Typisch Thekla - Markus Maria Saufhaus - E-Book

Typisch Thekla E-Book

Markus Maria Saufhaus

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Beschreibung

Ein Australienbesuch bringt der Familie Saufhaus ein ganz besonderes Haustier ein: eine sprechende Schlange namens Thekla; frech, neugierig und verfressen, aber ansonsten harmlos und sehr lernbegierig. Das wirbelt den Alltag der Familie ganz gehörig durcheinander, zumal es Thekla gelingt, unentdeckt nach Deutschland zu reisen. Mit einem speziellen Tierpass ausgestattet, darf sie von nun an mit ihrer neuen Familie um die Welt reisen. Die Thekla-Reihe, die mit "Thekla in Japan" fortgesetzt wird, bietet nicht nur lustige Thekla-Abenteuer, sondern auch viel Informatives über ferne Länder, wie z. B. Australien und Japan. Das Buch richtet sich nicht nur an Kinder, sondern auch an junggebliebene, humorvolle Menschen.

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Seitenzahl: 224

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Dieses Buch ist allen Kindern gewidmet, besonders Paula und Clara, ebenso dem Andenken an meinen Ehemann Bernd.

Inhaltsverzeichnis

Claras Kummer

Von verschwundenen Wäschestücken und fliegenden Kochtöpfen

Ein unheimliches Flüstern

... nicht aufs Schlangenmaul gefallen

Aufräumen wie eine Schlange

Clara unter Verdacht

Die neue »Haus«-Schlange

Kein Sport für Schlangen

Der sprechende Rucksack

Eine Schlange mit Ecken

Theklas Bolognese-Sauerei

Koala in Schockstarre

Neue Freunde für Thekla

Claras großer Wunsch

Moon sorgt für eine Überraschung

Abschied von Thekla

Schlangen-Wiederbelebung

»Mjammm, Lewwwerworscht!«

Wochenlang allein im Container

Thekla allein zu Haus

Ein Schlafplatz für Thekla

Thekla macht es sich gemütlich

Theklas umwerfende Wirkung

Kletterpartie mit Tücken

Thekla auf Eichhörnchen-Pirsch

Der erste tierische Freund

Theklas Schnee-Abenteuer

Die schäumende Putzassistentin

Die lebende Qigong-Kugelkette

Die »lehrreiche« Buchstabensuppe

Theklas kleine »Kunstwerkstatt«

Champagner ist nichts für Schlangen

Thekla, die Leseratte

Ein Babymützchen für Thekla

Thekla – ganz wissenschaftlich

Schöne Aussichten für Thekla

Katzenhypnose

Die Verwandtschaft wird eingeweiht

Studentenfutter – schwere Kost für wissbegierige Schlangen

Besuch der Nachbarn mit nahrhafter Streuselkuchen-Einlage

Schmerzhafter Kletterausflug beim Nachbarn

Thekla verschwindet

Drei fünffache Schnäpse auf Thekla

Thekla, die Feinschmeckerin

Fahrstühle sind nichts für Schlangen

Aufregende Erkundungstour

Thekla in Siegfrieds Mechanischem Musikkabinett

Auf zur Germania!

Thekla beim Sehtest

Fürs Frühstücksfernsehen engagiert

Thekla darf fliegen

Der Star des Frühstücksfernsehens

Berlin-Rundfahrt mit Max

Thekla legt den Straßenverkehr lahm

Thekla steckt fest

Turbulenzen mit Thekla im Reichstag

Eine Schlange macht Schlagzeilen

Der Preis der Berühmtheit: zahllose Anrufe und tausende E-Mails

Thekla spricht sich rum

Thekla erlegt einen unliebsamen Besucher

Picknick mit Moon

Thekla wird weltberühmt!

