Fragen der Medienkommunikation etabliert, die in einem offenen Sinne als ein Ansatz greifbar wird. Entsprechend geht es in diesem Kapitel um Zugänge zu transkultureller Kommunikation.

Dies erklärt auch, warum im Weiteren dieser Ansatz entlang von drei Diskursfeldern dargestellt wird bzw. wie diese in ihrer Beziehung zueinander zu sehen sind. Letztlich handelt es sich hierbei – und dies begründet ihre Auswahl – um die drei in einer rückblickenden Betrachtung greifbar werdenden primären Bereiche der Diskussion: um grenzüberschreitende und grenzziehende Kommunikation, in denen der Begriff der transkulturellen Kommunikation bzw. der Transkulturation Verbreitung fand und in deren Zusammenkommen sich transkulturelle Kommunikation als ein Ansatz konstituiert hat. Hierbei zeichnet sich jedes der drei Diskursfelder als Zugang zu transkultureller Kommunikation durch eine unterschiedliche Akzentsetzung aus, die gleichwohl eine wichtige Komponente des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation bedeutet: Dies ist die historisierende Zugangsweise im Diskussionsfeld der transkulturellen Kommunikation als Folge einer fortschreitenden Globalisierung der Medienkommunikation. Im Diskursfeld des Postkolonialismus ist dies das kritische Potenzial des Konzepts der Transkulturalität. Und bei der methodischen Diskussion geht es insbesondere um die Reformulierung des Instrumentariums der kulturübergreifenden[21] und kulturvergleichenden Medien- und Kommunikationsforschung. Solche unterschiedlichen Akzentsetzungen machen deutlich, warum es heuristisch sinnvoll ist, diese Diskursfelder voneinander zu unterscheiden. Gleichzeitig wird aber auch greifbar, inwiefern alle drei in einer Betrachtung von transkultureller Kommunikation zusammengehören: Erst die Gesamtheit der Kernaspekte dieser drei Diskursfelder macht den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus.

Wichtig sind im Rahmen einer solchen Argumentation im Vorfeld aber auch je eine kurze Anmerkung zum Kultur- und Kommunikationsbegriff. Der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist in der Folge des von Jan Nederveen Pieterse (1998) so bezeichneten translokalen Kulturbegriffs einzuordnen. Diesen translokalen Kulturbegriff hat Nederveen Pieterse von einem territorialen Kulturbegriff abgegrenzt. Territoriale Konzepte von Kultur sind innenorientiert und endogen, fokussiert auf eine Organität, Authentizität und Identität von Kultur. Es geht also um Vorstellungen von Kultur als einem »funktionalen Organismus« – zumeist als Nationalkultur und bezogen auf nationale Gesellschaften. Translokale Konzepte von Kultur hingegen sind außenorientiert und exogen, fokussiert auf Hybridität, Übersetzung und fortlaufende Identifikation. Das Bild von Kultur ist ein anderes, das stärker deren Prozesshaftigkeit und Unabgeschlossenheit betont. In einem solchen Rahmen bewegt sich der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation. Deshalb wird hier davor gewarnt, den Begriff der Kultur unhinterfragt mit Vorstellungen von Nationalkulturen territorialer Staaten gleichzusetzen. Kultur hat zuerst einmal immer etwas mit alltagsweltlicher Bedeutungsproduktion zu tun. In Anlehnung an den britischen Sozial- und Kulturforscher Stuart Hall (2002) können wir darunter so viel wie die »Summe« der verschiedenen »Klassifikationssysteme« und »diskursiven Formationen« verstehen, auf die sich unsere alltagsweltliche Bedeutungsproduktion bezieht. Klassifikationssysteme sind letztlich Muster des systematischen Zusammenhangs von Zeichen (wobei der Zeichenbegriff hier in einem sehr weiten Sinne verstanden wird, also nicht nur sprachliche Zeichen meint). Diskursive Formationen sind weitergehende, musterhafte Konstellationen des Gebrauchs dieser Zeichen in sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken. Es geht bei Kultur also immer auch um die Praxis, das »Doing« der Bedeutungsproduktion.

In einem solchen Sinne werden im Weiteren Kulturen als Verdichtungsphänomene begriffen (siehe Hepp 2013a: 66–68). Damit ist gemeint, dass die vielen kulturellen Muster, die empirisch auftreten, für unterschiedliche Kulturen charakteristisch bzw. in der einen oder anderen Weise bei verschiedenen Kulturen zu finden sind. Entsprechend gehen Kulturen fließend ineinander über bzw. sind an ihren Rändern unscharf. Trotz solcher Unschärfen wird im Kern der Verdichtung einer Kultur greifbar, was diese charakterisiert, wodurch sie sich von anderen Kulturen unterscheidet. Wenn im Folgenden in diesem Zusammenhang dann nicht nur von Kultur sondern von Medienkultur gesprochen wird, bezeichnet dies all solche Kulturen, deren primäre Bedeutungsressourcen mittels technischer Kommunikationsmedien vermittelt werden und[22] die durch diese Prozesse auf unterschiedliche, je zu bestimmende Weisen »geprägt« werden. Medienkulturen sind also im Sinne unserer eingangs formulierten Definition durch Mediatisierung gekennzeichnete Kulturen. Und mediatisierte Welten sind diejenigen Ausschnitte des Sozialen, in denen sich Medienkulturen in der Alltagspraxis konkretisieren.

