Tribometrie - Markus Grebe - E-Book

Tribometrie E-Book

Markus Grebe

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Beschreibung

Dieses Buch soll den interessierten Lesern aufzeigen, welche Potenziale in der anwendungsnahen tribologischen Prüftechnik (Tribometrie) stecken. Basierend auf der tribologischen Systemanalyse und der darauf aufbauenden Prüfstrategie können durch den Einsatz sinnvoller Laborprüfungen die Potenziale verschiedener Optimierungsansätze in einem sowohl zeit- als auch kostentechnisch akzeptablen Rahmen gefunden werden. Im Buch wird der Unterschied zwischen einfacher Modellprüftechnik (z. B. Stift-/Scheibe-Tests) und speziell geplanten Simulationsprüfungen auf Tribometern erläutert. Es wird aufgezeigt, wie ein anwendungsnaher Tribometerversuch und eine sinnvolle tribologische Prüfkette aufbauend auf der Systemanalyse entwickelt werden können und was dabei zu beachten ist.

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TRIBOLOGIE

SCHMIERUNG, REIBUNG, VERSCHLEIß

Herausgegeben von Dr. Manfred Jungk

Die Tribologie ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, mit Schwerpunkten aus den Bereichen Maschinenbau, Chemie, Physik und Werkstoffwissenschaften. Entsprechend vielfältig sind die Forschungsthemen und Anwendungen.

Die Reihe Tribologie – Schmierung, Reibung, Verschleiß behandelt sowohl Grundlagen des Themengebietes für Anwender:innen, Wissenschaftler:innen und Studierende als auch moderne Trends wie Nachhaltigkeit, tribologische Aspekte der Industrie 4.0 und Herausforderungen durch die Elektromobilität.

Markus Grebe

Tribometrie

Anwendungsnahe tribologische Prüftechnik als Mittel zur erfolgreichen Produktentwicklung

Umschlagabbildung: © iStock.com/cturtletrax

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 · expert verlag GmbH

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen.

Internet: www.expertverlag.de

eMail: [email protected]

CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-8169-3521-6 (Print)

ISBN 978-3-8169-8521-1 (ePDF)

ISBN 978-3-8169-0020-7 (ePub)

Vorwort

Die tribologische Prüftechnik ist und bleibt das wichtigste Hilfsmittel bei der Optimierung tribologischer Systeme. Modell- und Simulationsprüfungen sind in der tribologischen Forschung und Entwicklung unersetzlich. Sie sind notwendig, um unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen verbesserte tribologische Systeme zu entwickeln. Es ist daher wichtig, sich Gedanken zu den Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Prüfverfahren und deren Aussagefähigkeit zu machen. Hierzu sind aber sowohl Tribologie-Kenntnisse als auch ein guter Überblick über die möglichen Tests, ihrer Vor- und Nachteile sowie ihrer Anwendungsgebiete notwendig.

Leider müssen wir in letzter Zeit feststellen, dass der Gedanken des tribologischen Systems und der Systemanalyse im Umfeld der Tribometrie teilweise verloren geht. Tribologische Versuche werden ohne das nötige Knowhow von unerfahrenen Personen geplant, durchgeführt und ausgewertet. Unter Kosten- und Zeitdruck werden unsinnige Tests mit Alibi-Charakter durchgeführt. Ein Problem, das diesen Trend unterstützt, sind moderne teil- oder vollautomatische Tribometer, bei denen die Nutzer relativ blind den ausgegeben Werten vertrauen, ohne sich die Proben oder Messdaten detailliert anzuschauen und diese ggf. zu hinterfragen. Letztendlich schädigt das den Ruf der Tribometrie, da die Ergebnisse solcher Prüfungen in aller Regel nicht auf die Praxis übertragbar sind. Fehler in der tribologischen Erprobung im Prüffeld, können schnell kostspielige Folgen haben, wenn z. B. eine Produktentwicklung in der Vorserie abgebrochen werden muss oder sogar Rückrufaktionen notwendig werden.

Dieses Buch soll den interessierten Leser aufzeigen, welche Potentiale in der anwendungsnahen tribologischen Prüftechnik stecken. Um diese allerdings wirkungsvoll nutzen zu können, müssen neben den Vorteilen auch die Grenzen der Laborprüfung bekannt und bewusst sein, da es sonst vorkommen kann, dass man Schlussfolgerungen aus einer Prüfung zieht, die über die geprüfte Einzeleigenschaft hinausgehen. Häufig ist auch eine Vielzahl an Prüfungen auf verschiedenen Prüfgeräten notwendig, um unterschiedliche Eigenschaften unter unterschiedlichen Randbedingungen (Beanspruchungskollektive) zu testen, da tribologische Systeme in der Praxis extrem komplex sind und die Funktionalität nahezu nie von einer Einzeleigenschaft abhängt. Eine einzelne Modellprüfung hat somit noch keine Aussagekraft für das reale Bauteil. Auch hierfür sind ein hohes tribologisches Verständnis und breitgefächerte Wissen notwendig.

Dieses Buch soll dazu dienen, den Wert und den wissenschaftlichen Anspruch der modernen Tribometrie darzustellen. Basierend auf der tribologischen Systemanalyse und der darauf aufbauenden Prüfstrategie können durch den Einsatz sinnvoller Laborprüfungen, verschiedene Optimierungsansätze in einem sowohl zeit- als kostentechnisch akzeptablem Rahmen evaluiert werden. Es wird aufgezeigt, wie ein anwendungsnaher Tribometerversuch aufbauend auf der Systemanalyse entwickelt werden kann und was dabei zu beachten ist. Die wichtigsten Modell- und Labortribometer werden ebenso erläutert, wie die in den Prüffeldern eingesetzten Bauteilprüfstände.

