Treffpunkt Key West - Rolf Lohbeck - E-Book

Treffpunkt Key West E-Book

Rolf Lohbeck

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Beschreibung

Dummheit und Gier haben viele Wurzeln. Täter und Opfer sind gleichermaßen darin verstrickt. Die Qualität der Umsetzung macht den Unterschied. Beide handeln nach dem Motto »Alles ist erlaubt – du darfst dich nur nicht erwischen lassen!«. Gut und Böse werden ersetzt durch Spaß und Unterhaltung. Die Realisierung dieses hedonistischen Lebensziels heiligt jedes Mittel. Raffinierte Betrüger und grausame Mörder treiben die Protagonisten auf ihrer blutigen Spur durch europäische Großstädte, bis sie selber in den Fokus des Jägers geraten. Die gnadenlose Jagd endet in den Everglades Floridas. Neben der gebotenen Spannung des Thrillers gewährt der Autor Einblicke in die gesellschaftlichen und politischen Bezüge der Gegenwart sowie die Entwicklung der menschlichen Psyche in Ausnahmesituationen. Lohbeck führt seine Leser mit großer Erzählkunst durch die Abgründe menschlicher Seelen und fesselt durch einen fulminanten Spannungsbogen bis zur Auflösung der Geschichte. Auch dieser neue Thriller wird die wachsende Fangemeinde des Autors begeistern.

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Seitenzahl: 339

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Rolf Lohbeck

TreffpunktKey West

Für meine Enkel

Andreas

Christina

Michael

Alexander

Mathias

Julia

Marlene

Vincent

Frederik

Maximilian

Sophie

Tobias

Dominik

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Das Universum und die menschliche Dummheithaben eins gemeinsam. Sie sind unendlich.Nur beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.

Albert Einstein

1

Gunnar Franzen war ein Geschäftsmann durch und durch. Mit achtundzwanzig Jahren hatte er in einem Pfälzer Kurort sein erstes Mehrfamilienhaus gebaut – in Nachbarschaftshilfe. Mit Hilfe eines günstigen Architekten fand er eine Truppe williger Schwarzarbeiter, die unter Gunnars Bauleitung und tätiger Mitarbeit in knapp sechs Monaten ein respektables Fünffamilienhaus erstellt hatten. Vier Wochen darauf waren alle Wohnungen vermietet.

Ein Jahr später bot Gunnar das Renditeobjekt zum Verkauf an. Mit einigem Glück erzielte er nach eigener Käufersuche und Verkaufsabwicklung den doppelten Herstellungsspreis als Verkaufssumme. Nun hatte Gunnar Blut geleckt. Er glaubte, ein Geschäftsmodell entdeckt zu haben, das sein bisheriges Beamtendasein trotz der damit verbundenen wirtschaftlichen Sicherheit weit in den Schatten stellen würde. Er erinnerte sich lächelnd an das Zitat eines geschäftlich erfolgreichen Onkels, der vor dreißig Jahren gegenüber seiner Mutter bemerkte: »Der Junge ist der geborene Kaufmann!«

Gunnar erschien damals als Fünfzehnjährigem diese Bemerkung wie blanke Ironie, hatte er doch in den zurückliegenden Sommerferien für die vorgesehene Rasenfläche den Garten des Onkels – immerhin etwa zweitausend Quadratmeter – für lächerliche fünf Deutsche Mark umgegraben und gejätet. Weitere drei Wochen hatte er in Onkels Möbelfabrik für fünfzig Pfennig Stundenlohn gearbeitet. Damals hatte Gunnar seinen als unterbezahlt empfundenen Arbeitseinsatz eher als nachhaltige Erfahrung im Arbeitsleben und seiner Verdienstmöglichkeiten gewertet.

In seiner Heimatstadt Wuppertal wurde Gunnar über einen Makler ein älteres Gebäude mit viel Land angeboten, dem er nach zähen Verhandlungen mit dem örtlichen Bauamt drei Bauplätze abringen konnte, die er umgehend bebaute – nach dem erfolgreichen Modell in der Pfalz! Erst nach profitablem Verkauf dieser Immobilien gab er seine Beamtentätigkeit auf, die ihm bei der Finanzierung der Objekte wertvolle Beleihungsprivilegien gegenüber den Banken ermöglicht hatte.

Fünf Jahre nach dem erfolgreichen Start als »Häuslebauer« hatte Gunnar seine erste Million geschafft, war mit einer bildhübschen Wuppertalerin verheiratet und Vater zweier Kinder geworden. Vera und Peter waren sein ganzer Stolz. Den Beamtenhabitus hatte er abgelegt und fühlte sich als erfolgreicher Unternehmer, der noch am Anfang seiner Karriere stand.

Zum Leidwesen seiner Frau Dorothea, die er liebevoll Dori nannte, hatte Gunnar kaum gesellschaftliche Beziehungen gesucht, außer natürlich den fürs Geschäft erforderlichen, die sich dann mehr oder weniger auch aufs rein Geschäftliche beschränkten.

Als Ausgleich hatte er sein früheres Karatetraining wieder aufgenommen. Mit seinen 1,90 Meter, breiten Schultern und ausgeprägten Muskelpartien war Gunnar ein respektabler Trainingspartner, der als Träger des zweiten Dan mehrfach an deutschen Meisterschaften teilgenommen hatte. Zweimal konnte er deutscher Vizemeister werden.

Mit Vollendung seines vierzigsten Lebensjahres hatte Gunnar es endgültig geschafft. Sein Geschäftsmodell hatte sich im Lauf der Jahre als äußerst lukrativ erwiesen und ihn zum mehrfachen Millionär gemacht. Längst war aus dem wagemutigen »Häuslebauer« ein gestandener Unternehmer geworden, der sich durch Investitionen in Wohn- und Gewerbeimmobilien eine gesicherte Basis geschaffen hatte. Selbst die vor Jahren angebrochene Eurozeit mit über fünfzigprozentiger Währungsreform hatte den Geschäften nicht geschadet. Größere persönliche Wünsche hatte Gunnar bis dahin weitgehend zurückgestellt. Die Unternehmensstrategie des gesunden Wachstums genoss Priorität.

Im vorigen Jahr hatte Gunnar mit Dori und den Kindern einen Familienurlaub in Florida verbracht, verbunden mit ausgiebigen Reisen in verschiedene Nationalparks der USA. Es entwickelte sich der Wunsch nach einer größeren Ferienimmobilie am Golf von Mexiko, die als Ausgangspunkt für künftige Reisen auf dem amerikanischen Kontinent dienen sollte.

