Udos Mütze - Katja Hildebrand - E-Book

Udos Mütze E-Book

Katja Hildebrand

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Beschreibung

Als Udos Hund Paulchen die hässliche Mütze im Wald findet, will Udo sie eigentlich wegwerfen. Doch dann entdeckt er, welche Kräfte in dieser Mütze stecken. Und plötzlich ändert sich ganz schön viel in seinem Leben. Ein Buch für Kinder von 7-10 Jahren

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Seitenzahl: 97

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Katja Hildebrand

Udos Mütze

Roman für Kinder

© 2021 Katja Hildebrand

Autor: Katja Hildebrand

Umschlag, Illustration: Tanja Neu

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-32356-8

Hardcover:

978-3-347-32357-5

e-Book:

978-3-347-32358-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1. Kapitel: Die Strafarbeit

Ich pfeffere meinen Schulranzen wütend in die Ecke und schnaube dabei verächtlich. Zugleich ducke ich mich innerlich, denn Mami mag es nicht, wenn man Schulranzen in die Ecke pfeffert, und wenn sie das gehört hat, gibt es bestimmt gleich ein Donnerwetter. Doch ich höre nichts. Gar nichts. „Hallo?“, rufe ich deshalb in das leere Haus. Keine Antwort. Meine Stimme klingt merkwürdig hohl. Das einzige Geräusch, das jetzt zu hören ist, kommt von Paulchen. Paulchen ist mein Hund. Ich höre, dass er wohl wieder mal auf dem Sofa gelegen hat und von dort herunterspringt. Auf dem Sofa herrscht eigentlich Hundeverbot. Seine Pfoten landen auf dem Holzboden, und seine Krallen machen leise, klackernde Geräusche, als er zu mir gerannt kommt. Sein Schwanz dreht sich vor lauter Wiedersehensfreude wie ein Propeller. Da kann ich ihm gar nicht böse sein, sondern muss ihn natürlich erst einmal richtig durchkraulen. Voller Begeisterung wirft er sich jetzt vor mir auf den Boden und streckt alle vier Beine in die Luft. „Das gefällt dir, ich weiß“, sage ich leise und vergesse für Augenblicke meinen Ärger.

Doch leider hält das nicht lange an. In der Schule war es heute mal wieder so richtig doof. Warum denkt meine Klassenlehrerin immer, ich würde träumen? Ich träume nie! Ich denke nach. Leider denke ich manchmal über andere Dinge nach, als im Unterricht gerade besprochen werden. Ich finde, dass es wichtiger ist, darüber nachzudenken, was mit unserem Klima passiert, als sich über Rechtschreibung den Kopf zu zerbrechen. Frau Meissner hat mich sowieso auf dem Kieker. Das merke ich schon die ganze Zeit. Ich bin eben nicht besonders gut in Rechtschreibung. Gut, ich bin sogar grottenschlecht. Aber ich habe nicht dieses Lese-Rechtschreib-Dings, das hat Mami schon mal testen lassen, weil sie wissen wollte, warum ich die einfachsten Wörter falsch schreibe. Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, wie man zum Beispiel „vielleicht“ richtig schreibt. Es ist nur so, dass es mir beim Schreiben irgendwie zu anstrengend ist, darüber nachzudenken. Dieses Nachdenken über die richtige Schreibung behindert mich in meinen Ideen.

Lesen kann ich gut. Ich lese gern, und ich lese viel. Richtig viel lese ich. Still für mich eben und das, was mich interessiert. Ich lese sogar in der Pause. Da habe ich meistens ein Buch dabei, damit ich was zu tun habe und die anderen mich in Ruhe lassen.

Ich mag nur nicht laut vorlesen. Irgendwie finde ich das affig. Wenn wir in der Schule etwas lesen, muss immer abwechselnd ein anderes Kind laut vorlesen, und alle anderen müssen still mitlesen und aufpassen, wo man gerade ist. Das ist manchmal so öde, wenn einer nur ganz langsam und stockend vorlesen kann, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, worum es eigentlich geht und mir fast der Finger auf dem Papier einschläft, weil es so langsam vorwärts geht.

