Twisted - Emily McIntire - E-Book

Twisted E-Book

Emily McIntire

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Beschreibung

Sie ist sein ungeschliffener Diamant. Er ist ihr schlimmster Albtraum. Yasmin Karam, die Tochter eines der reichsten Männer der Welt, hat noch nie Streit erlebt. Als ihr geliebter Vater erkrankt, ist sie fest entschlossen, ihn noch ein mal glücklich zu machen. Sein letzter Wunsch? Sie mit einem Mann seiner Wahl verheiratet zu sehen. Doch Yasmins Herz gehört bereits einem anderen. Einem Diener. Einer Straßenratte. Einem Mann, den ihr Vater niemals für würdig halten würde. In dieser Zwickmühle geht Yasmin einen verzweifelten Deal mit Julian, der rechten Hand ihres Vaters, ein, nicht ahnend, dass er seine eigenen, verdrehten Pläne verfolgt. Julian Faraci hat nur ein Ziel: der mächtigste Mann der Welt zu werden. Er hat sich eine Zukunft aus gebrochenen Knochen und verblassten blauen Flecken aufgebaut, ohne sich darum zu kümmern, wen er auf seinem Weg verletzt hat. Doch als sein Mentor erkrankt, steht er kurz davor, alles zu verlieren, und er wird vor nichts zurückschrecken, um das zu erben, was ihm rechtmäßig zusteht. Selbst wenn das bedeutet, eine Frau, die er nicht ausstehen kann, in die Ehe zu zwingen. Twisted ist ein düsterer Liebesroman und der erste, unabhängig lesbare, Teil der Never-After-Serie: einer Sammlung von gebrochenen Märchen, in denen die Bösewichte die Helden sind. Es handelt sich nicht um eine Nacherzählung und nicht um Fantasy. Twisted enthält Themen und Inhalte, die möglicherweise nicht für alle Leser:innen geeignet sind. Alle Warnhinweise zum Inhalt findet ihr auf der Webseite der Autorin.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Twisted by Emily McIntire 2023

© der deutschsprachigen Erstausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2025

Übersetzung aus dem Amerikanischen: Birte Mirbach

Redaktion: Antje SteinhäuserKonvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: zero-media.net, München, nach einem Entwurf von TRC Designs

Covermotiv: unter Verwendung von Shutterstock

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Wir behalten uns eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Playlist

Widmung

Zitat

Anmerkung der Autorin

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Epilog

Erweiterter Epilog

Steckbriefe

Julian Faraci

Yasmin Karam

Werde Mitglied bei McIncult!

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Playlist

»Devil on My Shoulder« – Faith Marie

»Changes« – Hayd

»In the End« – Beth Crowley

»Boyfriend« – Dove Cameron

»Love is Madness« – Thirty Seconds to Mars (feat. Halsey)

»idfc« – blackbear

»Under the Influence« – Chris Brown

»Demons« – Imagine Dragons

»Girls Like Us« – Zoe Wees

»Infinity« Jaymes Young

Widmung

Für die Menschen, die es anderen immer recht machen wollen.

Es ist in Ordnung, manchmal ein bisschen selbstsüchtig zu sein.

Zitat

»Es ist erstaunlich, was verliebte Frauen alles tun.«

Anonym,Tausendundeine Nacht

Anmerkung der Autorin

Twisted ist ein düsterer, zeitgenössischer Liebesroman, in dem sich die Liebe nur langsam entwickelt.

Es ist ein gebrochenes Märchen für Erwachsene, keine Fantasy oder eine Nacherzählung.

Die Hauptfigur ist ein Schurke. Wenn du auf der Suche nach einer ungefährlichen Lektüre bist, wirst du sie auf diesen Seiten nicht finden.

Twisted enthält sexuell explizite Szenen, die anschaulich beschrieben werden und nicht für jede Zielgruppe geeignet sind. Es liegt in deinem Ermessen, ob du dieses Buch lesen möchtest. Ich fände es besser, wenn du dich ohne Vorwissen darauf einlassen würdest, aber wenn du eine Liste mit detaillierten Triggern möchtest, findest du sie auf EmilyMcIntire.com.

Prolog

Julian

Meine Mutter ließ mich die Gerten immer selbst aussuchen. Ich tigerte durch den kleinen, bewaldeten Bereich hinter unserem Haus und suchte nach dem kleinsten Ast, den ich finden konnte: Einen, der dick genug war, um den Gürtel zu ersetzen, der aber nicht ganz so weh tat.

Dann schlug sie mich, bis ich blutete.

»Es wird nur kurze Zeit wehtun, Piccolo«, hatte sie immer gemurmelt.

Hinterher entschuldigte sie sich und ging mit mir ein Gelato essen.

Zartbitter-Himbeere. Ihre Lieblingssorte.

Manchmal verdiente ich die Prügel. Ich war ein Junge, der bei dem Gedanken daran, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und die Kette von chemischen Reinigungen zu übernehmen, die meine Großeltern nach ihrer Einwanderung aus Kalabrien aufgebaut hatten, rebellierte. Andere Male war der Grund nicht so leicht auszumachen.

Jedes Mal, wenn mein Vater nach Hause kam, nachdem er von den Kunden, für die er Flecken beseitigte, lächerlich gemacht und herablassend behandelt wurde, schlug er meine Mutter grün und blau. Unsere Wände waren dünn, und ich lag dann wach und hörte das Wimmern einer gebrochenen Frau und die Flüche eines wütenden Mannes. Und mir war auch immer klar gewesen, dass sie bald darauf in mein Zimmer kommen würde, ihre mitternachtsschwarzen Haare, die den meinen so ähnlich waren, zu einem Dutt zusammengefasst, der genauso streng war wie ihr Lächeln, während sie die Qual an mich weiterreichte.

Meine Familie war in dieser Hinsicht immer vorhersehbar gewesen – sie nahm sich die Macht von denjenigen, die zu schwach waren, sie zu behalten.

Vielleicht war das der Grund, warum ich anfing, mich wegzuschleichen und beim Hapkido-Unterricht am Ende unseres Blocks zuzuschauen. Ich sah, wie sie trainierten, und fragte mich, wie es sich wohl anfühlen würde, so mächtig zu sein. So viel Kontrolle über den Gegner zu haben, dass du keine Angst davor hattest, verletzt zu werden.

Ich stellte mir vor, wie ich lernte, den Kurzstock oder den Langstock zu benutzen und meinem Arschloch von Vater die Scheiße aus dem Leib zu prügeln, sodass er meine Mutter nie wieder würde anrühren können.

Wenn sie ein bisschen Frieden gefunden hatte, würde ich das vielleicht auch schaffen.

Es wird nur kurze Zeit wehtun.

Ich reiße mich aus der Erinnerung heraus und gestatte es ihr, sich in die Tiefen meines Verstandes zurückzuziehen, wo ich sie fest eingeschlossen habe, und löse mich von der Wand, an der ich in dem schummrig beleuchteten, versteckten Zimmer meines Hauses gelehnt habe. Die Plastikplane, die ich vorhin an der Decke aufgehängt habe, bedeckt den Fußboden und bildet einen Kokon um den Mann herum, der in der Mitte des Raumes an einen Stuhl gefesselt sitzt.

Er atmet schwer, und nur das Zischen von Isabella, meiner knapp sieben Meter langen Pythonschlange, die sich um seine Füße und Beine windet, begleitet dieses Geräusch. Sobald sie seine Waden berührt, zuckt er zusammen, sein einst perfekt gebügelter Anzug ist schweißdurchtränkt.

»Vorsicht«, sage ich und schnalze. »Sie mag es, wenn du dich zur Wehr setzt. Das erregt sie.«

Der Dreitagebart fühlt sich rau unter meinen Fingern an, als ich mir mit der Handfläche über den Kiefer reibe. Mit einem Seufzen greife ich nach dem maßgeschneiderten kompakten Metallstab in meiner Tasche. Beim Herausziehen drücke ich auf einen Knopf an der Seite, und er fährt zur seine vollen Länge aus, die silbernen Enden schimmern auf dem schwarzen Metall. Ich lasse ihn in meiner Hand wirbeln, während ich auf ihn zu gehe.

»Bi-bitte«, bettelt er.

Ich muss kichern, während Isabella fortfährt, sich um seinen Körper zu schlingen.

»Deine Manieren sind tadellos, Samuel. Ich nehme mal an, dass das vom Sohn eines reichen Geschäftsmannes erwartet wird«, sage ich gedehnt. »Aber ich habe dafür keine Verwendung.« Ich bleibe vor ihm stehen, meine Muskeln vor Erwartung angespannt. »Weißt du, warum du hier bist?«

Er runzelt die Stirn, kleine Schweißtropfen laufen ihm über das aschfahle Gesicht. »Ich bin nur wegen des Mädchens hier«, krächzt er. Seine Unterlippe zittert. »Sie sagten mir, dass ich kommen soll. Ich …«

»Das Mädchen gehört mir, mit allem, was dazugehört«, erwidere ich mit flammendem Blick.

