Arctic Circle - Der eisige Tod - Rolf Lohbeck - E-Book

Arctic Circle - Der eisige Tod E-Book

Rolf Lohbeck

2,0

Beschreibung

Eine Abenteuerreise auf den Spuren Jack Londons sollte es werden. Es wurde ein Höllenritt durch die Eis- und Schneewüsten des Polarkreises in den kanadischen Yukon- und North-West-Territories. Das dramatische Geschehen führt das junge Ehepaar Frank und Karen über das Klondike-Gebiet der frühen Goldsucher nach Dawson City und den Arctic Circle bis ans eisige Polarmeer des Inuitlandes. Gefährliche Raubtiere, ungewöhnliche Naturkatastrophen und das Zusammentreffen mit einem psychopathischen Killer haben die Protagonisten dieses hochspannenden Abenteuerthrillers zu überstehen.

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Rolf Lohbeck

ArcticCircle

ĐER EISIGE TOD

THRILLER

Für meine Eltern– geliebt und unvergessen –

Für Heidrun– die Liebe meines Lebens –

Für Rainer, Regina, Stephan und Christiane– der Sinn meines Lebens –

Das Geheimnis der Freiheitist der Mut.

PERIKLES · STAATSMANN IN ATHEN · 500-429 v. CHR.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

1

Sie kamen von Florida hoch in den Norden und hatten ihr Ziel noch längst nicht erreicht. Vor vier Tagen waren Frank und Karen im sonnigen Tarpon Springs bei achtundzwanzig Grad warmer Lufttemperatur aufgebrochen. Ihren langjährigen Reisewagen, einen schwarzen Hummer H 2, hatten sie diesmal nicht für Wüstenfahrten, sondern für eine abenteuerliche Reise in die Eis- und Schneeregionen des nördlichsten Zipfels Kanadas ausgerüstet. Die Überquerung des Polarkreises – des Arctic Circles – war das Ziel, das in Inuvik am Polarmeer enden sollte. Vor einer halben Stunde erst hatten sie die USA verlassen und bei Pembina die kanadische Grenze überschritten.

„Hättest du geglaubt, Karen, dass die kanadischen Zöllner derart pingelig sein würden? Dagegen waren ja die Amis nahezu harmlos, fast, als wenn sie bedauerten, dass wir die USA verlassen und unser Geld im Nachbarland ausgeben. Dabei hatte ich die Kanadier eigentlich für gastfreundlicher gehalten.“

Missmutig schüttelte der achtunddreißigjährige Frank seinen blonden Haarschopf und reckte den muskulösen Oberkörper. Mit der Rechten rieb er über seinen Dreitagebart und ließ aus seinen hellblauen Augen den Blick auffordernd zu seiner Frau Karen schweifen.

Diese wusste genau, was ihr Ehemann von ihr hören wollte. Nach fast zehn gemeinsamen Ehejahren und dem mühevollen Aufbau einer tragfähigen wirtschaftlichen Existenz kannte Karen Wedel ihren Frank in- und auswendig.

„Weißt du, Frank, wenn du so dumm bist und dem Grenzbeamten freiwillig erzählst, dass wir Bärenspray an Bord haben, so darfst du dich über die Folgen nicht wundern. Aber du musst ja immer alles schon in vorauseilendem Gehorsam ausplaudern.“

„Karen, du weißt genau, dass mich dieser uniformierte Mistkerl nach mitgeführten Waffen gefragt hat, und dazu gehört auch Bärenspray!“ Franks Stimme war eine Spur schärfer geworden.

„Gehört es eben nicht, und wenn doch, musstest du es nicht gleich ausplaudern. Du zitierst doch sonst immer so begeistert den alten Adenauer, wenn er im Bundestag der sechziger Jahre die Abgeordneten vorführte und auf den Vorwurf, er habe den Bundestag belogen, antwortete. ›Meine Damen und Herren, es gibt die einfache Wahrheit, es gibt die lautere Wahrheit, und es gibt die reine Wahrheit. Nun können Sie sich eine aussuchen!‹

Die anderthalbstündige Durchsuchung des Fahrzeugs mit gleichzeitiger Personenkontrolle bei minus fünf Grad war jedenfalls vom allerfeinsten. Und das verdanken wir deiner Plaudertasche!“

Jetzt war es heraus, das Reizwort, und Karen wusste genau, was sie damit anrichten würde.

Franks Gesicht war bis zu den Haarwurzeln rot angelaufen. Doch noch bevor er seinem durchaus jähzornigen Temperament freien Lauf lassen konnte, machte das Fahrzeug einen gewaltigen Sprung nach oben, als es aus dem plötzlichen Schlagloch der beginnenden Schotterpiste herausflog. Frank hatte alle Mühe, die Spur zu halten. »Verdammte Scheiße!«, fluchte er vor sich hin. „Erst machen einen die kanadischen Zöllner fertig und jetzt auch noch die beschissenen kanadischen Straßen. Dagegen waren die amerikanischen Highways doch vom Feinsten, findest du nicht auch, Karen?“

„Da hast du völlig recht“, kam ihre Antwort.

„Wir sollten jetzt etwas vorsichtiger fahren und auch auf die Straßenbeschilderung achten!“ Sie verkniff sich den Hinweis, dass kurz vor Franks verhindertem Wutausbruch bereits ein Hinweisschild auf einen unbefestigten Straßenabschnitt aufgetaucht war, mit der deutlichen Aufforderung: Reduce your speed.