Ein weiterer häufig unterschätzter Aspekt ist die wissenschaftliche Planung, Auswertung und Bewertung der durchgeführten Versuche. Hier werden sowohl die eingesetzten Messverfahren und Sensoren beschrieben wie auch Hinweise zur Statistik und Darstellung der Messdaten gegeben. Zusätzlich werden in diesem Buch auch wichtige Randaspekte wie Oberflächenkennwerte und Oberflächenanalytik beleuchtet sowie die Bedeutung die Computersimulation mit ihren Anwendungsgebieten und Grenzen erläutert.

Ein großer Dank geht an dieser Stelle an zahlreiche Kollegen in den Prüffeldern von Firmen und in Forschungsinstituten auf deren Ergebnisse, Bilder und Erkenntnisse ich im Rahmen dieses Buches zurückgreifen konnte. Insbesondere möchte ich hier meinen Co-Referenten beim jährlichen TAE-Tribometrieseminar danken:

Dr. Martin Jech – Austrian Competence Center for Tribology (AC2T)

Dr. Tarek Lutz - Naturwissenschaftliches Institut Reutlingen (NMI)

Dipl.-Ing. Wilhelm Rehbein – Lanxess AG

Dr. Jürgen Rigo – Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM)

Dr. Christian Seyfert - Fuchs Schmierstoffe GmbH

Dipl.-Ing. Mario Witt - KS-Gleitlager GmbH

Obwohl in einem solchen Buch aufgrund des begrenzten Umfangs sicher nicht alle Aspekte eines jeden Themas hinreichend detailliert beschrieben werden können, so hoffe ich doch, dass es ein wichtiges Hilfsmittel und Nachschlagewerk für Personen wird, die sich für die moderne anwendungsnahe Tribometrie interessieren.