Ich hebe den Stock hoch, wirbele ihn zackig herum und berausche mich an der Angst in seinen dunklen Augen.

»Keine Angst.« Ich grinse. »Es wird nur kurze Zeit wehtun.«

Kapitel 1

Yasmin

»Er sieht nicht krank aus.«

Die Worte schneiden durch meine Kleidung und stechen mich in die Brust. Wenn ich nicht dazu erzogen worden wäre, stets politisch klug und freundlich zu bleiben, würde ich etwas Unangemessenes fauchen wie etwa …

»Hast du kein Gespür für die Atmosphäre, Debbie? Du klingst total peinlich.«

Stattdessen beiße ich mir auf die Lippe und greife nach meinem Wasser; das Gewicht des Glases in meiner Hand und die kühle Flüssigkeit an meinem Mund helfen mir, ruhig zu bleiben.

Abgesehen davon bin ich mir sicher, dass Debbie, die glanzvolle junge Ehefrau von New Yorks Gouverneur, gar nicht wollte, dass ich ihre Worte höre. Oder doch? Unhöflich von ihr, wenn man bedenkt, dass wir uns in meinem Haus befinden, aber vermutlich können wir nicht alle Benehmen haben.

Ich folge ihrem Blick, der am mit Espressoflecken besprenkelten Esstisch entlanggleitet, bis zu meinem Vater am Kopfende. Seine dunkle Haut sieht bleich und verbraucht aus. Unter seinen müden Augen hat er tiefe Tränensäcke, die violetten Flecken verraten, dass er tatsächlich ziemlich krank ist. Aber wenn man sich nicht jahrelang die winzigen Veränderungen in allen seinen Gesichtszügen eingeprägt hat, wirkt er vielleicht einfach nur übermüdet. Und für einen Mann, der Eigentümer und Leiter eines Multimilliarden-Dollar-Imperiums ist, das den Großteil des Juwelenhandels weltweit kontrolliert, ist übermüdet ein anderes Wort für normal.

Dad wird sicher begeistert sein, dass die Menschen die Veränderung in seinem Gesundheitszustand nicht bemerken.

Neid schnürt mir die Luft ab, und nur für einen Moment wünschte ich mir, ich könnte mit einem der Anwesenden die Plätze tauschen, mit irgendjemandem, wenn ich dann so tun könnte, als ginge es ihm immer noch gut.

Der Tilapia vom letzten Gang droht, mir wieder hochzukommen, und Übelkeit macht sich in meinem Magen breit, weil ich weiß, dass es unmöglich ist, mir meinen Wunsch zu erfüllen. Mag sein, dass sie den Unterschied nicht erkennen, ich aber schon.

Ich sehe es an seinen steifen und unbeholfenen Bewegungen, als wären seine Knochen von Beton umhüllt, der sich nicht abschütteln lässt.

Ich bemerke die nach unten gezogenen Mundwinkel, wenn er sich unbeobachtet fühlt, und wie er kleine, belanglose Einzelheiten aufsaugt, die wir alle für selbstverständlich halten.

Und vor allem sehe ich es an seiner Abwesenheit, wenn er sich wieder einmal einschließt, damit ich nicht mitansehen muss, wie die Bestrahlung und die Chemotherapie seine Adern verätzen und alles auf ihrem Weg zerstören.

So ist das mit dem Krebs. Er zerfrisst einen Menschen von innen heraus, egal, wer du bist. Es spielt keine Rolle, ob du die ganze Welt in der Hand hast oder ob du mehr Geld hast als Gott.

Ihm geht es nur um den Tod.

Und der Tod gewinnt immer, auf die eine oder andere Art.

Mein Blick wandert von meinem Vater zu den Fenstertüren an der hinteren Wand, die auf die Rückseite unseres Anwesens hinausgehen. Am schwarzen Himmel funkeln die Sterne, und ich konzentriere mich auf das tiefblaue Licht des riesigen Pools, das alles in seinem Umkreis in einen gespenstischen Schimmer taucht.

Alles nur, um mich nicht auf die Probleme konzentrieren zu müssen, denen ich offenbar nicht davonlaufen kann.

Debbie kichert und lenkt meine Aufmerksamkeit auf den Mann neben ihr, den sie bezirzt.

Julian Faraci.

Seine dunklen Augen, so schwarz wie bodenlose Schächte, sind schon auf mich gerichtet, durchbohren meine Maske der höflichen Duldung und nehmen mich auseinander, bis ich mich wie ein kleines, wertloses Mädchen fühle, das er leicht unter seinem Schuh zerquetschen könnte.

Ich weiß noch, wie er zum ersten Mal auftauchte: Als ich fünfzehn war, wurde er Geschäftsführer bei Sultans, der Firma meines Vaters. Und da ich vor acht Jahren noch ein naives, dummes Mädchen war, verknallte ich mich in ihn. Er war ein machthungriger achtundzwanzigjähriger Mann, und immer, wenn ich über die Ferien aus dem Internat nach Hause kam, war ich geblendet von seinem Erscheinungsbild und begeistert von der gebieterischen Art, die ihm aus allen Poren quoll, und betete ihn an wie einen Helden.

Aber dann hörte ich einmal zufällig mit an, wie er meinen Vater davon zu überzeugen versuchte, mich wegzusperren, und schon hörten die Schmetterlinge in seiner Gegenwart zu flattern auf.

Sie ist schlecht fürs Geschäft. Du solltest dich nicht von deiner Tochter ablenken lassen, wenn du dich eigentlich auf die Angelegenheiten hier konzentrieren solltest. Wie schade, dass sie kein Junge ist. Wem wirst du alles vermachen?

Dieser letzte Satz versetzte meiner Schwärmerei für Julian Faraci den Todesstoß, und alles, was ich seither für ihn empfunden habe, war nicht viel mehr als Hass.

Es war wirklich nicht schade darum. Außerdem war ich sowieso schon halb in meinen besten Freund verliebt.

Ich sehe Julian mit verengten Augen an, Ärger prickelt auf meiner Haut wie Nadelstiche. Er lächelt selbstgefällig und erhebt sein Weinglas in meine Richtung, die Tätowierungen auf seiner anderen Hand bewegen sich über seinen Knöcheln, während er sich damit durch die zerzausten schwarzen Haare fährt.

Ein kleiner Wassertropfen spritzt von meinem Glas auf mein Handgelenk, und ich stelle es rasch ab und reiße mich von seinem spöttischen Blick los, während ich meine zitternden Finger unter die Oberschenkel schiebe.

Mein Mobiltelefon vibriert in meinem Schoß, und sofort senke ich den Kopf und sehe eine Nachricht von dem Jungen, der schon in unserer Kindheit mein Herz erobert hat.

Aidan: Du bist wunderschön

Mein Herz flattert, und ich grinse ungewollt, während ich mich nach ihm umschaue. Seine Mutter steht in der Ecke, den Blick zu Boden gerichtet, die blonden Haare zu einem strengen Dutt zurückgebunden, wie es für all unsere Mitarbeiterinnen Pflicht ist. Arbeitet er heute Abend mit ihr zusammen?

»Yasmin.« Die barsche Stimme meines Vaters durchbricht den Nebel, und ich hebe meinen Blick wieder und begegne den Blicken der zwanzig Menschen am Tisch, die mich jetzt ansehen.

»Es tut mir leid.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln und greife nach dem Besteck. »Ich habe nicht ganz mitbekommen, was du gesagt hast.«

»Der Gouverneur hat gefragt, was du von der neuesten Errungenschaft deines Vaters hältst.« Julians Stimme ist kalt und dennoch weich wie Butter, und ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Es ist unanständig von ihm, solch eine Stimme und solch ein Gesicht zu haben, wenn seine Seele so verdorben ist. Er blickt hinüber zu Gouverneur Cassum und lächelt sardonisch. »Yasmin kennt sich mit unserem Geschäft überhaupt nicht aus. Sie ist damit beschäftigt gewesen, in …« Er wirft mir einen Blick zu, »… wo war das noch? In Oregon am College herumzutollen.«

Klappernd lege ich die Gabel auf dem Teller ab und wende meine Aufmerksamkeit Gouverneur Cassum zu, die Zähne zusammengebissen, weil es mich so viel Selbstbeherrschung kostet, nicht das Messer über den Tisch zu schleudern und darauf zu hoffen, dass es Julian in sein kaltes, totes Herz trifft.