Frank hatte es in seiner Erregung wohl übersehen, und Karen war nicht unfroh über die Ablenkung. Ihr Ehemann hatte die Prioritäten seiner Pflichten als Fahrer zurückgewonnen und saß wieder konzentriert am Steuer. Dies war auch erforderlich, da ihr Hummer erneut in unsichtbare Schlaglöcher geriet und aus der Spur zu brechen drohte.

Diese Rüttelei war zwar unangenehm, aber für Karen keineswegs besorgniserregend. Da konnte sie sich an ganz andere Strecken und Wegverhältnisse erinnern, wie die Rüttelstrecken durch den Chaco Canyon oder die lebensgefährliche Nachtfahrt von Bluff bis zum Monument Valley, als sie über eine nackte Felsenpiste an schwindelerregenden Abgründen entlang die Spitzkehren bis zur Talsohle im Schritttempo durchfahren mussten.

Dass sie aus manch brenzligen Situationen immer heil herausgekommen waren, führten sie nicht zuletzt auf ihren unverwüstlichen Reisewagen zurück, dem man die Stabilität eines Panzers und den Komfort eines PKWs nachsagte. Tatsächlich war das Erstmodell, der Hummer H1, ein reines Militärfahrzeug, das in seiner Weiterentwicklung zum Hummer H2 die Straßenzulassung zum Zivilfahrzeug erhielt. In den USA erfreut sich der Hummer H2 ob seiner Robustheit und seines Fahrkomforts der größten Beliebtheit.

Als Frank und Karen vor nahezu zehn Jahren von Deutschland aus erstmals die USA zu einem Ferienurlaub in Florida besuchten, hatten sie noch keine großen Reisepläne. Mit einem Leihwagen erkundeten sie von Fort Myers aus die Nordküste Floridas und erreichten immer am Golf von Mexiko entlang die kleine Hafenstadt Tarpon Springs. Durch Zufall waren sie an der Pinellas Suncoast in dieses ungewöhnliche Küstenstädtchen geraten. Schon beim abendlichen Stadtbummel erlebten sie den griechischen Flair des pittoresken Ortes, der noch deutlicher wurde, als sie in einem der zahlreichen griechischen Restaurants beim mit Knoblauch gut gewürzten Hammelbraten mit Sirtakirhythmen unterhalten wurden. Kein Wunder, dass sie sich auf Anhieb an ihre mehrwöchige Hochzeitsreise durch Griechenland erinnert fühlten.

Spontan beschlossen sie, einige Tage in Tarpon Springs zu bleiben, und checkten in ein von griechischstämmigen Einwanderern geführtes Familienhotel ein. An der kleinen gemütlichen Hotelbar erfuhren sie abends bei griechischem Rotwein alles über die Vorzüge des Ortes.

Um die Jahrhundertwende nach 1900 gründete der griechische Schwammtaucher John Corcois den Ort Tarpon Springs. Er war aus Key West gekommen, wo die Schwammbänke von einer Seuche heimgesucht worden waren. Hunderte griechischer Schwammtaucher kamen mit ihren Familien nach und entwickelten Tarpon Springs zu einem der größten Naturschwammzentren der Welt.

Erst als 1936 die Schwammbänke von tödlichen Meeresbakterien, wie zuvor in Key West, weitgehend zerstört wurden, ging es mit der Schwammindustrie und den Schwammtauchern bergab. Die griechische Kolonie blieb jedoch und behielt ihre Traditionen bei. Wenn auch nur wenige Schwammtaucher ihren Beruf überlebten, so hat im neuen Jahrtausend dennoch eine Neubelebung des Schwammtauchens eingesetzt. Die Schwämme haben wieder zu wachsen begonnen, da sich aufgrund langjähriger Umweltschutzmaßnahmen die biologische Meeresfauna allmählich erholt.

Frank und Karen hatten an Fahrten mit griechischen Fischkuttern zu den neu entstandenen Schwammbänken teilgenommen und waren mit Schnorcheln unter Anleitung eines Schwammtauchers bis zu den höhergelegenen Schwammbänken hinuntergetaucht. Sie hatten zwei kleinere Naturschwämme geerntet und sie stolz mit nach Deutschland gebracht.

Zwei Jahre später hatten sie in Tarpon Springs eine entzückende Strandvilla gekauft, die sie zweimal im Jahr für mehrere Wochen nutzten. Von hier aus planten und unternahmen sie weite Autoreisen durch die USA, die regelmäßig in ungeplanten Abenteuerreisen endeten. Es blieb Karen vorbehalten, aufgrund ihres fotografischen Gedächtnisses die Reiseberichte in eine journalistische Form zu wandeln, die anschließend auch mit Hilfe vieler Fotos den einschlägigen Reisejournalen zur Publikation angeboten wurden. Damit hatte Karen viel Erfolg und konnte auf eine Reihe von Veröffentlichungen verweisen.

Karen wurde mit ihren 1,65 Meter um mehr als Kopflänge von ihrem Ehemann überragt, der mit seiner athletischen Figur knapp unter 1,90 Meter geblieben war. Judo und Kraftsport waren Franks Hobbys, während sich die eher zierlich wirkende Karen mit ihren langen dunklen Haaren und den schönen gleichmäßigen Gesichtszügen dem Joggen verschrieben hatte.

Beide arbeiteten im gemeinsamen Hotelbetrieb auf der Ostseeinsel Rügen, in dem sie sich vor gut fünfzehn Jahren auch kennengelernt hatten. Karen war gerade im zweiten Ausbildungsjahr zur Hotelfachfrau, während Frank soeben zum Empfangschef avanciert war.

