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Aktivierungsangebote gibt es viele. Aber häufig bleiben alte Menschen mit ihrem Bedürfnis, über philosophische Themen zu sprechen, allein. Doch gerade die Frage danach, wie man mit Einsamkeit, dem Abschied von geliebten Personen oder offenen Lebensthemen besser umgeht, beschäftigt viele. Dieses Praxisbuch möchte Ihnen als Betreuer:in Mut machen, hochbetagten Menschen Raum für die großen Fragen des Lebens zu geben. Es lädt ein, offen, alltagsnah und abwechslungsreich Achtsamkeit und Spiritualität mit Senior:innen zu entdecken. Wertschätzend und entspannt. In der Gruppe und in Einzelgesprächen. Marie Krüerke hat die unterschiedlichen Bedürfnisse alter Menschen im Blick und gibt Ihnen als Alltagsbetreuer:innen verlässliche Tipps und Materialien. Für den "philosophischen Nachmittag", die Achtsamkeitsgruppe, selbstorganisierte Andachten und Aktionen wie "Steine ins Wasser werfen, um Belastendes loszuwerden" oder die "Seelen-Haltestelle". Ergänzend finden sich weitere Praxistipps zum Download im Internet.
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Seitenzahl: 153
Marie Krüerke
Über die großen Fragen des Lebens sprechen
Achtsamkeit und Spiritualität in der Sozialen Betreuung
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© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2022
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Titelfoto: AdobeStock,GordonGrandIllustration (Herz, Sonne, Sprechblase): AdobeStock, Michaela Steininger
ISBN 978-3-7486-0590-4
Einleitung
Teil I Achtsamkeit mitten im Alltag: Damit die Stimmung stimmt
Die Gestaltung der Atmosphäre
Wie sprechen wir miteinander?
Wer übernimmt welche Aufgabe?
Wie unruhig ist es eigentlich bei uns?
Welche Aktivität bieten wir welcher Person an und warum?
Sind wir offen für Wünsche und Impulse der Seniorinnen und Senioren?
Rituale schenken Geborgenheit
Rituale zum Ankommen und Verabschieden
Rituale im Tagesverlauf (Mahlzeiten, Hygiene, Schlafenszeit)
Rituale zum Einzug und Auszug
Mitten drin statt nur dabei: Ich bin wertvoll!
Vom Glück des Selbermachens
Wie Eigenverantwortung das Wohlbefinden steigert
Gruppenzusammenhalt entsteht durch gemeinsame Aktionen
Achtsamkeit als Gruppenangebot
Meine Stimmung ist hier wichtig
Die Jahreszeiten erleben
Atmen, entspannen, auftanken
Übungen zur Atemwahrnehmung
Teil II Spiritualität für Kopf und Herz
Grundprinzipien gelingenden Lebens
Wahrheit:
Freude:
Frieden:
Miteinander:
Schönheit:
Lieder regen an und beruhigen
Mut zum Gesang a capella
Die passende Liedauswahl
Einsatz von Instrumenten
Der Liedtext als Kraftquelle
Beten: Verbindung zu Gott aufnehmen
Wie beten wir gemeinsam?
Gemeinsame Fürbitte
„Ein-Satz-Gebet“
Gebetsgemeinschaft
Gebetsstille
Körpergebete bringen Schwung
Bibeltexte verwenden
Die Botschaft der Bibel entdecken
Die Psalmen lesen: Schmerz und Freude ausdrücken
Die Psalmen miteinander erleben
Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte
Psalm 139: Herr, du kennst mich durch und durch
Psalm 40: Gottes Hilfe und Fürsorge
Psalm 16: Ich kann mein Glück nicht fassen!
Biblische Geschichten als Traumreise verwenden
Das gerettete Schaf
Der Schatz im Feld
Zachäus wird endlich beachtet
Alle Sinne berühren
Geborgenheit schenken
Ikonen, Skulpturen und Bilder einsetzen
Abendmahl feiern
Gemeinsame Aktivitäten
Steine beschriften oder wegwerfen
Schirm aufspannen
Eine Form aus Papier beschriften
Kresse säen
Armband aus Wolle flechten
Brief an mich/Brief an Gott/Brief an eine Wunschperson schreiben
Buntes Kästchen für Hoffnungen und Wünsche
Segnen
Teil 3 Die großen Fragen des Lebens erörtern
Die Grundhaltung der Einzelnen
Fragen und Zweifel sind Chancen!