Auch wenn offenbar alle vom Gegenteil überzeugt sind, weiß ich durchaus, was im Geschäft meines Vaters los ist. Er mag zwar versuchen, mich davor abzuschirmen, aber wenn man bei einem Mann aufwächst, der so mächtig ist wie er, sieht und hört man mehr als genug von Geschäften, die unter der Hand abgewickelt werden.

Abgesehen davon, wenn Memfi Romano, der den Gerüchten nach Capo der italienischen Mafia ist, jedes Jahr seine Weihnachtsgeschenke persönlich vorbeibringt, klingt das nicht wirklich nach »offen und ehrlich«.

Für den Großteil der Welt hingegen hat mein Vater sich schlicht darauf spezialisiert, die Vorstellung von Liebe in Form von überteuerten Juwelen zu verkaufen. Der Markenname allein ist schon beeindruckend genug, aber wenn man dazu noch die eingängigen Werbeslogans und die Millionen von Dollar nimmt, die jedes Jahr ins Marketing gesteckt werden, um alle Bildschirme und Werbetafeln mit Sultans-Diamanten zuzupflastern, dann ergibt dies das typische Aushängeschild für Eleganz und Brillanz.

»Verwandeln Sie Ihre Liebe von einem Rohdiamanten in etwas Spektakuläres – mit einem Diamanten von Sultans.«

»Ich werde nicht so tun, als würde ich das Geschäft meines Vaters in- und auswendig kennen«, sage ich und betone das Wort meines extra für Julian. »Aber wenn Sie mit mir über die moralischen Auswirkungen des Diamantenhandels in Konfliktgebieten reden wollen, bin ich gerne bereit, Ihnen meine Meinung darzulegen.«

Zu meiner Linken schnauft jemand spöttisch, und mein Blick fällt wieder auf Julian. Sein kantiger Kiefer zuckt und betont den Bartschatten, der sein gebräuntes Gesicht akzentuiert.

Jetzt bin ich es, die süffisant grinst, und mein Mundwinkel wandert nach oben, während ich den Mann anstarre, der die rechte Hand meines Vaters ist. Seine Augen verengen sich, Verärgerung huscht über sein Gesicht wie der Blitz einer Kamera. Es verschafft mir ungemeine Befriedigung, dass ich es offensichtlich geschafft habe, ihn mit meiner Bemerkung zu ärgern, genau so, wie ich es gehofft hatte.

Schließlich habe ich genau das ausgesprochen, worüber man eigentlich schweigen sollte.

Alle an diesem Tisch wissen, dass die Diamanten, die Sultans verkauft, nicht wirklich konfliktfrei sind, auch wenn das Etikett »konfliktfrei« draufgeklatscht wird. Sie sind nur … reguliert. Und ich kenne das Geschäft meiner Familie gut genug, um zu wissen, dass Regulierungen eher ein Deckmantel sind als dass sie tatsächlich etwas bewirken. Das war schon so, als mein Großvater aus dem Libanon eingewandert ist und Sultans von Grund auf aufgebaut hat, wobei er Beziehungen zu all denen knüpfte, die er brauchte, um Zugang zur Diamantenbranche zu bekommen.

Mein Vater kichert und lockert damit die Spannung. »Heutzutage rennen die jungen Leute zur Universität und glauben, sie seien bereit dafür, die Welt zu erobern. Das ist nur ein weiteres Beispiel dafür, warum Männer das Land leiten und Frauen zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern sollten.«

Meine Wangen werden heiß, und ich blicke auf meinen Schoß hinunter, während um den Tisch herum verhaltenes Gelächter ertönt. Es ist mir nicht wirklich peinlich. Ich bin an die frauenfeindliche Rhetorik meines Vaters gewöhnt, und trotz seiner Worte weiß ich, dass er mich liebt. Mag sein, dass er kein guter Mensch ist, aber zu mir ist er immer gut gewesen, und ich liebe ihn trotz seiner altmodischen Vorstellungen und unappetitlichen Geschäftspraktiken.

Es ist erstaunlich, worüber wir alles hinwegsehen können – und was wir zu tun bereit sind –, wenn es um die Menschen geht, die wir lieben.

Der Blick meines Vaters wird milder, während er mich mustert. »Mit deiner fürsorglichen Art wirst du eine wunderbare Mutter werden, Habibti.«

In Wahrheit möchte ich nicht einmal Mutter werden. Ich will nichts anderes tun als zu fotografieren. Aber für die Tochter von Ali Karam ist das kein akzeptabler Beruf. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt einen Beruf gibt, der akzeptabel wäre. Mein Vater ist überglücklich, dass ich endgültig nach Hause zurückgekehrt bin und mit der »Erfahrung« der höheren Bildung abgeschlossen habe.

Julian beugt sich vor und spricht mit meinem Vater, während die anderen Honoratioren ihre oberflächlichen Konversationen aufnehmen, die nichts bedeuten und nur ihrem eigenen Ego schmeicheln, und schwuppdiwupp stehe ich nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses.

Mein Telefon vibriert erneut.

Aidan: Ich kann es kaum erwarten, dich zu berühren

Ich streiche mir über die Lippen, Aufregung sprudelt in mir hoch, während ich darüber nachdenke, wie ich diesem langweiligen Abendessen entkommen und nach Aidan suchen kann. Innerlich ganz kribbelig klopfe ich mit dem Fuß gegen den Marmorfußboden des Esszimmers und blicke mich um.

Wahrscheinlich würde es niemandem auffallen, wenn ich gehe.

Aber ich bleibe, denn so sehr ich es auch möchte, die Etikette, die mir von Geburt an eingebläut wurde, behält die Oberhand. Erst als das Dessert aufgegessen ist und die Männer sich entschuldigen, um sich in den Rauchsalon meines Vaters zurückzuziehen, halte ich mir die Hand vor den Mund und täusche ein Gähnen vor.

»Geht es Ihnen gut, Yasmin?«, fragt Debbie und zieht ihre kupferroten Augenbrauen zusammen.

Die wenigen anderen Frauen, die am Tisch sitzen geblieben sind – hauptsächlich Ehefrauen, ein paar Mätressen – sehen mich in gespielter Besorgnis an.

»Kopfschmerzen, fürchte ich. Nichts, was eine gute Nachtruhe nicht wieder in Ordnung bringen würde.« Ich werfe einen Blick in Richtung Flur. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden …«

Meine Finger umklammern die Holzkante, während ich mich vom Tisch wegschiebe und dann an den Hausangestellten vorbeigehe, die das gebrauchte Geschirr abräumen. Ich mustere sie, ob Aidan darunter ist. Aber er ist nicht da. Sobald ich um die Ecke gebogen bin, ziehe ich mein Mobiltelefon heraus; meine Finger fliegen über das Display, als ich ihm mit Schmetterlingen im Bauch texte, wo wir uns treffen.

Kapitel 2

Julian

Ich schwenke den Johnny Walker Blue Label in meinem Glas. Der Geruch von Büchern und Tabak erfüllt die Luft, während ich mich an den eleganten Holztisch in Alis Rauchersalon lehne. Die Uhr links von mir schlägt elf Mal. Es ist spät, und endlich sind alle gegangen. Ich stoße den Atem aus und nehme einen Schluck Whiskey. Zwischen meinen Schläfen pocht es, weil ich die Rolle des gepflegten Gastgebers hatte spielen müssen.

Auch wenn es nicht mein Anwesen ist und es nicht mein Abendessen war, wissen alle, dass ich überall, wo Ali Karams Name draufsteht, im Hintergrund die Strippen ziehe. Solche Abendgesellschaften wie heute Abend sind nervtötend, aber unverzichtbar. Und eine reiht sich an die andere.

Diese Woche waren es die Gouverneure und CEOs der Welt. Nächste Woche sind es vielleicht die Capos oder die Jefes, je nachdem, um wessen Gunst wir uns gerade bemühen müssen. Die Herren des Universums zu sein ist ein heikles Spiel, aber ich genieße es.

Den Großteil der Diamanten weltweit zu kontrollieren bedeutet, dass du den Großteil der Welt kontrollierst, und ein Diamant ist niemals einfach nur ein Diamant.

Das soll nicht heißen, dass Sultans keine ehrenwerte Firma wäre. Das ist sie.

Unsere Arbeitsweise ist einzigartig. Wo die meisten Diamantenhändler am Ende der Nahrungskette sitzen, hat Sultans sich selbst in jedem Bereich der Branche zum Bollwerk aufgebaut. Wir haben in jeder größeren Stadt in den Vereinigten Staaten und in mehreren anderen Ländern Juweliergeschäfte eröffnet, außerdem expandieren wir jedes Jahr.