Mannheim, 14. Februar 2021

Markus Grebe

Abkürzungen

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Tribometrie

1.2 Background: Das Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM) an der Hochschule Mannheim

1.3 Bedeutung und Aufgaben der Tribologie

1.4 Die tribologische Beanspruchung

2 Erläuterung der Systemanalyse

2.1 Definitionen

2.2 Das Beanspruchungskollektiv

2.2.1 Elemente eines tribologischen Systems

2.2.2 Aufbau metallischer Oberflächen

2.2.3 Geometrische und wahre Kontaktfläche

2.2.4 Kontaktzustand

2.2.5 Schmierungszustand

2.2.6 Wechselwirkungen zwischen den Elementen

2.3 Verschleißmechanismen und deren Verschleißerscheinungsformen

2.4 Systemanalyse

3 Tribologische Prüftechnik

3.1 Messtechnik (Theorie)

3.2 Tribologische Messgrößen

3.2.1 Reibung

3.2.1.1 Reibungsmessgrößen

3.2.1.2 Reibungsmesstechnik

3.2.1.2.1 Kraft- und Drehmomentensensoren auf DMS-Basis

3.2.1.2.2 Piezosensoren

3.2.1.2.3 Oberflächen-Dehnungssensoren

3.2.2 Verschleiß

3.2.2.1 Verschleißmessung und Verschleißmessgrößen

3.2.2.2 Verschleißmesstechnik

3.2.3 Temperatur

3.2.3.1 Temperaturmesstechnik

3.2.3.1.1 PT100 / PT1000 (PTC-Sensoren) und NTC-Sensoren

3.2.3.1.2 Thermoelemente

3.2.3.1.3 Infrarot-Thermometer / Thermografie

3.2.3.1.4 Aufgedampfte Temperaturaufnehmer

3.2.3.1.5 Mehrpunkt-Messungen mit Faser-Bragg-Gitter-Sensor

3.2.3.1.6 Allgemein

3.2.4 Schwingungsmesstechnik

3.2.5 Sonstige Sensoren / Kombisensoren

3.3 Tribologische Prüfkategorien

3.3.1 Übersicht Modellprüfsysteme

3.3.1.1 Modellprüfsysteme für Abrasivverschleiß-Untersuchungen

3.4 Modellprüfgeräte / Labortribometer

3.4.1 Vierkugel-Apparat (VKA)

3.4.2 Schwing-Reib-Verschleiß-Prüfgerät (SRV)

3.4.3 Brugger- / Reichert-Prüfung

3.4.4 Bruker Universal Material Tester (UMT)

3.4.5 Timken-Prüfmaschine

3.4.6 Oszillierender Gleitreibungsprüfstand nach „Tannert“ / Tannert-Gleitindikator

3.4.7 Rotationstribometer

3.4.8 Mini-Traction-Machine (MTM)

3.4.9 Zwei-Scheiben-Prüfstände

3.4.10 Rollenprüfstände / Micro-Pitting-Rig (MPR)

4 Modell- und Simulationsprüfung

4.1 Modellprüfung (Kategorie VI)

4.1.1 Vorgehen bei der Modellprüfung

4.1.2 Modellprüfung in der Praxis

4.1.3 Aussagefähigkeit der Modellprüfung

4.2 Simulationsprüfung (beanspruchungsähnlicher Versuch mit Probekörpern, Kategorie V)

4.2.1 Vorgehen bei der Simulationsprüfung

4.3 Wie kann die Aussagekraft einer Laborprüfung verbessert werden?

4.3.1 Optimale Messtechnik

4.3.2 Festlegung der Prüfparameter

4.3.3 Berücksichtigung der Energiedissipation (Tribomutation)

4.3.3.1 Dynamische Einflüsse

4.3.3.2 Festlegung der geeigneten Prüfdauer

4.3.3.3 Statistische Absicherung der Ergebnisse

4.3.3.4 Unvermeidliche Toleranzen

4.3.3.5 Sonstige Einflussquellen

4.3.3.6 Abbruchkriterien

4.3.3.7 Dokumentation

4.3.3.8 Sonstiges

4.4 Auswertung und Interpretation tribologischer Messgrößen

4.5 Beispiele für anwendungsorientierte Bauteilprüfungen in Labortribometern

4.5.1 Kolben eines Klimakompressors im SRV

4.5.2 Kolbenring / Liner-Prüfung im SRV Prüfstand

4.5.3 Ventilschaftprüfung im SRV-Prüfstand

4.5.4 Frettingversuche an Stangenführungen

4.5.5 Prüfung von Kolbenstangendichtungen im SRV-Prüfstand

5 Bauteilprüfung

5.1 Wälzlagerprüfung

5.1.1 FE8 Prüfung (DIN 51819-2)

5.1.2 FE9-Prüfung (DIN 51821)

5.1.3 Komponentenerprobung

5.2 Zahnradprüfung / Getriebeölprüfung im FZG-Prüfstand

5.2.1 FZG-Fresstest (Laststeigerungslauf)

5.2.2 FZG-Langsamlauf-Verschleißtest

5.2.3 FZG-Pitting-Test und Graufleckigkeitstests

5.2.4 FZG-Wirkungsgrad-Test (Energieeffizienz-Test)

5.2.5 Übersicht Norm- und Standard-Prüfungen im FZG-Prüfstand

5.3 Hydrauliköl-Tests

5.3.1 Flügelzellenpumpentests Vickers V104C und Eaton 35VQ25

5.3.2 Denison-Pumpe

5.3.3 Bosch-Rexroth-Hydraulikfluid-Test

5.4 Gleitlager-Prüfung

5.4.1 Fresslasttest

5.4.2 Dauerlauf-Ermüdungstest

5.4.3 Partikelverträglichkeitstest / Test der Einbettfähigkeit

5.4.4 Dauerlauf-Verschleißtest / Start/Stopp-Test

5.4.5 Notlauftest

5.4.6 Sonstige nicht-motorische Gleitlagerprüfung

5.4.6.1 Versuche zur Ermittlung des maximalen pv-Wertes

5.4.6.2 Schwenklagerprüfung

5.4.6.3 Stoßdämpferlagerprüfung

5.5 Kupplungen, Bremsen, Synchronisierungen und Reibbeläge

6 Kunststoffprüfung

6.1 Besonderheiten bei Kunststoffen als Reibpartner

6.1.1 Randzone / Spritzhaut / Orientierung

6.1.2 Elastisch/plastisches Verhalten (Fließen)

6.1.3 Einfluss der Gegenkörperrauigkeit

6.1.4 Thermische Effekte

6.2 Reibungsuntersuchung / Kennlinienfelder

6.3 Verschleißuntersuchung

6.3.1 Versuchsdauer

6.4 Typische Modellprüfsysteme für die Kunststoffprüfung (DIN/ISO 7148)

6.4.1 Stift/Scheibe (Pin-on-Disc, PoD)

6.4.2 Ring/Platte oder Ring/Scheibe

6.4.3 Kugel/Prisma oder Ball-on-three-plates (BOTP)

6.4.4 Block auf Ring (Block-on-Ring, BoR)

6.4.5 Radialgleitlager

6.4.6 Linear-oszillierender Flächenkontakt

6.5 Stick-Slip-Untersuchungen

7 Design of Experiments (DOE) / Statistik

7.1 Grundprinzipien der Statistischen Versuchsplanung

7.2 Verschiedene Experimentier-Methoden

7.2.1 One-factor-at-a-time (OFAT)

7.2.2 DoE: Vollfaktorieller Versuch (auf mind. 2 Stufen)

7.2.3 DoE: Teilfaktorieller Versuch

7.2.3.1 Beispiel Basketball-Experiment

7.3 Statistik

7.3.1 Gauß-Verteilung

7.3.2 Definition von Ausreißern

7.4 Auswertung / Darstellungsarten

7.4.1 Boxplots

7.4.2 Haupteffektdiagramm (Main Effect Plot) und Wechselwirkungen

7.4.3 Kontur-Plot

7.4.4 Pareto-Diagramm

7.4.5 Histogramm

7.4.6 Weibull-Verteilung

7.4.7 Weitere Verteilungsfunktionen

7.5 Zusammenfassung DOE und Statistik

8 Oberflächenmesstechnik

8.1 Grundlagen und Begriffe

8.2 Messverfahren

8.2.1 Autofokussensor

8.2.2 Weißlicht-interferometrie (WLI)

8.2.3 Konfokalmikroskopie

8.2.4 Laserscanning-Mikroskop

8.3 2D-Oberflächenparameter

8.3.1 Amplitudenkennwerte

8.3.2 Traganteilskurve (Abbott-Firestone-Kurve)

8.4 3D-Oberflächenparameter

8.4.1 Vorteile der 3D-Messtechnik und Einteilung der Kennwerte

8.4.2 Amplitudenparameter

8.4.3 Hybridparameter / Mischparameter

8.4.4 Fazit 3D-Kennwerte in der ISO 25178

8.5 Filter und Fehlstellenkorrektur

8.6 Praxisbeispiel mikrostrukturierte Kunststoffgleitfläche

9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen

9.1 Rasterelektronenmikroskopie (REM) mit energiedispersiver Röntgenanalyse (EDX) und Focus-Ion-beam-Technologie (FIB)

9.2 Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer (FTIR) und Ramanspektroskopie

9.3 Röntgen-Photonen-Spektroskopie (XPS)

9.4 Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS) und Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie (SIMS)

10 Computersimulation

11 Was zeichnet ein gutes Labor-Tribometer aus?

12 Zusammenfassung

13 Literaturhinweise und Quellenangaben

13.1 Veröffentlichungen und Bücher

13.2 Internet

13.3 Normen

14 Stichwortverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Tribometrie

Die Tribometrie beschäftigt sich mit dem Messwesen auf dem Gebiet der Tribologie.