Ehrlich und offen Fragen Raum geben
Vom Mut, nichts zu wissen
Vom Mut, ich selbst zu sein – auch im Beruf
Vom Mut, einen partnerschaftlichen Spielraum zu eröffnen
Einen philosophischen Nachmittag anbieten
Worüber wir noch nie gesprochen haben: Tabus niedrigschwellig abbauen
Austausch ist wichtiger als Wissen
Einen abwechslungsreichen Ablauf gestalten
Bildbetrachtung
Interviewpartner
Musikstücke, Lieder
Raum zur Reflexion
Zwiegespräche am Lebensende
Raum geben für Fragen
Unklares aushalten
Zu Aktivitäten ermutigen
Lebensthemen in Ordner heften
Taschentuch beschriften
Gedanklicher Spaziergang am Meer
Steine ins Wasser werfen, um Belastendes loszuwerden
Gedanken des Lichts
Die letzte Zeit vor dem Tod ausnutzen
Ideenfundus: Achtsamkeitsübungen für meinen Alltag
Autorin
In vielen Senioreneinrichtungen haben die Gruppenangebote drei Ziele:
Allgemeine Unterhaltung,
körperliche Aktivierung und
kognitive Anregung.
Kaum eine Einrichtung bietet den Senior:innen die Möglichkeit, die großen Fragen des Lebens anzusprechen und in einem wertschätzenden, entspannten Rahmen zu erörtern. Dabei taucht jetzt, nach der Verrentung, dem Abschied aus dem eigenen Zuhause, für viele auch nach dem Tod des Lebenspartners, die Sehnsucht nach Antworten auf:
War das alles?
Kommt da noch was?
Wie gestalte ich mein Leben ohne Partner:in in der neuen Umgebung?
Werde ich noch einmal neue Freundschaften knüpfen? Wer aus meinem Bekanntenkreis lebt noch und begleitet mich bis heute? Wenn ich oft Einsamkeit erlebe: Suche ich nach einem höheren Wesen, das mir Sinn und Hoffnung gibt? Könnte das Gott sein, oder wie stille ich den spirituellen Durst?
In der letzten Etappe der eigenen Biografie bleiben viele hochaltrige Menschen mit ihrem Bedürfnis, philosophische Themen zu besprechen, allein. Nach Jahrzehnten im Beruf, parallel beschäftigt mit Familie, Haushalt und Hobbys, treten Leerstellen auf. Sollte je ein Bezug zu Glauben oder Kirche bestanden haben, ist er für viele schon lange abgebrochen. Wo also suchen nach Zuversicht und innerer Stärke für den oft beschwerlichen Alltag, der immer wieder durch Alleinsein und körperliche Begrenzungen geprägt wird?
Dieses Praxisbuch lädt ein, alltagsnah und lustvoll Achtsamkeit und Spiritualität mit den Senior:innen zu entdecken. Dabei biete ich viel Raum für eine eigenen Position, die vielleicht auch auf der Seite der Seniorenbetreuer:innen erst gefunden werden möchte. Es möchte ein Reisebegleiter sein, weder rein spirituell noch rein philosophisch, sondern offen, abwechslungsreich und handfest. Mit viel Platz für eigene Experimente, verlässliche Tipps und die ganz unterschiedlichen Bedürfnisse und Reaktionen der Senior:innen.
Ich wünsche viel Freude auf dem Weg und unterwegs gute Entdeckungen, die neue Möglichkeiten und alte Bekannte miteinander vereinen.