Die Wahrheit erkennt man erst, wenn man den Vorhang vor all den Geschäften und Verkaufszahlen lüftet. Und die lautet, dass wir auch die große Mehrheit des Schwarzmarktes für Diamanten kontrollieren.

Niemand kann leugnen, dass ich in den vergangenen acht Jahren mehr für unsere politische und sozialwirtschaftliche Position erreicht habe als Ali in seinem ganzen Leben. Schon seit ich als Junge gesehen hatte, wie Ali Karam im Fernsehen als der mächtigste Mann der Welt gepriesen wurde, nachdem er das Unternehmen von seinem Vater geerbt hatte, war es mein Ziel, Sultans zu übernehmen.

Er ist alles, was ich gerne sein würde.

Es gibt nur ein Problem.

Aus irgendeinem Grund will er nicht, dass ich die Zügel übernehme. Jedenfalls nicht offiziell, was völliger Quatsch ist, denn niemand außer mir hat so viel Blut, Schweiß und Tränen in sein Vermächtnis investiert wie ich.

Mit seiner schwindenden Gesundheit – wobei er nur den Menschen in seinem engsten Umfeld erzählt hat, wie es wirklich um ihn steht – liegt ein Hauch von Angst in der Luft, insbesondere, wenn er von seiner Tochter Yasmin spricht. Vor sechs Monaten ist sie mit einem Abschluss von ich weiß nicht welcher Universität in der Tasche zurückgekehrt, und er fing sofort damit an, Heiratskandidaten einzuladen. So als wären wir im achtzehnten Jahrhundert und als wären seine Tage gezählt.

Ein Teil von mir verspürt fast schon Mitleid mit dem armen Trottel, der das verwöhnte Gör aufgehalst kriegt. Dass sie hübsch aussieht, wenn sie sich an einen Arm einhängt, und Erbin eines Milliarden Dollar schweren Vermögens ist, sind ihre einzigen Eigenschaften, und das alles ruiniert sie sich durch ihre verzweifelten Versuche, Daddys Aufmerksamkeit zu erregen.

Als Ali mir erzählte, dass er Heiratskandidaten einladen wollte, wurde ich misstrauisch. Nach einem raschen Besuch bei seinem Anwalt und einem Herumwirbeln meines Stocks erfuhr ich die Einzelheiten von Alis Testament. Er hinterlässt alles seiner Tochter, vorausgesetzt, dass sie jemand »Passenden« heiratet.

Lächerlich.

Ich habe keinen Zweifel, dass sie die Gelegenheit beim Schopfe packen wird, das Familienerbe anzutreten und ihren Vater glücklich zu machen, selbst wenn sie dafür jemanden heiraten muss, für den sie sich nicht interessiert. Sie ist nie die Art von Person gewesen, die sich Alis Wünschen widersetzt hätte, insbesondere, wenn sie damit seine Gunst gewinnt.

Sie wird das Verderben der Firma sein. Sie wird mein Verderben sein.

Außer ich bin der derjenige, den sie heiratet.

Bei der Vorstellung dreht sich mir der Magen um.

Samuel, der arme Narr, der glaubte, heute Abend Yasmin vorgestellt zu werden, war das erste von vermutlich zahlreichen unglücklichen Opfern. Aber nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, dass ich niemanden in die Nähe von Yasmin Karam lasse, bevor ich nicht einen Plan habe.

Ali stößt einen Seufzer aus und lässt sich in das weinrote Leder seines übergroßen Sessels sinken. Plötzlich hustet er und beugt sich ruckartig vor. Es klingt abgehackt und rau, als würde der Husten durch stählerne Hände aus seinen Lungen gepresst und auf seinem Weg durch die Kehle über Stacheldraht gezogen.

Ich runzele die Stirn, und mir wird eng um die Brust. »Brauchst du Wasser, alter Mann?«

Mit tränenden Augen winkt er ab. »Nein, nein. Ist schon alles in Ordnung.« Er hält inne, sein Finger fährt über seinen getrimmten und lückenhaften grau melierten Bart, während er in die Luft starrt. »Hast du herausgefunden, was mit Samuel passiert ist?«

Ich bemühe mich, mitfühlend auszusehen. »Ich fürchte, er hat seinen Flug nicht angetreten. Ich habe versucht, ihn zu erreichen, aber bisher ohne Erfolg.«

»Hmm«, brummt er zusammengesunken. »Und die Lampe? Irgendwelche Neuigkeiten?«

Frust breitet sich wie Melasse in mir aus. Diese verdammte Lampe entwickelt sich schnell zum Fluch meiner Existenz, insbesondere, wenn man bedenkt, dass alle hinter ihr her sind, aber niemand weiß, ob sie überhaupt existiert.

Wenn es sie gibt, muss ich sie in meinen Händen und unter meiner Kontrolle haben. Mit einem verschollenen Relikt, bei dem es sich angeblich um die verzauberte Lampe eines alten ägyptischen Königs handelt, kann man eine Menge Macht ausüben, und es gibt einen Haufen Menschen, die versuchen, sie zuerst zu finden.

Die Vorstellung, dass sie tatsächlich verzaubert ist, ist natürlich lächerlich, aber es reicht aus, dass der Mythos mit der Geschichte verknüpft wird, und schon ist sie unbezahlbar. Und wenn ich die Lampe erst habe, kann ich endlich dafür sorgen, dass Sultans nicht mehr nur ein Machtzentrum im Diamantenhandel ist, sondern auch im Antiquitätenbereich, dem einzigen Segment des Schwarzmarktes, auf dem wir noch nicht vertreten sind. Es reicht mir nicht aus, am Spiel beteiligt zu sein. Ich will alles kontrollieren.

Ali von ihrer Bedeutung zu überzeugen war einfach. Das verdammte Ding zu finden ist das, was mir Probleme bereitet.

Ich spitze die Lippen und klopfe mit den Fingern gegen den Rand meines Whiskyglases. »Bin noch auf der Suche.«

Ali beugt sich vor, hält aber inne, als ein weiterer heftiger Hustenanfall ihn erschüttert.

Ausatmend stelle ich mein Whiskyglas auf dem Tisch ab, gehe zu ihm hinüber und strecke den Arm aus. »Komm schon, alter Mann. Für mich brauchst du nicht so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Bringen wir dich in dein Zimmer, damit du dich ausruhen kannst. Alles andere kann bis morgen warten.«

Er sieht mich durchdringend an, und an den harten Linien in seinem Gesicht erkenne ich, dass ich ihn verletzt habe. Aber dann überwältigt ihn ein weiterer Hustenanfall, und die Blutgefäße treten unter seiner dünnen Haut hervor.

Ich ziehe ein Taschentuch aus meiner Brusttasche und reiche es ihm. Rasch greift er danach, presst es sich mit verengten Augen an den Mund und krallt die freie Hand in seinen Bauch.

Schweigend stehe ich daneben und beiße die Zähne zusammen, während der Mann, zu dem ich seit meiner Kindheit aufgesehen habe, vor meinen Augen zerfällt.

Endlich hört es auf, und er lässt das Tuch in seinen Schoß fallen.

Es ist voller roter Flecken.

Bei dem Anblick zieht sich mein Magen zusammen.

Er greift nach meinem Arm, um sich aufzurichten, und schüttelt den Kopf, während er an mir vorbei und in den Flur geht. Ich folge ihm nicht, da ich weiß, dass er jedes bisschen Würde bewahren muss, das ihn noch bleibt. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich anders verhalten würde.

Mit einem Blick durch den Raum kehre ich zu meinem Whisky zurück und trinke die letzten Tropfen aus, bevor ich mich auf den Weg durch die dunklen Gänge des riesigen Anwesens mache, die ich in- und auswendig kenne, um nach Hause zu fahren.

Es ist ein großes Gebäude von deutlich mehr als sechstausend Quadratmetern, und ich habe auf dem privaten Parkplatz neben dem Personaltrakt geparkt, da ich nicht will, dass irgendjemand mich kommen oder gehen sieht.

Gerade habe ich den Gang betreten, der mich zu meinem Auto führt, als ein gedämpftes Stöhnen an mein Ohr dringt.

Ich verlangsame den Schritt.

Mit schiefgelegtem Kopf mache ich auf den Absätzen kehrt, um die Geräuschquelle zu orten. Ein weiteres Stöhnen, diesmal ein bisschen lauter, und meine Bauchmuskeln spannen sich an, was sich herrlich anfühlt. Ohne darüber nachzudenken bewege ich mich auf das Geräusch zu und will sehen, wer dafür verantwortlich ist, dass plötzlich Erregung in mir aufsteigt. Die letzte Tür am Ende des Flurs ist geschlossen, aber ich greife nach dem Knauf, um ihn zu testen, und mein Herzschlag beschleunigt sich. Langsam drehe ich ihn, bis sich die Tür öffnet und ein Lichtstrahl aus dem Zimmer in den dunklen Flur fällt.