Der gutaussehende Frank wurde schnell zum Liebling weiblicher Hotelgäste, insbesondere für alleinreisende Damen. Wenn er es darauf angelegt hätte, wären die versteckten oder auch die mehr oder weniger offen vorgetragenen Angebote eine ständige Versuchung für ihn gewesen. Doch im Betrieb waren für Frank Liebesabenteuer jeder Art tabu. Alles, was sein berufliches Weiterkommen behindern könnte, unterlag einer eisernen Verzichtsregel. Als Nahziel wollte Frank die Position eines Hoteldirektors erkämpfen. Darum hatte er sich in einen Fernlehrgang zum Hotelbetriebswirt einschreiben lassen, dessen Anforderungen er nach Dienstschluss mit Akribie erfüllte.

Das übergeordnete Ziel seiner beruflichen Laufbahn, das er erreichen wollte, war jedoch die Selbstständigkeit im eigenen Hotelbetrieb. Ein Ziel, das ohne eigene Finanzmittel nur wenigen Mitbewerbern gelang. Denn auch die erforderliche Finanzierung durch eine Bank war wenig wahrscheinlich, da Hotelfinanzierung für die Geldinstitute ein äußerst unbeliebtes Engagement bedeutete, verbunden mit hohem Risiko auf eine schwer verwertbare Sonderimmobilie. Aber soweit war Frank noch nicht. Auch konnten sich in den nächsten Jahren die Verhältnisse zum Positiven ändern.

Dies geschah tatsächlich, jedoch anders, als Frank es geplant hatte. Er verstieß gegen seine eiserne Regel, als er sich rettungslos in die weibliche Auszubildende Karen verliebt hatte. Was er bei den Avancen weiblicher Hotelgäste erfolgreich verdrängt hatte, war ihm beim täglichen Umgang mit Karen nicht gelungen. Für ihn als Vorgesetzten und Ausbildungsleiter gab es täglich Anlass zu Dienstgesprächen, die mit einem Blick in die mandelförmigen, veilchenblauen Augen Karens endeten. Was Frank im ersten Ausbildungsjahr Karens gar nicht so aufgefallen war, wurde ihm nun überdeutlich bewusst. Mit ihren neunzehn Jahren war Karen zu einer blühenden Schönheit erwacht, die männliche Beobachter immer wieder zu heimlichen Blicken verführte, obwohl Karen in ihrer zurückhaltenden, fast schon schüchternen Art keinerlei Provokation ausübte. Vermutlich wäre sie selbst am meisten über ihre Wirkung erstaunt gewesen.

Ein Jahr darauf feierten Frank und Karen Verlobung, und mit einundzwanzig wurde sie Franks Ehefrau. Beide waren überglücklich, und Karen gestand ihrem Frank, dass sie sich bereits zu Beginn ihrer Ausbildung in ihn verliebt habe, was diesen noch glücklicher machte, wäre denn eine Steigerung noch möglich gewesen.

Nach fünf Jahren gemeinsamen Glücks, gemeinsamer Zukunftspläne und Sparbemühungen kam ihnen ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Beide waren im gleichen Hotelbetrieb geblieben, zumal Frank nach drei Jahren als frischgebackener Hotelbetriebswirt in die vakant gewordene Position des Hoteldirektors befördert wurde. Schon ein Jahr später konnte Frank den Inhabern, einem in die Jahre gekommenen Ehepaar, ein um zwanzig Prozent optimiertes Betriebsergebnis vorlegen.

Die Hoteleigentümer konnten ihr Erstaunen und ihre Begeisterung über den Erfolg ihres neuen Hoteldirektors kaum verbergen. Gleichzeitig dämmerte ihnen, dass der in Ehren ergraute vormalige Hoteldirektor und auch sie selber den Wandel der Zeit offensichtlich verschlafen hatten. Der Eintritt ins Internetzeitalter mit eigener Homepage und Nutzung elektronischer Buchungsportale war für ihr 150-Bettenhaus nie eine Frage gewesen. Für die Konkurrenz sehr wohl.

Trotzdem hätten Frank und Karen nicht damit gerechnet, dass ihnen die nach über vierzig Hoteljahren ermüdeten und kinderlos gebliebenen Eigentümer das bekannte und beliebte Strandhotel zum Kauf anbieten und, falls das Bargeld fehle, den Besitz auch auf Leibrente abgeben würden.

Beide erkannten die einmalige Chance und griffen sofort zu. Frank hatte seinen Lebenstraum verwirklicht und war noch vor Erreichen des dreißigsten Lebensjahres zum glücklichen Hoteleigentümer geworden, der gemeinsam mit seiner Karen auch weiterhin ein erfolgreiches Händchen im Hotelgeschäft bewies.

Nur zwei Jahre später konnten sie auf Rügen ein weiteres Strandhotel erwerben, das wegen der ausgezeichneten Wirtschaftszahlen von der örtlichen Sparkasse finanziert wurde.

Aufgrund der außerordentlichen Betriebsgewinne beider Hotels stellten sie einen Geschäftsführer ein und erfüllten sich ihren lange zu kurz gekommenen Lebenstraum. Das Reisen in fremde Länder, besonders in die USA, sollte nachgeholt werden. Denn dass die Welt größer und bunter als Rügen war, hatten ihnen zu viele ihrer Hotelgäste immer wieder vorgeschwärmt. So waren sie vor Jahren voller Erwartungen und Abenteuerlust in die Vereinigten Staaten gekommen und schließlich in Tarpon Springs heimisch geworden – nach Deutschland natürlich!