Für gut zwei Millionen Dollar hatte ihm ein ortsansässiger Makler einen wunderschönen Besitz am weißen Sandstrand von Bonita Springs angeboten. Eine ausgesprochen günstige occasion die nicht lange auf dem Markt bleiben würde, wie Mister Cooper nachdrücklich versicherte. Dori und die Kinder waren nach der ausgiebigen Besichtigung begeistert und drängten Gunnar zu einem schnellen Kauf. Noch vor ihrem Rückflug nach Deutschland hatte Gunnar den Kaufvertrag unterschrieben und einen Sicherheitsbetrag von zehntausend Dollar hinterlegt, der beim Rücktritt vom Vertrag verloren gewesen wäre. Bis zum endgültigen Kaufvertrag, dem sogenannten closing, wurde eine Frist von vier Wochen vereinbart.

Drei Tage nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nahm Gunnar seine Dori in die Arme. »Liebes, wir haben ein kleines Problem.«

Lächelnd erwiderte Dori die liebevolle Umarmung. »Welches Problem kann es geben, das du nicht lösen könntest?!«

»Das Problem ist, liebe Dori, dass wir kein Geld haben. Jedenfalls nicht genug Geld, um die Villa in Florida zu bezahlen.«

»Meinst du nicht, Gunnar, dass du das bereits in Florida, und zwar vor dem Vertragsabschluss und der Anzahlung hättest wissen können?« Der leichte Vorwurf in Doris’ Stimme war nicht zu überhören. »Aber wenn es nicht geht, treten wir eben vom Vertrag zurück und verlieren zehntausend Dollar. Damit ist doch das Problem gelöst oder nicht?!«

»Das stimmt, aber ihr, das heißt wir alle haben uns doch so sehr auf Florida gefreut. Ich mag euch nicht so einfach enttäuschen. Ich habe, offengestanden, nicht damit gerechnet, dass meine Hausbank sich strikt weigert, mir einen Kredit für ein Objekt im Ausland zu bewilligen, auch wenn es auf inländischem Besitz abgesichert ist. Für ein Finanzierungsobjekt in Deutschland hätte ich keinerlei Probleme gehabt.«

»Und warum finanzierst du das Haus nicht mit einer amerikanischen Bank? Oder geht das als Ausländer nicht?«

»Doch, doch, das geht sogar relativ problemlos, wie mir der Makler versicherte. Aber genau das will ich ja nicht. Der Besitz in Florida soll unbelastet bleiben.«

Jetzt schaute ihn Dori etwas ratlos an.

»Es ist so, mein Liebes, ich habe mit dir noch nicht darüber gesprochen. Es war halt immer etwas anderes wichtiger. Aber nachdem ich das Buch ›Umvolkung‹ von Akif Pirinçci gelesen habe, betrachte ich den Besitz in Bonita Springs nicht nur als Ferienparadies. Er kann darüberhinaus für unsere ganze Familie auch zum Fluchtpunkt in einem sicheren Staat werden. Was ich zwar nicht hoffe, aber nach Kenntnis der in Pirinçcis Buch aufgeführten Fakten auch nicht mehr ausschließen kann.«

»Mein Gott, Gunnar, das ist ja das Erste, was ich erfahre. Du hast unser Ferienhaus gleichzeitig als Auswanderungsprojekt geplant? Und das noch aufgrund eines Buches von einem Akif Pirinçci, dessen Name sich eher nach einem Türken anhört?!«

»Es stimmt, dieser Akif Pirinçci ist tatsächlich ein Deutschtürke, der sich im Gegensatz zu vielen seiner ehemaligen Landsleute voll in Deutschland integriert hat und Deutschland als seine neue Heimat liebt. Seine früheren Bücher, die sogenannten Katzenkrimis, wurden in 17 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft, teilweise sogar verfilmt. Diese Reputation hat er mit seinen gesellschaftskritischen Büchern aufs Spiel gesetzt und bei den regierungskonformen Medien verloren.«

»Und was bedeutet das, Gunnar?«

»Mit seiner scharfen und kompromisslosen Kritik an Multikulti, an der machtversessenen und gierigen Politikerkaste und der sogenannten Lügenpresse hat er die überaus toleranten Gutmenschen so in Rage gebracht, dass man versucht hat, ihn mundtot zu machen. Im Dritten Reich wären seine Bücher verbrannt worden, im Mittelalter sogar er selber. Der sogenannte Mainstream hat seine Bücher auf den Index gesetzt und ihn zur Unperson erklärt, was für schwächere Charaktere den sozialen Tod bedeutet. Um es auf den Punkt zu bringen, liebe Dori, dieser Pirinçci hat sich nicht an die Regeln gehalten, zu denen Albert Einstein treffsicher anmerkte »Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.«

Dori musste lachen. »Und ein Schaf möchtest du ebensowenig sein wie Akif Pirinçci. Habe ich dich da richtig verstanden?«

»Du hast es genau getroffen, Dori, denn diese Schafherde ist dem Untergang geweiht. Der ständige Zustrom von testosterongesteuerten schwarzen männlichen Wirtschaftsasylanten aus Afrika und die Terroranschläge fanatischer Islamisten, die Deutschland den Dschihad erklärt haben, sind keine Fantasiegebilde mehr.

Ich habe kürzlich in einer Gallup-Umfrage von 2009 gelesen, dass etwa 500 Millionen Schwarzafrikaner nach Europa wollen. Mir reicht schon die Zahl der 2015 illegal nach Deutschland Eingereisten, alles kräftige junge Männer mit Smartphone und Designer-Sneaker. Als Dealer beherrschen bereits jetzt viele schwarze Illegale die Drogenumschlagplätze in deutschen Großstädten, und über die sexuellen Übergriffe auf der Kölner Domplatte Sylvester letzten Jahres will ich gar nicht erst nachdenken.

Nur zum Schluss noch ein Beispiel dafür, wie begründet meine Sorgen sind. Die schwarze Protagonistin Napuli Langa aus dem Südsudan kündigte im Juli 2015 auf einer Pressekonferenz die ›Besetzung Europas‹ an. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, saß freundlich lächelnd neben ihr und schwieg.«

Dori unterbrach ihren Ehemann. »Du weißt doch, dass alles, was du mir soeben gesagt hast, dich als Nazi, Pack und Rassisten outet, auch wenn du nur wahre Fakten genannt hast. Übrigens fällt mir in diesem Zusammenhang eine vielsagende Bemerkung von Mark Twain ein: ›Wir mögen Menschen, die frisch heraussagen, was sie denken; vorausgesetzt sie denken dasselbe wie wir!‹«

»Was für eine kluge Frau ich doch habe!«, gab sich Gunnar überrascht. »Aber ich weiß ja, auf was du hinauswillst. Das Kernproblem liegt in der Feigheit unserer Politiker. Sie haben Angst um den Verlust ihrer Pfründe. Wir haben Angst um die Zukunft unserer deutschen Heimat, das Verschwinden unserer Kultur und den Niedergang unserer Kinder, die in kulturfremden Parallelgesellschaften untergehen. Pirinçci hat es auf den Punkt gebracht, wenn er vom Verlust des deutschen Vaterlandes spricht und konstatiert, dass die Zukunft den anderen, den Fremden, gehören wird. Und dass die Mehrheit der Deutschen es sich gefallen lässt, weil sie den Realitäten keinen Glauben schenken mag. Am Ende werden sie ihre eigene Abschaffung lieben lernen!«