Marie Krüerke, Januar 2022
Die Atmosphäre in der Betreuung und Pflege ist eine Grundvoraussetzung, damit sich sowohl die Seniorinnen und Senioren als auch die Angestellten wohlfühlen. In vielen Teams prägen Gewohnheiten das Miteinander: Wie ist unser Umgangston im Kollege:innenkreis? Arbeiten alle ihre eigene Agenda ab oder sind wir als Team in engem Austausch unterwegs? Können wir uns aufeinander verlassen oder machen wir lieber alles selbst? Vertrauen wir uns Sorgen um einzelne Betreute an oder zerbricht sich jede:r allein den Kopf, wenn das Verhalten bestimmter Seniorinnen oder Senioren verändert scheint? Stehen wir in Engpässen und Krisen zusammen oder schieben wir uns gegenseitig die Verantwortung und unangenehme Pflichten zu?
Wer eine neue Arbeitsstelle antritt, versucht, sich möglichst zügig in das bestehende Team einzugliedern – mit allen Gewohnheiten im Miteinander, die dazu gehören. Nur selten nehmen sich Abteilungsleitende die Zeit, zu beobachten und nachzufragen, wie der Umgang untereinander die Stimmung der Senior:innen beeinflusst.
Achtsamkeit ist nach einer Phase als Modewort in vielen Unternehmen als feste Größe im Leitbild eingezogen. Aber kaum jemand kann klar benennen, was Achtsamkeit bedeutet und wie sie sich praktisch im Arbeitsalltag erkennen und fördern lässt. Ich bin mir sicher, dass Achtsamkeit keine Aktivität ist, die wir als Baustein in den Wochenplan integrieren, sondern dass Achtsamkeit eine Grundhaltung ist: uns selbst, unseren Kolleginnen, Kollegen und den betreuten Menschen gegenüber. Je bewusster und wertschätzender wir uns begegnen, desto achtsamer und erfüllender sind wir miteinander unterwegs. Und desto mehr fühlen sich alle Anwesenden wohl.
Der Umgangston im Team bestimmt die Art und Weise, wie wir mit den Seniorinnen und Senioren sprechen. Niemand kann nach rechts seine vorbeilaufende Kollegin anblaffen und nach links von Herzen freundlich und geduldig auf eine demenziell veränderte Dame eingehen. Wer Konflikte mit der Vorgesetzten hat, wird die morgendliche Gymnastik nicht so schwungvoll und unbeschwert anleiten wie sonst. Alles, was sich hinter verschlossener Tür unter Kolleginnen und Kollegen abspielt, wird durch die Mimik, Gestik und den Sprachgebrauch nach draußen an die Seniorinnen und Senioren getragen.
Daher möchte ich einige Fragen zum eigenen Reflektieren stellen, um der Dynamik im Team auf die Spur zu kommen. Denn nur das, was wir durchschauen, können wir auch verändern.
Spontan aus dem Bauch heraus: Wie wohl fühle ich mich in der letzten Zeit bei der Arbeit?
Wie sprechen wir miteinander?Sind wir grundsätzlich anerkennend oder neigen wir dazu, viel zu kritisieren und Verantwortung an andere abzuschieben?
Wenn wir zusammen lachen: Lachen wir dann wirklich miteinander oder häufiger übereinander?
Wenn wir Pause haben: Lästern wir über diejenigen, die gerade krank oder im Urlaub sind, oder sprechen wir wertschätzend miteinander und übereinander?
Wird es bei uns regelmäßig laut? Oder behalten wir auch in anstrengenden Phasen einen freundlichen, geduldigen Ton? Gibt es bestimmte Personen im Team, die mit ihrer explosiven Art die Stimmung regelmäßig zum Kippen bringen?
Praxistipp:
Meine Werte, deine Werte
Wenn wir voneinander wissen, was den anderen Teammitgliedern wichtig ist, können wir gelassen miteinander umgehen und in Konflikten besser verstehen, warum bestimmte Standpunkte aufeinanderprallen. Was sind meine Werte?
Freiheit, Gemeinschaft, Frieden, Spaß, Toleranz, Bescheidenheit, Gesundheit, Leidenschaft, Mitgefühl, Respekt, Authentizität, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Fröhlichkeit, Wahrheit, Verbindlichkeit, Fortschritt, Tradition, Natur, Spiritualität, Geduld, Verantwortung, Leidenschaft, Nähe …
Was sind die Werte der anderen?