Ist doch logisch, dass ich dann mit meinen Gedanken wandern muss, oder? Aber irgendwie checkt das die Meissner immer und ruft mich genau dann auf, wenn ich nicht mehr weiß, wo wir gerade sind. „Udo!“, sagt sie dann und lächelt mich so richtig fies an. „Du weißt bestimmt, wo wir stehen geblieben sind. Würdest du bitte weiterlesen?“ Richtig hinterhältig finde ich das eigentlich, wo sie genau weiß, dass ich nicht mehr weiß, wo wir sind. „Ähm…“, fange ich meistens an, und Frau Meissner wird jedes Mal sauer und schimpft: „Udo, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht in der Schule bist, um zu träumen!“

Heute ist mir das nicht nur beim Lesen passiert, sondern in Mathe und Sachunterricht gleich noch einmal. Da hat die Meissner was echt Mieses gemacht. Sie hat mich vor der ganzen Klasse bloßgestellt. „Udo“, hat sie geseufzt und dabei den Kopf geschüttelt, „wenn du jetzt der absolute Überflieger wärst, würde ich ja mal nichts sagen, aber wenn ich mir deine Noten so ansehe und überlege, dass nach Klasse 4 ein Wechsel auf eine weiterführende Schule ansteht, dann sehe ich echt schwarz.“

Mir wurde richtig heiß, als sie das sagte und ich spürte direkt, wie ich rote Ohren bekam. Ben und Flori grinsten sich eins. „Udo ist kein Überflieger, sagt die Meissner immer wieder!“, fing der fiese Mario an, und die meisten anderen Jungs aus meiner Klasse riefen es mir dann auch nach dem Unterricht auf dem Pausenhof hinterher. Das hat mich echt geärgert. Es hat mich traurig und wütend zugleich gemacht.

Ich war nicht von Anfang an in der Klasse. Meine Eltern sind erst vor knapp zwei Jahren hierhergezogen. Irgendwie hatten da schon alle ihre Freundschaften geknüpft. Und weil ich eher ein ruhiger Typ bin, wollte ich mich auch nirgends dazwischendrängen. Deswegen… solange sie mich in Ruhe lassen…

Aber heute riefen sie immer weiter und lachten auch noch laut dabei. Aber ich habe mich nicht provozieren lassen, nicht von denen. Bloß als es dann eben nach der Pause nochmal passiert ist, dass meine Gedanken nicht mehr bei der Sache geblieben sind und Frau Meissner nochmal so geschimpft hat, hab ich vor mich hingemurmelt: „Meissner kommt wahrscheinlich von Meise, weil sie eine hat…“

Oh je, das muss sie gehört haben. Ich habe es wohl doch ein bisschen zu laut gesagt. Denn plötzlich hat sie sich vor mir aufgebaut, beide Hände in die Seiten gestemmt und dann mit der Tafelkreide einen Punkt in die Luft gesetzt. „Oh nein!“, hat sie dazu gesagt, „Udo, da irrst du dich. Meise schreibt man nämlich mit einem s, Meissner aber mit zwei s. Wenn du ein bisschen nachdenken würdest, bevor du solche Unverschämtheiten rauslässt, wären sie am Ende vielleicht nicht ganz so peinlich für dich.“

Hämisches Grinsen meiner Klassenkameraden. Ein paar konnten ihr Prusten kaum noch unterdrücken, das hörte man. Und das machte es nicht besser. „Du schreibst bis morgen 30 Mal den Satz: Ich darf mich nicht über den Namen meiner Lehrerin lustig machen. Mit Unterschrift deiner Eltern.“

Ich habe sofort ausgerechnet: Das sind 11 Wörter im Satz, mal 30 ergibt 330 Wörter. Das darf wohl nicht wahr sein. Ich kann doch nicht 330 Wörter schreiben, zusätzlich zur Hausaufgabe. Da hock ich ja ewig dran. Mir sind die Tränen in die Augen geschossen, da konnte ich gar nichts dagegen machen. „Ooooch, jetzt weint er gleich, der kleine Udo“, hat Mario gespottet.

„Halt’s Maul!“, hätte ich ihm am liebsten zu gezischt, aber ich weiß, dass man so nicht spricht. Deshalb habe ich es nur gedacht.

Und jetzt sitz ich hier vor meinem Hund, der solche Probleme nicht kennt und nur froh ist, dass ich wieder zuhause bin. Ich habe einen Berg Hausaufgaben vor mir plus Strafarbeit plus Unterschrift der Eltern. Das gibt Riesenärger und bestimmt Computerverbot. Oder Fernsehverbot. Oder beides. Wo ist Mami bloß? Ich gehe in die Küche. Es riecht auch überhaupt noch nicht nach Mittagessen. Hunger habe ich aber. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel.

„Hallo, Udo, mein Schatz. Bin heute auf der Demo. Es kann später werden. Im Kühlschrank steht dein Essen. Du musst es dir warm machen. Pass auf, dass es dir nicht wieder anbrennt. Und mach den Herd aus, bevor du mit Paulchen rausgehst. Hab dich lieb, bis später.“ Mami Na toll. Jetzt darf ich auch noch selbst kochen. Diese dumme Demo, die hatte ich ganz vergessen. Mami und ihr Klima. In letzter Zeit macht sie fast nichts anderes, als Klima.