Ein Schlaflied im Supermarkt

Bruchlandung in der Geburtstagstorte

Claras Kummer

Oh Mann, was hatten die Erwachsenen doch alles erzählt, wie toll die Weihnachtsferien in Australien werden würden. Traurig saß die neunjährige Clara auf ihrem Bett und dachte an ihre Freundinnen Lena und Sophie in Deutschland. Wie schön wäre es doch, mit denen jetzt zu spielen. Wie langweilig war es dagegen hier in Corowa. Seit einer Woche machte sie hier im Südosten Australiens Ferien, um Weihnachten mit Opa Bernd und seiner Frau Maria zu verbringen. Und es war auch durchaus schön bei diesem warmen Wetter in diesem riesigen Ferienhaus. Jedes Jahr wurde es von Claras Opa gemietet, damit er und seine Frau Maria dem kalten deutschen Winter entgingen. »Aber trotzdem«, stöhnte Clara, »es ist einfach zu laaangweilig.« Auch wenn sich Claras Eltern, Sarah und Peter, zusammen mit Opa Bernd und Maria alle Mühe gaben, damit Clara und ihre drei Jahre ältere Schwester Paula ihren Spaß hatten. Hier im Ferienhaus zu sitzen und vielleicht mal ins Schwimmbad oder zum Grillen zu gehen (hier in Australien nannte man das BBQ – sprich »Barbecue«), das ersetzte Clara einfach nicht die Freundinnen. »Mit denen könnte ich doch jetzt richtig was Cooles unternehmen«, schniefte Clara ein bisschen selbstmitleidig.

Plötzlich überwältigte sie das Heimweh – manches war doch sehr ungewohnt hier. Es war wirklich sehr heiß. An diesem Tag war es immerhin 43 Grad Celsius warm. Und immer musste man vorsichtig sein, weil es viele giftige Tiere gab. Zum Beispiel aufpassen, dass man nicht auf Spinnen trat. Die waren wirklich eklig. Ihre Schwester Paula zog Clara deswegen immer auf. Aber warum Opas Frau, Maria, sich so vor Schlangen fürchtete, das konnte Clara nicht verstehen. Im Zoo in Deutschland hatten Clara diese coolen Tiere immer fasziniert. Aber Maria hatte erzählt, dass es unter ihrem schönen Ferienhaus vor zwei Jahren mal ein Schlangennest gegeben hatte. Allein das wäre noch nicht so schlimm gewesen, wenn die Tiere sich nicht immer wieder vor dem Haus gesonnt hätten. Zu allem Überfluss handelte es sich um eine besonders giftige Schlangenart, und zwar um Braunschlangen. Die Australier nannten sie »Brownies«. Das klang, fand Clara, fast wie ein Kosename. So eine Schlange hätte Clara wirklich gerne mal beobachtet. Das wäre doch mal spannend – aber so ... Maria hatte angesichts der Schlangen sofort Opas australischen Freund Angelo angerufen. Der kannte sich mit Schlangen gut aus und hatte das ganze Haus durchsucht. Aber da waren die Schlangen anscheinend schon wieder »ausgezogen«. Trotzdem mochte Maria seitdem überhaupt keine Schlangen mehr. Opa Bernd meinte, sie hätte jetzt eine Schlangenphobie. Komisches Wort, fand Clara, aber es bedeutete, dass Maria eine Riesenangst vor Schlangen hatte. Mit ihr würde man wohl keine Schlangenabenteuer erleben. Schade.

Von verschwundenen Wäschestücken und fliegenden Kochtöpfen

Das einzig Interessante hier im Ferienhaus war noch, dass es spukte. Das behauptete zumindest Maria. Gestern hatte sie zum Beispiel ihr neues, langärmliges T-Shirt gesucht. Das hatte sie extra gekauft, um sich besser vor der unbarmherzigen australischen Sonne zu schützen. Und jetzt war das T-Shirt weg. Wie vom Erdboden verschluckt. »Ständig verschwindet etwas«, hatte Maria geschimpft. »Sogar aus dem Wäschekorb im Badezimmer sind Teile der schmutzigen Wäsche weg.« Maria war der festen Überzeugung, dass hier ein Gespenst seine Finger im Spiel hatte. Clara fand das aufregend. Sie hörte nun genau zu, wenn Maria von anderen unerklärlichen Vorkommnissen erzählte. Im letzten Jahr war zum Beispiel ein ganzer Topf mit Bolognese-Soße auf dem Küchenfußboden gelandet: »Und es war doch niemand zu Hause«, beklagte sich Maria. Weiter erzählte sie, dass eines Tages die Kühlschranktür offen stand. Alles im Kühlschrank war durcheinandergeworfen worden. Maria war jetzt überzeugt: »Wir haben bestimmt einen Geist als Mitbewohner.« Aber der hatte sich leider lange nicht mehr gerührt. »Aach«, schniefte Clara, »wie ist das doch laaangweilig. Ich will wieder nach Hause.« Und ein paar Tränen kullerten ihre Wangen herunter.