Wo entstehen ganz eindeutig erlebbare Spannungen, weil die Werte einzelner Teammitglieder offensichtlich sehr verschieden sind? Wie können wir uns respektvoll begegnen?
Alle Angestellten profitieren davon, wenn sie sich entsprechend ihren Begabungen und Interessen einbringen können. Daher ist es sinnvoll, die Aufgaben im Team bewusst zu verteilen und regelmäßig darüber zu sprechen, ob alle mit ihren Schwerpunktthemen zufrieden sind.
Wer bietet lieber ruhige Gruppen an?
Wer ist glücklich, wenn es richtig turbulent wird?
Wer mag Routineaufgaben?
Und wer blüht auf, wenn neue Ideen umgesetzt werden können?
Gibt es Aktivitäten, die sich eigentlich totgelaufen haben, aber aus Gewohnheit aufrechterhalten werden? Solche Aufgaben erfordern überproportional Kraft, ein bewusster Abschied und ein gemeinsamer Austausch über neue Ideen können das Team zusammenwachsen lassen und eine frische Dynamik schenken.
Auch zwischen den einzelnen Abteilungen ist ein Abstimmen der Tätigkeiten sinnvoll. Manche pflegerische Aufgabe wird von einzelnen Vorgesetzten aus Zeitmangel den Betreuenden aufgezwungen. An anderer Stelle könnte die Pflege die Betreuung sehr sinnvoll entlasten, wenn die Tätigkeiten nicht nach Abteilung, sondern nach dem inneren Zusammenhang verteilt werden würden.
Achtsamkeit im Alltag bedeutet, eingeschliffene Abläufe zu hinterfragen, wenn sie sich sperrig und unnötig anstrengend anfühlen.
Achtsamkeit bedeutet auch, die Talente Einzelner höher zu bewerten, als ein starres Organigramm es scheinbar zulässt. Ein Thema, das mich persönlich interessiert und mit dem ich mich identifiziere, kann die Grundlage eines Gruppenangebots sein – selbst wenn mir offiziell die Ausbildung dafür fehlt. Oder wenn der Platz scheinbar bereits durch eine Kollegin besetzt wurde.
Praxistipp:
Outside the Box
Male einen großen Kasten und schreibe hinein, was du derzeit alles tust, weil du dazu ausgebildet wurdest. Schreibe ebenfalls hinein, welche Aufgaben du übernommen hast, weil du dich entweder dafür eingesetzt hast oder niemand anderes daran Interesse hat.
Schreibe rund um die Box, auf welche Tätigkeiten du so richtig Lust hättest – völlig egal, ob sie deinem Tätigkeitsprofil in der Einrichtung oder deiner Ausbildung entsprechen.
Wenn du dich für ein Thema begeisterst, ist es sehr wahrscheinlich, dass du auch andere dafür begeistern kannst. Und dass diese Begabung sich für alle sinnbringend einsetzen lässt. Damit das auch die Vorgesetzten erkennen, kannst du einen Bildungsurlaub zu dem Thema buchen (in fast allen Bundesländern stehen den Angestellten 5 Tage zusätzlicher Sonderurlaub als fest definierter „Bildungsurlaub“ rechtlich zu) oder eine passende Fortbildung besuchen. Danach weißt du einerseits sicher, wie sehr dein Feuer für das Thema brennt, und du kannst andererseits deine Kompetenz klar herausstellen.