Dori war nachdenklich geworden. »Selbst wenn du übertreiben würdest, hast du in einem recht: Ich brauche keine Fremden, um mich wohlzufühlen, schon gar keine Terroristen, afrikanische Vergewaltiger oder schwarze Wirtschaftsasylanten und Drogendealer. In meiner Jugend habe ich mich in meiner Heimatstadt Wuppertal pudelwohl gefühlt. Heute fahren wir aus Angst unsere Kinder zur Schule und holen sie wieder ab. Und den gemeinsamen Abendspaziergang haben wir ebenfalls aus Angst vor den Fremden schon vor Jahren aufgegeben. Wenn ich darüber nachdenke, hat man sich an diese noch vor dreißig Jahren unvorstellbaren Veränderungen regelrecht gewöhnt. Der innere Widerstand und das berühmte cui bono? machen einer Anpassung aus Angst Platz. Vermutlich auch deshalb, weil keine Problemlösung in Sicht ist.«

»Genau da widerspreche ich dir, denn der von mir vorgesehene Fluchtpunkt Florida könnte eine Lösung für uns sein, bevor in Deutschland die Lichter ausgehen. Sollte es in Deutschland eine politische Wende, also eine Politik für Deutsche, geben, kann es durchaus eine Änderung zum Positiven bedeuten, und wir brauchen keine Alternative im Ausland. Ein schönes Feriendomizil am Golf von Mexiko, das uns und den Kindern viel Lebensfreude bringen wird, bliebe es trotzdem,. Und damit komme ich wieder zum Anfang unseres Gesprächs.«

»Ich weiß, Gunnar, du brauchst Geld und hast auch schon eine Lösung im Visier.«

»Du hast es wieder getroffen, denn ich habe tatsächlich eine Lösung des Problems gefunden. Vor einigen Monaten sprach mich ein Makler der bekannten Wuppertaler Maklerfirma Veritas an und fragte mich, ob ich ein oder mehrere Immobilienobjekte aus unserem Unternehmen verkaufen wolle. Er habe einen äußerst potenten Barzahler aus dem Ausland. Das habe ich damals dankend abgelehnt. Vor einigen Tagen hat er mich erneut angerufen. Aufgrund der neuen Lage habe ich mich für morgen mit ihm verabredet. Übrigens kommt Werner Ebert als unser Wirtschaftsberater mit zu dem Termin, falls Fragen wegen eines ausländischen Käufers entstehen sollten.«

»Und was willst du zum Kauf anbieten, oder steht das noch gar nicht fest?«

»Doch, aber das wollte ich mit dir heute besprechen und deine Meinung beziehungsweise Zustimmung abfragen. Ich habe an unser Hotel Garni, das kleine First-Class-Hotel am Neuen Markt gedacht. Der Betrieb läuft zwar gut, aber im kommenden Jahr sind hohe Investitionskosten unumgänglich, wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen. Außerdem haben wir bereits drei Hotels in Wuppertal, so dass es sogar Sinn macht, wenn wir uns auf zwei reduzieren. Wenn man der Presse glauben darf, soll am neuen Hauptbahnhof in Wuppertal-Elberfeld sogar ein neues Mega-Hotel mit 200 Zimmern in Planung sein. Ein Grund mehr für uns, das Garni-Hotel abzustoßen.«

»Ist denn sicher, dass dieser Ausländer unser Hotel haben will?«

»Das ist es immer erst, wenn die Unterschriften auf dem Papier getrocknet sind.«

»Weißt du schon, wer der ausländische Interessent ist?«

»Das ist ja das Verlockende. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit hat mir der Inhaber von Veritas, Herr Ollmer, mitgeteilt, dass der Kaufinteressent der Schweizer DuPont-Konzern sei. Der investiere zur Zeit mehrere hundert Millionen Schweizer Franken in deutsche Gewerbeimmobilien.«

»Sag mal, Gunnar, ist das der gleiche DuPont, dessen Name auf dem goldenen Feuerzeug steht, das ich dir vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt habe?«

»Genau der ist es. Um dessen Bonität brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Außerdem will er bar bezahlen, um überflüssige Fränkli aus der Schweiz zu schaffen, was immer das auch heißen mag.«

»Willst du damit sagen, dass dieser DuPont mit Schwarzgeld bezahlen will?«

»Das weiß ich nicht, und, ehrlich gesagt, ich will es auch gar nicht wissen. Der Makler hat mir jedenfalls versichert, alles ginge völlig legal zu. Er habe mit DuPont schon mehrere solcher Barkaufgeschäfte problemlos abgewickelt.«

»Du solltest trotzdem vorher unseren Freund Werner fragen. Als Steuerberater wird er wissen, ob das Ganze eine saubere Sache ist.«

»Habe ich bereits in die Wege geleitet, mein Schatz. Morgen bin ich mit Werner gegen elf Uhr in seiner Kanzlei verabredet.« Damit hatte er Dori beruhigt.

Tatsächlich war sich Gunnar durchaus nicht sicher, ob das von Ollmer vorgesehene Geschäftsmodell so legal war, wie er das darstellte. Immerhin ging es um einen Kaufpreis von 2,5 Millionen Euro. Auch hatte er Dori verschwiegen, dass der Käufer von ihm als Verkäufer 250 Tausend Euro in bar forderte. Dies war als Äquivalent für den im Verhältnis zum Euro höher bewerteten Schweizer Franken gedacht. Rechnerisch war das richtig. Entscheidend für Gunnars Zustimmung war jedoch die Tatsache, dass er das Hotel auch für 2,2 Millionen Euro verkauft hätte. Insofern war die Zahlung eines Wechselkursausgleichs für ihn kein echter Wertverlust. Noch weitere offene Fragen würde er morgen mit Werner und dem Makler besprechen.

2

Werner Ebert war ein mittelgroßer Mann in den Vierzigern. Sein bereits schütteres Haar bedeckte einen Schädel in perfekter Eiform. Als Karikatur eines Eierkopfes war sie wie ein Sinnbild für seinen Beruf, für den Zahlenmenschen als Steuerberater.

Besonders wehrhaft sah Werner Ebert nicht aus, mit seinem ausgeprägten Rundrücken und dem tief auf der Nase sitzenden altmodischen Kneifer entsprach er eher einer Spitzwegkarikatur vom typischen Schreibtischtäter. Wenn ihn seine figürliche Ausstrahlung auch weniger auszeichnete, so empfahl er sich durch sein freundlich heiteres Wesen und seine außerordentlichen beruflichen Qualifikationen, die seiner Steuerberaterkanzlei im Bergischen Raum einen hervorragenden Ruf verschafft hatten. Mit drei Kollegen und sechs Steuerfachgehilfinnen beziehungsweise Bilanzbuchhaltern zählte seine Kanzlei in der Fußgängerzone Wuppertal-Elberfelds zu den bestlaufenden Kanzleien der Branche.