Seitdem flogen sie zweimal im Jahr in die Vereinigten Staaten und starteten im Frühjahr und im Herbst zu vorgeplanten Reisezielen. Die Sommermonate vermieden sie, da in dieser Zeit die Amerikaner und Millionen von Touristen aus der ganzen Welt ihre Ferien im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verbrachten.

Einmal hatten sie den Fehler gemacht, als sie im August in den Yellowstone Nationalpark aufgebrochen waren. In stundenlanger Stop - and - go-Fahrt hatten sie schließlich „Old Faithful“ erreicht und mussten in der dichtgedrängten Masse von tausenden Besuchern auf den Ausbruch des Jahrmillionen alten Geysirs warten.

Alle sechzig Minuten etwa bläst er eine 200 Grad heiße Wassersäule bis vierzig Meter hoch in die Luft. Danach setzt der Run in die giftshops ein. Nie wieder wollten Frank und Karen diesen Massentourismus erleben und verlegten ihre Reisepläne außerhalb der Sommermonate.

In den ersten Jahren hatten sie die USA von Osten bis Westen und Süden bis Norden in jeweils mehrwöchigen Reisen durchquert. Die Temperaturen waren auch im Frühjahr und Herbst angenehm, und Karen hatte Hunderte spannender Fotos geschossen: von den unbeschreiblichen Naturwundern im Monument Valley, den Felsenburgen der Puebloindianer im Nationalpark Mesa Verde oder den im Custer Statepark wildlebenden Bisonherden.

Sie hatten in den Black Hills die achtzehn Meter hohen aus dem Fels geschlagenen vier Präsidentenköpfe im Mount Rushmore bewundert und waren nicht weniger beeindruckt von der über 170 Meter hohen Felsskulptur des Cheyennehäuptlings Crazy Horse zu Pferd, die der polnische Einwanderer Korczak Zilkowski 1949 begonnen hatte, aus dem Fels zu schlagen. Nach dem Tod des Künstlers 1982 wurde diese Arbeit von seiner Frau und seinen zehn Kindern fortgesetzt.

Karen und Frank hatten erfahren, dass Zilkowski dem berühmten Sieger des letzten Indianerkrieges (1876) am Rosebud River und Little Big Horn ein Denkmal für die Ewigkeit setzen wollte, gleichwertig dem Denkmal für den bedeutendsten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Mit der Empfindsamkeit eines berühmten Künstlers hatte er begriffen, dass Crazy Horse tief verbittert war über das 1868 vom US-Präsidenten Andrew Johnson gegebene, aber später gebrochene Wort: „So lange die Flüsse fließen und das Präriegras besteht, Paha Sapa – die Black Hills von Dakota werden für immer das geheiligte Land der Sioux sein.“

Ihr Land wurde ihnen genommen, sie mussten in der Reservation leben. Erhalten haben sie lediglich Kleidungsstücke und einige Lebensnotwendigkeiten, um ein erbärmliches Leben in den Reservaten zu führen. Crazy Horse wurde am 5. September 1877 im Camp Robinson, Nebraska, durch einen Bajonettstich in den Rücken ermordet, ebenso wie Sitting Bull - der berühmte Kriegshäuptling der Siouxindianer und Mitkämpfer von Crazy Horse, der 1890 hinterrücks erschossen wurde.

Beide waren den Weißen das verhasste Symbol für den Sieg über General Custer und die letzte 1876 am Little Big Horn gewonnene Schlacht des roten Mannes über die weißen Eindringlinge, in der letztere 272 Soldaten verloren.

Frank und Karen waren damals tief beeindruckt von dem historischen Geschehen und wunderten sich, dass erst 2003 auch die Indianer einen Platz am Ehrendenkmal Little Big Horn erhalten hatten.

Karen hatte interpretiert, das sei wohl ein Ausdruck von Scham über das den Indianern zugefügte Unrecht. Als sie dann auf einer späteren Reise den Friedhof von Wounded Knee erst nach langem Suchen fanden, da kein einziges Hinweisschild zu dem Ort des Massakers vom 29. Dezember 1890 an dreihundert unbewaffneten Siouxindianern, die ein friedliches Pow-Pow abhielten, führte, fühlten sie sich an Little Big Horn erinnert. Begangenes Unrecht ist wohl schwerer zu dokumentieren als erlittenes.

Aber diese Erfahrungen hielten sie nicht von weiteren Erkundungen dieses unglaublich vielfältigen nordamerikanischen Kontinents ab. Frank lebte seine Schwärmerei für den „Wilden Westen“ voll aus und war begeistert von Tombstone, als im „Big Nose Kate Saloon“ die Kellner mit Colts an der Hüfte das Essen servierten. Wyatt Earp, Doc Holliday und die Clanton-Bande brachten dann beim shoot out im historischen O. K. Coral den Mythos vom Wilden Westen zum Höhepunkt. Passend zur lebenden Westernstadt im dritten Jahrtausend lautet denn auch der Wahlspruch Tombstones: „Eine Stadt, zu stark zu sterben.“

Alle ihre Reisen hatten durchweg in sonnige, regenarme Landschaften geführt, die im Frühjahr oder Herbst das Reisen angenehm machten. Die vier- bis sechsspurigen Interstate Highways ließen die riesigen Entfernungen schrumpfen, und die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf siebzig bis achtzig Meilen pro Stunde ermöglichten ein entspanntes Fahren.