Ein unheimliches Flüstern

Doch plötzlich war es mit ihrer Langeweile vorbei, denn eine sanfte Stimme flüsterte leicht zischelnd: »Nicht weinen, kleine Clara.« Alarmiert riss Clara die Augen auf. Was war das? Ein Einbrecher, der sich unter ihrem Bett versteckte, oder gar Marias Geist? Schon war Clara mit ihren Schuhen verbotenerweise auf ihr Bett gesprungen. Ein bisschen musste sie sich ducken, denn sie schlief mit ihrer Schwester in einem Etagenbett. Hektisch schaute sie sich nach einem Gegenstand um, mit dem sie sich wehren konnte. Schließlich hatte sie ja schon jede Menge TKKG- und Drei-Fragezeichen-Hörgeschichten gehört. Clara hatte sich sogar schon selbst Krimis ausgedacht. Als die unbekannte Stimme noch einmal schüchtern ergänzte: »Bitte nicht weinen, sonst muss auch ich weinen«, wurde Clara mutiger und wagte nachzufragen: »Wer bist du? Zeig dich, sonst springe ich ganz fest auf dem Bett herum.« Ein kurzes Zögern – und unter dem Bett klang leise die Bitte hervor: »Aber du darfst dich nicht erschrecken, ich bin nämlich eine Schlange.«

Clara war wie vom Donner gerührt. »Also gibt’s ja doch noch Schlangen im Haus!«, war ihr erster Gedanke. Aber eine Schlange, die sprechen konnte? Konnte es das wirklich geben? Doch schließlich siegte Claras Neugier über ihre Furcht. Vorsichtig beugte sie sich über die Bettkante und blickte direkt in ein ganz seltsames Augenpaar. So etwas hatte sie noch nie von Nahem gesehen: Es waren zwei hellgrüne Augen mit dunklen Spiralen. In einem Auge lief die Spirale linksherum, im anderen rechtsherum. Das sah ja fast so aus, als ob die Schlange schielte! So was Komisches. Clara musste grinsen. Vergessen war jede Angst. Dabei war die Schlange ganz schön groß. Das konnte Clara sehen, auch wenn das Tier sich fest eingerollt hatte. Und schön war sie! Nicht etwa braun, wie Maria es von den anderen »Haus«-Schlangen erzählt hatte, sondern bunt. Jede ihrer unzähligen Schuppen schillerte in einer anderen Farbe. Wie ein Regenbogen, fand Clara. Seltsam nur, dass diese australische Schlange nicht englisch, sondern deutsch sprach.

... nicht aufs Schlangenmaul gefallen

Warum sprach die Schlange nun deutsch? Dieser Frage musste die Hobby-Detektivin Clara sofort nachgehen. Zum Glück war das seltsame Reptil anscheinend eine richtige Plaudertasche, denn es redete sofort los: »Mein Name ist Thekla – ist das nicht ein schöner Name! Den habe ich mir selbst gegeben, weil der so wunderbar klingt. Hör mal: ‚Theeeeeklaaa‘ – das hat doch was!« »Na ja«, dachte sich Clara, »der Name erinnert mich eher an die fiese Spinne Thekla in der ‚Biene Maja‘-Fernsehserie.« Und schon musste sie grinsen. Hörte aber gleich wieder damit auf, als sie sah, wie hoch sich diese Schiel-Schlange jetzt vor ihrem Bett aufrichtete. Außerdem war das Tier ganz und gar nicht auf sein schuppiges Schlangenmaul gefallen. Aber die Geschichte, die Thekla dann über ihr bisheriges Leben erzählte, machte Clara wieder ein bisschen traurig: »Ich wohne schon sehr lange unter dem Fußboden dieses Hauses«, berichtete Thekla, »deshalb kenne ich auch deine ganze Familie, Clara. Deinen Opa und Maria kenne ich sogar schon seit meiner Geburt. Sie kommen ja jedes Jahr, wenn es hier in Australien Sommer ist, also von November bis Februar. Das ist dann für mich die schönste Zeit im Jahr. Denn dann bin ich nicht so alleine.«

»Aber«, fragte Clara, »du musst doch sicherlich auch eine Familie haben, wo ist die denn?« »Stimmt«, antwortete Thekla, »ich hatte wie du Mama und Papa und auch Geschwister, aber nicht lange nach meiner Geburt sind sie fortgegangen. Haben mich einfach nicht mitgenommen.« Thekla schniefte ein wenig, »War denen wohl zu hässlich. Ich bin ja nicht so schön braun wie alle anderen in meiner Familie. Obendrein habe ich noch nicht einmal Giftdrüsen, bin also gar nicht giftig. Deshalb haben sie sich wohl für mich geschämt.« »Aber Thekla«, antwortete Clara ein bisschen erleichtert, dass Thekla nicht giftig war, »ich finde dich wunderschön. Du schimmerst wie ein Regenbogen!« »Wirklich?«, fragte Thekla, merklich aufgeheitert. »Und die ganze Zeit warst du hier alleine?«, fragte Clara mitfühlend nach. »Jaaaaa«, antwortete Thekla, »gaaaanz, gaaaanz alleine. So einsam, dass ich mir ein Loch in den Holzboden knabbern musste, um von November bis Februar ein bisschen näher bei deinem Opa und Maria zu sein. Aber gesehen haben die mich noch nie, obwohl ich oft in der Wohnung war.«