Seit vielen Jahren betreute er die Unternehmensgruppe seines Freundes Gunnar Franzen, und zwar zu dessen voller Zufriedenheit.

Aus dieser Zeit stammte ihre Freundschaft, der ein für beide Freunde einschneidendes Erlebnis vorausgegangen war. Werner hatte sich zur Überwindung des Trennungsschmerzes von seiner langjährigen Freundin in eine Wuppertaler Diskothek verirrt. Als er nach drei Stunden frustriert, vom dröhnenden Schallpegel der Bässe leicht verwirrt und zugegebenermaßen alkoholisch leicht angeheitert den Lärmtempel wieder verließ, wurde er noch keine hundert Meter weiter urplötzlich von vier kräftigen Gestalten in eine dunkle Nebengasse gezerrt und mit brutalen Schlägen und Tritten traktiert. Erst als seine Hilfeschreie verstummten und er regungslos am Boden lag, machten sich die vier Schläger an die gezielte Ausplünderung ihres Opfers. Zum Glück für Werner waren seine Hilferufe gehört worden.

Gunnar Franzen war mit seiner Frau Dorothea auf einem ihrer Abendspaziergänge, als sie die Schreie eines Menschen in höchster Not aus einer nahe gelegenen Gasse aufschreckten. Gunnar stürmte spontan los, ohne die Reaktion Dorotheas abzuwarten.

Die Täter waren noch beim Ausrauben ihres Opfers, als vor ihnen der Schatten eines großen Mannes auftauchte. Ohne ein Wort zu sagen, hatte einer der Täter plötzlich ein Messer in der Hand und stürzte auf Gunnar Franzen los. Für diesen kein Problem, als er mit einem kräftigen Tritt den Unterarm des Angreifers traf und das Messer klirrend auf den Boden fiel. Der blitzschnell folgende Armhebel ließ die Handwurzelknochen splittern wie trockenes Holz. Aufheulend sank der Gegner zu Boden.

Gunnar hatte im Halbschatten der Gasse erkannt, dass es sich um vier Ausländer, vermutlich Türken, handelte, alles kräftige mittelgroße Gestalten. Unter Wutgebrüll und wilden Schlägen drangen die drei verbliebenen Gegner auf ihn ein. Gunnar begriff, dass dies ein Kampf auf Leben und Tod werden konnte, und reagierte wie ein echter Dan-Träger. Mit einem Herztritt schaltete er einen weiteren Angreifer aus, der wie ein gefällter Baum umfiel. Den nächsten ereilte ein Schlag gegen die Karotis, so dass er röchelnd zu Boden ging.

Der vierte Gegner war Gunnar zu nahe gekommen. Er ging ebenfalls mit einem Messer auf ihn los. Das Messer zischte gefährlich nahe an Gunnars Hals vorbei, was diesen richtig wütend machte. Der Ellbogenstoß auf das Brustbein und ein harter Handkantenschlag unter das Nasenbein führten zum sofortigen Brechen des Brustbeins und des Nasenbeins. Der letzte Angreifer ging bewusstlos zu Boden.

Aufatmend hielt Gunnar inne, der Kampf hatte keine fünf Minuten gedauert. Die zwei stöhnenden, noch bei Bewusstsein verbliebenen Täter herrschte er an: »Haut ja nicht ab, sonst gibt’s Nachschlag. Ihr bleibt da sitzen, bis die Polizei hier ist. Habt ihr das verstanden?« Beide nickten ängstlich.

Gunnar bückte sich nach dem Opfer, das sich zu regen begann. Dann war auch Dorothea neben ihm. »Ich habe über Handy die Polizei alarmiert. Sie muss gleich hier sein. Bist du verletzt, Gunnar?«

»Bin ich nicht. Aber der arme Deubel hier scheint ordentlich etwas abbekommen zu haben.«

Seine Frau drehte das stöhnende Opfer vorsorglich auf die Seite, um die Erstickungsgefahr bei einem möglichen Erbrechen zu verhindern. Dann redete sie besänftigend auf den jungen Mann ein, der allmählich aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte.

Qualvoll krümmte er seinen Unterleib, bis plötzlich ein Strahl Erbrochenes aus seinem Mund schoss. Das schien ihn zu erleichtern. Seine Augen öffneten sich.

Gunnar zog den Liegenden von dem Erbrochenen weg, und Dorothea wischte mit einem Taschentuch den Mund und das blutüberströmte Gesicht des Verletzten ab. Sein Nasenbein war zertrümmert, eine zerschlagene Brille wurde hinter dem Kopf sichtbar.

Mit eingeschaltetem Martinshorn näherte sich ein Polizeifahrzeug in rasender Geschwindigkeit, gefolgt von einem Rettungswagen. Minuten später lag das schwer verletzte Opfer auf einer Krankentrage und wurde abtransportiert. Ein zweiter Streifen- und ein weiterer Rettungswagen fuhren heran. Die verletzten Täter wurden ebenfalls ins Krankenhaus gefahren, begleitet von dem zweiten Polizeifahrzeug.

Dann wandten sich die am Tatort zurückgebliebenen Streifenbeamten an Gunnar und seine Frau und nahmen ihre Personalien auf. »Wir haben in der Gasse ein Messer sichergestellt. Wissen Sie, wem das gehört?«

»Das Messer hat einer der Verbrecher versucht, mir in den Leib zu rammen, als ich dem Opfer zu Hilfe kommen wollte. Leider konnte ich ihm nicht mehr direkt helfen. Er lag schon bewusstlos am Boden. Im ersten Moment dachte ich sogar, er wäre tot, so regungslos, wie der da lag. Die Täter waren gerade dabei, ihn auszurauben. Sie sahen mich und griffen mich ohne Vorwarnung an.«

Der Streifenbeamte und seine junge Kollegin schauten etwas ungläubig auf Gunnar. »Aber Ihnen ist ja nichts passiert, wie kann das sein? Sie alleine gegen die vier jungen Männer, die einen durchaus kräftigen Eindruck machen! Und einer ist sogar mit dem Messer auf Sie losgegangen!« Wer legt sich denn alleine mit einer Türkengang an?« Die junge Polizistin schüttelte ungläubig den Kopf.

Ihr älterer Kollege leuchtete Gunnar mit seiner Taschenlampe ins Gesicht. »Ich glaube, ich habe Sie schon mal gesehen. Sind Sie nicht deutscher Karatemeister, Herr Franzen?«

»Nur deutscher Vizemeister, aber für die vier hat es gereicht, um sie unschädlich zu machen. Ich hoffe nur, dass das Opfer alles übersteht.«

»Das können Sie bestimmt morgen im St. Marien-Krankenhaus erfahren. Dort wird er nämlich eingeliefert. Sein Name ist übrigens Werner Ebert, wenn Sie ihn besuchen wollen. Bestimmt möchte er sich persönlich bedanken, nach dem, was Sie für ihn riskiert haben. Aber für heute soll es genug sein. Wir rufen Sie morgen an, um auf dem Revier Ihre Angaben für unseren Abschlussbericht zusammenzustellen.« Die Polizisten verabschiedeten die beiden und wünschten einen Guten Abend.