Bezogen auf den Begriff der Kommunikation ist zu sagen, dass mit dem Ansatz der transkulturellen Kommunikation ein handlungs- bzw. praxistheoretischer Kommunikationsbegriff verbunden ist. Kommunikation bezeichnet entsprechend jede Form der symbolischen Interaktion, bewusst und geplant wie habitualisiert und situativ vollzogen (Reichertz 2009: 94). Das heißt, dass Kommunikation auf den Gebrauch von Zeichen verweist, die Menschen in ihrer Sozialisation erlernen und die als Symbole meist arbiträr sind, d. h., auf sozialen Regeln beruhen: Es gibt keinen natürlichen Grund, warum der Baum »Baum« heißt. Interaktion bezeichnet das wechselseitig aufeinander bezogene soziale Handeln von Menschen. Gemeint ist damit, dass Menschen aneinander orientiert etwas tun. Kommunikation ist grundlegend für die menschliche Wirklichkeitskonstruktion, d. h., wir »erschaffen« uns unsere soziokulturelle Wirklichkeit in vielfältigen kommunikativen Prozessen. Wir werden in eine Welt geboren, in der vor uns Kommunikation besteht, wir erlernen das, was diese Welt (und ihre Kultur) auszeichnet, in dem (kommunikativen) Prozess des Spracherwerbs, und wenn wir dann in dieser Welt handeln, so ist dies immer auch kommunikatives Handeln.

2.1

Folgen der Globalisierung

In einem ersten Diskursstrang kommt der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation als im weitesten Sinne zu verstehende Folge der Globalisierung (von Medienkommunikation) auf. Exemplarisch kann für den deutschen Sprachraum auf die Arbeiten des Soziologen und Kommunikationsforschers Horst Reimann (1992) verwiesen werden. Dieser versuchte, mit transkultureller Kommunikation die Spezifik der zunehmenden globalen Kommunikationsprozesse in einer »Weltöffentlichkeit« nachzuempfinden. Referenzpunkt ist dabei für ihn die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die wegen des zumindest prinzipiell grenzüberschreitenden Charakters heutiger Kommunikation von der Existenz einer Weltgesellschaft ausgeht: Indem »immer weitere Kommunikationsmöglichkeiten […] sich nicht auf regionale Grenzen festlegen lassen« (Luhmann 1997: 150) und die Grenzen einer Gesellschaft in dieser Perspektive durch die Grenzen der anschlussfähigen Kommunikation bestimmt werden, kann von der Existenz einer Weltgesellschaft gesprochen werden. Diese ist durch vielfältige transkulturelle Kommunikationen gekennzeichnet.

Mit ihrem Bezug zu den Cultural Studies und der europäischen Kulturphilosophie theoretisch ganz anders verortet sind die Veröffentlichungen der Kommunikationsund [23]Medienwissenschaftler Kurt Luger und Rudi Renger (1994), die ebenfalls mit dem Konzept der transkulturellen Kommunikation arbeiten (Luger 1994). In ihrer sich stark an den Philosophen Wolfgang Welsch anlehnenden Argumentation werden gleichwohl ebenfalls die Bezüge zur Globalisierungstheorie deutlich. Die Kernüberlegung ist, dass mit der Globalisierung an die Stelle von »Kulturen alten Zuschnitts« – also National- oder Regionalkulturen – diverse (neue) »Lebensformen« (Welsch 1992: 5) getreten sind: u. a. durch Markenkommunikation, globalisierte populäre Medieninhalte oder Werbung-gestützte Lebensstile. Transkulturalität ist dann ein Konzept, um solche Phänomene zu analysieren.

Aber auch im englischsprachigen Raum ist der Begriff des Transkulturellen bereits früh stark mit Fragen der Globalisierung verbunden. Neben Ansätzen einer »transkulturellen Psychologie« (Kiev 1972) stehen hierfür sich auf praktische Fragen des Managements beziehende Publikationen. In diesen wird beispielsweise transkulturelle Kommunikation als Teil einer »transkulturellen Führung« (Simons et al. 1993) behandelt, die in durch Globalisierung gekennzeichneten Unternehmen notwendig wird. Transkulturell wird dabei definiert als »Verankert-Sein in der eigenen Kultur bei gleichzeitigen allgemein-kulturellen wie kultur-spezifischen Fähigkeiten, um effektiv in multikulturellen Umgebungen zu leben, zu interagieren und zu arbeiten« (Simons et al. 1993: 245). Noch deutlicher werden solche Bezüge in kommunikations- und medienwissenschaftlichen Publikationen. So macht der amerikanische Kommunikations- und Medienforscher James Lull – Bezug nehmend auf Néstor García Canclini (1995) – mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation eine Transkulturalisierung aus (Lull 2000: 242). Und auch der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marwan M. Kraidy (2005: 38–44) entwickelt sein Verständnis transkultureller Kommunikation in Auseinandersetzung mit der Globalisierung der Medien.

Textbox 1: Verständnisse von Transkulturalität und Transkulturation

Transkulturalität in philosophischer Perspektive:

»›Transkulturalität‹ will beides anzeigen: dass wir uns heute jenseits der klassischen Kulturverfassung befinden und dass die neuen Kultur- bzw. Lebensformen durch diese alten Formationen wie selbstverständlich hindurchgehen.« (Welsch 1992: 5)

Transkulturalität in anthropologischer Perspektive:

»[…] das Wort Transkulturation beschreibt besser die unterschiedlichen Phasen des Übergangsprozesses von einer Kultur in eine andere, da es nicht lediglich das Erwerben einer anderen Kultur umfasst, was das englische Wort der Akkulturation impliziert; im Gegensatz schließt dieser Prozess notwendigerweise auch den Verlust von oder das Entwurzeln aus einer vorherigen Kultur mit ein, was man als Dekulturation definieren könnte. Zusätzlich trägt Transkulturation die Vorstellung[24] einer sich in der Folge ergebenden Herstellung neuer kultureller Phänomene in sich, die man Neokulturation nennen könnte.« (Ortiz 1970: 102 f.; Herv. i. O.)