Aufräumen wie eine Schlange

Kaum hatte sie das gesagt, demonstrierte Thekla gleich, wie vertraut sie mit allem war. Ganz zart zog sie mit ihrem zahnbewehrten Maul an einem T-Shirt, das Clara achtlos auf die Erde geworfen hatte, und bewegte sich damit in Richtung von Claras Kleiderschrank. »Was machst du da!«, rief Clara entgeistert. »Ich räume auf«, entgegnete Thekla eifrig. »So ein Quatsch«, stoppte Clara Theklas Tatendrang, »das ist doch kein Aufräumen. Das T-Shirt ist dreckig und muss in die Waschmaschine und nicht zurück in den Schrank.« Beleidigt rollte Thekla mit ihren hellgrünen Augen, dass es Clara ganz schwindelig wurde. Enttäuscht antwortete die Schlange: »Aber so räume ich doch immer auf, wenn Maria und Bernd hier sind. So helfe ich ihnen!« »Das ist ja nett von dir gemeint«, antwortete Clara diplomatisch, »aber so bist du keine Hilfe. Du bringst viele Sachen nur durcheinander. Maria glaubt schon, dass hier Geister im Haus sind. Opa Bernd und sie wollten schon deswegen ausziehen!« Thekla erstarrte. Ein bisschen verblasste die Regenbogenfarbe auf ihrer Haut: »Das können sie doch nicht machen«, rief sie, »auf keinen Fall! Von ihnen habe ich sprechen gelernt und ich kann doch nur Deutsch!« Verzweifelt warf sie ihren eleganten Körper hin und her, sodass es Clara schon fast wieder leidtat, sie kritisiert zu haben.

Gleichzeitig hatte sie aber auch einen Verdacht: »Kann es sein, dass du weißt, wo das neue, langärmlige T-Shirt von Maria ist?«, fragte sie. Wieder erstarrte Thekla und die Schuppenhaut auf ihrem Oberkiefer kräuselte sich ein bisschen unsicher. Offensichtlich hatte sie ein schlechtes Gewissen. »Ein weißes T-Shirt mit langen Ärmeln?«, fragte sie ganz unschuldig. »Mmh, könnte sein, dass ich es probeweise mit in meine Höhle genommen habe. Es war ja soooo weich.« »Thekla, das geht so nicht!«, mahnte Clara streng. »Wir müssen alles, was du dir genommen hast, wieder an seinen Platz bringen, sonst sind Opa Bernd und Maria böse! Am besten ich helfe dir.« Clara war eine gute Turnerin, gelenkig und schmal, und so passte sie neben Thekla noch gut unter das Bett. Durch ein Loch im Holzboden konnte sie einen Blick in Theklas Höhle werfen. Sie staunte nicht schlecht, was die Schlange in ihrem »gemütlichen Heim«, so alles angesammelt hatte, dass das alles fehlte, das hätte doch eigentlich schon der ganzen Familie auffallen müssen und nicht nur Maria … Nun ja, Clara wollte Thekla helfen, damit das erste Zusammentreffen der Schlange mit Opa Bernd und Maria nicht in einem lautstarken Krach enden würde. Gemeinsam mit Thekla beförderte Clara unter anderem Marias T-Shirt, zwei verschiedene Socken, ein Unterhemd vom Opa, ein Haargummi (gehörte das nicht ihr?), einen Bleistift, einen Löffel, zwei Kugelschreiber und einen Kamm aus der Höhle nach oben. Stopp mal – einen Kamm? Was um alles in der Welt, fragte sich Clara, fängt eine Schlange mit einem Kamm an? Aber egal. Erst einmal musste die Familie vorsichtig mit Thekla bekannt gemacht werden. Fein säuberlich platzierten das Mädchen und die Schlange die »Fundstücke« im Wohnzimmer auf dem Boden.

