Mohomad - Der Traum von einem Leben in Freiheit - Katja Hildebrand - E-Book

Mohomad - Der Traum von einem Leben in Freiheit E-Book

Katja Hildebrand

0,0

Beschreibung

Mohomad träumt von einem Leben in Frieden. Als 16-Jähriger flieht er aus Pakistan. Der autobiografische Roman erzählt die Flucht des jungen Hazara aus Quetta. Bewegend, mitreißend, nachdenklich machend.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 148

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Katja Hildebrand

Mohomad –Der Traum von einemLeben in Freiheit

Als Jugendlichervor dem Terror geflohen

© 2019 Katja Hildebrand

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-7482-3321-3

Hardcover:

978-3-7482-3322-0

e-Book:

978-3-7482-3323-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Eine Geschichte, wie sie wahrer nicht sein könnte.

Vorwort

Die Anzeige im örtlichen Mitteilungsblatt lasen wir unabhängig voneinander bestimmt vier- oder fünfmal. Offenbar veranlasst sie jeden von uns zum Nachdenken, denn als Klaus beginnt: „Hast du auch diese Anzeige gelesen?“, weiß ich sofort, wovon er spricht und meine: „Ja, wir sollten was tun!“

In unserer Heimatgemeinde Mulfingen im Hohenlohekreis gibt es die St. Josefspflege Mulfingen, die 1854 als Kinderrettungsanstalt gegründet wurde. Im Dritten Reich wurden durch die Behörden Sinti und Roma Kinder aus Baden und Württemberg in das Kinderheim St. Josefspflege in Mulfingen eingewiesen und am 09. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert. Inzwischen ist die St. Josefspflege Mulfingen ein freier Träger der Jugendhilfe und der Bischof von Lipp Schule. Die St. Josefspflege erkennt 2014, welch große Not angesichts der großen Flüchtlingswelle herrscht und dass man sich vor allem der großen Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge annehmen muss. Es werden mehrere Wohngruppen gegründet und die Mitarbeiter der Josefspflege merken schnell, dass das A und O ihrer Arbeit die schnelle Integration der Jugendlichen ist. Also wird im örtlichen Mitteilungsblatt eine Anzeige geschaltet mit dem Aufruf, sich mit und für diese jugendlichen Flüchtlinge, kurz UMAs genannt, ehrenamtlich zu engagieren.

Klaus und ich gehen zu dem ersten Treffen. Viele bekannte Gesichter haben sich im Saal der Josefspflege versammelt, dazu auch einige der Jugendlichen aus der Wohngruppe, viele mit schwarzer Haut. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass sie für mich genau so aussehen, wie ich mir Flüchtlinge immer vorgestellt habe. Man hat hier auf dem Land bis zu dem Zeitpunkt schließlich nicht so viele Berührungspunkte mit geflüchteten Menschen gehabt.

Bei den Anwesenden ist eine Mischung aus Neugierde, Hilfsbereitschaft und Mitleid zu spüren. Es werden Ideen gesammelt, wer sich wie einbringen kann oder will. Schnell kommt ein bunter Strauß an Vorschlägen zusammen, zum Beispiel Deutschkurse, gemeinsame Koch-Aktionen, Billardspiel im heimischen Partykeller oder Gitarrenstunden.

Meinem Mann und mir wird schnell klar, dass wir nicht die Zeit haben, uns durch feste zusätzliche Termine zu binden. Vielleicht, so unser Gedanke, ist ja unter den Jugendlichen jemand, der Freude oder Interesse an unseren Tieren hat und den wir einfach an den Wochenenden in unserer Familie aufnehmen könnten. Wir haben Schafe, drei Ponys, Hühner, zwei Katzen, einen Hund, drei Kaninchen und damit immer genügend zu tun. Langeweile gibt es bei uns nicht. Und so taucht an einem Nachmittag im April 2016 ein Mitarbeiter der Josefspflege mit einem aus Pakistan stammenden Jugendlichen bei uns auf. Er erzählt uns, dass Mohomad in seiner Heimat mit Schafen, Ziegen und Kühen zu tun gehabt hat und sich darauf freuen würde, wieder mit Tieren in Kontakt zu kommen.