Was Frank zunächst mit seinem deutschen „Bleifuß“ auf dem Gaspedal als langweiliges Dahinschleichen empfand, hatte sich schon nach kurzer Zeit in ein angenehmes Cruisen verwandelt, zumal generell das Überholen auf der rechten Fahrspur erlaubt war und somit den auf deutschen Autobahnen ständigen Überholstress hinter langsameren Linksfahrern gar nicht erst aufkommen ließ. Zudem ließen sich bei dem gemächlichen Dahingleiten die wechselnden Landschaften nachhaltiger wahrnehmen, und erstaunt musste Frank erkennen, dass die Entfernungen nicht weniger schrumpften als beim Rasen auf Deutschlands Straßen. Die gesetzten Tagesziele wurden jedoch viel entspannter erreicht.

Bei all den eindrucksvollen Reiseerlebnissen war Karens Wunsch nach einem eigenen Kind auf der Strecke geblieben. Waren es zunächst die gemeinsamen Aufbaujahre der Hotels, so rückte durch die jährlichen US-Reisen der Kinderwunsch in den Hintergrund. Schmerzhaft gestand sich Karen ein, dass sie das normale Alterslimit von dreißig Jahren für den weiblichen Fruchtbarkeitszyklus erreicht hatte. Vor diesem Hintergrund erkannte auch Frank, dass der von beiden gewünschte Nachwuchs nunmehr ernsthaft in Angriff genommen werden musste.

Zuvor wollten sie jedoch noch eine letzte große Reise unternehmen, die sie in die Schnee- und Eiswüsten des nordamerikanischen Kontinents führen sollte. In Regionen, die sie noch gar nicht kannten und deren Fauna und Klima so ganz gegensätzlich zu ihren bisherigen Erfahrungen standen.

Anstelle des gewohnten Sonnenklimas und Durchquerens oftmals wüstenähnlicher Gebiete sollte sie diese vorläufig letzte große Fahrt über den Polarkreis bis nach Inuvik am Polarmeer führen. Sie wollten Einblicke in das Leben der einheimischen Eskimos gewinnen, die sich seit einiger Zeit Inuits nennen. Sie fühlten sich durch die Bezeichnung »Eskimos« diskriminiert, mit der die südlicheren Indianerstämme den Begriff „Rohfleischfresser“ im durchaus verächtlichen Sinne verbinden.

Dagegen bezeichnen sich die anderen Ureinwohner Kanadas heute als First Nation und betrachten den Begriff »Indianer« als Diskriminierung. Allerdings haben es die Inuit am 1. April 1999 erreicht, dass die kanadische Regierung ihnen einen Teil des geraubten Landes zurückgab, das unter dem Namen Nunavut ein weitgehend eigenständiges Territorium mit nahezu 2,1 Millionen Quadratkilometern im Norden Kanadas bildet. Soweit haben es die First Nation, die auf die dreitausend Reservate Kanadas verteilt leben, noch nicht geschafft. Aber ihr politischer Kampf um Unabhängigkeit ist noch nicht zu Ende.

Über diese und viele der kulturellen Eigenheiten der kanadischen Ureinwohner hatten sich Frank und Karen vor Reiseantritt informiert. Aber erst das Reisen durch dieses zweitgrößte Land der Erde, in dem im Durchschnitt nur drei Menschen auf dem Quadratkilometer leben, bei einer Gesamteinwohnerzahl von 32 Millionen Menschen, würde ihnen die Seele des Landes, ihrer Menschen und ihrer Kultur ein wenig näherbringen. Darauf hatten sie sich vorbereitet.

Anstelle von Shorts, T-Shirt und Sandalen gehörten nun Pullover, Parka, Handschuhe, Fellstiefel und Pelzmützen zu ihrer Ausrüstung. Das Bärenspray für unerwartete Begegnungen waren sie allerdings, wie schon berichtet, losgeworden. Erstaunlicherweise durften sie die armlange Machete, die Frank neben vielen anderen nützlichen Utensilien in einem Outdoor-Laden gekauft hatte, ohne Beanstandung über die Grenze führen. Sie galt wohl als notwendiges Werkzeug.

Am dritten Tag auf dem kanadischen Highway I, der wegen seiner unebenen Fahrbahn mit den US-Highways nicht zu vergleichen war, durchquerten sie das ehemalige Land der Dakota-Indianer. Diese ehemals unendlich weiten Präriegebiete und Heimat von Millionen wilder Bisons waren jetzt weitestgehend Ackerland und bildeten Kanadas Kornkammern.

„Gegen diese weiten platten Ebenen kommt mir unser flaches Mecklenburg-Vorpommern wie ein Hügelland vor“, kommentierte Karen nach einiger Zeit. „Da fallen einem ja allmählich die Augen zu“, fügte sie an.

Frank schoss erschrocken aus dem Beifahrersitz hoch, in dem er es sich zu einem Nickerchen bequem gemacht hatte.

„Untersteh dich“, fuhr er Karen an. „Es ist wohl besser, wenn ich wieder fahre, damit wir noch heil nach Medcine Hat kommen.“ Nicht unfroh wechselte Karen auf den Beifahrersitz.

Eine Stunde später hatten sie ihr Ziel erreicht und kamen in einem freundlichen Comfort Inn unter. Sie hatten an diesem Tag rund 950 Kilometer geschafft, von denen Karen etwa ein Drittel übernommen hatte. Sie hatten den Tachometer des Hummer auf Kilometerangaben an der kanadischen Grenze umgestellt, da in Kanada wie in Europa das metrische System gilt.

