Trinkgeld vom Schicksal - Selim Özdogan - E-Book

Trinkgeld vom Schicksal E-Book

Selim Özdogan

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Beschreibung

Die perfekten Momente im Leben Die träumerische, gelassene Atmosphäre einer Nacht am Lagerfeuer rufen diese Geschichten, Beobachtungen und Szenen hervor: Man hört zu, wird melancholisch, albern, nachdenklich, entspannt und erinnert sich am nächsten Tag weniger an das, was geredet wurde, als eben an - die Stimmung. "Sandburg Schreiben ist wie Sandburgen bauen. Du setzt dich hin und baust etwas und willst, dass es schön wird, du gibst dir Mühe mit dem Ding. Vielleicht bekommst du einen Sonnenbrand, hast Durst und schwitzt, aber du kannst völlig darin versinken, diese Burg zu bauen, es ist eine schöne Beschäftigung. Es geht nicht darum, dass Leute vorbeikommen und dein Werk bewundern, aber es ist fein, wenn ab und an einer stehenbleibt, um es sich anzusehen. Irgendwann stellst du fest, dass du deine Zeit mit dieser Sandburg vertrödelt hast, während die andern gearbeitet und Geld verdient haben. Und nun bist du fast schon gezwungen, Eintritt zu nehmen, wenn jemand kommt, um sich deine Sandburg anzusehen." Selim Özdogan

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Informationen zum Buch

Die perfekten Momente im Leben

Die träumerische, gelassene Atmosphäre einer Nacht am Lagerfeuer rufen diese Geschichten, Beobachtungen und Szenen hervor Man hört zu, wird melancholisch, albern, nachdenklich, entspannt und erinnert sich am nächsten Tag weniger an das, was geredet wurde, als eben an - die Stimmung.

»Selim Özdogan sensibilisiert für die kleinen, denkwürdigen Augenblicke, für die es sich zu leben lohnt.« BRIGITTE

»Sandburg Schreiben ist wie Sandburgen bauen. Du setzt dich hin und baust etwas und willst, dass es schön wird, du gibst dir Mühe mit dem Ding. Vielleicht bekommst du einen Sonnenbrand, hast Durst und schwitzt, aber du kannst völlig darin versinken, diese Burg zu bauen, es ist eine schöne Beschäftigung. Es geht nicht darum, dass Leute vorbeikommen und dein Werk bewundern, aber es ist fein, wenn ab und an einer stehenbleibt, um es sich anzusehen. Irgendwann stellst du fest, dass du deine Zeit mit dieser Sandburg vertrödelt hast, während die andern gearbeitet und Geld verdient haben. Und nun bist du fast schon gezwungen, Eintritt zu nehmen, wenn jemand kommt, um sich deine Sandburg anzusehen.« Selim Özdogan

Selim Özdogan

Trinkgeld vom Schicksal

Geschichten

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Die Tochter des DJs

54/46

Wechselgeld

Die Musik hören

Anruf

Wie heißen die Fehler, die man zwanzig Jahre lang macht

Ein Mann namens Borell

Alles bestens

Andere Zeiten

Eine Bar in Tabasco

Soll ich es Ihnen einpacken?

Lange her

Sie kann den Schmerz nicht vergessen

Schneewittchen

Joshua

Die Mütze meines Opas

Zuerst den Linken

Karmahotel

Eileen

Halbfinale

Verlaufen

Zu Fuß

Myrie

Brille und Zahnspange

Mein Vater trank gern Bier beim Bügeln

Josef

Die Geschichtenerzählerin

Heiraten

Noch mal

Arbeiten

Auf meine Art

Der Kuß

Hof

Tourbegleitung

Nur geliehen

Momente

So sieht das aus mit der Liebe

Eins dieser Bilder

Jeden Frühling wünsche ich mir das gleiche

Keine Seele

Wie lange noch

Ich, Wir

Grenze

Schlechte Zeiten

Selbst ist der Mann

Schlampe

Opferfest

Marita

Noch Fragen

Über Selim Özdogan

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Es gibt keine Wahrheit. Ich glaube nicht, daß das Leben eines Menschen von seiner Philosophie bestimmt wird. Seine Philosophie ist vielmehr Ausdruck seiner Wünsche, Instinkte und Schwächen.