Am nächsten Morgen rief Gunnar im St. Marien-Krankenhaus an. »Ich möchte gern Herrn Werner Ebert sprechen.«

»Einen Moment bitte, ich verbinde Sie mit Station drei.«

Es dauerte eine Zeitlang, bis abgehoben wurde. »Sie sprechen mit Schwester Erika, wie kann ich Ihnen helfen?«

»Ich bin Gunnar Franzen und möchte Herrn Werner Ebert besuchen. Wann ist das möglich?«

Schwester Erika entfuhr ein überraschtes: »Oh, dann sind Sie der Karatemeister, der unseren Patienten gerettet hat.«

Jetzt war es an Gunnar, überrascht zu sein. »Woher wissen Sie von den Ereignissen, die doch erst gestern Abend stattgefunden haben?!«

»Das können Sie alles in der heutigen ›Morgenpost‹ nachlesen. Es gibt auch ein Foto von Ihnen. Sie sind der ›Held des Tages‹, so schreibt die Zeitung.«

»Dann werde ich mir die ›Morgenpost‹ noch besorgen, damit ich auch etwas über meine sogenannte Heldentat erfahre. Wann kann ich denn Herrn Ebert besuchen?«

»Am besten kommen sie nach eins, dann sind die Arztvisiten vorbei. Jedenfalls geht es dem Patienten den Umständen entsprechend viel besser als bei seiner Einlieferung. Wenn Sie kurz nach drei kommen, bin ich noch im Dienst, und ich kann Ihnen weitere Einzelheiten berichten.«

»Wir sehen uns um drei Uhr, Schwester Erika. Auf Wiedersehen und vielen Dank!«

Gunnar hatte den Hörer gerade aufgelegt, als ein Anruf vom Wuppertaler Polizeipräsidium einging. Er möge sich mit seiner Ehefrau um zehn Uhr dreißig bei Herrn Hauptkommissar Hollmann im Kommissariat I melden. Gunnar stimmte zu. Heute würde er wohl nicht mehr in den Betrieb kommen. Jetzt wollte er sich erst einmal die Zeitung besorgen.

Er hatte den Autoschlüssel bereits in der Hand, als Dori die Haustür öffnete, eine Brötchentüte und die »Morgenpost« schwenkte. »Du wolltest doch nicht ohne Frühstück in den Betrieb?! Und ich hab dir auch etwas mitgebracht. Während du liest, bereite ich das Frühstück. Leider hat alles etwas länger gedauert, bevor ich die Bäckerei verlassen konnte. Ich wusste gar nicht, wie bekannt du bei den Leuten bist, so viele Hände musste ich schütteln. Danach müsste ich heute sehr stolz auf dich sein, wenn ich es nicht schon immer gewesen wäre«, lächelte sie Gunnar schelmisch an.

Gunnar griff nach der Zeitung und las unter der Überschrift »Mutiger Mitbürger rettet Überfallopfer« den überaus positiven Bericht über seine gestrige Heldentat:

Gestern Abend gegen einundzwanzig Uhr wurde ein Wuppertaler Steuerberater auf dem Heimweg von vier südländisch aussehenden Schlägern in eine Gasse gezogen und bewusstlos geprügelt. Noch bevor das Opfer ausgeraubt war, kam ihm der bekannte Unternehmer Gunnar Franzen zu Hilfe.

Er hatte auf einem Abendspaziergang mit seiner Ehefrau Dorothea die Hilferufe des Opfers gehört und eilte ohne Zögern zu Hilfe. Nach Abwehr eines Messerangriffs konnte er die vier Verbrecher überwältigen, wobei sie nicht unerhebliche Verletzungen erlitten.

Das Besondere an diesem Heldendrama ist, dass der mutige Retter Kampfsportler ist. Es handelt sich um den deutschen Karate-Vizemeister, der Träger des 2. Dan (Meistergürtel) ist.

Darüber war ein Foto des Tageshelden in Kampfkleidung aus einem Meisterschaftskampf abgebildet.

»Trotzdem wollen wir jetzt frühstücken, damit unser Held wieder zu Kräften kommt!«, kalauerte Dori und legte seine Zeitung beiseite.

Das gemeinsame Frühstück wurde seit einigen Jahren, seitdem die Kinder zur Schule gingen, regelrecht zelebriert. Dori hatte sich mit ihrem Wunsch nach etwas gemeinsamer Kontemplation durchgesetzt, nachdem in den vergangenen Jahren des Unternehmensaufbaus das Leben wie im Dauerlauf ohne Rast und Ruh durchgepeitscht wurde – ein Dauerstress für die ganze Familie. Jetzt gab es einen morgendlichen Ruhepunkt, und Gunnar war nicht mehr um acht Uhr, sondern erst um elf Uhr im Betrieb. Zu seiner Überraschung erlitt das Unternehmen dadurch keinerlei Geschäftseinbrüche. Inzwischen hatte sich Gunnar an die veränderte Lebensführung gewöhnt und beglückwünschte sich insgeheim zu seiner klugen und fürsorglichen Frau.

»Bevor ich es vergesse, wir müssen um zehn Uhr dreißig auf dem Polizeipräsidium sein. Man hat uns beide wegen gestern Abend vorgeladen. Ich werde deshalb heute nicht im Betrieb sein, da ich anschließend noch im St. Marien-Hospital Herrn Weber besuchen will. Wann musst du die Kinder von der Schule abholen?«

»Beide haben kurz nach 13 Uhr Schulschluss. Bis dahin muss ich an der Schule sein. Glaubst du, dass wir bis dahin im Präsidium fertig sind?«

»Das will ich doch hoffen!«

Pünktlich um zehn Uhr dreißig meldeten sich die Eheleute Franzen bei Hauptkommissar Hollmann, der die beiden freundlich begrüßte und in ein Konferenzzimmer bat. Hollmann war etwa in Gunnars Alter und an den Schläfen stark ergraut. Etwa einen halben Kopf kleiner als Gunnar machte er einen durchtrainierten Eindruck. Seine Stimme zeugte von Durchsetzungsfähigkeit.

Sie hatten gerade Platz genommen, als ein jüngerer Kollege mit leichtem Silberblick den Raum betrat. Hollmann stellte ihn als Oberkommissar Grünberg vor. Er war etwa 1,75 Meter groß, hatte eine Stirnglatze und machte einen selbstbewussten Eindruck.