Ich lasse den Blick über die Szene wandern, mein Schwanz zuckt sofort, als ich das seitliche Profil einer nackten Frau sehe, die auf einem kleinen Bett am anderen Ende des Zimmers liegt. Ich brauche ein paar Sekunden, bis mir bewusst wird, um wen es sich handelt, aber ich bin längst zu fasziniert davon, um zu gehen. Perverse Lust breitet sich in mir aus, und ich werde steinhart.

Yasmin.

Ihre Brüste sind groß und voll, ihre dunklen Nippel ragen in die Luft und betteln darum, geleckt zu werden, während ein junger Mann in sie hineinstößt.

Na sieh mal einer an.

Sie stöhnt erneut, und mein Schwanz drückt gegen die Hose, während ich jeden gierigen Zentimeter ihrer Haut in mich aufsauge und sie jetzt in einem völlig anderen Licht sehe als bisher.

Sicher, in der Vergangenheit war sie jung und ich nicht an einer albernen Teenagerin interessiert, die für mich schwärmte.

Aber jetzt kann ich gar nicht anders als die weichen Kurven ihres Körpers und die feinen Züge ihres Gesichtes zu bewundern, trotz der Abscheu, die sich mit hineinschleicht, wenn ich daran denke, wer sie ist.

Verwöhntes kleines reiches Mädchen, mit einem bequemen Leben, für das sie niemals auch nur einen Finger rühren musste.

Ich habe jede Menge Menschen, die für meine Befriedigung sorgen, ich bin also nie im Mindesten in Versuchung geraten, auch wenn sie inzwischen zu einer umwerfenden Frau herangewachsen ist.

Der Junge über ihr gibt einen erstickten Laut von sich, seine Bewegungen werden ruckartig und ersterben dann ganz, und Belustigung macht sich in mir breit, als ich den unbefriedigten Ausdruck sehe, der über Yasmins Gesicht huscht.

»Bist du gekommen, Prinzessin?«, fragt er.

Wenn du danach fragen musst, lautet die Antwort Nein. Sie schenkt ihm ein kleines Lächeln und schüttelt den Kopf. »Ist schon okay.«

»Ich mach’s wieder gut«, murmelt er, zieht seinen von einem violetten Kondom umhüllten Schwanz aus ihr heraus und versenkt sein Gesicht zwischen ihren Beinen.

Yasmin stößt ein kurzes Keuchen aus, aber selbst von hier aus kann ich erkennen, dass er sich wie ein Junge bewegt und nicht wie ein Mann.

Sie hat keine Ahnung, wie es für sie sein könnte. Was für eine Lust sich aus ihrem Körper herausholen ließe. Mein Schwanz pulsiert, während mir ein Bild von ihr durch den Kopf schießt, wie sie an mein Bett gefesselt ihre geschwollene und gerötete Pussy zur Schau stellt und um Gnade bettelt.

Ich unterdrücke ein Stöhnen, greife mir an die Hose und drücke mit dem Handballen gegen meine Erektion. Lust durchströmt mich und mein Brustkorb zieht sich zusammen, als Yasmin den Kopf in meine Richtung dreht. Ich sollte mich verstecken, bevor sie mich sieht.

Wenn ich ein besserer Mensch wäre, würde ich das vielleicht.

Aber ich bin noch nie ein Gentleman gewesen.

Stattdessen stoße ich die Tür mit dem Fuß etwas weiter auf, gerade weit genug, damit sie gut sehen kann, dass ich hier stehe, zuschaue, warte und meinen dicken Schwanz reibe, der sich gegen den Reißverschluss presst.

Unsere Blicke treffen sich, und ihre Augen weiten sich, sie errötet und ihr Mund bildet ein perfektes O.

Meine Eier ziehen sich zusammen, als sie mich so ansieht. Der Drang, ins Zimmer zu gehen und ihren Lippen etwas zu geben, woran sie sich festsaugen können, ist derart stark, dass mir schwindelig wird, aber ich halte mich zurück und streichele stattdessen durch den Stoff hindurch meine Erektion.

Fuck.

Mein Blick brennt sich in ihren, aus meinem Schwanz perlt ein Vorfreudetropfen, während ich sehe, wie verletzlich sie ist, die Beine für einen anderen Mann gespreizt und sichtlich unsicher, was sie bei meinem Anblick tun soll.

Ich erwarte, dass sie loskreischt. Den erbärmlichen Versuch ihres Lustknaben abbricht und sich bedeckt.

Aber das tut sie nicht.

Stattdessen wölbt sie sich ihm entgegen, ihre Augen rollen nach hinten und ihr Brustkorb hebt und senkt sich, während sie nach Luft schnappt. Ich beiße mir auf die Lippen, denn ich bin so verdammt hart, dass ich kaum noch geradeaus sehen kann.

Macht es sie an, dass jemand, der dreizehn Jahre zu alt für sie ist und den man wohl am ehesten als den besten Freund ihres Vaters bezeichnen könnte, dabei zusieht, wie sie gevögelt wird? Mag zwar sein, dass der Junge gerade seine Zunge in ihr hat, aber denken tut sie an mich, ob sie will oder nicht.

Sie reißt die Augen wieder auf und sofort begegnen sich unsere Blicke, als würden wir wie Magneten voneinander angezogen. Dann fährt ihr Blick an meinem Körper entlang und brennt einen Pfad bis an die Stelle, wo ich mich weiterhin mit ihr vor Augen streichele.

Ich lächele süffisant, und sie fährt sich mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe.

Ein Stromstoß durchfährt mich, während ich mir vorstelle, wie es sich anfühlen würde, wenn diese Zungenspitze an meinem Schwanz hinauf- und hinuntergleiten würde, während sie vor mir kniet und ihre Augen auf mich gerichtet hat.

Ich bin zwei Sekunden davon entfernt, scheiß drauf zu sagen, meinen Gürtel zu lösen und ihr zu zeigen, was sie haben könnte, aber als ich die Gürtelschnalle berühre, holt mein Geist meinen Körper wieder ein, und ich frage mich, was zum Teufel ich da gerade mache.

Ich reiße mich los, drehe mich um und gehe, mein Körper schreit auf und Abscheu wegen meiner mangelnden Kontrolle mischt sich in meine Erregung.

Ich habe kein Interesse an Alis Tochter, weder sexuell noch emotional, und ich habe sie nie als etwas anderes als ein Ärgernis betrachtet, ein albernes Mädchen, das mir in die Quere kommt und glaubt, dass sie diese Welt verdient hat, nur weil sie in sie hineingeboren wurde.

Aber jetzt hat sie sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Und ich weiß nicht recht, wie ich sie da wieder rauskriegen soll.

Kapitel 3

Yasmin

Wird er es meinem Vater erzählen?

Das ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, nachdem ich vom intensivsten Orgasmus meines Lebens heruntergekommen bin.

Julian Faraci hat mich ausspioniert. Und ich habe es zugelassen.

»Geht es dir gut?«

Aidans Stimme ist undeutlich, weil es in meinen Ohren von dem heftigen Orgasmus rauscht, den ich gerade erlebt habe, aber auch, weil mein vernebelter Geist erst noch versucht, das gerade Geschehene einzuordnen. Übelkeit macht sich in meinem Magen breit, als ich in Aidans dunkelbraune Augen blicke.

Gilt das als Betrug, wenn ich es nicht in der Hand hatte?

Ich habe nichts falsch gemacht, aber dass es an meinen Beinen immer noch feucht hinunterläuft von dem, was seine Augen mit mir angestellt haben, ruft eine Mischung aus Abscheu und Schuldgefühlen hervor, die schwer wie ein Stein auf meiner Brust lastet.

»Prinzessin«, fährt Aidan fort.

Ich schüttele leicht den Kopf, strecke meinen Arm aus und presse meine Hand an seine Wange. »Ja, mir geht es gut.«

Um ein Haar hätte ich ihm erzählt, was geschehen ist, die Worte liegen mir schon auf der Zunge, aber in der letzten Sekunde schlucke ich sie hinunter und entscheide mich dafür, die Erinnerung ganz tief in mir zu vergraben, darauf hoffend, dass ich nie wieder an sie herankomme. Schließlich wird das hier nie wieder passieren.