W. Somerset Maugham

Die Tochter des DJs

Die ersten zwei oder drei Minuten konnte ich im Halbdunkel nicht entscheiden, ob es ein Mann oder eine Frau war. Ich versuchte, Bartstoppeln zu erkennen, einen ausgeprägten Adamsapfel oder einen Busen unter der Strickjacke. Auch die Bewegungen halfen mir nicht weiter. Wir waren in einem Laden, in dem heute Dancehall Reggae aufgelegt wurde, es war vor Mitternacht und noch ziemlich leer. Ich stand mit dem Rücken an die Theke gelehnt da und sah mir die wenigen Leute an. Bald würden die kommen, die immer so spät ausgingen, die Tanzfläche würde sich füllen, ich würde tanzen, bis ich keine Lust mehr hätte, und dann fröhlich nach Hause fahren. Ich würde kurz auf die Uhr sehen, ob es eher zwei war oder vier, um nach einigen Stunden Schlaf direkt nach dem Aufstehen eine CD aufzulegen und noch ein bißchen nur für mich in meinem Zimmer zu tanzen. Heute abend war ich allein hierhergekommen, und ich genoß es, nur gucken, tanzen und schließlich gehen, ohne sich von jemandem verabschieden zu müssen oder länger zu bleiben, als man eigentlich wollte, oder eher weg zu sein.

Das Lächeln wirkte weiblich, doch erst, als sie die Jacke ausgezogen hatte, war ich mir sicher, daß das die schönste androgyne Frau war, die ich je gesehen hatte. Eine schlanke Person in Jeans ohne Hintertaschen und einem dunkelblauen T-Shirt mit weißen Bündchen. Ihr Gesicht war schmal mit ausgeprägten Wangenknochen und einem fast schon eckigen Kinn. Während sie sich eine Zigarette drehte, fragte ich mich, wie lange es dauern würde, bis sie merkte, daß ich sie anstarrte, wie lange würde es dauern, bis ich meine Blicke zügeln mußte.

Sie nahm sehr lange überhaupt keine Notiz von mir, ich konnte tanzen, sie ansehen, tanzen, sie wieder ansehen und manchmal auch beides gleichzeitig, doch dann mußte ich oft sehr bald die Augen schließen, um nicht vor Vergnügen zu platzen.

Das Soundsystem gab uns Baß, Baß, mehr Baß, feuerte ihn in unsere Knochen, ließ uns vibrieren, wärmte uns, schickte Funken in unsere Köpfe, explodierende Lichter in allen Farben des Tanzes, ich hörte Trillerpfeifen und Sizzlas Stimme, natürlich war die Musik das Heilmittel der armen Leute, aber auch das Heilmittel aller anderen, die Musik war unsere Fahrkarte in die purpurnen Freuden der Bewegung, sie war uns Stärkung und Hoffnung, sie war der Anker, sie war unser Mittelpunkt. Alles ist aus Klang entstanden.

Die Musik schien sie zu verwandeln, wenn sie tanzte, dann wurden ihre Bewegungen weicher, fließender, sie kippte den Oberkörper leicht nach vorne und ließ ihren Hintern kreisen, und der Schwung ihrer Hüften übertrug sich auf ihren ganzen Körper. Es war mittlerweile voller geworden, manchmal verlor ich sie aus den Augen, und wenn ich sie länger nicht sah, befürchtete ich, daß sie gegangen sein könnte. Sie schien viele Leute zu kennen, doch unterhielt sich mit jedem immer nur kurz.

Es mochte gegen zwei sein, als es mir drinnen zu voll wurde, ich kaufte mir das zweite Bier des Abends und ging raus, es war noch warm. Ich setzte mich auf das äußerste Ende des breiten Treppenaufgangs, trank und sah mir die Sterne an. Irgendwann fiel mir auf, daß ich wahrscheinlich schon seit Ewigkeiten grinste.