Das also ist Mohomad. Mir fällt gleich auf, dass er irgendwie mongolisch aussieht. Er ist vorsichtig, zurückhaltend, kann sich aber schon ganz gut verständigen. Wenn er spricht, dann spricht er sehr laut. Wir nähern uns vorsichtig an. Ich bin ein wenig unsicher. Schließlich hört und liest man ja viel von dem Frauenbild der Muslime, und ich weiß nicht, wie es auf ihn wirkt, wenn man da als Frau im T-Shirt sitzt. Doch als wir mit ihm nach draußen gehen, er die Schafe sieht und in ihre dichte Wolle greift, da merkt man sofort, wie sich etwas in ihm löst, wie er plötzlich locker und frei zu werden scheint und sich wohler zu fühlen beginnt. Als die Lämmer, die im Februar geboren wurden, übermütig um ihn herumspringen und eines ihn von hinten immer wieder anstupst, huscht ein Lächeln über sein Gesicht, und dann ist auch das letzte Eis endgültig gebrochen. Die Art, wie er unseren Tieren begegnet, und auch, dass unser Hund Senta ihn sofort mag, gibt auch mir nach kurzer Zeit die Sicherheit, dass Mohomad ein herzensguter Kerl ist.

In den kommenden Wochen und Monaten ist Mohomad an jedem Wochenende bei uns, manchmal auch unter der Woche. Abends sagt er immer: „Wann ich komme wieder Berndshofen?“ Anfangs ist es schon auch ungewohnt für uns. Wenn Mohomad nach der Schule direkt nach Berndshofen kommt und Klaus noch nicht von der Arbeit zurück ist, weiß ich nicht so recht, was ich mit ihm anfangen soll. Ich habe immer das Gefühl, man müsse irgendwas gemeinsam arbeiten. Zum Glück beginnt die Weidesaison, die Schafe müssen nachmittags auf die Weide getrieben und abends wieder in den Stall geholt werden. Das ist eine Tätigkeit, bei der Mohomad mithelfen kann, und das macht er auch mit großem Eifer. Auch beim Ausbessern und Kontrollieren der Zäune kommt er gerne mit. Er ist dabei, wenn wir mit den Ponys und dem Hund spazieren gehen, er ist da, wenn wir Besuch bekommen, und lernt so nach und nach unsere Freunde und Familien kennen. Mohomad ist immer hilfsbereit. Es ist für ihn selbstverständlich, auch im Haushalt mit anzupacken, zum Beispiel beim Tischabräumen. Sein Frauenbild ist überhaupt nicht so, wie man es vielen Muslimen unterstellt, im Gegenteil, er ist stets sehr zuvorkommend und höflich.

Nach einer Weile können wir uns auch vorstellen, ihn bei uns übernachten zu lassen, schließlich haben wir ja viel Platz in unserem Haus und unterm Dach ein leerstehendes Zimmer. Doch er zögert, will nicht so recht. Das finden wir sehr schade und können es nicht verstehen, bis uns sein Betreuer erzählt, dass Mohomad nachts immer noch von starken Alpträumen heimgesucht wird und dann schreiend aufwacht. Dafür schämt er sich und will uns das nicht zumuten. Als wir ihm versichern, dass uns das nichts ausmacht, überwindet er sich und bleibt dann auch das eine oder andere Mal über Nacht.

Wir vertrauen ihm von Anfang an, und er passt dann auch einmal am Wochenende allein auf unseren Hof und die Tiere auf. Mohomad war immer schon ein eher stiller Zeitgenosse. Er ist auch deswegen so gerne bei uns, weil er sich hier zurückziehen kann. In Mulfingen hatte er anfangs ein Doppelzimmer, das er sich mit einem 14jährigen Afrikaner teilen musste. Dadurch hatte er überhaupt keine Privatsphäre. Erst später, als eine zweite Wohngruppe aufgemacht wurde, konnte Mohomad das Zimmer als Einzelzimmer bewohnen.

In der ersten Zeit hat Mohomad noch mit den Spätfolgen seiner Flucht zu kämpfen. Weil er unterwegs oft viel zu wenig oder gar kein Wasser hatte, plagen ihn nun heftige Schmerzen in den Nieren, die voller Steine sind. Das bedeutet, dass er mehrmals ins Krankenhaus muss. Klaus besucht ihn dort jedes Mal, und Mohomad freut sich sehr darüber. Bei seinem zweiten Krankenhausaufenthalt ist es Klaus, der ihn dort abholt und nach Hause bringt. So werden wir mehr und mehr zu seiner „deutschen Familie“.