Clara unter Verdacht

Aber was nun? Was würde sein, wenn Maria nach Hause kam? Wie sollte Clara ihr und dem Opa schonend die Existenz einer nicht nur sprechenden, sondern auch stehlenden Schlange beibringen. Oje, Clara war ratlos. Es blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, entschied Clara. Vorsichtshalber schickte sie Thekla erst einmal wieder zurück in ihre Höhle. Als Maria vom Einkaufen nach Hause kam, wunderte sie sich zunächst nur über das Sammelsurium auf ihrem Wohnzimmerboden. Dann aber sagte sie streng: »Clara, was ist das? Woher stammen diese Dinge? Hast du mir irgendwas zu sagen?« Clara wurde ganz verlegen. Mit roten Ohren, die sie immer bekam, wenn jemand mit ihr schimpfte, schaute sie auf den Fußboden. Sie druckste ein wenig herum, bis sie gestand: »Liebe Maria, werde bitte nicht ärgerlich und reg dich bloß nicht auf. Du weißt doch, es gibt böse und gute Menschen.« »Ja, und?«, fiel ihr Maria ungeduldig ins Wort. »Ja, und so gibt es auch böse und gute Schlangen.« »Um Gottes willen, Clara, nun mach mal keine Ausflüchte. Oder komm doch lieber mal zu mir her. Ich glaube fast, du fieberst und phantasierst.« Maria legte Clara ganz sanft die Hand auf die Stirn.

Claras Gedanken rasten: Jetzt musste es raus, es ging nicht anders, sonst würde sie noch von der besorgten Maria mit ekligem Fiebertee ins Bett gesteckt werden: »Ich, ich ...«, stotterte sie. »Ich weiß, dass es in Australien viele fiese Schlangen gibt, aber ich habe gerade eine ganz, ganz nette Schlange kennengelernt. Wirklich! Die ist ganz harmlos!« »Also jetzt schlägt es aber dreizehn«, schimpfte Maria, »eine nette Schlange?« »Ja, Maria, sie heißt Thekla, lebt schon lange hier im Haus und kann sogar deutsch sprechen. Sie ist wirklich lieb, glaub mir, Maria.« Jetzt musste sich Maria aber doch erst mal setzen. Das Kind phantasierte. Doch in diesem Moment kam Theklas großer Auftritt: Ganz langsam und wirklich sehr freundlich zischelnd kam sie mit ihren stattlichen zwei Metern durch die Tür des Wohnzimmers geschlängelt. Als Maria das sah, nahm ihre Gesichtsfarbe abwechselnd eine weiße und eine tiefrote Farbe an. Sie schnappte nach Luft. Besorgt sprang Clara zu Maria hin und griff nach ihrer Hand. »Die ist wirklich ganz lieb«, flehte sie, »Maria, nicht böse sein. Das ist Thekla. Sie wohnt schon seit Jahren bei euch und hat euch nie was getan. Nur ein bisschen aufgeräumt …« »Aufgeräumt?«, hauchte Maria schwach. Sie war der Ohnmacht nahe.

Das war das Stichwort für Thekla: Zum großen Erstaunen von Maria begann die Schlange in perfektem Deutsch zu sprechen: »Liebe Maria, darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Thekla, und ich habe in deinem Gästezimmer unter dem Holzboden mein Domizil. Meine Wohnung ist allerdings nur so leidlich gemütlich und nicht sehr komfortabel für eine so stattliche Schlange wie mich, wenn ich dies anmerken darf.« Mit weit aufgerissenen Augen starrte Maria das große Reptil an. War das möglich? Konnte sie ihren Ohren trauen? War das wirklich eine sprechende Schlange? Theklas kleine Ansprache und ihr sanfter Blick ließen Maria Zutrauen fassen. Aber je mehr die Angst wich, desto mehr wuchs auch Marias Verärgerung. Und sie sagte: »Aha, das ist also des Rätsels Lösung! Du bist unser sogenanntes Hausgespenst, das meinen Haushalt so nachhaltig in Unordnung gebracht hat. Wie bist du denn überhaupt in unsere Wohnung gekommen?« »Ich habe ein Loch in den Fußboden gemacht«, antwortete Thekla ganz leise. »So konnte ich immer zu euch hochkommen und ein bisschen helfen.« »Helfen?«, echote Maria grummelnd. Sie war schon ein bisschen besänftigt, angesichts der offensichtlich recht zerknirschten Schlange. »Jetzt erklärt sich vieles«, murmelte Maria. Gleichzeitig dachte sie aber auch schon an die übrigen Familienmitglieder, die bald nach Hause kommen würden. Wie würden die wohl auf diese tierische Mitbewohnerin reagieren? Ein bisschen sollte man Thekla deshalb schon einmal in ihre Grenzen weisen. Deshalb sagte Maria streng: »Eins kann ich dir jetzt schon sagen, du wirst auf keinen Fall nachts durch unser Haus schlängeln und schläfst unten in deiner Höhle. Heute Abend werden wir eine Familienkonferenz abhalten und beraten, wie es mit dir weitergehen soll.«