Julian hat wirklich nichts zu verlieren, aber wenn er es meinem Dad erzählt, werde ich ebenfalls laut werden und ihn dazu zwingen, zuzugeben, dass er zugesehen hat. Und er wird sicher nicht wollen, dass jemand erfährt, wie er sich den Schwanz reibt, während er der Tochter seines Chefs beim Sex mit einem anderen zusieht. Ich weiß nicht einmal, warum er mich beobachtet hat, wo er doch sonst die meiste Zeit damit verbringt, mich aktiv aus seinem Gesichtsfeld zu entfernen.

Ein Gefühl des Unwohlseins breitet sich auf meiner Haut aus und prickelt wie Nadeln in meinem Inneren, wenn ich wieder daran denke, wie intensiv ich gekommen bin, weil er da war.

Und wie sehr es mir gefallen hat.

Es lag nur daran, dass er attraktiv ist. Ein vorübergehendes Versagen meines Urteilsvermögens, hervorgerufen durch die Erregung, die meine Sinne sensibler werden ließ, und die unseligerweise ach so perfekten Züge von Julians Gesicht.

Irgendetwas schlägt zwischen meinen Beinen ein, und meine Vagina zieht sich zusammen.

Verdammt.

»Wann werde ich dich wiedersehen?«, flüstert Aidan, beugt sich vor und lehnt seine schweißnasse Stirn an meine.

Mir wird warm ums Herz, und ich presse meine Lippen auf seine. »Sobald ich mich davonschleichen kann.«

Ich hasse es, dass es mit Aidan so ablaufen muss, immer dieses Verstecken in dunklen Ecken und diese geflüsterten Versprechen, wann und wo wir uns treffen. Aber schon der Gedanke daran, es meinem Vater gegenüber anzusprechen, lässt meine Hände klamm werden und mir das Herz in die Hose rutschen.

Wie sagt man einem Mann, bei dem man schreckliche Angst davor hat, ihn zu enttäuschen, dass man vor seiner Nase mit einem Jungen herumgemacht hat, der seit Jahren in unserem Haus arbeitet?

Er würde nie damit einverstanden sein. In der Vergangenheit hat er immer lautstark deutlich gemacht, dass ich mich vor Menschen ohne Geld schützen solle, weil sie die ersten wären, die versuchen würden, es mir zu nehmen. Er würde nicht begreifen, dass Aidan sich überhaupt nicht dafür interessiert.

Und ganz ehrlich, ich habe weniger Angst davor, meinen Vater zu enttäuschen, als davor, was er dann tun würde. Er könnte Aidan wegschicken. Seine Mutter feuern. Sie beide ohne Job und ohne Chancen auf die Straße setzen. Ich mache mir keine Illusionen, dass Baba ein aufrechter Bürger ist. Seine Moral ist bestenfalls locker und schlimmstenfalls nicht existent. Und ich könnte nicht damit leben, wenn meinetwegen etwas mit Aidan oder seiner Mutter passieren würde.

Aidans Kiefer verspannt sich, ungestüme Emotionen huschen durch seinen Blick. »Lass mich mit deinem Vater sprechen, Yas.«

Panik schnürt mir die Kehle zu und lässt meine Hände klamm werden, so wie jedes Mal, wenn er das Thema anspricht. »N-nein. Noch nicht.«

Aidan löst sich von mir, springt vom Bett auf und durchwühlt die Kleidungsstücke auf dem Boden, bis er seine Hose gefunden hat und sie sich hastig über die Schenkel zieht. Ich sehe ihm schweigend zu. Die Schuldgefühle wiegen so schwer wie tausend Felsbrocken, die um meine Mitte gebunden sind und mich nach unten ziehen, bis ich ertrinke.

»Er wollte mir heute Abend beim Abendessen einen Mann vorstellen«, würge ich hervor.

Ich weiß nicht so recht, warum ich das jetzt anspreche oder warum ich es überhaupt anspreche, außer vielleicht, weil ich mich dann nicht mehr so schlecht fühle, wenn ich das mit Julian für mich behalte.

Erst, als er komplett angezogen ist und sich sein einfaches weißes T-Shirt über den Kopf gezogen hat, spricht er wieder. »Und … hast du ihn kennengelernt?«

Ich schüttele den Kopf. »Er ist nicht aufgetaucht.«

Aidan seufzt. »Du kannst deinen Vater nicht dein ganzes Leben kontrollieren lassen.«

Ein Wutanfall überkommt mich, und ich lecke mir die Lippen und drehe den Kopf zur Seite. »Du verstehst das nicht.«

»Weil du es mir nicht erklärst!« Er dreht sich zu mir um und ballt die Fäuste an den Seiten.

»Er ist krank, Aidan!«

Er schnauft. »Glaube mir, das weiß ich.«

Mein Blick wird milder, während ich ihn anstarre und mir wünschte, ich könnte den verletzten Ausdruck aus seinem Gesicht wischen. Aber was Aidan von mir fordert ist etwas, das ich ihm nicht geben kann.

Seufzend fahre ich mir mit zittriger Hand durch die zerzausten Haaren, die dicken, schwarzen Locken sträuben sich gegen meine Finger. »Ich will ihn nicht aufregen. Stress ist nicht gut für ihn.«

Dass ich es aussprechen musste, macht mich ein bisschen wütend. Es laut auszusprechen macht es real, und ich versuche immer noch, es zu verdrängen.

Meine trockene Zunge klebt mir am Gaumen. »Ich werde es ihm sagen, okay? Ich brauche nur etwas Zeit.«

Aidan starrt mich an, sein Gesicht ist angespannt. Doch schließlich atmet er aus, kommt zu mir und setzt sich neben mich. Er umfasst meine Wangen und wischt die vereinzelten Tränen weg, die ich nicht zurückhalten konnte. »Prinzessin, wie viel mehr Zeit hast du noch?«

Seine Worte zerschmettern den Kummer wie eine Abrissbirne und verstreuen die Scherben, bis sie meine Haut aufreißen. »Benutze seinen Lungenkrebs nicht als Waffe, um deinen Willen durchzusetzen, Aidan.«

»Das mache ich nicht.«

Meine Unterlippe zittert, ich sauge sie zwischen die Zähne und versuche, meinen Kopf seinem Griff zu entziehen.

Er fasst fester zu und dreht mein Gesicht wieder zu sich. »Das tue ich nicht. Es ist nur … Ich liebe dich, seit ich dreizehn bin, und ich habe all die Jahre deine Wünsche respektiert und am Spielfeldrand gewartet, war all die Jahre heimlich mit dir zusammen, während du nach einem Weg gesucht hast, es ihm zu sagen. Ich will die Chance nicht verpassen, seinen Segen zu bekommen. Lass mich dir beweisen, dass ich gut genug bin, Yasmin. Für ihn und für dich.«

Mir wird flau.

»Ich kann dir die Welt schenken. Aber dafür musst du dich in der Öffentlichkeit zu mir bekennen.« Er bedeckt mein Kinn mit kleinen Küssen, und mir jagt eine Gänsehaut über den Nacken. »Ich liebe dich, Yas. Und dein Dad wird sicherlich erkennen, dass du mich auch liebst.«

Mit einem Nicken verdränge ich die Angst und fahre mit den Fingern durch seine seidigen braunen Haare. »Okay. Ich werde morgen mit ihm reden.«

Aber am nächsten Morgen, als ich im Büro meines Vaters sitze … rede ich nicht mit ihm.

Auch wenn Aidan anderer Ansicht sein mag, ist das nicht so einfach. Ich habe in den vergangenen Jahren tausend Mal versucht, die Worte über die Lippen zu bringen: »Baba, ich liebe Aidan Lancaster.«

Aber ich schaffe es nicht.

Zu Anfang gab es nicht wirklich etwas zu erzählen. Er war sechs, als seine Mutter die Leitung unseres Hauspersonals übernahm, und schon bald erblühte eine tiefe Freundschaft zwischen uns. Nicht mehr als das. Wir waren zwei Kinder, die im Sommer unsere Freizeit miteinander verbrachten und uns im Winter hinausschlichen, um Schneeengel zu machen. Und als daraus mehr wurde, entwickelte sich meine beschützerische Ader, aus Angst davor, Aidan ganz zu verlieren, und, wenn ich ehrlich bin, auch aus Angst davor, meinen Vater zu verärgern. Tief in meinem Inneren sehne ich mich nach seiner Anerkennung, und diese Sehnsucht durchdringt all meine guten Absichten, bis sie alles Licht auslöscht. Er ist kein kaltherziger Mann – zumindest nicht mir gegenüber –, aber er erwartet eine bestimmte Art von Personen in unserem Umfeld, und Menschen aus einer niedrigeren Einkommensklasse passen da nicht hinein. Sie sind Mitarbeiter, die man sehen, aber nicht hören soll. Und die definitiv nicht hereingerauscht kommen und das Herz seiner Tochter stehlen sollen.