Auf einmal stand sie neben mir.

– Hast du mal eine Zigarette für mich?

– Leider. Ich kann dir einen Schluck Bier anbieten.

– Erst brauche ich eine Zigarette, ich komme wieder, sagte sie.

Etwas später setzte sie sich neben mich, und ich reichte ihr wortlos, aber lächelnd die Flasche, sie trank einen kleinen Schluck.

– Das ist ein guter Abend, sagte ich.

– Ja, sagte sie, ich liebe die Musik.

– Ja, und alle tanzen und freuen sich und sind gut drauf.

Wir drehten gleichzeitig die Köpfe und sahen uns in die Augen, sie lächelte, ich auch, dann gab sie mir die Flasche zurück.

– Kennst du das, sagte sie, wenn du nach so einer Nacht aufwachst, du riechst noch nach Abend, die Melodien sind noch in deinem Kopf, der Rhythmus noch in deinen Beinen und

– du legst als erstes eine CD ein und tanzt allein in deinem Zimmer.

– Genau, sagte sie, genau. Aber spätestens am Nachmittag fühlst du dich leer und erschöpft, die Freude verfliegt, weil du sie nicht teilen kannst.

– Ja, so geht es mir auch immer.

Ich nahm noch einen Schluck aus der Flasche, und sie flitschte die Zigarette weg, lehnte sich zurück, stützte sich auf die Ellenbogen, legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. Dann richtete sie sich wieder auf und sagte:

– Mein Vater ist DJ. Von ihm habe ich diese Liebe zur Musik.

– Wie alt ist denn dein Vater?

– 54.

– Ich stelle mir DJs immer jünger vor.

– Das ist keine Frage des Alters, sagte sie, er liebt diese Musik wie am ersten Tag.

– Wie heißt du eigentlich, Tochter des DJs?

– Dominique. Und du?

– Timo. Eigentlich Timur, aber es sagen alle Timo.

– Bist du allein hier?

– Ja, ich gehe gerne alleine tanzen. Kino und tanzen kann man gut alleine machen, ich muß das nicht gemeinsam haben.

– Aber es ist schöner.

– Ja, sagte ich und nahm noch einen Schluck, oft ist es schöner.

– Wohnst du allein? fragte sie.

– Ja.

– Ich auch.

War das ein Angebot? Wenn ja, war es mir viel zu schnell und viel zu direkt. Ich war verunsichert und wußte nicht, was ich sagen sollte. Gehen wir doch später zu dir, ich finde dich wunderschön, und ich hasse es, morgens allein aufzuwachen. Oder: Tut mir leid, das macht mir Angst, ich kann nicht umgehen mit Frauen, die so direkt sind.

Daß die Flasche mittlerweile leer war, merkte ich erst, als der Boden schon in den Himmel zeigte und immer noch kein Tropfen kam. Es war jetzt an mir, etwas zu sagen, doch ich war verlegen. Ist sie betrunken oder auf Pille, fragte ich mich, ich versuchte ihre Pupillen zu erkennen, die waren groß, ja, aber es war ja auch ziemlich dunkel draußen. Hatte ich sie vielleicht einfach nur falsch verstanden.

Das Schweigen legte sich jetzt wie gehärteter Sprühkleber auf uns, wir waren unfähig, uns zu bewegen, wir klebten fest an den Treppenstufen und ich zudem noch an der Flasche, wir beide aneinander, obwohl wir uns gar nicht berührten.

Schließlich schafften wir es, die Köpfe zu drehen und uns anzusehen.

– Laß uns reingehen, tanzen, sagte sie, es ist noch früh.

– Okay, sagte ich.

– Vielleicht bis später, Timur, sagte sie, stand auf und ging. Ich blieb noch ein wenig sitzen, bis ich den Sprühkleber nicht mehr fühlte und die Sterne wieder sehen konnte.