In vielen Einrichtungen werden zwischen den Mahlzeiten Gruppenaktivitäten oder Einzelbetreuung angeboten. Diejenigen, die nicht daran teilnehmen (können), sitzen währenddessen im Gruppenraum oder Speisesaal und werden mit Radio oder Fernsehen beschallt. Häufig ist das Anschalten der Geräte eine reine Routine der Pflege- oder Betreuungskraft, keine bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Konzert im Klassikradio oder eine ausgewählte Sendung im Regionalprogramm des Fernsehsenders. Entsprechend willkürlich und bedeutungslos ist die Musik oder das Geplapper, das vom Bildschirm ausgeht. Dadurch wird eine Stille im öffentlichen Raum der Einrichtung vermieden, eine tatsächliche Aktivierung oder Beschäftigung der zufällig anwesenden hochaltrigen Menschen wird damit aber nicht erreicht. Häufig entsteht einfach nur ein Klangteppich, der durch die Geräusche des Putzteams und der Küche verstärkt wird. Mit den Rufen von Kolleginnen, Kollegen und den teils unartikulierten Äußerungen kognitiv schwer betroffener Seniorinnen und Senioren summiert sich eine Geräuschkulisse, die primär unruhig und anstrengend ist. Da die Hörgeräte oft den Störschall genauso verstärken wie den gewollten Nutzschall (sprachliche Äußerungen in der Umgebung, Musik), verdoppelt sich häufig die akustische Unruhe in der Wahrnehmung der Bewohner:innen.
Viele hochaltrige Menschen reagieren dadurch nervös, gereizt, unkonzentriert und fahrig. Statt Radio und Fernseher lauter zu stellen, damit sie abgelenkt sind, wäre eine konsequente Reduktion der Unruhe viel zielführender.
Wann darf es bewusst ruhig auf der Station sein?
Wann bemüht sich das Team gemeinsam, die Bewohner:innen zu animieren und zu einem gemeinsamen Erlebnis mitzureißen?
Wann ist im zeitlichen Ablauf von Pflege und Mahlzeiten der passende Zeitraum für Gemeinschaft?
Wann kann die Zeit der Betreuung für einzelne Seniorinnen und Senioren genutzt werden?
Wann schalte ich das Radio oder den Fernseher ein? Für welche Person und warum?
Entspricht die Dauerbeschallung dem Wunsch der betroffenen Person tatsächlich oder möchte ich eine scheinbar drückende Stille vermeiden?
Welche Person mag die Stille lieber als Radio und Fernsehen?
Praxistipp:
Die Seelen-Haltestelle
Schaffen Sie an einer ruhigen, aber gut einsehbaren Ecke einen Platz als „Seelen-Haltestelle“. Ähnlich einer Bushaltestelle, nur dass hier nicht auf den öffentlichen Nahverkehr gewartet wird, sondern Raum zum Innehalten entsteht.
Hier kann ein Schaukelstuhl, ein Strandkorb oder ein Ohrensessel platziert werden. Der Ort sollte unbedingt einen schönen, freien Blick nach draußen bieten. Gleichzeitig sollte er mit Pflanzen so weit abgeschirmt werden, dass tatsächlich ein Ort der Ruhe inmitten der Gemeinschaft möglich wird. Besonders schön ist es, einen solchen Ort sowohl drinnen als auch draußen einzurichten. Er sollte auf der Terrasse oder einem öffentlichen Balkon für alle gut und ohne Hilfe erreichbar sein. Mit einem kleinen Beistelltisch für eine Tasse Kaffee und einer Wolldecke für ein Gefühl von Geborgenheit entsteht so ein friedlicher Ort, der zum Auftanken einlädt. Wer mag, platziert ein Körbchen mit Bonbons und Seifenblasen für den maximalen Spaßfaktor dazu.
Besonders in Pflegestationen ist es wichtig, dass dieser Platz nicht zu abgelegen ist, damit vorbeilaufende Angestellte jederzeit schnell erkennen und reagieren können, wenn es der dort sitzenden Person nicht gut geht.
Ebenso sollte regelmäßig jemand nachsehen, ob die Seelen-Haltestelle sauber und einladend aussieht oder ob eine Reinigung notwendig ist.