Dies sind insbesondere die eingesetzten Prüfmaschinen (sog. Tribometer) und die aufgenommenen Messgrößen.

Die tribologische Prüftechnik ist und bleibt das wichtigste Hilfsmittel bei der Optimierung tribologischer Systeme. Obwohl in vielen Bereichen des täglichen Lebens und der Wissenschaft Computer die Arbeit übernommen haben, sind und bleiben mechanisch-dynamische Prüfungen auf Prüfständen in der tribologischen Forschung und Entwicklung unersetzlich. Sie sind notwendig, um unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen tribologische Systeme zu entwickeln und zu optimieren.

Prinzipiell erstreckt sich das Gebiet der Tribometrie von der Erprobung im Feld bis hin zum einfachen Laborversuch. Somit kann man jede Maschine auf der tribologische Fragestellungen untersucht werden, als Tribometer bezeichnen. In der Praxis versteht man unter Tribometer-Versuchen aber meist die relativ einfachen Laborprüfungen der Kategorie VI und V (Modell- und Probekörperversuche). Sowohl auf die unterschiedlichen Prüfmaschinen als auch die Prüfkategorien wird im Rahmen des Kapitels „3.4 - Modellprüfgeräte / Labortribometer“ noch detailliert eingegangen.

Neben der Beschreibung der wichtigsten Modell- und Bauteiltribometer werden auch wichtige Randthemen wie die eingesetzte Messtechnik, Oberflächenkennwerte und -analyse sowie auch Hinweise zur Statistik behandelt, um ein ausreichend breites Basiswissen zu schaffen, das es dem Leser letztendlich erlaubt, das volle Potential der Tribometrie auszuschöpfen.

Ein wichtiges Ziel dieses Buches ist es zu verdeutlichen, dass es in der modernen Tribometrie nicht mehr darum geht, blind Kennwerte zu erzeugen, sondern dass sie das Mittel ist, ein tiefgreifendes Verständnis für tribologische Vorgänge zu generieren.

1.2 Background: Das Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM) an der Hochschule Mannheim

Das Kompetenzzentrum Tribologie verfügt zurzeit über mehr als 50 verschiedene Tribometer für Modell- und Freigabetests und zur Simulation unterschiedlichster tribologischer Systeme. Ergänzt wird der umfangreiche Prüfmaschinenpark durch Geräte und Apparaturen zur hochgenauen Analyse und Dokumentation von Oberflächen sowie für die Viskosimetrie, die Untersuchung des Alterungsverhaltens und die Ermittlung chemisch/physikalischer Kennwerte. Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind Untersuchungen unter Grenz- und Mischreibungsbedingungen. Das Kompetenzzentrum Tribologie arbeitet bei der Optimierung von tribologischen Systemen nach einem ganzheitlichen, systemanalytischen Ansatz (Abbildung 1). Das heißt, dass prinzipiell erst einmal alle möglichen Optimierungsansätzen wie Werkstoffe (Metalle, Keramiken, Kunststoffe), Beschichtungen und Schmierstoffe (Öle, Fette, Feststoffe) in Betracht gezogen werden. Ganz wichtig ist aber auch, nach maschinenbaulichen Lösungen zu suchen. Häufig liegt das Problem bereits in einer ungünstigen Konstruktion, ungeeigneter Endbearbeitung oder anderer systematischer Mängel. Mögliche Lösungsansätze werden dann in speziell und individuell geplanten Tribometerversuchen evaluiert. Erst am Ende erfolgt die Bewertung, in die dann auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eingehen. Neben den öffentlich geförderten Projekten stellen auch bilaterale Kleinprojekte für KMU sowie der Technologietransfer einen Schwerpunkt der Arbeit dar.

Abbildung 1: Design-Thinking-Ansatz des KTM zur Problemlösung bzw. Optimierung tribologischer Systeme

In Rahmen der täglichen Arbeit stellt sich immer wieder die Frage über den Nutzen von Modell- und Laborprüfungen. Insbesondere die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Praxis wird hierbei häufig von skeptischen Kunden angezweifelt. Leider basieren viele dieser Zweifel tatsächlich auf schlechten Erfahrungen. Viele Kunden berichten von vollkommen gegensätzlichen Ergebnissen in den Modelltests und später in der Anwendung. Bei genauerer Betrachtung solcher Fälle muss man häufig feststellen, dass die Laborversuche für die praktische Fragestellung falsch ausgewählt, mit falschen Parametern durchgeführt oder einfach falsch interpretiert wurden.

In den letzten Jahren mussten wir mehrfach feststellen, dass es häufig an einem wissenschaftlichen Ansatz und ausreichend tribologischem Background fehlt. Teilweise kaufen sich Institute oder Firmen, die sich jahrelang mit anderen Themen beschäftigt haben, ein modernes Tribometer und wollen nun „auch noch den tribologischen Kennwert ermitteln“ (Originalzitat einer Firma, die sich zuvor auf chemische Materialanalysen konzentriert hatte). Das gleiche Problem sehen wir bei Instituten oder Abteilungen, die bisher auf die Computersimulation spezialisiert waren und denen nur noch der „tribologische Kennwert“ fehlt, um ein tribologisches System hochgenau im Computer abbilden zu können. Unterstützt wird diese Entwicklung von den Prüfstandsherstellern, die natürlich ein großes Interesse haben, ihre Geräte so zu bewerben, als ob jeder, ohne große Vorkenntnisse, problemlos tribologische Versuche durchführen könne. Das mag für einfache Modellprüfungen nach Norm vielleicht noch gelten. Werden die Versuche aber etwas anspruchsvoller, sind Bediener ohne Tribologie- und Maschinenbaukenntnisse häufig überfordert.