Hauptkommissar Hollmann stellte ein Aufnahmegerät auf den Tisch. »Sind Sie einverstanden, wenn wir das Gespräch aufnehmen? Es erspart dem Kollegen das Mitschreiben fürs Protokoll. »Haben Sie schon den Artikel in der ›Morgenpost‹ gelesen?«

Gunnar bejahte und meinte: »Ich wundere mich nur, woher die so schnell über den Vorfall Bescheid wussten. Denn gestern Abend war keine Presse vor Ort, und interviewt hat mich auch keiner. Also können sie die Informationen nur von der Polizei haben.«

»In Ihrem Fall, Herr Franzen, bedaure ich das besonders, da wir Ihren Namen nicht ohne ihre Zustimmung mitgeteilt hätten, denn so bewundernswert Ihre Hilfe auch war, Sie haben sich offensichtlich mit einer türkischen Jugendbande angelegt, die einschließlich ihres Umfeldes selbst für uns nur schwer zu kontrollieren ist.«

Dorothea Franzen war bei den letzten Worten Hollmanns blass geworden. »Wollen Sie damit sagen, Herr Hauptkommissar, dass mein Mann und unsere Familie, wir haben zwei schulpflichtige Kinder, ab jetzt gefährdet sind?!«

Oberkommissar Grünberg antwortete: »Leider können wir das nicht ausschließen. Wir haben inzwischen die Namen der Täter ermittelt. Es handelt sich um Mitglieder eines türkischen Familienclans, die alle noch nicht volljährig sind. Alle vier sind mehrmals vorbestraft und als gefährlich eingestuft. Bisher hat sie nur ihr Alter vor einer Gefängnisstrafe bewahrt. Offen gesprochen, Frau Franzen, ich bewundere den Mut Ihres Mannes. Aber vielleicht hätte er doch besser die Polizei angerufen und abgewartet. Im Sinne eines Eigenschutzes wäre das vermutlich vernünftiger gewesen.«

Gunnar musste sich beherrschen, um ruhig zu bleiben. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Grünberg, dass ich sehenden Auges das Totschlagen und Berauben eines Menschen in höchster Not beobachte und als stiller Beobachter die Ankunft der Polizei abwarte. Da habe ich von notwendiger Hilfeleistung eine ganz andere Vorstellung.«

»Keiner will Ihren persönlichen Einsatz mindern, Herr Franzen«, unterbrach Hauptkommissar Hollmann mit beruhigender Stimme. Kollege Grünberg wollte lediglich eine mögliche Eigengefährdung zur Sprache bringen. Und die können wir bei diesem Täterpotential nicht ausschließen. Aber kommen wir auf den Tathergang von gestern Abend zurück.«

Gunnar und Dorothea beantworteten die Fragen der Kommissare detailgetreu, so dass nach einer knappen Stunde die Vernehmung fast beendet war.

»Eine Frage habe ich doch noch, Herr Franzen. Sie wurden nach ihren Angaben von dem ersten und dem vierten Täter jeweils mit einem Messer angegriffen. Die Beamten vor Ort haben allerdings nur ein Messer gefunden. Haben Sie eine Erklärung dafür?«

Etwas Lauerndes hatte sich in die Stimme Grünberg geschlichen. Beide Eheleute hatten plötzlich das Empfinden von Feindseligkeit.

»Es kann sein, dass der vierte Täter das Messer aufgehoben hat, das ich dem ersten aus der Hand getreten habe. Aber warum fragen Sie das, Herr Oberkommissar?«

Oberkommissar Grünberg schaute bedeutungsvoll zum älteren Vorgesetzten. Hauptkommissar Hollmann räusperte sich etwas umständlich. »Es ist so, dass der letzte Angreifer schwere Verletzungen wie einen Bruch des Brust- und Nasenbeins erlitten hat. Bei einer Messerattacke erlaubt der Notwehrparagraf ganz andere Mittel der Selbstverteidigung. Eine Selbstverteidigung ohne Messerattacke des Gegners beschränkt den körperlichen Einsatz in seinen Verletzungsauswirkungen danach, ob diese angemessen sind. Was ich damit sagen will ist, dass ein Ermittlungsverfahren in dieser Richtung gegen Sie nicht auszuschließen ist. Ich empfehle Ihnen daher, sich mit einem Anwalt zu beraten, um einer solchen Entwicklung direkt gegensteuern zu können. Auch müssen Sie damit rechnen, dass die verletzten Täter Anzeige gegen Sie wegen Körperverletzung stellen. Ich will Sie mit diesen Hinweisen nicht beunruhigen, Herr Franzen, und mein erster Satz gilt voll und ganz, dass ich Sie für Ihren selbstlosen Einsatz bewundere. Aber wir leben in einer besonderen Zeit, und deshalb unterschätzen Sie diesen Türkenclan nicht. Bitte rufen Sie uns sofort an, wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches in Ihrem Umfeld auffällt.«

Es war zwölf Uhr dreißig, als die Eheleute Franzen das Präsidium wieder verließen. Diesmal mit gemischten Gefühlen. Gunnar konnte sich kaum noch beherrschen, als sie wieder im Wagen saßen. »Das einzig Richtige hat der Hauptkommissar gesagt, als er von einer besonderen Zeit sprach, in der wir leben. Und dieser Grünberg ist ein falscher Hund, der anscheinend Täter, Opfer und Helfer nicht auseinanderhalten kann.«

»Gerade das macht mir Sorgen, Gunnar. Nicht auszudenken, wenn du zur Belohnung deiner ›Heldentat‹ angeklagt würdest. Ich glaube, Helden sind heute gar nicht mehr gefragt – höchstens Maulhelden!«

»Da liegst du genau richtig. Ich erinnere mich an einen Fall in Duisburg. Dort war ein 76-jähriger Rentner von zwei schwarzen Wirtschaftsasylanten angegriffen und ausgeraubt worden. Trotz eines Nasenbeinbruchs konnte er die jugendlichen Täter mit einem Pfefferspray besprühen, so dass sie von ihm abließen. Sie wurden von der Polizei gefasst und vor Gericht gestellt.

Die Täter kamen mit ein paar Sozialstunden davon, während das Opfer wegen Körperverletzung eine saftige Geldstrafe erhielt. Als ich das las, kam ich mir wie im Tollhaus vor. Darüber darf man sich nicht wundern, wenn diese jungen Männer aus Afrika und dem Nahen Osten – zum größten Teil noch Analphabeten – im deutschen Paradies von Funktionären der Sozialindustrie an die Hand genommen werden, um sie zu den Sozialtrögen zu führen, wo es tatsächlich in Hülle und Fülle das ›leckere keine Arbeit – trotzdem Geld‹ gibt, wie Pirinçci es so treffend ausdrückt.«

Gunnar hatte sich in Rage geredet. Es war gut, dass Dorothea fuhr. »Weißt du, Dori, ich muss dir zu Hause unbedingt noch eine Stelle aus Pirinçcis ›Umvolkung‹ vorlesen, die so unfassbar ist, dass man es nicht glauben möchte, wenn einen die Fakten nicht eines Besseren belehren würden.«

Fünf Minuten später bogen sie in die Einfahrt ihres Hauses ein. In dreißig Minuten musste Dorothea die Kinder abholen.