Als es ihm gesundheitlich besser geht, ist Mohomad gewissenhaft mit seinem Schulbesuch und lernt sehr schnell. Das ist wirklich erstaunlich, denn er hat uns erzählt, dass er in Pakistan nur einen Tag zur Schule gegangen sei und dann nicht mehr. In Rechnen, Schreiben und Lesen habe ihn seine Mutter unterrichtet, weiteres muss er sich selbst aus Büchern und übers Internet beigebracht haben. Schulpflicht gebe es zuhause nicht. Alles, was er gelernt hat, lernte er nur, weil er es lernen wollte.

Es ist erstaunlich, was Mohomad alles kann. Das eine oder andere Mal kocht er für uns pakistanisch, was sehr lecker schmeckt. Außerdem hat er von seiner Mutter auch gelernt, wie man mit einer Nähmaschine umgeht, und als er für sein Zimmer in der Ochsentaler Straße in Mulfingen eine eigene Nähmaschine bekommt, beginnt er für alle möglichen Leute Änderungen zu machen und sogar Kleidung zu schneidern.

Mohomad ist fleißig und gewissenhaft und immer sehr auf sein Äußeres bedacht. Für seinen ersten großen Gerichtstermin, bei dem es um den Asylantrag geht, kauft er sich einen Anzug und neue Schuhe. Stolz schickt er uns ein Foto per WhatsApp. In Mulfingen interessiert er sich für die Freiwillige Feuerwehr und erzählt uns, dass er, sobald er 18 Jahre alt sei, dort einsteigen wolle. Da er nicht nur herumsitzen, sondern etwas tun möchte, überlegen wir mit ihm gemeinsam, welchen Beruf er gern erlernen würde. Weil er in Pakistan in der Landwirtschaft seiner Mutter oft beim Schlachten der Tiere geholfen hat, können wir ihm im September 2016 eine Lehrstelle als Fleischer bei der Metzgerei Schäfer in Forchtenberg vermitteln, eine Tätigkeit, bei der er vom ersten Tag an mit Feuereifer dabei ist. Einmal holt Klaus Mohomad in Forchtenberg von der Arbeit ab und trifft seinen Chef. Dieser geht zu Mohomad und ruft ihn mit den Worten: „Mohomad, dein deutscher Papa ist da und holt dich ab.“ Man spürt, dass ihm das gefällt und gut tut.

Kaum jedoch hat er die Lehre begonnen, wird über seinen Asylantrag entschieden. Als ihm am 25.11.2016 der Brief vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugestellt wird, bricht ihm der Boden unter den Füßen weg, denn in dem Bescheid steht, dass sein Antrag abgelehnt ist. Wir haben große Angst, er würde sich das Leben nehmen. „Wenn sie mich abschieben, schreibe ich meinen Abschiedsbrief mit meinem eigenen Blut. Dann will ich nicht mehr leben,“ sagt er zu uns. Sein Profilbild auf WhatsApp ist tagelang schwarz, er geht nicht mehr aus seinem Zimmer und braucht Tabletten, um überhaupt in den Schlaf zu finden. Auf eine weiße Magnettafel, die in seinem Zimmer hängt und auf der er immer wieder mit Tafelstiften Notizen hinterlässt, malt er ein kaputtes Gesicht mit Tränen und daneben ein Kreuz.

Glücklicherweise können wir ihm Hoffnung machen, denn die Mitarbeiter der Josefspflege engagieren einen Anwalt in Stuttgart, der Widerspruch gegen dieses Urteil einlegen soll. Die Mühlen des Gesetzes mahlen bekanntlich langsam, also kehrt auch bei Mohomad langsam wieder der Alltag ein. Immer wieder spricht er davon, was er für Pläne hat, wenn er einmal mit der Ausbildung fertig ist. Er will den Meister machen, vielleicht auch studieren, am liebsten aber würde er einmal zur UNO und dort über das Schicksal seines Volkes berichten.

Anfangs ist das, was er uns erzählt, sei es über seine Flucht, sei es über die Gründe der Flucht oder seine Ziele, ziemlich verworren, und vieles kommt nur bruchstückhaft aus ihm heraus. Wir spüren, dass es ihn sehr mitnimmt, wenn er davon spricht. Darum bohren wir nicht nach, sondern hören ihm zu, wenn er das Bedürfnis hat, zu erzählen.

Am 9. Juni 2017 ist dann die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart. Der Josefspflege wird unerklärlicherweise erst genau an diesem Tag mitgeteilt, dass eine Anhörung stattfinden soll, angeblich war der Anwalt im Urlaub und die Vorladung untergegangen. Wie dem auch sei, Mohomad wird aus der Schlachtküche geholt und so fahren sie nach Stuttgart. Er kommt natürlich zu spät, außerdem in seinen Arbeitskleidern und völlig aufgelöst und unvorbereitet. Dabei hatte er sich extra einen schönen Anzug gekauft hat, um ordentlich und sauber vorsprechen zu können.