Dieses Buch soll dabei helfen, eine wissenschaftliche Vorgehensweise bei der Auswahl und dem Design geeigneter Laborprüfungen aufzeigen sowie Hinweise zur Auswertung der Versuche geben. Daneben werden zahlreiche Randaspekte betrachtet, die für die Interpretation der durchgeführten Versuche und für das Verständnis der tribologischen Vorgänge hilfreich sind.

1.3 Bedeutung und Aufgaben der Tribologie

Auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) 2014 gab es eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Tribologie. Damals war gerade die aktuelle „GfT-Tribologie-Studie 2014“ vorgestellt worden. Der so genannte Tribo-Talk stand daher unter dem Titel „Aufbruch oder Ernüchterung“. Alle Redner bestätigten dort die große Bedeutung der Tribologie für die Volkswirtschaft und Wissenschaft. Trotzdem klang bei allen etwas Wehmut heraus, da diese Bedeutung zwar in Fachkreisen unbestritten ist, sich der Allgemeinheit aber eher nicht erschließt. In Erinnerung geblieben ist mir der etwas resignierende Ausspruch eines Redners: „Tribologie ist halt nicht sexy“. Junge Menschen aber auch Politiker tendieren dazu in Schlagworten zu denken. Worte wie Klimaschutz, CO2-Neutralität, E-Mobility, Digitalisierung, Industrie 4.0, Additive Fertigung usw. hören wir tagtäglich in den Nachrichten. Das Wort Tribologie hört man dort nie. Selbst Fachleute können mit dem Begriff häufig nicht viel anfangen. Schaut man sich aber einmal die Aufgaben der Tribologie an (Abbildung 2), dann sind gerade wir Tribologen es, die die Lösungen zu den zuvor genannten Fragestellungen liefern können und müssen.

Abbildung 2: Aufgaben der Tribologie in Hinblick auf Nachhaltigkeit

Durch Reibung und Verschleiß entstehen den jeweiligen Volkswirtschaften der Industrieländer jährliche Verluste in Höhe von etwa 1,4% [HOLM2017] bis 7% [GFT2021] des Bruttosozialproduktes; das bedeutet für Deutschland mindestens 47 Milliarden EUR/Jahr. Durch konsequentes Umsetzen des bereits vorhandenen tribologischen Wissens könnten davon bereits große Teile eingespart werden. Durch weitere tribologische Forschung kann dieses Sparpotential noch gesteigert werden.

Die verstärkte Berücksichtigung tribologischer Kenntnisse bewirkt beträchtliche Einsparungen bei Energie- und Materialeinsatz, Produktion und Instandhaltung. Energie- und Rohstoffressourcen werden geschont, Umweltschäden vermieden und der Arbeitsschutz verbessert.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die weltweiten Klimaschutzziele nur erreicht werden können, wenn es gelingt, neue umweltfreundliche Technologien so attraktiv zu machen, dass sie sich auf dem Markt durchsetzen. Betrachtet man einmal den Anteil Deutschlands an den weltweiten Energieverbräuchen oder dem CO2-Ausstoß erkennt man schnell, dass eine auf Deutschland begrenzte Verbotspolitik nur einen symbolischen Charakter und global nahezu keine Wirkung hat. Stattdessen brauchen wir mehr Forschung und Innovationen, um eine globale Vorreiterrolle einzunehmen. Wir Wissenschaftler und Ingenieure sind also die Gestalter der Zukunft.

So „unsexy“ ist die Tribologie also eigentlich gar nicht. Wir müssen sie nur noch effektiver nutzen und vielleicht auch den Bekanntheitsgrad dieser Nischen-Disziplin erhöhen.

1.4 Die tribologische Beanspruchung

Der wesentliche Unterschied zwischen einer tribologischen und einer mechanischen Beanspruchung liegt in folgenden Punkten:

I.) Eine tribologische Beanspruchung ist primär in den Oberflächenbereichen von Werkstoffen wirksam.

II.) Bei tribologischen Beanspruchungen sind außer den kräftemäßigen auch stoffliche Wechselwirkungen zwischen den Partnern zu beachten.

Tribologische Kennwerte sind daher keine Werkstoffeigenschaft, sondern immer vom tribologischen Gesamtsystem abhängig!

Für tribologische Phänomene spielen daher vorwiegend die obersten Nanometer einer Oberfläche die entscheidende Rolle. Was dabei zu beachten ist, wird im Kapitel „2.2.2 - Aufbau metallischer Oberflächen“ verdeutlicht.

Wie komplex das Wechselspiel zwischen den Elementen des Tribosystems ist, wird dann im Kapitel „2.2.6 – Wechselwirkungen zwischen den Elementen“ detailliert beleuchtet.

Der Systemgedanke in der Tribologie wird sich wie ein roter Leitfaden durch das ganze Buch ziehen. Ohne ein hinreichendes Verständnis für diesen Aspekt sind sinnvolle tribologische Prüfungen, wissenschaftliches Arbeiten und allgemein tribologische Optimierungen nicht möglich.