»Bevor du fährst, lese ich dir aber noch diese Passage aus dem Buch von Pirinçci vor, weil sie so exemplarisch für meine Situation und allgemein für die besondere heutige Zeit ist. Pirinçci zitiert in seinem Buch den Text einer 24-jährigen Sprecherin der Links-Jugend, der Jugendorganisation der Partei Die Linke. Die junge Frau war im Januar 2016 in einer kleinen Parkanlage ihrer Stadt von drei jungen Arabern und Kurden vergewaltigt worden. Die Vergewaltigung wurde bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Danach verfasste die junge Links-Funktionärin für jedermann zugängig auf ihrer Facebook-Seite den folgenden Brief an ihre Vergewaltiger, den auch Pirinçci zitiert:

Lieber männlicher Geflüchteter,

vermutlich in meinem Alter. Vermutlich ein paar Jahre jünger. Ein bisschen älter.

Es tut mir so unfassbar Leid!

[…]. Ich habe einen Hauch der Hölle gesehen, aus der du geflohen bist. Ich habe nicht gesehen, was davor geschehen ist und auch deine strapaziöse Flucht habe ich nicht miterleben müssen. Ich bin froh und glücklich, dass du es hierher geschafft hast. Dass du den IS und seinen Krieg hinter dir lassen konntest und nicht im Mittelmeer ertrunken bist.

Aber ich fürchte, du bist hier nicht sicher.

Brennende Flüchtlingsunterkünfte, tätliche Angriffe auf Refugees und ein brauner Mob, der durch die Straßen zieht.

Ich habe immer dagegen angekämpft, dass es hier so ist. Ich wollte ein offenes Europa, ein freundliches. Eins, in dem ich gerne leben kann, und eins, in dem wir beide sicher sind. Es tut mir Leid.

Für uns beide tut es mir so unglaublich Leid. Du, du bist nicht sicher, weil wir in einer rassistischen Gesellschaft leben. Ich, ich bin nicht sicher, weil wir in einer sexistischen Gesellschaft leben. Aber was mir wirklich Leid tut, ist der Umstand, dass die sexistischen und grenzüberschreitenden Handlungen, die mir angetan wurden, nur dazu beitragen, dass du zunehmendem und immer aggressiverem Rassismus ausgesetzt bist.

Ich verspreche dir, ich werde schreien. Ich werde nicht zulassen, dass es weiter geschieht. Ich werde nicht tatenlos zusehen und es geschehen lassen, dass Rassisten und besorgte Bürger dich als das Problem benennen. Du bist nicht das Problem. Du bist überhaupt kein Problem. Du bist meistens ein wunderbarer Mensch, der es genauso wie jeder andere verdient hat, sicher und frei zu sein.

Danke, dass es dich gibt – und schön, dass du da bist.«

Aufatmend beendete Gunnar das Vorlesen des Briefes und schaute auf Dori.

»Ich glaube, mir wird schlecht! Soviel Selbsterniedrigung ist nur ekelhaft. Selbst eine Mutter Theresa würde hier von einem krankhaften Auto-Masochismus sprechen. Aber das ist wohl auch ein Zeichen unserer besonderen Zeit.«

»Du triffst es auf den Punkt, Dori. Und deshalb ist der Hinweis auf eine Anklage gegen mich vermutlich im Bereich des Möglichen. Aber das müssen wir wohl abwarten.« Er blickte auf seine Uhr. »Es ist Zeit. Du musst jetzt die Kinder abholen.«

3

Gegen fünfzehn Uhr war Gunnar im Krankenhaus und meldete sich auf Station III. Kurz darauf begrüßte ihn Schwester Erika, eine erfrischende junge Frau, die mit ihren kurzen blonden Haaren auch im gestärkten Schwesternkittel einen attraktiven Eindruck machte. Lächelnd erwiderte sie Gunnars festen Händedruck. »Ich habe Sie sofort erkannt, Herr Franzen. Eine tolle Leistung, die Sie da vollbracht haben. Ich wollte, mein Mann wäre so tapfer wie Sie. Aber leider ist er kein Kampfsportler. Als Fernsehtechniker hätte er keine Chance gegen diese türkischen Schläger gehabt. Umso wichtiger, dass es noch Menschen wie Sie gibt, die im Notfall einem Opfer zu Hilfe kommen können.«

Schwester Erikas Augen strahlten voller Bewunderung. »Sie können jetzt zu Herrn Ebert. Ich habe ihm bereits von seinem Retter erzählt. Er brennt darauf, sie kennenzulernen und ihnen seinen Dank auszusprechen.«

»Kann er denn schon wieder aufstehen?«

»Das wird noch eine Weile dauern. Neben einer schweren Gehirnerschütterung hat er mehrere Rippenbrüche und Hämatome am ganzen Körper. Zum Glück hat sich ein zunächst vermuteter Milzriss nicht bestätigt. Dafür haben ihm diese Unmenschen den linken Arm gebrochen. Warum nur?! Erschrecken Sie also nicht, wenn Sie einen ziemlich bandagierten Patienten sehen. Ich darf Sie eine halbe Stunde mit ihm alleinlassen. Und vergessen Sie bitte nicht, dass dem Patienten jede Bewegung noch starke Schmerzen bereitet. Für den Notfall drücken Sie bitte die Klingel.«

Sie öffnete die Tür zu Zimmer 12, stellte den Besucher vor und ließ ihn mit dem Patienten allein.

Au Backe, dachte Gunnar Franzen etwas erschrocken, den hat’s wirklich böse erwischt. Der sieht mit seinen Bandagen fast so schlimm aus wie der englische Patient im gleichnamigen Film.

Werner Ebert lächelte etwas schmerzverzerrt und nuschelte: »Herzlich willkommen auf dem Krankenrevier. Ich freue mich sehr über Ihren Besuch. Endlich kann ich mich persönlich bei Ihnen für meine Lebensrettung bedanken.« Mühsam streckte er Gunnar seinen unverletzten Arm entgegen, den Gunnar vorsichtig nahm und drückte.