Am nächsten Morgen saßen sie nach dem üblichen kargen amerikanischen Frühstück mit Bagel, Toast, Butter und Konfitüre bereits um sieben Uhr wieder hinter dem Steuer und fuhren in Richtung Calgary, dem Cowboyland Albertas. Abends wollten sie den Banff Nationalpark erreichen und in Banff übernachten.

Anfangs ging es bei 6 Grad plus und sonnigem Wetter erneut durch die weiten Ebenen, diesmal allerdings durch das Land der Blackfoot-Indianer, die hier in einer Reservation leben. Bei Brooks bogen sie auf eine unbefestigte Piste ein, die sie nach fünfzig Kilometern direkt in die Red Deer Valley Badlands führen sollte.

Sie fuhren auf den Hoodoo-Trail und staunten über die ungewöhnlichen Felsformationen, die als zwei bis vier Meter hohe Pilze aus dem Untergrund gewachsen waren und runde Kappen aus widerstandsfähigem roten Eisengestein auf dem weichen Sandsteinstiel trugen. Ein seltsamer, aber wunderschöner Anblick, dessen Ursache in der jährlichen Erosionsrate von fünfzig Zentimetern liegt, die damit zweitausendmal höher als bei den härteren Felsen im Westen des Landes ist, wie auf den Hinweistafeln zu lesen war.

Frank fragte seine pausenlos fotografierende Ehefrau: „Kannst du mir erklären, wie auf das weiche Material die viel schwereren Kappen aus Eisengestein gekommen sind?“

Karen verzog das Gesicht zu einem spöttischen Lachen. „Das sind eben echte Naturwunder!“

Der Spott sollte ihr jedoch bald vergehen, als sie nach wenigen Kilometern bei Drumheller in den 48 Kilometer langen Dinosaur Trail einbogen, der den Badlands seine eigentliche Faszination verleiht.

Erst 1955 fand in der weichen, teilweise aus Schwemmsand bestehenden Erde ein Ranger das erste Dinosaurierskelett. Diesem ersten Fund folgten viele weitere, die das 728 Quadratkilometer umfassende Gebiet zur zweitgrößten Fossilienfundstätte der Erde und 1979 zum Weltkulturerbe der UNESCO machten.

Während sich die Forscher zunächst wunderten, dass die Dino-Skelette oftmals kopflos waren, wurden die Schädel später viele Meter entfernt entdeckt. Man erkannte, dass die Nackenwirbel verrottet waren und die Trennung des Kopfes von den unbeschädigten Skelettknochen verursacht hatten. Durch die Erdbewegungen waren dann Kopf und Körper in verschiedene Richtungen gewandert.

Frank und Karen führte der Weg weiter ins berühmte Royal Tyrrell Museum of Palaeontology, das mit seiner Ausstellung von rekonstruierten Originalskeletten in der Dinosaur Hall die weltgrößte ihrer Art ist.

Ihre Erwartungshaltung war hoch, da beide mehr als eine TV-Dokumentation über Dinosaurierfunde in verschiedenen Regionen der Erde und ihre Bergung gesehen hatten. Auch waren ihnen die Horrorszenarien der JURASSIC-PARK-Filme nicht unbekannt. Aber fiktive Bilder einer virtuellen Welt werden meistens von der Realität überholt.

Und so war es auch, als Frank und Karen nach Lösen der Eintrittskarte ins Halbdunkel der Dinosaur Hall eintauchten. Der Rundgang führte durch urzeitliche Pflanzenwege eines Paläowintergartens, in dem die 75 Millionen Jahre alten Dinoskelette aufgebaut waren und mit Scheinwerfern illuminiert wurden.

Mammut, Mastodon und Säbelzahntiger waren schon beeindruckend, doch hielt Karen erschrocken die Hand vor den Mund, als sie vor dem schrecklichsten aller Dinosaurier, dem riesenhaften Skelett des Tyrannosaurus Rex standen. Wenige Meter weiter war ein einzelner Vorderlauf dieser urzeitlichen Bestie ausgestellt, der mit der Dicke eines mittleren Baumstammes und der Höhe von gut vier Metern die unglaubliche Monströsität dieses urzeitlichen Lebewesens aufzeigte.

Karen platzierte Frank direkt neben das einzelne Bein und dokumentierte mit dem Foto die erschreckende Hilflosigkeit eines Menschen im Vergleich zum menschliche Dimensionen sprengenden Tyrannosaurus Rex. Sein in einer Sondervitrine als Black Beauty Skull ausgestellter Schädel mit dem endlosen Maul und unzähligen Reißzähnen bestätigte eindrucksvoll die menschliche Unterlegenheit angesichts solcher Dimensionen.

Gegen diesen Koloss hatte auch der nicht gerade kleine Albertosaurus mit seinem dolchartigen Fang und seinen mit einer Kralle ausgestatteten Hinterläufen keine Überlebenschance. Das Gleiche galt auch für den Quetsacoatlus, den größten fliegenden Raubvogel, den es je gab.

Staunend war Karen vor einer Gruppe der kleineren Bird-Dinosaurier, die sich vogelähnlich pfeilschnell und gefährlich aus der Luft auf ihre Beute stürzten, stehengeblieben.