Offiziell werden in jeder Einrichtung zu Beginn ausführliche Gespräche mit den neuen Seniorinnen und Senioren geführt, um biografische Informationen zu sammeln. Diese sollen das Kennenlernen erleichtern und garantieren, dass passende Aktivitäten angeboten werden. In der Realität des Betreuungsalltags wird häufig nur wenig auf die erhobenen Daten eingegangen. Welche Person an einer bestimmten Gruppe teilnimmt, hat oft mehr mit praktischen Gründen zu tun, als mit den Wünschen der Einzelnen. Da viele Beschäftigte in der sozialen Betreuung fachfremde Tätigkeiten mit übernehmen müssen und die Zeit für eine fundierte Vor- und Nachbereitung des Angebots oft fehlt, bestimmt die Problemvermeidung die Gruppenzusammensetzung: Bestimmte Personen werden ausgeschlossen, weil sie Unruhe in die Gruppe bringen oder Konflikte provozieren. Angenehme Zeitgenossen werden aus taktischen Gründen in der Gruppe aufgenommen, auch wenn sie eher wenig Interesse am Thema haben. Manche Personen werden einfach spontan dazugesetzt, weil sie einer anderen Kollegin im Weg sind, ohne die Gruppenleitung vorab zu fragen. Dass die Teilnehmenden tatsächlich bewusst und überlegt zu einer Gruppe zusammengeführt werden, passiert nur bruchstückhaft.
Welche Interessen haben die Seniorinnen und Senioren wirklich?
Wie oft werden sie zu einer Gruppe zusammengefasst und gemeinsam betreut, ohne dass nach den Wünschen der Einzelnen gefragt wird?
Welche Kleingruppe könnte zusätzlich angeboten werden, die bisher thematisch fehlt und für die es motivierte Teilnehmende gäbe?
Manchmal hilft es, eine Gruppe zu verkleinern und stattdessen ein weiteres Angebot für diejenigen zu starten, die gelangweilt oder störend wirken.
Praxistipp:
Utopische Träume
Wir sammeln als Team die Wünsche der Senior:innen, über welche Angebote sie sich freuen würden – völlig egal, ob sie realistisch umsetzbar wären oder nicht. Anschließend stellen wir zusammen, welche Aktivitäten uns Angestellten gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Spaß machen würden. Egal, wie modern, teuer oder unkonventionell diese Ideen wirken mögen – wir ermutigen einander, wirklich jede noch so ausgeflippte Idee festzuhalten. Danach überlegen wir, was der Mittelpunkt der jeweiligen Aktivität ist: Vielleicht lässt sich der Einfall nicht komplett realisieren, aber zumindest ein entscheidendes Kernelement. Für alle Ideen, die so gut sind, dass sie unbedingt am Stück umgesetzt werden sollen: Wie können wir Spenden sammeln, Fördergelder beantragen oder Sponsoren dafür anwerben? Für viele Projekte, wie Gartentherapie, Musiktherapie oder tiergestützte Begleitung, gibt es Fördergelder!
Wenn sich viele Seniorinnen und Senioren für Schlager begeistern, aber keiner aus dem Team der Betreuungskräfte: Vielleicht haben wir eine Köchin, die begeistert Schlager singt und alle auswendig kann? Wenn nur pädagogische Angestellte offiziell berechtigt sind, Gruppen und Kurse zu leiten, schränken wir den Kreis der Angebote unnötig ein. Statt davon auszugehen, welche Kompetenzen die Teammitglieder haben, ist es oft zielführender, die Wünsche und Interessen der Seniorinnen und Senioren zu erfragen. Um anschließend gemeinsam zu überlegen, wie die Bedürfnisse erfüllt werden können: mit Mitarbeitenden aus anderen Abteilungen, mit Minijobbern, Ehrenamtlichen oder Studentinnen und Studenten. Auch ein zeitlich begrenzter Rahmen als Projekt kann eine Möglichkeit sein, die Sehnsüchte der Seniorinnen und Senioren zu stillen.
Wie festgelegt sind wir auf unser Programm?
Werden alle Bedürfnisse abgedeckt: Aktivität und Entspannung?
Körperliche und geistige Beschäftigungen?
Gruppen und Einzelbetreuung?
Gibt es auch Anregungen für die Seele und die Beziehungspflege?
Wie viel sitzen wir drinnen, wie oft bieten wir Outdoor-Aktivitäten an?
Welche Wünsche werden immer wieder geäußert, wurden aber bisher nie beachtet?
Welches Hobby einer Angestellten könnte zur Grundlage eines Betreuungsangebots werden oder als Projekt den passenden Rahmen erhalten?
Welches Thema kann nicht langfristig als Gruppenangebot durchgeführt werden, aber eignet sich ideal für eine Projektwoche?