Ich wusste selbst lange Zeit gar nicht, was eine Demo ist. Wenn man eine Mutter hat, die gefühlt fast an nichts anderes mehr denken kann, weiß man es: Auf einer Demo versammeln sich viele Menschen, um ihre Meinung deutlich zu machen. Diese schreiben sie auf Plakate oder Schilder und rufen dann auch bestimmte Sätze, die sie unentwegt wiederholen. Manchmal haben auch welche Trommeln oder Tröten dabei, um auf sich aufmerksam zu machen. Und, das konnte ich schon oft genug miterleben, Demos gehen manchmal ewig. Beziehungsweise nach den Demos geht es noch ewig.

Ich mache den Kühlschrank auf und schaue nach, was drin ist. Sieht nach vegetarischem Eintopf aus, mit Grünkern. Das schmeckt mir eigentlich schon, aber heute hätte ich irgendwie mal wieder Lust auf Würstchen gehabt. Papa hat auch manchmal Lust auf Würstchen oder Fleisch. Aber ich weiß, dass er das tagsüber heimlich isst, wenn er in seiner Werkstatt Pause macht. Er will sich nicht mit Mami anlegen. Mami ist strenge Vegetarierin, das heißt, sie isst kein Fleisch - wegen des Klimas und wegen der Tiere.

Ich stelle den Topf auf den Herd, schalte die Platte an und hole einen Löffel aus der Schublade, damit ich umrühren kann. Paulchen sitzt mit aufmerksam gespitzten Ohren neben mir und schaut erwartungsvoll auf den Topf, ob da vielleicht was für ihn abfallen könnte. „Nein, Paulchen, das ist kein Hunde-Essen“, erkläre ich ihm, und da legt er den Kopf schief. Es sieht aus, als könne er mich verstehen.

Eigentlich muss Paulchen dringend raus. Aber ich habe dringend Hunger. Deswegen esse ich den lauwarmen Eintopf direkt mit dem Löffel aus dem Topf, kontrolliere dreimal, dass der Herd auch wirklich aus ist und ziehe dann meine Draußen-Stiefel an. Paulchen hüpft aufgeregt um mich herum. Er weiß, was diese Schuhe bedeuten: Jetzt geht es gleich raus, und da freut er sich natürlich riesig. Ich schnappe mir die Jacke und die Leine, stecke eine Kacktüte ein, und dann sind wir weg. Es ist kein besonders schönes Wetter heute.

„Wenn man einen Hund will, muss man bei jedem Wetter mit ihm raus“, hatten mich meine Eltern gewarnt. Ich hatte versichert, dass mir das nichts ausmachen würde. Deswegen darf es mir jetzt auch nichts ausmachen. Wir müssen nicht lange gehen, dann sind wir schon aus der Siedlung. Vor uns liegen Wiesen, und weiter hinten kommt der Wald.

Ich mache Paulchen von der Leine, und er flitzt erstmal los wie eine Rennsemmel. Wie gerne schaue ich ihm dabei zu. Das lässt mich allen Ärger vergessen. Immer wieder kommt Paulchen zu mir, schaut mich an und wedelt fröhlich mit dem Schwanz, fordert mich zum Mitrennen auf. Paulchen ist ein echter Freund.

Allzu lange können wir heute nicht draußen sein, denn ich muss diese dumme Strafarbeit hinbekommen. Und irgendwie muss ich die Unterschrift kriegen. Ich überlege, ob ich schnell zu Papa in die Werkstatt soll, um ihn unterschreiben zu lassen. Papa hat eigentlich nie Zeit, er wird sich sicher keine 330 Wörter durchlesen.

Aber er hat mich mal darum gebeten, dass ich nur in die Werkstatt komme, wenn es wirklich richtig wichtig ist. Bestimmt würde er sagen, dass auch Mami unterschreiben kann.

So ein Mist, echt wahr! Ich will keinen Ärger kriegen, Ärger ist blöd. Da ist danach immer so eine schlechte Stimmung. Die Erwachsenen sagen „dicke Luft“ dazu, und irgendwie ist es wirklich so, dass man das Gefühl hat, man kann kaum noch atmen. Für heute beschließe ich, dass es am besten ist, wenn ich mit den Hausaufgaben und der Strafarbeit fertig bin, bis Mami von der Demo heimkommt.

2. Kapitel: Die Unterschrift

Mami bleibt echt lange weg. So lange geht keine Demo. Auch die Nach-Demo nicht. Ich weiß das, weil ich ja selbst schon auf einigen Demos dabei war. Da habe ich immer Schilder getragen, auf denen standen Sätze wie „Es ist fünf vor zwölf“ oder „Stoppt den Kohleabbau“ oder „Es gibt keinen Planet B“. Aber da waren wir spätestens am Nachmittag fertig.