„Weißt du, Frank, so beeindruckend diese gewaltigen Urtiere aus einer anderen Zeit auch erscheinen, in mir erzeugen sie Angst und Schrecken. In einer solchen Zeit möchte ich nicht gelebt haben.“

„Musst du auch nicht, Liebling, denn wir sind gleich schon am Ausgang und nehmen dieses authentische Erlebnis als bleibende Erinnerung mit uns.“

Fünfunddreißig Skelette hatten sie gesehen und die dazugehörigen Namen und Beschreibungen gelesen. Selbst die Arbeit der Paläontologen hatten sie durch große Fenster in den dahinterliegenden Labors beobachten können. Auf schweren Stahltischen lagen gewaltige Steinbrocken mit Knochenfragmenten, die von den Präparatoren mit großen Steinhämmern und kleinen Spachteln und Pinseln bearbeitet wurden. Eine Arbeit auf lange Zeit, da zwischenzeitlich über dreihundert weitere intakte Skelette in den Sand- und Lehmschichten der Badlands entdeckt worden waren.

Irgendwie benommen, aber auch erleichtert traten Frank und Karen nach über zwei Stunden im Halbdunkel wieder hinaus ins helle Sonnenlicht und starteten zur Weiterfahrt nach Banff.

Ihre Fahrt führte an den zerklüfteten Ausläufern der Badlands entlang weiter nach Westen. Nach einer längeren Schweigepause kuschelte sich Karen an den fahrenden Frank. Sie zitterte.

„Was ist los, Karen, bist du noch immer vom Tyrannosaurus Rex geschockt? Der hat doch schon vor einigen Millionen Jahren das Zeitliche gesegnet, als er die Eiszeit nicht überstanden hat“, versuchte er seine Frau spöttisch aufzumuntern.

„Weißt du, Frank, ich muss die ganze Zeit daran denken, dass diese öde Gegend hier im Permafrostbereich gelegen hat. Könnte es nicht möglich sein, dass ein Dinosaurierei die Jahrmillionen überlebt hat. Ich habe da mal was von wissenschaftlichen Experimenten gelesen …!“

Frank schüttelte sich vor Lachen.

„Und jetzt, meint mein Liebling, könnte zufällig ein Ei des Tyrannosaurus Rex irgendwo platzen und der Schrecken aller Schrecken ausschlüpfen und uns vor den Wagen laufen und meine knackige Ehefrau aus dem Wagen ziehen, um sie dann genüsslich zu verspeisen.“

„Es könnte ja auch sein, dass er meinen knackigen Ehemann zuerst verspeist.“

Karen knuffte Frank in die Seite.

„Hör auf, Karen, sonst verreiße ich noch das Steuer, und wir fahren deinem Dino Monster direkt in den Rachen.“

Er konnte sich über die Gruselfantasien seiner Frau nicht mehr einkriegen.

„Du hast doch zu viel JURASSIC PARK gesehen, und deine Fantasie geht mit dir durch, Liebling!“

Beide alberten noch eine Zeitlang herum, bis auch Karen in ein befreiendes Lachen ausbrach. Die Realität hatte sie wieder eingeholt.

Beim Umfahren der Großstadt Calgary tauchten die ersten schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains am Horizont auf.

Im Juli hätten sie die Gelegenheit genutzt, um der Cowboystadt Calgary einen Besuch abzustatten. Denn jedes Jahr seit 1912 findet zehn Tage lang im Juli die größte Wildwestshow der Welt statt. Die sogenannte Calgary Stampede versetzt Einheimische und Millionen Besucher in regelrechte Euphorie, wenn das bronco busting (Reiten auf Wildpferden), das bull riding (Reiten auf Stieren), das steer wrestling (Niederringen von Stieren), das calf roping (Einfangen von Kälbern mit dem Lasso) und das spannende chuck-wagon-race (Wettrennen der Planwagen) im Stampede Park südlich der Innenstadt stattfindet.

In der allgemeinen Begeisterung kommt es immer wieder vor, dass ein Cowboy hoch zu Pferd in die Hotelhalle reitet, um einzuchecken.

Als 1912 der aus dem amerikanischen Wyoming stammende Rodeo-Cowboy und Lassokünstler Guy Weadick den Stadtvätern von Calgary vorschlug, das Image der Stadt mit einem Rodeo aufzuwerten, waren diese und die umliegenden Rancher begeistert. Mit einem hohen Preisgeld von 12.000 Dollar konnte erstmals eine spektakuläre Parade mit tausend Cowboys und dreitausend Indianern in ihren Originaltrachten organisiert werden – selbst echte Pistoleros des berüchtigten mexikanischen Revolutionsführers Pancho Villa kamen wegen des zu gewinnenden Preisgeldes zur „Greatest Outdoor Show on Earth.“

Was die begeisterten Besucher der Stampede wegen seiner Cowboy- und Wildwestromantik fasziniert, hat für die großen Cattlerancher des Umlandes durchaus wirtschaftliche Gründe. Nachdem der weiße Mann Anfang der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts es endlich geschafft hatte, den über sechzig Millionen Bisons des nordamerikanischen Kontinents den Garaus zu machen, fehlte es nicht nur den Indianern an Fleisch, auch den weißen Einwanderern des Nordens mangelte es an Proteinen. Folglich wurden große Rinderherden von Montana bis Calgary getrieben und zum Bestand neugegründeter Viehfarmen gemacht.

Während viele Getreidefarmer in den langen Dürreperioden der Dirty Thirties des 20. Jahrhunderts ihre Existenz verloren – der umgepflügte Boden des vorher tiefwurzelnden Prärielandes trocknete aus und wurde teilweise über den Atlantik bis nach Europa geweht –, blühte die Viehwirtschaft wieder auf und spielt auch weiterhin eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Region um Calgary.