Drinnen ging ich direkt an die Theke, Schnaps, ich brauchte jetzt Schnaps, meine Güte, war ich schnell zu verunsichern, meine Güte, war ich langsam, Herrgott. Doppelte Wodka, drei Stück, dann auf die Tanzfläche, mich beruhigen, es dauerte, aber bald war ich wieder drin, in der Musik, raus, aus meinem Kopf.

Warum eigentlich nicht, was hatte ich schon zu verlieren, was konnte mir passieren? Schlimmstenfalls würde ich mich morgen früh ekeln, so einfach war das, als ich meinen vierten Doppelten kippte. Ich trank in letzter Zeit kaum noch, ich hatte nicht mehr so viele Hemmungen, die ich vergessen mußte, deshalb fiel es mir um so mehr auf, wenn ich trinken mußte, weil ich nicht anders konnte. Nüchtern zu schüchtern.

Dominique war noch da, tanzte, lächelte mich manchmal an, sah noch schöner aus als am Anfang. Vielleicht ist sie doch ein Mann, schoß es mir durch den Kopf, ein Schwuler, der es ausnutzt, daß Männer ihn manchmal für eine Frau halten, Dominik, na klar. Aber sie hatte doch nicht widersprochen, als ich sie Tochter des DJs genannt hatte. Ich sah mir Dominique noch mal an. Und wenn es ein Mann war, er sah gut aus, ein baumelnder Sack würde ihn auch nicht häßlicher machen. Außerdem liebten wir beide die Musik und wußten, wie es war, morgens als erstes eine CD aufzulegen.

Ich sah ihr noch ein wenig beim Tanzen zu, und als sie sich an den Rand stellte, um auszuruhen, ging ich zu ihr.

– Wollen wir gehen? fragte ich und fand mich plump und ungeschickt, aber noch mehr hatte ich nicht trinken wollen, dann mußte ich mich eben ein wenig schämen für diese Einfallslosigkeit.

– Gehen wir, sagte sie, ich habe noch ein paar schöne Stücke zu Hause, die wir gemeinsam hören können.

Draußen blieb Dominique kurz stehen und sagte:

– Timur, das ist ein türkischer Name, oder? Timur, es geht mir nicht um Sex, und wenn du jetzt mitkommst, dann tu mir bitte einen Gefallen, ja? Ich wache nicht gerne alleine auf, ich möchte, daß du morgen früh da bist, wenn ich die Augen aufmache.

– Na klar, sagte ich.

Vielleicht hätte ich doch mehr trinken sollen. Was für eine Frau.

Es war nicht weit bis zu ihrer Wohnung, ich kaufte mir noch ein Bier an der Tanke, und den Rest des Weges sangen wir. Zuerst hatte sie nur vor sich hingesummt, aber schnell erkannte ich die Melodie, und schon bald sangen wir zweistimmig. Das war lange her, daß ich nachts in den Straßen mit jemandem gesungen hatte, das war sehr lange her, doch es erfüllte mich nun mit Freude und nicht mit Wehmut. I don’t believe in civilization, but yet I still drive a car, I don’t believe in hard work, but still I have a farm, but look what it all comes down to, ain’t gonna figure it yet, ’till you have one hand full of ashes, and the other hand is putting your soul to rest.

Die Tochter des DJs, wir kannten dieselben Lieder.

Sie hatte eine Altbauwohnung mit einer kleinen Küche und einem großen Zimmer mit hoher Decke, das hier und da in Rot gestrichen war, als hätte sie nur rumprobiert. Auf dem Boden lag ein Futon, sie hatte eine große Holztruhe, riesige Boxen, zwei Technics Plattenspieler, 1210er nehm ich an, und eine beeindruckende Plattensammlung.