Die neue »Haus«-Schlange

Wie zu erwarten, staunten alle Familienmitglieder am Abend nicht schlecht, als ihnen Maria und Clara von der neuen »Haus«-Schlange erzählten. Claras Eltern, Sarah und Peter, waren zunächst nicht davon angetan, dass ihre Kinder hier in Australien mit einer Schlange unter einem Dach wohnen sollten. Aber Paula, Claras zwölfjährige Schwester, war begeistert: Das war doch eine tolle Story, die sie ihrer Clique berichten konnte – verstohlen zückte sie schon ihr Handy, ob sie vielleicht schnell ein Foto machen und ins Netz stellen könnte ... Bernd, Marias Mann, lachte nur, als er Theklas Geschichte hörte, und rief: »Dann komm mal raus, Thekla, du Hausgespenst!« Das ließ sich Thekla nicht zweimal sagen. Eine gefühlte Ewigkeit hatte sie ängstlich warten müssen. Mit ihrem elegantesten Schlängelschwung kam sie ins Wohnzimmer geflitzt, richtete sich ein ganz klein bisschen auf und blickte liebevoll von einem zum anderen. Ihr hypnotisierender Blick wirkte sofort. Im Sturm eroberte sie die Herzen aller Familienmitglieder. Von diesem Moment an gehörte sie zur Familie.

Am nächsten Morgen erschien Thekla zusammen mit Paula und Clara zum Frühstück. Ganz selbstverständlich – als ob dies schon immer so gewesen sei. Rund um den Frühstückstisch saßen nun vier Erwachsene, zwei Kinder und eine, wie sich herausstellen sollte, ganz schön verfressene Schlange. Wie jeden Morgen hatte Maria ein Riesenfrühstück vorbereitet: mit Toast, Rührei mit Schinken, Käse, Marmelade und Nutella. Nutella, mmmh. Thekla war ganz versessen darauf, endlich mal diese dunkelbraune Creme zu probieren. Wie oft hatte sie schon aus ihrem sicheren Versteck beobachtet, mit wie viel Genuss Clara und Paula ihren Toast mit Nutella aßen. Endlich, endlich wurde das Glas aufgeschraubt, und sie konnte probieren. Und ehe es sich die Familie versah, steckte Theklas Kopf tief in dem vollen Nutella-Glas. Aber Thekla hatte unterschätzt, dass die Schokocreme in der australischen Hitze recht flüssig wurde. Nicht nur, dass die verfressene Schlange ihren Kopf kaum noch aus dem Glas herausbekam, Peter musste ganz fest ziehen. Ihre Augen und Nasenlöcher waren von der Schokocreme völlig verklebt. Thekla schnaubte, Thekla nieste und ließ einen wahren Regen von Schokotröpfchen auf ihre erstaunt-erschreckten Tischnachbarn niedergehen. Was für eine Ferkelei! Die Tischdecke, der Boden, die Küchenmöbel – alles hatte etwas abbekommen. Aber Maria nahm es mit Humor: »Das hat es wohl auch noch nicht gegeben, Schlange nimmt Nutella-Bad – Schoko-Dusche zum Frühstück – das wäre doch mal eine Zeitungsschlagzeile!« Nachdem die Spuren des Schoko-Malheurs beseitigt worden waren, startete die Familie ihr Tagesprogramm: Die Männer fuhren (etwas verspätet) zum Segelflugplatz. Sarah wollte mit den Kindern ins Schwimmbad. Da wäre Thekla natürlich »soooo« gerne mitgefahren. Aber sie wusste, in Australien kennt man bei Schlangen kein Pardon. Die Reptilien sind häufig sehr giftig und damit lebensgefährlich für den Menschen. Sobald diese Tiere im Haus oder in öffentlichen Gebäuden oder Anlagen auftauchen, wird der Schlangenfänger gerufen oder derjenige, der das Reptil entdeckt, fängt es auch schon einmal selbst. Also hieß es für Thekla: »Du musst leider zu Hause bleiben.« Nur Maria blieb mit ihr zu Hause. Das tröstete die unternehmungslustige Schlange nur wenig. Theklas Glück war, dass Bernd und Peter bald vom Flugplatz wieder nach Hause kamen. An diesem Tag waren die Wetterbedingungen fürs Segelfliegen nicht geeignet. Peter packte nun sein Badezeug und wollte ins Schwimmbad zu Frau und Kindern. Bernd und Maria zogen es vor, zum Golfen auf den großzügigen Golfplatz von Corowa zu fahren. Sie hatten ihre Golftaschen fast fertig gepackt, da begann Thekla ganz erbärmlich zu jammern: »Keiner nimmt mich mit! Jetzt bin ich schon wieder alleine.« Wie schon zuvor und viele Male später sollte Thekla mit ihrem traurigen Blick Erfolg haben. Allerdings musste sie sich in den Golfsack neben die Schläger zwängen. Sie musste jetzt mucksmäuschenstill sein, damit sie nicht entdeckt wurde, wenn Bernd und Maria auf dem Golfplatz waren. Nun konnte Thekla, gut versteckt in der Golftasche, mit auf den Golfplatz. Eine für sie ganz neue Welt erwartete sie.