Als er dem Richter ausführlich die Gründe darlegen will, weshalb er unmöglich wieder nach Pakistan oder Afghanistan zurück kann, warum das für ihn keine sichere Herkunftsländer sind, wird er ziemlich barsch in seine Schranken verwiesen, und der Richter meint nur, er solle sich gefälligst kurz fassen. Bei seiner ersten Anhörung hatte Mohomad noch einen Dolmetscher, aber jetzt, im Juni 2017, will er selbst sprechen. Einige der Fragen, die gestellt werden, zielen darauf ab, mögliche Widersprüche zur ersten Befragung aufzudecken. Mohomad ist völlig durcheinander, aber dennoch zuversichtlich. Er hat das Gefühl, dass er jetzt dem Richter noch einmal alles gesagt hat, was wichtig ist, und dass dieser bestimmt verstehen wird, warum er auf jeden Fall in Deutschland bleiben muss.

Leider kommt es ganz anders. Der Anwalt bekommt am 4. September 2017 den Bescheid vom Stuttgarter Verwaltungsgericht, in dem die Klage abgelehnt wird. Mohomad wird dieser Bescheid fast einen Monat später zugestellt, nämlich am 2. Oktober 2017. Jetzt ist er endgültig am Boden zerstört und weiß weder ein noch aus. Auch wir sind entsetzt und sprachlos. Hier liegt fehlende Objektivität und Willkür sehr nahe und wir spüren nun am eigenen Leib dieses lähmende Gefühl der hilflosen Ohnmacht. Man kann gar nichts ausrichten und ist dem Apparat der Verordnungen und Gesetzestexte einfach nur ausgeliefert.

Da Mohomad weder pakistanische noch afghanische Papiere hat, gilt er als staatenlos, und das wird ihm zusätzlich angelastet. Er bekommt die Auflage, sich Papiere zu besorgen. Seine Betreuer in der Josefspflege fahren mehrmals mit ihm zum afghanischen Konsulat nach München, um etwas zu bewirken. Klaus versucht es zeitgleich bei der pakistanischen Botschaft mit einem hochkomplizierten Onlineantrag. Das Besorgen der Papiere dauert lange und erfordert auch das massive Eingreifen von Mohomads Mutter von Pakistan aus, die dort nach Kabul reist, um so etwas wie eine Geburtsurkunde, eine Tazkira, zu beschaffen. Jetzt lautet Mohomads Asylstatus: „Duldung während der Ausbildung“.

Im Mai wird Mohomad seine theoretische Prüfung ablegen, im Juni/Juli seine praktische Prüfung. Sein Lehrmeister würde ihn sehr gerne übernehmen. Wir möchten ihm weiterhin seine „deutsche Familie“ sein und ihm helfen, seinen Traum vom Leben in Frieden zu erfüllen. Wir hoffen, dass Mohomad in Deutschland bleiben darf und das Damoklesschwert der drohenden Abschiebung endlich aus seinem Leben und seinen Träumen verschwindet, das hat er verdient.

Es ist Mohomads Wunsch, dass ich seine Geschichte aufschreibe. Und so machen wir uns im November 2018 gemeinsam an die Arbeit.

Hinweise

Die Kilometerangaben auf den einzelnen Karten sind nur ungefähre Werte, die wir über die Fußwege im Routenplaner herausgefunden haben. Weder Mohomad noch ich können im Nachhinein die exakten Wege durch die Berge rekonstruieren.

Mohomad hat keine Fotos von seiner Flucht; das erste Handy ist in Griechenland im Meer gelandet. Das zweite Handy, das er sich in Athen gebraucht gekauft hat, hatte eine sehr schlechte Kamera.

Vielleicht ist es auch besser, keine Fotos zu haben, denn die schrecklichen Bilder werden sowieso für immer in seinem Kopf sein.

Informationen zu den Hazara gibt es bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, Wikipedia, den Minority Rights und auf vielen anderen Internetseiten.

https://www.gfbv.de/de/informieren/laender-regionen-und-voelker/voelker/hazara/

https://minorityrights.org/minorities/hazaras/

https://en.wikipedia.org/wiki/Hazaras

Im englischsprachigen Raum scheint das Problem eher gesehen und als solches anerkannt zu werden, denn wenn man nach „hazara genocide“ sucht, findet man viele Presseberichte.