Transkulturalität in wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive:

»›Transkulturelle Führung‹ füllt eine Lücke in der Managemententwicklung. Es geht bei ihr darum, wie Vielfalt unsere alltäglichen Handlungen beeinflusst. Es geht um Gespräche, Sitzungen, Unterredungen, das Treffen von Entscheidungen ebenso wie um das Erlangen von Einvernehmen, das Lösen von Streit, angemessenes Training und Leistungseinschätzungen. Das Konzept sagt uns, wie wir mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund umgehen, ob bei der Planung, Arbeit oder dem gemeinsamen Essen.« (Simons et al. 1993: xv)

Transkulturalität in kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive:

»Im Gegensatz zur interkulturellen Kommunikation, die dazu tendiert, Kontakte zwischen Individuen unterschiedlicher, als einzelne Entitäten gedachter Kulturen zu studieren, geht transkulturelle Kommunikation davon aus, dass alle Kulturen grundsätzlich gemischt sind. [Das Konzept] versucht die Tiefe, Reichweite und Ausrichtung verschiedener Ebenen von Hybridität in sozialer – und nicht individueller – Hinsicht zu verstehen. Kritischer Transkulturalismus integriert sowohl diskursive als auch politisch-ökonomische Analysen in die Untersuchung von internationaler Kommunikation und Kultur.« (Kraidy 2005: 149)

Die Etablierung des Begriffs der transkulturellen Kommunikation verweist demnach auf eine spezifische Reflexion von medialer Globalisierung (siehe die Beiträge in Hepp/Löffelholz 2002): Wenn wir von einer Globalisierung der Medienkommunikation ausgehen können, so müssen wir in der Konsequenz anders über grenzüberschreitende Kommunikation nachdenken, als dies mit klassischen Paradigmen der internationalen und interkulturellen Kommunikation der Fall war. An dieser Stelle treffen sich bemerkenswerterweise so unterschiedliche Theorietraditionen wie die der Systemtheorie, der Cultural Studies und der Medienanthropologie.

Für ein angemessenes Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation erscheint es hilfreich, sich zuerst einmal die Genese dieses Konzepts zu vergegenwärtigen. So wird hierunter nicht einfach in einer ökonomischen Konzeptionalisierung das Entstehen von global agierenden Medienkonzernen und deren sich steigernde weltweite Macht gefasst. Das Konzept ist ungleich komplexer. Zu sehen ist es erst einmal in der Kritik des Ansatzes des Kulturimperialismus, wonach eine zunehmende weltweite Verbreitung von Medienkommunikation letztlich mit der (kulturellen) Machtausübung einer Nation im Zentrum über eine Nation in der Peripherie gleichzusetzen wäre (Galtung 1972: 35), was gerne als Amerikanisierung gedacht[25] wird. So endet der britische Kultursoziologe John Tomlinson (1991: 175) seine umfassende Darstellung der Entwicklung dieses Ansatzes des Kulturimperialismus mit dem Satz: »Was Imperialismus ersetzt, ist Globalisierung.« Diese zugespitzte Aussage verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt ihrer Äußerung die weltweite grenzüberschreitende Kommunikation ein Maß an Komplexität erreicht hat, mit der diese nicht (mehr) hinreichend mit Vorstellungen national-imperialer Strukturen gefasst werden kann: Das Hollywood-Studio COLUMBIA PICTURES ENTERTAINMENT INC. wurde mit SONY von einem japanischen Unternehmen übernommen, aber auch lateinamerikanische bzw. indische Medienunternehmen begannen in den Westen »zurückzukommunizieren« (siehe überblickend zu dieser Thematik Boyd-Barrett/Thussu 1992; Tomlinson 2002). Das Konzept der Globalisierung der Medienkommunikation versprach eine größere Komplexität der Theoriebildung als das des Kulturimperialismus.