Kein Sport für Schlangen

Wie nicht anders zu erwarten, wurde es Thekla schnell langweilig. Neugierig begann sie, ihren Kopf aus der Tasche hervorzurecken. Schläger wurden aus der Golftasche herausgeholt und wieder hineingesteckt. Kleine weiße Bälle flogen über die kurz gemähten Wiesenflächen und verschwanden plötzlich in einem Loch. Und schon war Theklas Neugier geweckt. »Darf ich jetzt nicht mal raus?«, quengelte sie. »Ist doch weit und breit niemand zu sehen. Bin schon ganz verspannt.« Also erlaubten Bernd und Maria, dass Thekla über den Rasen flitzte, und das tat sie natürlich sofort in Richtung eines Lochs. War das der Anfang eines Tunnels? Flink steckte sie ihren Kopf in das kleine Rund. Wie enttäuschend – hier ging es nicht weiter. Nur ein kleiner weißer Ball war hier schon drin, blöd. Maria und Bernd wurden ungeduldig: »Thekla, weg da! Du bist uns im Weg. Wir können die Bälle gar nicht richtig abschlagen, geschweige denn, dass wir das Loch treffen.« Also wurde die Schlange angewiesen: »Denk dir eine Linie zwischen unseren Bällen und dem Loch. Auf dieser Linie darfst du auf keinen Fall liegen oder herumschlängeln, sonst wird es schmerzhaft für dich. Golfbälle sind ganz schön hart!« Von nun an gab es keine (Thekla-) Zwischenfälle mehr. Maria und Bernd konnten sich stetig bis zu Loch 8 vorarbeiten. Doch bald wurde es bei 40 Grad Celsius australischer Sommerhitze sowohl Thekla als auch »ihren« Menschen zu heiß. Außerdem fand es die abenteuerlustige Schlange langweilig und anstrengend, immer wieder diesen weißen, sehr schmerzhaften Golfbällen auszuweichen.

Bernd und Maria wollten schon zurück zum Clubhaus, da kam es doch, das aufregende Abenteuer, auf das Thekla gewartet hatte: Mit ihren scharfen Augen entdeckte die Schlange in einer mit Sand gefüllten Mulde, Golfer sagen dazu Bunker, ein riesiges braunes Tier. Wie interessant! Was war denn das? War dieser braune Riese gefährlich, wie er so dastand auf seinen kräftigen Hinterbeinen? Da hatte sich doch tatsächlich ein Riesenkänguru auf den Golfplatz verirrt! Ja, von Kängurus hatte Thekla schon gehört (schließlich hatte sie schon seit langem jede Nacht bei Maria und Bernd das Fernsehprogramm von vorn bis hinten geschaut). Sie wusste, dass Kängurus durchaus gefährlich sein konnten. Zum Beispiel wenn sie jemanden mit ihren Vorderläufen oder Hinterfüßen boxten oder traten. Aber das war Thekla jetzt grade mal ganz egal. Frech rief sie: »Hallo, du, du Känguru, darf ich mal in deinen Beutel schau’n?« Aber statt zutraulich näher zu kommen, wie Thekla es erwartet hatte, ergriff das Känguru mit Riesensätzen die Flucht. Keine Chance für Thekla, da hinterherzuflitzen. So was Blödes! Thekla ärgerte sich, aber richtig eingeschnappt war sie, als Bernd und Maria auch noch mit ihr schimpften. »Das hätte böse enden können!«, mahnte Bernd. »Bei einem Boxkampf mit einem Känguru hättest du den Kürzeren gezogen.« Zur Strafe musste Thekla wieder in den Golfsack. Oh, wie war das eng und heiß bei der Hitze!