Ich weiß nicht, woher diese Unsicherheit kommt. Vielleicht liegt es daran, dass meine Mutter bei meiner Geburt starb, sodass er der Einzige in meinem Orbit war. Vielleicht liegt es auch daran, dass er mich trotz seiner alles andere als idealen Vorstellungen davon, wie mein Leben aussehen soll, jeden Tag geliebt und unterstützt hat.

Er war niemals nicht da.

Ich würde alles für meinen Dad tun, weil er auch alles für mich getan hat. Etwas anderes zu behaupten wäre egoistisch.

»Habibti, geht es dir gut?« Die Stimme meines Vaters hallt im Zimmer wider und gleitet über seine dunklen Holzmöbel, bis sie sich schwer auf meinen Schultern niederlässt und mich tiefer in das burgunderrote Leder seines viel zu großen Sessels drückt.

Wir befinden uns zu Hause in seinem Arbeitszimmer, wo er wegen seiner Krankheit inzwischen die meiste Zeit verbringt. Erinnerungen daran, wie ich als Kind auf dem Schoß meines Vaters hinter seinem Schreibtisch sitze, während er mir die vier C des Diamantenhandels erklärte – Cut, Color, Clarity und Carat, also Schliff, Farbe, Klarheit und Karat – schießen mir durch den Kopf. Ein warmes Gefühl von Liebe erfüllt mich, wenn ich daran zurückdenke, wie er mich auf seinem Knie sitzen ließ, während ich in eine Lupe starrte und die Juwelen betrachtete, die er mit nach Hause gebracht hatte.

»Ja, Yasmin«, mischt Julian sich ein. »Du bist ganz rot geworden. Weihst du uns ein?«

Ich werfe ihm einen Blick zu, verärgert, dass er ständig hier ist und offensichtlich sein Bestes gibt, um mich zu verunsichern. Er war schon immer die rechte Hand meines Vaters, aber vor meiner Rückkehr von der Universität war mir nicht klar, dass er sich so hartnäckig halten würde wie eine schlechte Angewohnheit.

Er sieht mich herausfordernd an, seine hochgewachsene Gestalt steckt in einem perfekten Anzug. Er lehnt mit der Schulter an der Wand, als müsste er sich um nichts in der Welt Sorgen machen. Als wäre er vergangene Nacht nicht zum schlimmsten Voyeur geworden, während er dabei zusah, wie Aidan mich erst vögelte und dann oral befriedigte.

»Hast du kein eigenes Zuhause?«, frage ich abfällig. »Keine eigene Familie, die du nerven kannst?«

Er kichert. »Warum sollte ich dort sein, wenn es hier so viel zu sehen gibt?«

Verlegenheit macht sich in mir breit, und ich erröte heftig.

»Stört es dich, wenn ich hier bin?« Er legt den Kopf schief.

Ich zucke die Schultern. »Du bist wie eine Kakerlake, du lauerst immer in dunklen Ecken.«

Selbstgefällig grinsend löst er sich von der Wand und schlendert auf mich zu, beugt sich leicht vor, während er meine Hand ergreift und einen kleinen Kuss darauf drückt. »Ich könnte dir eine Menge darüber beibringen, was in dunklen Ecken passiert, Gattina«, murmelt er.

Mein Puls fängt zu rasen an.

»Ihr beide seid wie Geschwister«, sagt mein Vater mit einem Lachen.

Julian runzelt die Stirn, während er sich wieder aufrichtet und die Vorderseite seines schwarzen Sakkos glatt streicht. Unter der schwarzen Tinte auf seinen Händen treten die Adern deutlich hervor. Als ich die Augen zusammenkneife, erkenne ich, dass es eine tätowierte Schlange ist, die aus seinem Ärmel herauslugt, und ich lasse meinen Blick seinen Arm hinaufwandern und frage mich, bis wohin sich das Kunstwerk erstreckt.

Eine Schlange.

Wie passend, denke ich.

Eine kribbelnde Vorahnung kriecht mir die Wirbelsäule hinauf und schnürt mir die Kehle zu.

»Baba«, sage ich und wende den Blick von Julian ab. »Können wir unter vier Augen miteinander reden?«

Ich konzentriere mich weiter auf meinen Vater, aber meine Wangen brennen, weil ich spüre, dass Julian den Blick nicht von mir abwendet.

»Ich wollte sowieso gerade gehen«, erklärt Julian. »Ruhe dich aus, alter Mann. Ich werde dich anrufen, wenn es wichtige Neuigkeiten gibt.«

Mein Vater nickt, während er Julian hinterherblickt, und ich kralle meine Finger in die Seiten des Ledersessels, um den Drang zu unterdrücken, ihm zu folgen und sicherzustellen, dass er niemals über das spricht, was er gesehen hat. Ihn zu fragen, für wen zum Teufel er sich hält.

»Ich wollte ebenfalls mit ihr sprechen«, sagt mein Vater. »Ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit …«

»Nein«, unterbreche ich ihn. Auf einmal erfüllt Panik meinen Brustkorb wie nasser Zement. »Ich will nicht darüber sprechen.«

Sein Blick wird sanfter. »Wir müssen darüber sprechen. Es gibt keine Heilung, mein Schatz, ich muss dir unbedingt noch einiges sagen, bevor ich … bevor ich es nicht mehr kann.«

Ich balle meine Hände zu Fäusten, bis die Fingernägel in die Haut schneiden, und hoffe, dass der brennende Schmerz mich erdet.

»Du musst mir unvoreingenommen zuhören«, fährt er fort. » Tu es bitte für mich, ja?«

Der Kloß in meiner Kehle schwillt an, bis es sich anfühlt, als würde er durch meine Speiseröhre brechen. Ich schlucke gegen den Schmerz an. »Ich würde alles …«, zittrig atme ich ein, »alles für dich tun, Baba.«

Eine dunkle Emotion tritt in seine Augen, und selbst durch die aschfahle Haut und die ausgetrockneten Lippen sehe ich einen Funken in ihm, von dem ich dachte, er sei für immer verschwunden.

»Meinst du das ernst?«, fragt er.

Ich nicke, richte mich in meinem Sessel auf und wünsche mir verzweifelt, dass er die Wahrheit erkennt. »Von ganzem Herzen.«

»Dann habe ich eine Bitte.« Er hält inne, ein schwerer Hustenanfall packt ihn. Meine Lunge krampft sich zusammen, während ich zusehe, wie er sich durch die rauen Laute und rasselnden Atemzüge kämpft, ehe er sich wieder zusammenreißt. Er schenkt mir ein trauriges kleines Lächeln. »Betrachte es als den letzten Wunsch eines sterbenden Mannes.«

Mir zerreißt es das Herz.

»Alles«, flüstere ich.

»Ich möchte, dass du heiratest.«

Der Schock rauscht durch mich hindurch wie ein gebrochener Damm.

»Wa-was?«, stottere ich.

Er lächelt sanft und lehnt sich in seinen Sessel zurück. Die Uhr an der Wand tickt vernehmlich und verwirrt meine ohnehin rasenden Gedanken, während ich zu begreifen versuche, was er damit meint. Es muss sich um eine Metapher handeln oder einen Euphemismus, denn ich weiß, dass es nicht das ist, wonach es klingt. Er würde das nicht von mir verlangen. Nicht das.

Mein Vater nickt und steht hinter seinem Schreibtisch auf, geht langsam um ihn herum und auf mich zu. Mein Herz schlägt so laut, dass ich es in meinen Ohren hören kann, und bei dem Klang wird mir speiübel.

Werde ich mich gleich auf seinen persischen Teppich übergeben?

Mit einem Seufzen setzt er sich in den Sessel neben mir und greift nach meinen Fingern. Seine gebrechlichen Daumen streicheln über meine Handrücken.

Ich blicke hinunter auf die Bewegung, meine Brust zieht sich beim Anblick seiner Zuneigung zusammen. Dass sein Griff nicht mehr so stark ist wie früher und dass alles, was er tut, für mich ist, erinnert mich erneut daran, wie krank er ist.

»Du bist meine Tochter, Yasmin. Das Wichtigste in meinem Leben. Ich muss sicher sein, dass sich jemand um dich kümmert«, murmelt er.

Ich schlucke die Angst hinunter, die durch meine Poren kriecht. »Ich kann mich um mich selbst kümmern.«

»Hör zu, ich …« Er hält inne, sein Blick irrt von meinem Gesicht zu irgendetwas hinter mir und dann wieder zurück. »Ich vertraue keinen Außenstehenden. Du und das, was unsere Familie aufgebaut hat, seid mein Vermächtnis. Sultans gehört uns, seit mein Vater mit den Traum herkam, ein Imperium aufzubauen, dass er eines Tages an mich weitergeben würde und ich dann an meinen Sohn.«

Seine Worte sind eine schallende Ohrfeige und erinnern mich sehr deutlich daran, dass ich meinem Vater zwar viel bedeute, aber eines nicht bin.