Hiermit fügte sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft in den allgemeinen Diskurs der Sozialwissenschaften ein. Verschiedene sozialwissenschaftliche Theoretiker forderten, den bestehenden sozialwissenschaftlichen Begriffsapparat im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung zu überdenken (siehe beispielsweise Appadurai 1996; Beck 1997; Giddens 1996; Hannerz 1996). Solche Überlegungen aufgreifend argumentiert insbesondere John Tomlinson (1999) dafür, im kulturellen Bereich Globalisierung nicht mit der Homogenisierung einer »globalen Kultur« (Featherstone 1990) gleichzusetzen. Umgekehrt kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass Globalisierung kulturell folgenlos wäre. Globalisierung bezeichnet in einer solchen Perspektive – wie bereits in der Einleitung formuliert – die Zunahme einer »komplexen Konnektivität« nicht nur von Eliten, sondern ebenso auf der Ebene des Alltagslebens einer großen Zahl von Menschen. Diese Konnektivität hat verschiedene Dimensionen. Entsprechend ist es möglich, die Globalisierung der Medienkommunikation als die weltweite Zunahme einer kommunikativen Konnektivität zu begreifen (Hepp 2004: 125–135; siehe auch Hepp et al. 2005). Mit dieser geht als Kulturwandel eine Deterritorialisierung einher, d. h. ein Aufweichen der scheinbar natürlichen Beziehung zwischen Kultur und geografischen bzw. sozialen Territorien (García Canclini 1995: 229). Konkret wird dies an Beispielen von Kulturprodukten wie (Welt-)Musiktiteln, die durch die Konnektivität des Internets an fast allen Orten verfügbar sind, an Fernsehformaten wie »Idol«, die in verschiedensten Ländern Verbreitung finden, an Bollywood-Filmen, die weit über den indischen Kontinent hinaus Zuschauerinnen und Zuschauer haben, oder an Kontakten vieler Reisender und Migrantinnen bzw. Migranten, die sich über Internet und Social Web managen und aufrechterhalten lassen. Dies darf aber nicht zu verkürzenden Vorstellungen verleiten, die Globalisierung der Medienkommunikation mit einer Grenzenlosigkeit derselben gleichsetzen (Hafez 2005). Wir haben es beispielsweise in Bezug auf die arabische Welt mit einer Reterritorialisierung einer panarabischen Öffentlichkeit zu tun. Gleichwohl bedeutet die Globalisierung der Medienkommunikation, dass wir diese[26] nicht in einer rein westlichen Perspektive erfassen können. Ein »De-Westernizing« der Kommunikations- und Medienforschung erscheint notwendig (Curran/Park 2000; Gunaratne 2010; Nyamnjoh 2011; Ray 2012; Thussu 2009). Gemeint ist damit, dass hinterfragt werden sollte, inwieweit die anhand westlicher Medienkulturen und Mediensysteme entwickelten Begrifflichkeiten hinreichend sind, um Medienphänomene in der gesamten Welt zu erfassen.

In einer solchen allgemeinen Diskussion wurde verstärkt der historische Charakter der Globalisierung von Medienkommunikation betont. An dieser Stelle ist auf die Arbeiten des französischen Kommunikations- und Informationswissenschaftlers Armand Mattelart zu verweisen. Dieser verortet die Anfänge der gegenwärtigen »globalen Vernetzung« im Aufbau der ersten Telegrafenleitungen des 19. Jahrhunderts (Mattelart 1999: 15–36). Ebenso zeigt er, dass heutige Vorstellungen der Informationsgesellschaft ihre Wurzeln in Utopien des 17. und 18. Jahrhunderts haben (Mattelart 2003: 9–26). Wir müssen gegenwärtige Schübe der Globalisierung der Medienkommunikation also in ihrem weiteren historischen Kontext sehen, der letztlich auf eine – wenn auch nicht linear – fortschreitende Mediatisierung von Kultur und Gesellschaft verweist (Krotz 2005): Umfassende Kommunikationsbeziehungen zwischen verschiedenen Regionen der Welt bestanden auch früher. Mit der technischen, sich mehr und mehr vervielfältigenden Vermittlung dieser Kommunikationsbeziehungen besteht die Differenz allerdings einerseits in der alltagsweltlichen Reichweite der heutigen kommunikativen Konnektivität. Andererseits besteht die Differenz darin, dass diese kommunikative Konnektivität in Echtzeit möglich ist und so eine umfangreiche medienvermittelte Synchronität gestattet. In einer solchen Einordnung ist die Globalisierung der Medienkommunikation kein vollkommen neues Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts. Allerdings findet in diesem Zeitraum eine umfassende »Radikalisierung« derselben statt: Wir haben es mit einer durch die elektronischen Medien sprunghaft steigenden Zunahme der alltagsweltlichen Relevanz und Synchronität von kommunikativer Konnektivität zu tun.

Insgesamt können wir damit ein ambivalentes Verhältnis zwischen den Konzepten der Globalisierung der Medienkommunikation und dem der transkulturellen Kommunikation ausmachen: So ist die umrissene Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation der weitergehende Horizont eines Diskursstrangs, in dem sich das Konzept der transkulturellen Kommunikation etablierte und zu einem Ansatz entwickelte. Gleichzeitig allerdings versucht Letzterer die Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation fortzuführen und zu konkretisieren. Mit der Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation ist der Versuch verbunden, die in der Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation allgemein konstatierte, zunehmende weltweite kommunikative Konnektivität genauer zu fassen. Wodurch zeichnet sich Medienkommunikation aus, wenn diese kulturübergreifend geschieht? Wie ist transkulturelle Medienkommunikation empirisch adäquat zu beschreiben? Es sind solche, auf eine empirische Kommunikations- und Medienforschung [27] zielende Fragen, die mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation verbunden sind.