2 Erläuterung der Systemanalyse

Basis aller tribologischen Begutachtungen ist die Methodik der Systemanalyse zur Beschreibung von Reibungs- und Verschleißvorgängen, die von CZICHOS Anfang der 1970er Jahre eingeführt wurde [CZIC1974]. Sie erlaubt die Erfassung und Ordnung aller wichtigen Größen in der Tribologie. Der erste Schritt besteht darin, die Bauteile einer Maschine oder Anlage, deren tribologisches Verhalten untersucht werden soll, räumlich von den anderen Bauteilen abzugrenzen („Freischneiden“). Dazu legt man in geeigneter Weise eine sogenannte Systemeinhüllende um die tribologisch beanspruchten Bauteile und um die anderen daran beteiligten stofflichen Partner (Abbildung 4). Die Bauteile und die stofflichen Partner bezeichnet man als die Elemente des Tribosystems. Bei einem Gleitlager bestehen sie z.B. aus der Welle, der Lagerschale, dem Schmierstoff und der Umgebungsatmosphäre. Die Elemente machen zusammen mit ihren Eigenschaften und Wechselwirkungen, zu denen wesentlich die Verschleißmechanismen gehören, die Struktur des Tribosystems aus, wobei man als Tribosysteme alle technischen Systeme bezeichnet, in denen Reibungs- und Verschleißprozesse ablaufen.

Abbildung 3: Bausteine der Systemanalyse

Abbildung 4: Funktion des Tribosystems nach CZICHOS/HABIG [CZIC2015]

2.1 Definitionen

In der Wissenschaft ist es wichtig, exakte Begriffsdefinitionen zu haben. Ursprünglich waren die wichtigsten Begriffe in der Tribologie in zahlreichen DIN-Normen zusammengestellt (DIN 50281, DIN 50320, DIN 50322, DIN 50323, DIN 50324). Diese wurden allerdings allesamt zurückgezogen, da das Firmeninteresse an der Mitarbeit in solchen Grundlagenarbeitskreisen gesunken ist. Die Definitionen sind aber weiterhin gültig und wichtig, weswegen sie in dem Arbeitsblatt 7 „Tribologie“ der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) zusammengefasst wurden [GFT7]. Aufgrund seiner Bedeutung kann dieses Arbeitsblatt kostenlos auf den Seiten der GfT heruntergeladen werden.

Kostenloser Download des Arbeitsblattes Nr. 7

unter https://www.gft-ev.de/arbeitsblaetter.htm

2.2 Das Beanspruchungskollektiv

Die wichtigsten Größen des Beanspruchungskollektivs sind:

• Bewegungsform

• Bewegungsablauf

• Belastung FN

• Geschwindigkeit v

• Temperatur T

• Zeit tB oder Weg s

Jede dieser Einzelbegriffe kann weiter unterteilt werden. So kann die Bewegungsform in

• Gleiten,

• Wälzen,

• Rollen,

• Stoßen oder Prallen,

• Strahlen und

• Strömen

unterteilt werden. Der Bewegungsablauf kann hierbei

• kontinuierlich,

• intermittierend (unterbrochen),

• repetierend (in einer Richtung wiederholend) oder

• oszillierend (hin und her)

sein.

Bei allen Größen ist der zeitliche Verlauf entscheidend. So hat ein zyklisches Be- und Entlasten eine vollkommen andere Wirkung auf das Tribosystem als eine konstante Kraft.

Auch bei der Temperatur ist beispielsweise ein stetiger Temperaturwechsel deutlich kritischer einzustufen als eine konstante Temperatur, da es dabei zu Kondensationseffekten und damit zum Wassereintrag kommen kann. Bei dem Faktor Zeit sind auch Stillstandszeiten zu berücksichtigen, weil es bei diesen zu einem Anstieg der Haftreibung, zum Wegfließen von Schmierstoff oder zu Korrosionseffekten kommen kann. Bereits kurze Stillstandszeiten helfen einem Tribosystem aber auch, sich thermisch zu erholen.

2.2.1 Elemente eines tribologischen Systems

Innerhalb der Struktur von Tribosystemen können vier Elemente unterschieden werden:

• Grundkörper

• Gegenkörper

• Zwischenstoff

• Umgebungsmedium

Abbildung 5: Elemente des Tribosystems

Jedes dieser Elemente kann durch verschiedene Eigenschaften beschrieben werden. Beim Grund- und Gegenkörper sind dies die Volumen- und Oberflächeneigenschaften. Auch diese können noch einmal unterteilt werden (siehe Tabelle 1). Beim Zwischenstoff erfolgt die Hauptunterteilung nach dem jeweiligen Aggregatzustand, d. h. ob der Zwischenstoff fest, flüssig oder gasförmig vorliegt. Detailliert wird diese Information durch die jeweiligen Stoffeigenschaften; im Fall des festen Körpers zusätzlich durch dessen Formeigenschaften. Auch beim Umgebungsmedium unterteilt man zuerst nach dem Aggregatzustand und im nächsten Schritt nach den jeweiligen Stoffeigenschaften.