Der sprechende Rucksack

Und es wurde noch enger für die Schlange, denn Maria und Bernd wollten sich nach dem Ende der Golfpartie mit ihren Freunden im Golfclub treffen. Da konnte der Golfsack nicht mit rein. Und so musste sich Thekla in Bernds Rucksack zwängen und wurde auf der Erde »abgestellt«. Prompt stieß Bernds Freund Hansi mit dem Fuß gegen die gut verpackte Thekla. Auf der Stelle quiekte sie ein lautes »Autsch!« in den Raum. »Was war denn das?«, fragte Hansi. »Verfügst du jetzt über einen sprechenden Rucksack, Bernd?« »Quatsch«, antwortete dieser, »das war mein zartes Schienbein, das du getroffen hast, lieber Hansi, da kann man ja mal ein bisschen jammern.« Und damit war auch diese Gefahr, dass Thekla entdeckt wurde, gebannt. Lange blieben Maria und Bernd nicht im Club. Das Abendessen rückte näher, und Paula und Clara warteten schon sehnlichst auf Thekla. Die wiederum war, wieder zu Hause angekommen, in Erzähllaune. Begeistert berichtete die Schlange, was sie so alles auf dem Golfplatz – trotz des langweiligen »Ball-ins-Loch-Schlagens« – gesehen hatte: »Da waren sooo viele Tiere: Enten, Ibisse, Kakadus, Kookaburras, Pelikane und dann dieses riiiiiiiiiesengroße Känguru.« Thekla übertrieb ein bisschen, das machte sie gerne, insbesondere wenn sie Hunger hatte.

Thekla erklärt:

Australien ist ein absolut riesiges Land. Mehr als 21-mal größer als Deutschland! Seit langer, langer Zeit (seit über 50 Millionen Jahren!) ist Australien von anderen Kontinenten durch Ozeane getrennt. Kein Wunder, dass sich hier eine ganz einzig- und eigenartige Pflanzen- und Tierwelt entwickeln konnte. Allein 300 000 verschiedene Tierarten gibt es hier. Und immer noch werden jedes Jahr neue Arten entdeckt! Darunter ganz schön merkwürdige Exemplare, wie der Wombat oder das Schnabeltier, aber auch ganz schön giftige, wie zum Beispiel die Rotrückenspinne oder die Würfelqualle. Von uns Reptilien gibt es immerhin rund 700 Arten! Leider sind viele von meinen Artgenossen sehr gefährlich. Insbesondere die Schlangenart, zu der ich gehöre: Ich bin nämlich eine Braunschlange. Die Australier bezeichnen uns als »Brownies«. Hört sich eigentlich ganz nett an, aber im Gegensatz zu mir sollte man mit meinen Artgenossen nicht kuscheln, denn ihr Biss kann einen Menschen töten!

Eine Schlange mit Ecken

Es wurde dringend Zeit fürs Abendbrot und das war ganz australisch: Bernd und Maria hatten den Grill schon angemacht. Es sollte ein zünftiges Barbecue geben mit Steaks und Würstchen. Dazu hatte Maria Kartoffelsalat, grünen Salat, Tomaten mit Mozzarella sowie knusprig gerösteten Toast vorbereitet. Thekla konnte es kaum abwarten. So passierte es, dass sie sich vor allen anderen über das Toastkörbchen hermachte. Das war ein Anblick: Weil Thekla eine besonders krosse Toastbrotscheibe am Stück verschluckt hatte, verformte ein viereckiges Etwas ihre ansonsten doch so schlanke »Figur«. Aber das war noch nicht alles. Am Abendbrottisch erschallte plötzlich ein lauter Rülpser. Alle schauten sich verdattert an. Was war denn das gewesen? Thekla etwa? Eine rülpsende Schlange? »Sorry«, brachte Thekla leicht würgend hervor: »Ein kleines Missgeschick meinerseits. Das passiert nur, wenn ich sehr hungrig bin und zu gierig fresse.« Allerdings machte sie keinen besonders schuldbewussten Eindruck. Vielmehr schaute sie frech und vorwurfsvoll in die Runde – hatte man sie doch wirklich lange – viel zu lange – aufs Essen warten lassen. Kein Wunder, dass da ein klein bisschen »die Schlange mit ihr durchgegangen« war.