2.2

Postkoloniale Kritik

Ein zweites Diskursfeld des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist das der postkolonialen Kritik. Wie der Begriff schon verdeutlicht, handelt es sich dabei um ein interdisziplinäres Feld, zu dem neben Arbeiten der Kommunikations- und Medienforschung auch die der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie und literaturwissenschaftliche Untersuchungen gehören. In diesem Feld ist allerdings weniger der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation verbreitet, als der der Transkulturalisierung (engl. »transculturation«) etabliert. Dieser geht insbesondere auf eine Studie des kubanischen Kulturanthropologen Fernando Ortiz aus dem Jahr 1940 zurück. In seiner Untersuchung mit dem englischen Publikationstitel »Cuban Counterpoint« (orig. 1940: »Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar«) befasst sich Ortiz damit, wie das Wechselverhältnis der Produktionskulturen von Tabak und Zucker in Kuba zu verschiedenen neuen Kulturformen beiträgt. In dieser Analyse steht »Zucker« für das mit der Kolonialisierung importierte industrielle System mit Disziplinierung, maschineller Produktion und mechanisierter Zeit. »Tabak« steht für die indigenen Produktionsweisen mit einheimischer Kontrolle des Produktionsprozesses, individueller handwerklicher Kompetenz und jahreszeitlich bestimmten Arbeitsrhythmen (Mackenthun 2011: 134). Das Zusammenkommen dieser beiden Produktionsweisen ist ein komplexer dialektischer Prozess. Um diesen zu fassen, entwickelt Ortiz den Begriff der Transkulturation, den er gegen den der Akkulturation im Sinne des Hineinwachsens in eine Kultur stellt (siehe hierzu das Zitat in der Textbox 1).

Mit diesem früh von dem Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski (1970) gewürdigten Konzept der Transkulturation entwickelt Fernando Ortiz einen zuvor in dieser Form nicht ausformulierten Blick auf kulturelle Prozesse in Lateinamerika. Aus seiner Sicht ist die »wirkliche Geschichte Kubas die Geschichte von miteinander verzahnten Transkulturationen« (Ortiz 1970: 98): Bereits mit der Kolonialisierung war es nicht so, dass eine (nationale) spanische Kultur in Kuba Fuß fasste. Kulturen von Menschen unterschiedlicher romanischer Länder Europas fanden ihren Weg dorthin. Sie traten von Beginn an in Kontakt mit indigenen Kulturen, was zu einem »neuen Synkretismus von Kulturen« (Ortiz 1970: 98) führte. Vielfältige weitere Prozesse der Transkulturation schlossen sich an, u. a. durch den Sklavenhandel. Hier betont Ortiz Jahrzehnte vor den Arbeiten des Kulturanalytikers Paul Gilroy (1993) den Status der Überfahrt in Sklavenschiffen: Afrikaner sehr unterschiedlicher Kulturen wurden »wahllos in die Sklavenschiffe geworfen und durch das System der Sklaverei sozial gleichgemacht« (Ortiz 1970: 101). Dieser selbst schon transkulturelle Sklavenhandel stieß in Kuba dann weitere Prozesse der [28]Transkulturalisierung an. Transkulturation fasst demnach einerseits, dass koloniale Macht- und Produktionsverhältnisse nicht das Durchsetzen einer Kultur bedeuten (siehe Hermann 2007: 257 f.; Koch 2008: 12). Andererseits verdeutlicht der Begriff in seiner Prozesshaftigkeit, dass es hierbei um einen fortlaufenden Vorgang des Entstehens neuer synkreter – oder, wie man heute sagen würde: hybrider – Formen von Kultur geht.

Teils in explizitem Verweis auf Ortiz, später ohne Referenz auf ihn, fand der Begriff der »Transkulturation« Verbreitung in der postkolonialen Forschung. Detailliert wurde dies von Diana Taylor (1991) nachgezeichnet. Sie verweist insbesondere auf die Arbeiten des peruanischen Ethnografen und Literaten José María Arguedas (1982). Aus seiner Sicht ist die indigene Kultur, wie wir sie kennen, das Produkt von Transkulturationen – des langjährigen Kontakts zwischen früheren peruanischen Kulturen und denen der Kolonialisierenden. Entsprechend gibt es für ihn keine »reine« indigene oder spanische Kultur unter den Einwohnern Perus, sondern nur vielfältige »Mestizo«-Kulturen. Eurozentrische Konzeptionalisierungen von Kultur erscheinen ihm nicht hinreichend, um den hybriden Charakter der Kulturen Lateinamerikas zu fassen.

Die hierauf aufbauende Diskussion gewann an Breite (siehe beispielsweise die Beiträge in Bekers et al. 2009; Davis et al. 2002; Kalogeras et al. 2006). Spätere Arbeiten lateinamerikanischer Kultur- und Kommunikationswissenschaftler wie beispielsweise die des bereits zitierten Néstor García Canclini, die den unweigerlich hybriden Charakter lateinamerikanischer Kulturen betonen, müssen in der direkten Folge dieser Beschäftigung mit Transkulturalität gesehen werden (siehe García Canclini 1995; Hepp 2009b; Lull 1998). Dabei fasst der Ausdruck der Transkulturalisierung generell das Entstehen neuer Kulturformen aus ehemals differenten kulturellen Kontexten in einem Prozess der durchaus machtgeprägten Hybridisierung. Hybridität bezeichnet – ähnlich wie der von Ortiz verwendete Ausdruck des Synkretismus – die Vermischung von Ressourcen unterschiedlicher kultureller Kontexte, deren Verbindung, Fusion und Melange (Hepp 2010: 216; 274). Ein solcher Prozess wird in diesem Diskursfeld vor allem in Bezug auf die »subalterne« Aneignung des Kolonialismus analysiert, wobei insbesondere die Kontaktzonen einer solchen Hybridisierung von unten interessieren. So konstatiert Mary Louise Pratt (1992) in ihrer Studie zum kolonialen Reisejournalismus, dass Transkulturation sich in bestimmten Kontaktzonen ergibt, die sie wie folgt beschreibt:

»Kontaktzonen [sind] soziale Räume, in denen sich disparate Kulturen treffen, aufeinander stoßen und miteinander auseinandersetzen, oftmals in hochgradig asymmetrischen Beziehungen der Über- und Unterordnung – wie Kolonialismus, Sklaverei oder deren Nachwirkungen, die heutzutage über den Globus hinweg gelebt werden.« (Pratt 1992: 4).