Tabelle 1: Eigenschaften der Elemente

Grund-/ Gegenkörper

Zwischenstoff

Umgebungsmedium

1. Volumeneigenschaften

Aggregatzustand

Aggregatzustand

1. fest

1. flüssig

1.1. Stoffeigenschaften

1.1. Stoffeigenschaften

1.1. Stoffeigenschaften

- chem. Zusammensetzung

- chem. Zusammensetzung

- Volumen

- Struktur

- Struktur

- Dichte

- Festigkeit

- Viskosität

1.2. Formeigenschaften

1.2. Formeigenschaften

- Gestalt

- Gestalt

- Abmessungen

- Abmessungen

2. Oberflächeneigenschaften

2. flüssig

2. gasförmig

2.1. Stoffeigenschaften

2.1. Stoffeigenschaften

2.1. Stoffeigenschaften

- chem. Zusammensetzung der

- Volumen

- Druck

 Oberflächenschicht

- Dichte

- Feuchte

- Härte der Oberflächenschicht

- Viskosität

- Temperatur

2.2. Formeigenschaften

- Dicke der Oberflächenschicht

- Rauheit

3. gasförmig

3.1. Stoffeigenschaften

- Druck

- Feuchte

- Temperatur

Auf den ersten Blick sieht dies recht einfach aus, da man davon ausgeht, dass man diese Informationen in den entsprechenden Datenblättern oder Konstruktionszeichnungen finden kann. In der Praxis stößt man aber schnell auf Probleme. Bei den Zwischenstoffen enthalten die Datenblätter der Schmierstoffe aus Geheimhaltungsgründen häufig nicht die Informationen, die man für eine wissenschaftliche Bewertung benötigt. Auch die Stoffeigenschaften von Grund- und Gegenkörper sind nicht einfach zu finden. Aus den Konstruktionsunterlagen erhält man sicherlich Informationen, was für ein Material eingesetzt werden soll und wie der Vergütungszustand sowie die Form- und Rauheitseigenschaften der Oberfläche sind. Hierbei handelt es sich allerdings um theoretische Daten und Werte. Schaut man sich einmal eine reale metallische Oberfläche an - was heute dank moderner oberflächenanalytischer Verfahren möglich ist (siehe Kapitel 9) - so erkennt man, dass die für die tribologische Beanspruchung wichtige Oberfläche in ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften nicht dem Grundmaterial entspricht (Abbildung 6).

2.2.2 Aufbau metallischer Oberflächen

Jede reale Oberfläche ist in der Praxis von einer Adsorptionsschicht bedeckt, die nur wenige Nanometer dick ist, aber bereits einen signifikanten Einfluss auf das tribologische Verhalten hat.

Abbildung 6: Aufbau metallischer Oberflächen.

Ein bekannter Tribologe, der GfT-Vogelpohl-Ehrenpreisträger Werner Stehr, bezeichnet diese Schicht gerne als „Schlonz“. Dieser schwäbische Begriff verdeutlicht sehr schön, wie wenig man in der Praxis über die Zusammensetzung dieser oberflächennahen Schichten weiß.

Untersuchungen an Pressverbänden von Turboladern am Kompetenzzentrum Tribologie haben gezeigt, dass bereits das Berühren von zuvor gereinigten metallischen Bauteilen Haftreibwerte um den Faktor zwei reduzieren können. Für die praktische Anwendung bedeutet dies, dass der Reinigungszustand sehr genau beschrieben werden muss. Für anwendungsnahe tribologische Versuche muss man sich Gedanken machen, wie der Oberflächenzustand in der Praxis ist. Eine chemisch optimal gereinigte Oberfläche ist für die Wiederholbarkeit eines Laborversuchs vielleicht vorteilhaft, kann aber vollkommen andere Ergebnisse liefern als real kontaminierte Bauteile.

Unterhalb dieser Adsorptionsschicht findet man bei Metallen eine Oxid- oder Reaktionsschicht, die man heute beispielsweise im TEM oder im FIB/XB gut nachweisen kann (Abbildung 7 und Abbildung 8).

Abbildung 7 TEM-Darstellung einer Reaktionsschicht [Quelle: NMI Reutlingen]

Abbildung 8 FIB/XB-Darstellung des OF-nahen Gefüges [Quelle: NMI Reutlingen]

2.2.3 Geometrische und wahre Kontaktfläche

Die Oberfläche ist aber nicht nur chemisch schwer zu beschreiben, auch die Bestimmung der wahren Kontaktfläche ist kompliziert. Die wahre Kontaktfläche ist immer um Größenordnungen kleiner als die geometrische Kontaktfläche, die sich beim ebenen Kontakt aus Länge mal Breite berechnet. Die wahre Kontaktfläche hingegen ist die Summe aller Mikrokontakte, die sich aus der elastisch/plastischen Deformation in Abhängigkeit der Normalkraft ergibt.

Abbildung 9: Wahre Kontaktfläche

Betrachtet man einmal, wie sich die wahre Kontaktfläche in Abhängigkeit der Normalkraft ändert, so erkennt man, dass die tatsächliche Berührungsfläche annähernd im selben Maß wächst, wie die Normalkraft. Das bedeutet, dass die reale Flächenpressung quasi immer gleichbleibt (Abbildung 10). Diese Aussage basiert zwar auf einer sehr idealisierten Annahme, sie verdeutlicht allerdings das grundsätzliche Phänomen.

Abbildung 10: Tatsächliche und scheinbare Berührfläche (nach [GÄNS1960])

Wie die wahre Kontaktfläche mit der Normalkraft steigt, lässt sich schön mit einem transparentem Silikonstempel auf einer rauen Oberfläche zeigen (Abbildung 11).

Abbildung 11: Ausbildung der wahren Kontaktfläche zwischen einem Silikonstempel und einer rauen Oberfläche [PERS2009]

Um die wahre Kontaktfläche berechnen oder zumindest abschätzen zu können, ist eine genaue Beschreibung der Oberflächen notwendig. Die entsprechenden 2D- und 3D-Rauheits- und Topografiekennwerten werden im Kapitel 8 behandelt.

2.2.4 Kontaktzustand

Wie Grund- und Gegenkörper miteinander in Kontakt kommen, wird vom Kontaktzustand beschrieben. Hier unterscheidet man die geometrische Konformität, die Form der Tribokontaktfläche und das Eingriffsverhältnis (Abbildung 12).

Abbildung 12: Beschreibung des Kontaktzustandes

Die geometrische Konformität (Schmiegung) beeinflusst vorwiegend die Pressung und im Falle eines geschmierten Systems das hydrodynamische Verhalten. Hier unterscheidet man konforme und kontraforme Kontakte. Ebenfalls für die Pressung und das Schmierungsverhalten relevant ist, ob ein Flächen-, Linien- oder Punktkontakt vorliegt. Die Schmierung und die Kontaktart beeinflussen die Pressung im Bereich von mehreren Zehnerpotenzen. So liegen typische Pressungen für technische Systeme im Flächenkontakte im Bereich unter 150 N/mms2; für Linienkontakte unter 1500 N/mm2 wohingegen Punktkontakte häufig Pressungen deutlich über einem Gigapascal aufweisen.