Bei ihrer Fahrt um Calgary waren die Temperaturen auf zwanzig Grad Celsius gestiegen, ein warmer Herbsttag, obwohl es bereits gegen Ende Oktober ging. Eine Stunde später führte die Fahrt durch bizarre Felsformationen immer weiter unterhalb der schneebedeckten Gipfel der Rockies in das Felsengebirge. Die Straße wurde zunehmend einsamer, und auch die Temperatur sank auf zwölf Grad. Am späten Nachmittag erreichten Frank und Karen den Banff Nationalpark und lösten an der Rangerstation ihr Einreiseticket.

Der Banff National Park wurde bereits 1887 gegründet, als beim Eisenbahnbau einige Arbeiter nach Bodenschätzen suchten. Die fanden sie nicht, entdeckten jedoch am Fuß des Sulphur Mountain heiße Schwefelquellen. Ihnen selber brachte die Entdeckung nichts, aber flinke Geschäftsleute mit entsprechenden Beziehungen zur Regierung erkannten die Möglichkeiten der neuentdeckten Bonanza.

Noch 1887 plante der Chef der Canadian Pazific Railway, von Horn, den Bau eines 250-Betten-Luxushotels für die Reichen und Berühmten der Welt. Natürlich wurde die spektakuläre Hochgebirgslandschaft durch die Züge der Canadian Pazific Railway erschlossen. Der Nationalpark am Zusammenfluss von Bow und Spray River, überragt von den majestätischen Gipfeln des Mt. Rundle (2.950 Meter) und Cascade Mountain (2.998 Meter), wurde 1902 auf seine jetzige Größe von 6.638 Quadratkilometern erweitert und damit zum ältesten und drittgrößten Nationalpark weltweit.

Heute besuchen jedes Jahr an die fünf Millionen Menschen aus aller Welt den Nationalpark, und die Kleinstadt Banff mit ihren fünftausend Einwohnern muss jährlich an die 500.000 Touristen verkraften. Natürlich sind 750 Millionen Dollar pro Jahr aus dem Fremdenverkehr verlockend, doch hat die Prognose von neunzehn Millionen Touristen für das Jahr 2020 die Verantwortlichen nachdenklich gemacht, ob das ökologische Gleichgewicht so viel Mensch verträgt.

Karen hatte diese und andere Informationen während der vergangenen Stunde aus entsprechenden Reiseführern laut vorgelesen, um sich und Frank auf ihren neuen Zielort vorzubereiten. Gegen 18 Uhr bei noch hellem Tageslicht fuhren sie durch die blumen- und fahnengeschmückte Banff Avenue und wunderten sich über die Massen internationaler Touristen, darunter viele Asiaten, die in eleganter Skikleidung an den unzähligen giftshops, Ausrüstungsläden und Restaurants vorbeiflanierten – dem mondänen St. Moritz vergleichbar.

Die pittoresk bemalten Häuserfassaden der Alpenregion suchten sie allerdings vergeblich. Die Hotels und Appartementhäuser waren aus mächtigen honiggelben Baumstämmen erbaut, die als kunstvolle Holzbauten einen wunderbaren ästhetischen Anblick boten.

Frank lenkte den Wagen zielgerichtet die steil ansteigende Mainstreet hoch, die in ein Dead End mündete. Karen blieb der Mund vor Überraschung offen stehen, als vor ihnen am Ende der Sackgasse ein gewaltiger türmchenbesetzter Schlosskomplex auftauchte, der, aus schwarzen Granitquadern erstellt, zyklopenartig bis ins 14. Stockwerk emporwuchs.

Ein Traum kolossartiger Gewalt und von höchstem Komfort. Hier konnten bis zu 770 Gäste Unterkunft finden.

»Du hast doch nicht etwa hier gebucht?«, wandte sich Karen, noch immer perplex über das irgendwie irrational erscheinende Hotelmonument, an Frank.

„Und ob ich hier gebucht habe, mein Schatz! Tolle Überraschung, nicht wahr, und dazu noch gelungen!“ Vergnügt vor sich hin lachend ob des gelungenen Coups bog Frank in die Hoteleinfahrt ein. Valet parking war angesagt.

Frank trug noch schnell die gefahrenen 606 Tageskilometer ein, holte Karens Trolley und seinen Outdoorrucksack aus dem Wagen und übergab dem überaus freundlichen Hotelfahrer die Schlüssel.

Etwas argwöhnisch beobachtete Frank, wie er ihren Hummer gekonnt in die Tiefgarage lenkte. Schließlich hatten sie noch mehr als die Hälfte ihrer Route mit dem verlässlichen SUV-Fahrzeug zu bewältigen.

2

In München traf sich eine Reisegesellschaft ganz anderer Art. Alfred Weidner, Wettkampfleiter und Organisator der Phönix Challenge hatte in den kleinen, aber feinen Konferenzraum des „Bayerischen Hofs“ eingeladen.

Der große, sportlich wirkende und immer leicht gebräunte Weidner war mit seinen über fünfzig Jahren noch immer Chef eines der härtesten und spektakulärsten Sport-Events der Welt.

Vor gut zehn Jahren hatte er gemeinsam mit der Marketingabteilung der Phönix Reifenwerke auf der Suche nach Steigerung der Sympathiewerte ihres Markenimages „Sportlichste Reifenmarke der Welt“ ein einzigartiges Programm entwickelt. Die schweißtreibenden, seit Jahren bekannten Dschungeltouren der „Camel Trophy“ der Marke Land Rover hatte man vor Augen, als Weidner die zündende Idee hatte, die Adventure-Touren in den eisigen Nordens Kanadas zu verlegen.

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