Wie dieses Zitat deutlich macht, rückt damit der Begriff der Transkulturation in eine große Nähe zu dem des »dritten Raums«. Als »third space« hat Homi Bhabha [29](1994: 55) – einer der zentralen Theoretiker des Postkolonialismus – kulturelle Zwischenräume der Begegnung charakterisiert. In diesen haben »die Bedeutungen und Symbole der Kultur keine ursprüngliche Einheit oder Beständigkeit« (Bhabha 1994: 55). Entsprechend können Prozesse der Übersetzung und Rehistorisierung stattfinden, wobei Bhabha neben dem Ort der Literatur an konkrete Lokalitäten wie beispielsweise das Treppenhaus als Ort der Begegnung (kulturell) sehr unterschiedlicher Menschen denkt. Der Begriff der Transkulturalität fügt sich damit umfassend als »Schlüsselkonzept« (Ashcroft et al. 2009) in die analytischen Konzepte des Postkolonialismus ein. Diesen geht es darum, »ein kritisches Potential zur Beschreibung komplexer historischer Verhältnisse sowie ein utopisches Potential für die Durchführung des unabgeschlossenen Projekts der mentalen Dekolonisierung« (Mackenthun 2011: 123) zu entwickeln.

Eine auf das Diskursfeld des Postkolonialismus ausgerichtete Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation reicht von theoretischen Reflexionen der eigenen Arbeit durch Medienpraktiker (MacDougall 1998), über wissenschaftliche Studien zu Filmen als transkulturelle Begegnungsräume (Kramer 2006) bis hin zur Erforschung von Prozessen medienvermittelter Transkulturation in Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation (Kraidy 2005; Lull 2002). Letztlich geht es in solchen Analysen darum, gegenwärtige Transkulturationen zu erfassen, die sich in grenzüberschreitender und grenzziehender Medienkommunikation konkretisieren. Hiermit werden die Problematiken und Phänomene der Transkulturation, die ursprünglich einmal als Ausdruck postkolonialer Situationen gegolten haben, als ein generelles Phänomen der gegenwärtigen Medienkommunikation angesehen. Transkulturelle Begegnungen spielen sich nicht mehr nur an (post-)kolonialen Begegnungsorten ab, sondern sind zum Normalfall grenzüberschreitender Medienkommunikation geworden, so die Überlegung. Wie es James Lull zugespitzt formuliert: »Prozesse der Transkulturation synthetisieren neue kulturelle Genres, während sie traditionelle kulturelle Kategorien einreißen« (Lull 2000: 242).

Die bisher differenzierteste kommunikations- und medienwissenschaftliche Theorieentwicklung in einem solchen Rahmen hat Marwan M. Kraidy (2005) vorgelegt (siehe zu seinem Verständnis der transkulturellen Kommunikation Textbox 1). Sein Ansatz eines »kritischen Transkulturalismus« betont den konstruierten und gleichzeitig machtgeprägten Charakter von Kultur und rückt eine (zunehmende) globale Transkulturalität in den Blick. Es geht darum, nicht von einer Determination transkultureller Kommunikationsbeziehungen durch die bestehenden Strukturen einer politischen Ökonomie der Medien auszugehen, sondern Transkulturationen als sich in bestimmten Ökonomien konkretisierende Interaktionsbeziehungen zu analysieren. Zentral ist dabei die Betonung einer »translokalen Perspektive« (Kraidy 2005: 155). Diese zielt darauf, die vielfältigen Kommunikationsbeziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Orten und auf sehr verschiedenen Ebenen in den Blick zu rücken und solche Beziehungen nicht vorschnell in nationalen Totalitäten aufgehen zu lassen. [30]Zusammenfassend charakterisiert Kraidy den von ihm umrissenen Ansatz mit folgenden Worten: »Kritischer Transkulturalismus […] verweigert das, was der Anthropologe George Marcus die ›Fiktion des Ganzen‹ genannt hat, betont aber zur gleichen Zeit, dass interkulturelle Beziehungen ungleich sind« (Kraidy 2005: 153).

Letztlich zielt eine solche Forschung darauf, auf kritische Weise die Hybriditäten zu erfassen, die durch kommunikative Praxis translokal und verschiedene kulturelle Kontexte übergreifend geschaffen werden. An dieser Stelle rekurriert Marwan M. Kraidy (2005: 152) auf den Begriff der Hybridität bei Mikhail Bakhtin (1981), der zwischen organischer und intentionaler Hybridität unterscheidet. Organische Hybridität bezeichnet das Ergebnis der von Ortiz konstatierten Prozesse der Transkulturation als einen unbewussten Vorgang: »Unbewusste Hybride […] gehen schwanger mit potenziellen neuen Weltsichten, mit neuen ›internen Formen‹ der Wahrnehmung der Welt in Worten« (Bakhtin 1981: 360). Die intentionale Hybridität hingegen ist eine bewusste Konstruktion durch die gezielte Kombination unterschiedlicher kultureller Elemente. Kraidy weist darauf hin, dass die Hybriditäten transkultureller Kommunikation zumindest in Teilen gezielt hergestellt sind, weswegen man Fragen der Macht im Blick haben muss:

»Intentionale Hybridität ist entsprechend primär ein kommunikatives Phänomen. […] Kommunikation ist zentral für die Formierung von Hybriditäten, weil sie die Handlungsfähigkeit derjenigen stärkt, die die Mittel zur Übersetzung und Benennung der Welt haben, während die Handlungsfähigkeit anderer Teilnehmer geschwächt wird. Mit anderen Worten ist es primär ein kommunikativer Prozess, ob Hybridität eine Selbstbeschreibung oder eine Zuschreibung durch andere ist. Das Mittel und die Fähigkeit zu kommunizieren sind entsprechend eine wichtige Determinante der Handlungsfähigkeit in interkulturellen Beziehungen, die den Schmelztiegel der Hybridität bilden.« (Kraidy 2005: 152)

In der Zugangsweise dieses kritischen Transkulturalismus’ ist Hybridität also keine per se positive Eigenschaft, sondern die »kulturelle Logik« der Globalisierung, die es kritisch zu analysieren gilt. Exemplarisch macht dies Kraidy am »unternehmerischen Transkulturalismus« der Gegenwart fest. Dieser versucht, Hybridisierung zu nutzen, um Unternehmen profitabler und Kunden zufriedener zu machen (Kraidy 2005: 95). Hier liegt eine strategische Instrumentalisierung von Hybridität vor, die den Reichtum Einzelner fördert – und die weit entfernt ist von emanzipatorischen Vorstellungen des »dritten Raums«. Dies heißt auch, dass man sich – wie Annabelle Sreberny und Gholam Khiabany (Sreberny/Khiabany 2011: 31) zu Recht anmahnen – davor hüten muss, »die Dichotomie von Tradition und Moderne einfach umzukehren, indem wir alles ›Traditionelle‹ überbewerten und den kommerziellen, entwurzelten, banalen und fertig abgepackten ›westlichen‹ Produkten die ›authentischen‹, ›organisch gewachsenen‹ und ›tief verwurzelten Kulturen‹ […] gegenüberstellen«.

[31]Insgesamt wird in dem Diskursfeld der postkolonialen Kritik so ein weiterer Aspekt von transkultureller Kommunikation greifbar: Es geht nicht nur darum, transkulturelle Kommunikation empirisch gesehen als eine mit der Globalisierung an Relevanz gewinnende Form von (Medien-)Kommunikation zu begreifen. Viel grundlegender hebt der Begriff auf Prozesse der Transkulturation ab, die als kennzeichnend für den kulturellen Wandel in Zeiten des Kolonialismus und den sich anschließenden verschiedenen Modernen gesehen wurden. Diese Transkulturation wird als ein kommunikativer Prozess verstanden, der nicht nur für einzelne Orte kultureller Begegnung und Melange kennzeichnend ist. Mit der Zunahme von (weltweiten) Kommunikationsbeziehungen ist Transkulturation zu einem Alltagsphänomen geworden, das es in seiner Widersprüchlichkeit kritisch zu analysieren gilt.

2.3

Methodologische Reflexion

Ein drittes Diskursfeld um transkulturelle Kommunikation ist methodologisch ausgerichtet. In diesem werden zwar Überlegungen der zuvor behandelten beiden Diskursstränge aufgegriffen, weswegen man dieses als nachgelagert begreifen kann. Dabei gilt es – so die Argumentation –, grundlegend die methodischen Herausforderungen zu behandeln, die mit zunehmender Globalisierung der Medienkommunikation bzw. kommunikativer Transkulturation bestehen. Hiermit hat dieses Diskursfeld eine sehr große Nähe zu der Kritik an einem methodologischen Nationalismus, weswegen es diese zuerst zu rekonstruieren gilt.

Der Begriff des methodologischen Nationalismus geht insbesondere auf den Nationalismusforscher Anthony D. Smith (1979) zurück. Im Kern wird damit die Annahme gefasst, dass sich nationale Gesellschaften und der Territorialstaat eins zu eins entsprächen. Weiter ausformuliert hat die Kritik an einer solchen Annahme der Soziologe Ulrich Beck, indem er generell die »Axiomatik einer nationalstaatlich eingestellten Soziologie« (Beck 1997: 51) problematisiert. Dieser wirft er vor, methodologisch mit einer »Container-Theorie der Gesellschaft« (Beck 1997: 49) zu operieren, die Gesellschaften (National-)Staaten definitorisch unterordnet. Die Folge ist, dass Gesellschaften als Staatsgesellschaften begriffen werden und Gesellschaftsordnung so viel meint wie Staatsordnung.

Mit einer solchen Container-Theorie der Gesellschaft haben die Sozialwissenschaften die historische Verknüpfung von entstehender Soziologie und politisch gewolltem Aufbau von (europäischen) Nationalstaaten im 19. Jahrhundert mehr oder weniger unreflektiert als Grundmodell der Beschreibung des Sozialen übernommen. Das hierbei bestehende Problem ist, dass die mit Globalisierung an Relevanz gewinnenden Sozialformen wie beispielsweise Diasporas, soziale Bewegungen, supranationale Organisationen usw. in ihrer Spezifik nicht hinreichend erfasst werden. Vor diesem Hintergrund fordert Beck einen methodologischen Kosmopolitismus ein. Letzterer[32] grenzt sich sowohl in der Raum- als auch der Zeitdimension vom methodologischen Nationalismus ab. Räumlich treten »an die Stelle von national-nationalen Beziehungen trans-lokale, lokal-globale, trans-nationale, national-globale und global-globale Beziehungsmuster« (Beck 2004: 118). In der Zeitdimension geht es darum, einerseits die global geteilte Vergangenheit beispielsweise des Kolonialismus analytisch zu berücksichtigen, andererseits die gegenwärtig global erfahrenen Zukunftsbedrohungen beispielsweise im Bereich der Umweltverschmutzung (Beck 2004: 121). Im Kern zielt der methodologische Kosmopolitismus also darauf, dem Paradigma des Containerstaats als Bezugsgröße von Forschung das der räumlichen und zeitlichen Komplexität von translokalen Beziehungsmustern gegenüberzustellen.