Dominique zog ihre Schuhe und Strümpfe aus, machte den Verstärker an, holte aus einer Kiste voller Singles eine Platte heraus und legte sie auf den Teller, auf den sie ihren linken Zeigefinger hielt, so daß er sich nicht drehen konnte. Ich durfte auf ihrem Bett sitzen und zusehen, wie Dominique die Nadel sanft auf das Vinyl setzte. Auch ich zog Schuhe und Strümpfe aus, wir lächelten uns an, draußen zwitscherten schon die Vögel.

– Gib uns Musik, sagte ich, und sie hob ihren Finger, und der Sound war mit einem Mal überall. Dominique kam hinter ihrem Plattenspieler hervor, und wir tanzten, wir rieben uns aneinander, warfen die Arme in die Luft, sprangen auf und ab, sie beugte wieder mit geradem Rücken ihren Oberkörper vor, streckte ihren flachen Hintern raus und ließ ihn kreisen.

Was für eine Frau, die sich im ersten Licht zu der Liebe ihres Vaters bewegte, eine Frau, die laufwärts immer Klang sein wird. Das perfekte Glücksversprechen, sie hatte den Baß in den Genen, falls wir uns doch liebten, würde ich durch sie auch die Musik streicheln, ich würde die Melodien küssen und von den tiefen Frequenzen umschlungen werden.

Dominique legte die nächste Single auf, und wieder die nächste, die neuesten Riddims, den heißesten Kram, noch eine, immer wieder drei Minuten, die alles bedeuten konnten. Schließlich sagte sie:

– Einen noch. Ska.

Ich staunte nicht schlecht, als ich Athena erkannte.

– Woher? fragte ich in die Stille hinein, nachdem wir noch ein letztes Mal durchs Zimmer getanzt waren.

– Ich bin die Tochter des DJs, sagte sie. Da kann ich doch auch türkischen Ska kennen.

Sie lächelte stolz, setzte sich auf die Matratze, drehte sich eine letzte Zigarette. Der Horizont suchte sich ein paar Orangetöne für einen schönen Morgen aus. Ich zog mein Hemd aus, knöpfte es auf, anstatt es wie sonst über den Kopf zu ziehen. Dann ging ich ins Bad, stellte mich ans Waschbecken und sah mir meine müden Augen an und mein Grinsen. Ich drehte den Wasserhahn auf, hielt meine Hände darunter, plätscherte ein wenig, drehte ihn wieder zu. Morgen früh würde Dominique uns als erstes eine Platte auflegen, vor dem Frühstück. Nachdem ich meine Hände abgetrocknet hatte, ging ich ins Zimmer zurück und setzte mich aufs Bett und knöpfte meine Hose auf. Dominique drückte ihre Zigarette aus und stand auf.

Als sie aus dem Bad kam, hatte sie ein T-Shirt an, das ihr bis knapp über die Knie reichte. Ich schlug die Decke zurück, sie legte sich mit dem Rücken zu mir hin und fragte: Löffelst du mich? Als ich an sie heranrückte, nahm sie meine Hand und legte sie sich auf den Bauch. Kurz hielt ich die Luft an, horchte auf den Rhythmus ihres Atems, dann stimmte ich ein. Schon bald zuckte ihr Bein, dann zuckte ihr Arm, ich fragte mich, ob auch ihre Finger zucken würden, und dann weiß ich nichts mehr.

Ihr Wecker zeigte halb eins, als ich die Augen aufmachte und mein erster Gedanke war: Sie ist kein Mann. Ich drehte mich auf den Rücken und lächelte dem Tag entgegen.

Als es schon kurz vor zwei war und Dominique immer noch nicht wach, stand ich leise auf und ging in die Küche, setzte Kaffee auf, versuchte dabei möglichst wenig Geräusche zu machen und hoffte doch, daß sie aufwachen würde. Was sie nicht tat. Ich blätterte in einer Musikzeitschrift, sah in den Kühlschrank, starrte aus dem Fenster, trank Kaffee, las die Rückseite der Cornflakespackung, langweilte mich.