Ein Sohn.

»Sultans gehört in die Familie«, fährt er fort. »Alles, was ich habe, gehört dir.«

»Dann gib es mir«, erwidere ich, meine Stimme wird immer lauter. Das ist die Gelegenheit für mich, ihm zu beweisen, dass ich mehr bin als das, was er sieht. Es ist nicht mein Traum, einen etliche Milliarden Dollar schweren Mischkonzern zu leiten. Ich habe einen Abschluss in Psychologie gemacht, nicht in Betriebswirtschaft, und ich habe absolut keine Ahnung, wie das geht, aber ich könnte es lernen. Ich würde alles dafür tun, damit sein Name weiterlebt, damit das Vermächtnis unserer Familie weiterlebt, wenn es das ist, was ich für ihn tun soll.

Er lacht auf, aber es klingt hohl. »Du bist das Licht meines Lebens, Yasmin. Aber es ist nicht deine Bestimmung, in meiner Welt zu leben.«

»Das ist nicht fair, Baba. Ich …«

»Nein«, unterbricht er mich. »Ich habe alles mir Mögliche getan, um dich abzuschirmen. Um … dich vor der unappetitlichen Seite meines Lebens zu schützen. Und es gibt Dinge, die du unmöglich verstehen könntest, und Dinge, die du mir nie verzeihen könntest, wenn du darüber Bescheid wüsstest.«

Ich runzele die Stirn und lehne mich zurück, wobei ich ihm meine Finger entziehe. »Ich weiß mehr, als du denkst.«

Er lacht leise und tätschelt mir den Handrücken.

Vor Ärger zieht sich meine Brust zusammen. Wenn ich ein Mann wäre, würde dieses Gespräch niemals stattfinden. Dann hätte er mich wahrscheinlich von Kindesbeinen an in all seine Meetings mitgenommen, mir die unappetitlichen Dinge beigebracht und erwartet, dass ich zuhöre und lerne. Dass ihm die Person fehlt, nach der er sucht – jemand mit Karam-Blut in den Adern, der Sultans übernehmen könnte –, ist sein eigener Fehler.

Ich bin nicht die zarte Blume, für die er mich halten will.

»Wenn du heiratest, kann dein Ehemann in deinem Namen als Alleinaktionär die Entscheidungen treffen, und ich kann in Frieden sterben in dem Wissen, dass die beiden wichtigsten Sachen in meinem Leben in guten Händen sind. In den Händen von Familienmitgliedern.«

Mein Herz schlägt so schnell, dass meine Brust wehtut, und mein Kopf fühlt sich an, als hätte man ein Gummiband darum gewickelt und fest angezogen. Aber trotzdem wird mir bewusst, dass er das jetzt ist. Der Moment, in dem ich ihm von Aidan erzählen kann. Ich hole tief Luft und stelle mich gegen meine Nervosität. »Ich habe da tatsächlich …«

Bevor ich den Satz beenden kann, hustet er. Und hustet. Und hustet. Der Husten ist laut und kratzt an den rauen Wänden seiner geschädigten Lunge, bevor er aus seinem Mund herausplatzt. Auf einmal lässt er meine Hand los.

Ich sehe zu, wie er krampfhaft hustet, bis sich seine Augen mit Tränen füllen. Er zieht ein Taschentuch aus seiner Tasche, und die roten Flecken, die durch das Gewebe schimmern, bringen mich dazu, die Worte wie Galle hinunter zu schlucken, sodass sie meine Kehle versengen statt die Stimmung zu verderben. Ich kann ihm jetzt nicht von Aidan erzählen. Ich kann ihn nicht mit einer Wahl enttäuschen, die nicht seinen Vorstellungen für mich entspricht. Nicht, wenn es ihm dermaßen schlecht geht.

Meine Nasenflügel weiten sich, Verzweiflung macht sich in mir breit, während ich zusehe, wie mein Vater gegen seinen Schmerz ankämpft, um diese letzte Sache von mir zu verlangen.

Aber wie kann er das von mir verlangen?

Wie kann ich Nein sagen?

Langsam wischt er sich den Mund ab, eine einzelne Träne rollt sein Gesicht hinunter und landet auf seinem ungleichmäßigen Bart, der gerade wieder nachzuwachsen begonnen hat, seit er die Behandlung für immer abgebrochen hat und sich zu Hause palliativ betreuen lässt.

Unter allen anderen Umständen wären seine Haare ein Zeichen der Hoffnung, der Resilienz. Jetzt sind sie nur eine weitere Erinnerung daran, dass seine Tage gezählt sind.

»Bitte«, flüstert er mit schwacher Stimme.

Ein Gedanke schießt mir in den Kopf und verbreitet sich wie Säure in meinem Gehirn. Darum wollte er mich beim Abendessen diesem Mann vorstellen. Er wollte mich verkuppeln.

Ein Gefühl von Verrat überzieht meine Zunge wie Löschpulver. All die Jahre lang habe ich genickt und zu allem Ja gesagt, was er verlangt hat, ich bin brav in all die Internate und zum Benimmunterricht gegangen, habe nie gesprochen, wenn ich nicht an der Reihe war. Ich bin zum College gegangen und habe ein Abschluss in einem »respektablen« Hauptfach gemacht statt einen Bachelor in Fotografie an der Kunsthochschule, wie ich es eigentlich wollte.

Und als er krank wurde, bin ich ohne darüber nachzudenken nach Hause geeilt, weil ich wusste, dass ich später Zeit haben würde, darüber nachzudenken, wie mein Leben aussehen sollte.

Später.

Er stirbt, erinnere ich mich.

Ich blicke auf und sehe ihm ins Gesicht, das Gewicht seiner Forderung fühlt sich an, als wäre mir gerade die Welt auf die Schultern geplumpst.

Er sieht mir nicht in die Augen, und ich weiß, dass es ihm sehr schwerfällt, mir so entgegenzutreten. Er ist immer der starke Pfeiler in meinem Leben gewesen, und ich schulde es ihm, ihm das zurückzugeben.

Ich schulde ihm alles.

»Okay, Baba. Was auch immer du willst.«

Kapitel 4

Julian

 

Ich beiße die Zähne zusammen, während ich Yasmin und ihren Vater an der Tür belausche. Als Ali ihr sagt, dass sie heiraten müsse, überrascht mich das nicht, schließlich wusste ich ja bereits Bescheid, aber es ätzt dennoch.

Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen beleidigt, dass er nicht auf die Idee gekommen ist, mich mit Yasmin zu verheiraten. Ich nehme an, dass es etwas mit unserem Altersunterschied zu tun hat oder der Tatsache, dass ich »wie ein Sohn« für ihn bin. Aber seit ich weiß, dass er Heiratskandidaten einlädt, hat sich ein Gedanke bei mir festgesetzt, der in meinem Kopf widerhallt: Er hält mich vielleicht für nicht gut genug, genauso wie bisher alle anderen.

Bei diesem Gedanken schmerzt meine Brust.

Spielt keine Rolle.

Ich habe immer noch genug Zeit, die Strippen zu kappen und neu anzuordnen, bis die Marionetten sich so bewegen, wie ich das will. Wenn Ali erst einmal gestorben ist, werde ich keine Prinzessin mehr brauchen, die glaubt, wegen des Blutes in ihren Adern und dem Geld, mit dem sie aufwachsen durfte, über allen anderen zu stehen.

Ich zucke zusammen, als hinter der schweren Holztür ein Husten ertönt und im gleichen Moment das Mobiltelefon an meinem Bein vibriert, sodass ich ruckartig zurückspringe.

Während ich erschrocken Luft hole und mich umdrehe, ziehe ich das Mobiltelefon aus meiner Tasche.

Ich verlasse meinen Lauschposten und gehe durch den überladenen Marmorflur, der mit übergroßen Gemälden von Monet und van Gogh dekoriert ist und von gedämpften Tausend-Dollar-Lampen beleuchtet wird. Sie hier aufzuhängen ist das reinste Klischee, aber genau das ist wohl auch der Sinn der Sache. Weltbekannte Kunstwerke, die selbst ein Laie wiedererkennen würde. Mehr steckt wirklich nicht dahinter – die verschwenderische Einrichtung und das Glänzen von Geld, alles nur Show.

Aber eine, in der ich gerne die Hauptrolle spiele.

Schon als ich ein Kind war, das mit praktisch nichts aufwuchs, habe ich davon geträumt, an solchen Orten zu stehen.

Machtlos und ohne Geld zu sein verliert schnell seinen Reiz.



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