Eine solche Diskussion um die Kritik an einem methodologischen Nationalismus prägte umfassend die sozialwissenschaftliche Diskussion der letzten beiden Jahrzehnte. So unterscheiden beispielsweise die Migrationsforscher Andreas Wimmer und Nina Glick Schiller (Wimmer/Glick Schiller 2002: 302–308) drei Modi des methodologischen Nationalismus: Der erste Modus ist bereits durch die von Beck erwähnten Klassiker der Soziologie benannt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass Nation zwar eine implizite Zentralität für die entwickelten Konzepte des Sozialen hat (»die Gesellschaft des Nationalstaats«), dies gleichzeitig aber nicht reflektiert wird und so ein »blinder Fleck« der eigenen Betrachtung entsteht. Der zweite Modus ist der der »Naturalisierung des Nationalstaats«. Bei diesem wird der Nationalstaat nicht weiter problematisiert und zum Bezugspunkt jeglicher Forschung gemacht. Ein dritter Modus des methodologischen Nationalismus ist der des generellen »Fokus auf die Grenzen des Nationalstaats«. Bei sozialwissenschaftlichen Analysen geht es dann um die Beschreibung von nationalstaatlichen Prozessen »innerhalb« von Nationalstaaten in Abgrenzung zu Phänomenen »außerhalb«. Folgt man Wimmer und Glick Schiller, gehen diese drei Modi im Diskurs des methodologischen Nationalismus ineinander über und kennzeichnen ihn so insgesamt.

Im Diskursfeld um transkulturelle Kommunikation als methodologische Reflexion finden sich vielfache Bezüge auf die Kritik des methodologischen Nationalismus. Dass dabei allerdings nicht von Transnationalismus sondern von Transkulturalismus gesprochen wird, verweist darauf, dass das Konzept des Nationalen selbst aus kulturanalytischer Perspektive problematisiert wird. Ein wichtiger Bezugsautor ist hierbei der Kulturgeograf und Kommunikationswissenschaftler Kevin Robins. Dieser hat seine Überlegungen zu Transkulturalität und transkultureller Kommunikation im Rahmen seiner empirischen Forschung zu Medien und Migration entwickelt. Dabei weist Robins darauf hin, dass ein Transnationalismus, der Diasporas mit den identischen Konzepten beschreibt wie Nationen bzw. Nationalstaaten, dieser Sozialform nicht hinreichend gerecht wird (vgl. Robins 2003).

Der von Kevin Robins umrissene Zugang postuliert jedoch nicht das Ende des Nationalstaats. Vielmehr geht es ihm darum, das Wechselverhältnis von nationalen und transnationalen Dynamiken in einem weitergehenden transkulturellen Rahmen[33] zu fassen. An dieser Stelle führt er den Begriff der »transkulturellen Vielfalt« (Robins 2006a: 31; siehe auch Robins 2006b: 276) ein, um die Kritik des methodologischen Nationalismus um eine Kritik an Vorstellungen von Kultur als homogener Nationalkultur (im Sinne der eingangs erwähnten territorialen Kulturvorstellung) zu erweitern. Er weist darauf hin, dass gerade Debatten um Vielfalt in Europa letztlich im nationalen Rahmen erfolgen, indem Kultur mit Nationalkultur gleichgesetzt wird und Vielfalt in Europa entsprechend die Vielfalt unterschiedlicher Nationalkulturen bedeutet. Problematisch dabei ist jedoch nicht nur die Nationalisierung von Kultur, sondern darüber hinaus der damit verbundene Kulturbegriff als solcher:

»Letzten Endes ist die Konzeption von Kultur problematisch, wie sie in einer solchen Agenda mobilisiert wird, in der sich der scheinbar neutrale Ausdruck ›Kultur‹ tatsächlich als Kultur in einer nationalen Vorstellung herausstellt. Folglich wird eine Kultur als eine einheitliche und umgrenzte Entität angesehen, als der Besitz einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe, als unterschiedlich von den Kulturen anderer Gruppen und als über die Zeit hinweg festgelegt und konstant.« (Robins 2006a: 31)

Betrachtet man jedoch Europa mit seinen vielfältigen Kommunikationsbeziehungen genauer, ist es – wie andere Regionen der Welt – sowohl historisch als auch gegenwärtig durch umfassende transkulturelle (Kommunikations-)Prozesse gekennzeichnet, die es vergleichend in einem komplexeren methodischen Rahmen zu analysieren gilt. Für die Gegenwart lässt sich auf die vielfältigen (Trans-)Migrantinnen und Migranten verweisen, die jenseits der »umgrenzten« Vielfalt nationaler Kulturen in Europa transkulturelle Kommunikation eröffnen. Ein transkultureller Blickwinkel bricht also methodologisch insofern mit Fragen des Nationalen und Transnationalen, als er die Möglichkeit der Verfasstheit von Kultur jenseits von Nationalität untersucht: »Transkulturalismus […] war ursprünglich vor-national und entsprechend vor-transnational« (Robins 2006a: 31).