Ihr Schlüssel lag auf dem Küchentisch, ich hatte Hunger, und so kam ich auf die Idee, daß ich ja Brötchen holen konnte, Dominique würde sich bestimmt freuen. Vorsichtig lugte ich ins Zimmer, sie schlief immer noch, ein Bein lag über der Decke, ihr T-Shirt war hochgerutscht. Ich sah mir diesen friedlichen Gesichtsausdruck an, ihre lange gerade Nase, die dichten Augenbrauen, das kräftige Kinn. Ich hatte das Gefühl, als könne ich mich verlieben. Ein Gefühl, das ich schon länger nicht mehr gehabt hatte.

Mit angehaltenem Atem wartete ich, ob ein Liderflackern mir möglicherweise verraten würde, daß sie schon wach war, daß sie mich genauso beobachtete wie ich sie. Doch sie schien tief zu schlafen.

Leise ging ich durch den kurzen Flur, steckte von außen den Schlüssel ins Schloß, drehte vorsichtig die Zunge zurück und zog dann leise die Tür zu. Mein Blick fiel auf ihr Klingelschild, Bellal, ein seltsamer Name.

Es war ein freundlicher, heller Tag, vielleicht würde ich ja den Rest den Sommers mit Dominique verbringen. Den ersten Passanten, der mir entgegenkam, fragte ich nach einer Bäckerei, es gab eine ein paar Straßen weiter, ich konnte mich gar nicht entscheiden, ob ich grinsen oder ein Lied pfeifen sollte. Frühstücken mit Dominique, ein sonniger Samstag, Musik in meiner Seele, die Welt paßte in mein Herz.

Der Name der Bäckerei machte mich schon etwas stutzig. Als ich dann drinnen stand, war die Ähnlichkeit verblüffend, die gleiche Nase, ein ähnliches Kinn, die Augen, die Wangenknochen, nur die lockigen blonden Haare paßten nicht so recht ins Bild.

– Bitteschön, was kann ich für Sie tun? fragte der Mann.

– Äh, Schrippen, vier oder, nee, fünf und Croissants und Negerküsse, jeweils zwei und Kuchen, Kirschkuchen …

Ich sagte einfach irgend etwas, ich entschied mich wahllos, und während er die Sachen einpackte, fragte ich:

– Waren Sie früher DJ?

– DJ? fragte er. Wieso DJ, ich bin Konditor.

– Aber Sie haben früher Platten aufgelegt?

– Nein, nie. Wie kommen Sie denn darauf? fragte er sichtlich verwundert.

– Keine Ahnung, war nur so ne Idee. Aber Sie sind schon Herr Bellal, oder? Das ist Ihre Bäckerei.

– Ja, sagte er, die Bäckerei Bellal gehört mir.

– Sie haben nicht zufällig eine Tochter oder sonstwie Verwandte, die Dominique heißt, oder?

– Doch, sagte er, ich bin der Vater. Kennen Sie sich?

– Dominique Bellal.

– Meine Tochter.

Ich nickte.

Als ich die Tür aufschloß, stand sie in ihrem T-Shirt im Flur, sie schien auf mich gewartet zu haben. In ihrem Gesicht, in ihrer ganzen Haltung lag ein Vorwurf, eine Ablehnung, als würden sich meine Gefühle in ihrem Körper spiegeln.

– Du warst nicht da, sagte sie, du hattest es versprochen.

Ich legte die Tüte mit den Brötchen und den Schlüssel auf den Boden, sagte: Tut mir leid, und ging. Ich wäre gerne der Sohn eines Heiligen gewesen.

54/46

Ist es Materie? war meistens die erste Frage, nachdem wir das alte Wer-bin-ich-Spiel erweitert hatten. Personenraten war irgendwann zu vorhersehbar und langweilig geworden, also hatten wir uns entschieden, daß man sich alles mögliche ausdenken konnte, einen Gegenstand, ein Tier, einen Film, eine Geste, ein Geräusch, ein Gefühl, einen Song. Man mußte Fragen stellen, um das zu erratende Ding einzugrenzen, und durfte bei jeder positiven Antwort weiterfragen, bei einem Nein kam der andere dran.

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