Die Pressung in einem Punkt- oder Linienkontakt lässt sich relativ einfach mit den Formeln nach Hertz berechnen [HERT1881]. Obwohl diese nun über 140 Jahre alt sind, ergeben sich mit diesen Formeln bereits sehr gute Näherungswerte, die für Abschätzungen in aller Regel vollkommen ausreichen.

Abbildung 13: Pressungsberechnung mit den Formeln nach Hertz (in Anlehnung an [WITT1991])

Die Hertzschen Formeln wurden erst im Jahre 1971 von JOHNSON, KENDAL und ROBERTS um die Adhäsionskräfte erweitert (JKR-Theorie [JOHN1971]). Weitere Forscher entwickelten ähnliche Theorien, die sich aber nur gering in den Ergebnissen unterscheiden, sodass sich die JKR-Theorie durchgesetzt hat. Der wesentliche Unterschied zum nicht-adhäsiven Kontakt besteht darin, dass an den Rändern des Kontaktgebietes die Spannung nicht null ist, sondern einen unendlich großen negativen Wert annimmt. Die Berücksichtigung der endlichen Reichweite der Adhäsionskräfte beseitigt in der Realität diese Singularität. Dennoch erreichen die Spannungen laut POPOV an den Rändern eines adhäsiven Kontaktgebietes relativ große Werte in der Größenordnung der theoretischen Festigkeit der Van-der-Waals-Bindungen [POPO2009].

Neben den absoluten Pressungen ist auch die Spannungsverteilung für die Beanspruchung entscheidend. So tritt bei einem statisch belasteten Walzenpaar die Maximalspannung in einer Tiefe von 0,78-mal der halben Kontaktbreite auf (Abbildung 14). Das bedeutet, dass der Ort der Rissentstehung voraussichtlich unter der Oberfläche liegen wird (zum Beispiel bei Zahnrädern bei ausreichender Schmierung).

Abbildung 14: Spannungsverteilung bei einem Walzenpaar und passend skaliertes Schliffbild mit einem Riss in der Tiefe (in Anlehnung an [BROS1982])

Die Formeln nach Hertz basieren allerdings auf einigen idealisierten Annahmen. So gelten sie nur für isotope und rein elastische Körper mit ideal glatten Oberflächen. Daneben gelten sie ausschließlich für den statischen Fall. Betrachtet man nun eine dynamische Beanspruchung, so verschieben sich die Spannungsmaxima in Richtung der Oberfläche. Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie mit steigendem Reibwert das Spannungsmaxima an die Oberfläche wandert (Abbildung 15).

Abbildung 15: Spannungsmaxima mit steigendem Reibwert (in Anlehnung an [BROS1982])

2.2.5 Schmierungszustand

In geschmierten Systemen ist die tribologische Beanspruchung stark von den hydrodynamischen Bedingungen abhängig. Eine vereinfachte, idealisierte aber sehr bekannte Darstellung ist die sogenannte Stribeckkurve. Sie zeigt, wie sich der Reibungskoeffizient eines geschmierten Gleitlagers mit steigender Drehzahl verändert. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die dynamische Viskosität und die Normalkraft während des Versuchs nicht ändern. Dies ist eine idealisierte Annahme, die in der Praxis häufig so nicht gilt.

Abbildung 16: Idealisierte Stribeckkurve eines geschmierten Radialgleitlagers

Der Begriff Stribeckkurve wird teilweise auch als Synonym für die Veränderung des Reibwertes in Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit verwendet. Man findet diesen Begriff daher teilweise auch bei trockenen Tribosystemen.

2.2.6 Wechselwirkungen zwischen den Elementen

Neben der exakten Beschreibung der Oberflächen stellen auch die Wechselwirkungen zwischen den Elementen des Tribosystems ein großes Problem dar. Jedes der vier Elemente agiert mit einem anderen Element. So beeinflussen sich beispielsweise Grund- und Gegenkörper durch die später noch detailliert beschriebenen Verschleißmechanismen. Zwischen Grund- und Gegenkörper und dem Umgebungsmedium kommt es zu Absorptionsprozessen, chemischen Reaktionen und Sublimation. Besonders kompliziert ist das Zusammenspiel mit dem Zwischenstoff (Abbildung 17). Neben der gewünschten Wirkung der Additive des Schmierstoffs gibt es hier auch vielfältige und teilweise negative Wechselwirkungen.

Abbildung 17: Übersicht über die möglichen Wechselwirkungen zwischen den Elementen (nach [CZIC10])

2.3 Verschleißmechanismen und deren Verschleißerscheinungsformen

Wie zuvor bei den Wechselwirkungen schon angedeutet, beeinflussen sich Grund- und Gegenkörper über die Verschleißmechanismen. In der Tribologie hat man vier Hauptverschleißmechanismen definiert. Adhäsion, Abrasion, Oberflächenzerrüttung und tribochemische Reaktion (Tribooxidation) (Abbildung 18).

Abbildung 18: Übersicht über die vier Hauptverschleißmechanismen

Jeder dieser Verschleißmechanismen zeigt typische Verschleißerscheinungsformen. Diese sind in Abbildung 19 dargestellt. Die Verschleißerscheinungsformen sind ein wichtiges Puzzleteil bei der Schadensanalyse. Anhand der richtigen Deutung der Verschleißerscheinungsformen sowie weiterer Informationen zum Tribosystem kann eine Hypothese über mögliche Ursachen aufgestellt werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um geeignete Abhilfemaßnahmen zu finden und diese im Labor zu testen. Eine vereinfachte Übersicht über Möglichkeiten die jeweiligen Hauptverschleißmechanismen einzuschränken, findet sich in Abbildung 20