»Aber das war doch selbstverständlich, dass ich zu Hilfe geeilt bin. Das hätten Sie bestimmt auch getan, Herr Ebert.«

»Da seien Sie sich mal nicht so sicher. Die Polizei hätte ich natürlich gerufen. Gegen vier brutale türkische Schläger wäre ich wohl ohne die geringste Chance nicht angetreten. Es sei denn, ich hätte ein Maschinengewehr dabei gehabt. Zum Glück haben Sie die erforderlichen sportlichen Qualitäten, um mit solchen Typen fertig zu werden. Nach meinem Supergau bedauere ich, dass ich in meiner Jugend nicht auch einen Kampfsport erlernt habe. In den unsicheren Zeiten heute ist persönliche Wehrhaftigkeit unerlässlich, wie mein Fall zeigt. Ein Glück, dass Sie, Herr Franzen, zu den wehrhaften Deutschen gehören. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich beim Sprechen so nuschele. Aber diese Schweine haben mir auch noch mehrere Zähne ausgeschlagen. Jetzt wird wohl auch ein Gebiss nötig werden. Morgen kommt ein Zahnarzt vorbei.«

»Ich kann Sie trotzdem ganz gut verstehen. Wie sind Sie denn überhaupt in diese Situation geraten? Nicht dass man Ihnen noch vorwirft, Sie hätten das Ganze provoziert.«

Werner Ebert schaute seinen Besucher verständnislos an. »Das müssen Sie mir jetzt aber mal erklären, wie ein unbedarfter Steuerberater vier kräftige ausländische Brutalos in eine dunkle Gasse zerrt, um sie dort zu verprügeln und auszurauben.«

Gunnar ruderte schnell zurück, als er die aufgeregte Reaktion des Patienten sah. »Eigentlich meinte ich gar nicht Sie, sondern meine eigene Situation, nachdem, was ich heute auf dem Polizeipräsidium erlebt habe.«

Gunnar erzählte von der möglichen Anklage wegen Körperverletzung und ließ seinem Frust freien Lauf. Er war fast erleichtert, als er dem Opfer der Gewalttat von den völlig unerwarteten Problemen des hochgelobten Retters erzählen konnte.

Werner Ebert war fassungslos. »Das wäre ja ein himmelschreiendes Unrecht. Sollte es tatsächlich dazu kommen, werde ich Ihnen mit allen Mitteln zur Seite stehen. Das verspreche ich Ihnen hoch und heilig.«

Es klopfte, und Schwester Erika kam herein. »Die dreißig Minuten sind um, Herr Franzen. Aber morgen ist auch wieder Besuchstag, wenn Herr Ebert es wünscht.«

»Ich würde mich sehr freuen, Herr Franzen, wenn es Ihre Zeit zulässt.«

»Das werde ich so einrichten, versprochen! Bis dahin wünsche ich gute Besserung!«

Drei Wochen dauerte noch der Krankenhausaufenthalt Werner Eberts. Gunnar Franzen hatte sein Versprechen in diesen Wochen mehrmals erfüllt. Man war sich nähergekommen bis zum gemeinsamen Du. Beiden lag die besondere Zeit in Deutschland am Herzen, über die sie eifrig ihre Gedanken und Erfahrungen austauschten. Insbesondere stand natürlich das gemeinsame Schreckenserlebnis im Fokus ihres Austausches.

Gunnar hatte Werner Ebert überzeugen können, dass der Besuch eines Karatekurses nur von Vorteil sein könnte. Schließlich könnte sich solch eine Situation jederzeit wiederholen.

Zwischen Gunnar und Werner entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Freundschaft, die zu gegenseitigen Einladungen und Kennenlernen der Ehefrauen führte. Werner war seit drei Jahren mit der extrovertierten Karin verheiratet, die in der Ehe offensichtlich das Sagen hatte. Sie war das passende Pendant zu ihrem eher zurückhaltenden Ehemann und verstand sich auf Anhieb mit der ebenfalls lebhaften Dorothea. Diese führte ihre Ehe nach dem Motto, der Mann ist der Kopf und die Frau der Hals. Allerdings ist es der Hals, der den Kopf dreht. Gunnar hatte dies in fünfzehn Jahren Ehe längst verstanden und akzeptiert. Tatsächlich konnte er seiner auch nach der Geburt zweier Kinder noch immer bildschönen Dori kaum einen Wunsch verweigern. Ein zärtlicher Blick aus ihren graugrünen Augen über hohen Wangenknochen unter dem langen schwarzen Haar ließen Gunnars Einwände meistens wie Eis in der Sonne dahinschmelzen. Da war Karin mit kurzem Blondhaar und ebenfalls schlanker Figur sehr direkter, was Werner jedoch verliebt akzeptierte.

Als Gunnar mit seinem bisherigen Steuerberater Differenzen hatte, lag nichts näher, als zur Kanzlei Werners zu wechseln und diesem seine Unternehmen in steuerlichen Entscheidungen anzuvertrauen. So hatte sich in vielen Jahren eine Art Symbiose in persönlicher und geschäftlicher Beziehung entwickelt, die von Freundschaft und hohem Vertrauen getragen wurde.

4

Als vor zehn Jahren Werner ohne zurückgebliebene Schäden – bis auf die Implantation neuer Zähne – nach drei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen worden war, standen die zukünftigen Beziehungen noch im Anfangsstadium. Erst die Begleitumstände des gerichtlichen Prozesses gegen die Türkengang und Gunnars Heldentat brachten beide in engere Beziehung.

Sechs Wochen nach dem Überfall war der erste Prozesstag vor einem Wuppertaler Schöffengericht.

»Die Durchführung des Strafprozesses vor einem Schöffengericht ist als positiv zu bewerten, da Schöffengerichte in der Regel zu Haftstrafen oder natürlich Freispruch verurteilen können«, flüsterte Rechtsanwalt Herkenräder Werner zu. Als Opfer und Nebenkläger hatten die beiden neben der Staatsanwaltschaft Platz genommen.

»Hoffentlich eine saftige Haftstrafe«, flüsterte Werner zurück. Er schaute sich nach seinem Retter um und entdeckte Gunnar und Dorothea auf der Zeugenbank. Beide waren als Zeugen der Anklage geladen worden.

Der etwa vierzig Zuschauer fassende Gerichtssaal war bereits voll, als sich noch Dutzende sensationsgierige Zuschauer vor der Tür drängten. Sie würden die Presseberichte der vielköpfig vertretenen Reporterschar abwarten müssen.

»Die überwiegende Zahl der Zuschauer besteht ja aus türkischen Moslems. Ich habe sogar einige Burka-Trägerinnen entdeckt«, wandte sich Werner an seinen Rechtsanwalt.

»Haben Sie was anderes erwartet? Hier geht es um einen Prozeß gegen die homogenen Mitglieder einer Parallelgesellschaft, die in Wuppertal fast die Hälfte der Bevölkerung ausmacht. Damit mussten wir rechnen. Gehen Sie davon aus, dass diese Zuschauer bedingungslos hinter den Angeklagten stehen werden. Die Staatsanwaltschaft wird es nicht leicht haben. Da kommt sie übrigens.«

Durch eine Nebentüre betrat die griesgrämig blickende Staatsanwältin in geschlechtslosem Habit – ausgenommen ihre schwarze Robe – den Saal, nickte eine kurze oberflächliche Begrüßung zu Rechtsanwalt Herkenräder und Werner Ebert, knallte ihre Akten auf den Tisch und vertiefte sich sofort in diese.

»Ich denke, die steht auf unserer Seite?«, fragte Werner.

»Tut sie auch. Nur bei dem Publikum will sie jeden Anschein von Fraternisierung vermeiden. Schauen Sie sich mal die Zuschauermeute an!«