 

„Keine Schuld ist dringender als die, danke zu sagen.“

(angeblich von Marcus Tullius Cicero - aber egal, von wem – schön!)

Danke sagen möchte ich meinem Mann Klaus und meinen Kindern Lena und Felix dafür, dass sie mir den Rücken freigehalten haben zum Schreiben. Viele Abende saß ich schreibend und parallel mit Mohomad chattend oder telefonierend am heimischen Computer und war nicht ansprechbar für den Rest der Welt.

Ich danke meiner Mutter Heide Schmidt fürs Korrekturlesen und für ihre Ermunterung, weiterzumachen.

Ich danke meinem Onkel Thomas Rathgeber und seiner Frau Beatrix fürs gründliche Korrekturlesen und ihre zahlreichen, sehr hilfreichen Verbesserungsvorschläge.

Ich danke meiner Kollegin Brigitte Löchner fürs Korrekturlesen und ihren Augenmerk auf den korrekten Gebrauch des Genitiv.

Und schließlich bedanke ich mich bei Horst und Mina Langheinrich, die das Abschlusslektorat für mich durchgeführt haben.

Es war ein spannendes Projekt und eine sehr bewegende Zeit. Um nachvollziehen zu können, wie es Mohomad auf der Flucht ging, musste ich mich total in ihn „hineindenken“ und ich habe nächtelang diesen Weg durchlebt und durchlitten. Jetzt bin ich froh, dass alles zu Papier gebracht ist und wünsche mir von ganzem Herzen, dass viele Menschen diese Geschichte lesen. Für Mohomad und für sein Volk, aber auch stellvertretend für alle Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen.

Prolog

Mein Name ist Mohomad Hussain. Ich bin ein Hazara. Man kann es sehen, wenn man in meine Augen sieht, denn der Volksstamm der Hazara hat mongolische Wurzeln. Weil ich ein Hazara bin, musste ich fliehen. Die wenigsten Menschen, mit denen ich hier in Deutschland gesprochen habe, wissen etwas darüber. Wir Hazara sind ein Volksstamm, der hauptsächlich in Afghanistan und Pakistan lebt. Wo wir auch leben, sind wir immer nur geduldet. Ich weiß nicht, was wir getan haben, dass so mit uns umgegangen wird.

Unsere Vorfahren haben mongolische Wurzeln in den stolzen Reiterheeren von Dschingis Khan, und in unseren Herzen sind wir stolz geblieben. Aber die andern versuchen, unseren Stolz zu brechen, indem sie uns verfolgen und ausgrenzen. Unsere Sprache ist das Hazaragi, das dem persischen Urdu sehr ähnlich ist. Vielleicht spreche ich deswegen so viele Sprachen. Ich kann mich auf Persisch, Englisch oder Urdu verständigen und seit ich in Deutschland bin natürlich auch ganz gut auf Deutsch.

Die Hazara haben keinerlei Rechte, auch kein Recht auf Bildung. Sie wurden früher als Sklaven verkauft und zu Schwerstarbeit verpflichtet. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde alles noch schlimmer. Der ganze Hass und die Enttäuschung darüber, dass das Land Afghanistan am Boden lag, wurde auf uns übertragen. Weil wir aufgrund unseres mongolisch anmutenden Aussehens leicht zu erkennen sind, wurden die Anfeindungen auch auf offener Straße immer massiver. Die Hazara leben seitdem in Afghanistan und in Pakistan wie in Ghettos. Zwar sind keine Mauern um diese Stadtteile gezogen, aber ein großer Ring aus Polizeiposten. Ohnehin verlässt kaum einer freiwillig diese Gebiete, weil er sonst unter Umständen nicht mehr nach Hause zurückkommt. Als Hazara lebt man bedroht und gefährdet, und man muss jeden Tag Angst haben um sein Leben. Wir Hazara sind fleißige, saubere, ehrliche und friedvolle Menschen. Unsere Religion verbietet uns, terroristisch aktiv zu werden. Wir sind schiitische Moslems, bei uns haben alle die gleichen Rechte. Der radikale Islam hat nichts mit unserem Glauben zu tun, aber deswegen haben wir solche Probleme. Die radikalen Islamisten sagen, sie seien die besseren Moslems und akzeptieren unsere Haltung nicht.

Wir versuchen, für Frieden, Demokratie und Menschenrechte zu demonstrieren und werden dadurch zur Zielscheibe.