Unbezwungen - Dorothy Parker - E-Book

Unbezwungen E-Book

Dorothy Parker

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Beschreibung

Dieser zweite Band von Parkers Gedichten enthält die Übertragungen ihrer verstreut publizierten, sogenannten »leichten Verse« – in Wahrheit Gedichte von kalkulierter und raffinierter Schlichtheit. Verblüffend ist die Aktualität vieler dieser rund hundert Jahre alten Gedichte, die jedoch keiner modernistischen Hermetik frönen, sondern alltagskulturelles Konversationsmaterial sind.Dorothy Parker kombiniert Schmalz und Schnoddrigkeit und erkundet die neuen Welten des frühen 20. Jahrhunderts aus der Sicht der berufstätigen Frau. Ihre Gedichte sind ein Zusammenspiel aus Melancholie und Witz, aus Trauer und Schmerz, aus Pathos und Spott.Und dann gibt es den realistischen Roman:Wenn sich der Autor mal auf richtige Action verlegt,Verschüttet eine Figur ihre Frühstücksflocken.Auf dem Höhepunkt des BuchsEntscheidet die Heldin, ihre alte Taftbluse umzuarbeiten.

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Seitenzahl: 156

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Dorothy Parker

Unbezwungen

Gedichte

Ins Deutsche übertragenvon Ulrich Blumenbachund mit einem Nachwort vonNora Gomringer

DÖRLEMANN

Die vorliegende Ausgabe folgt der Ausgabe »Complete Poems«, erschienen bei Penguin Classics in New York City, enthält jedoch nur die posthum in Buchform erschienenen Gedichte von Dorothy Parker. (This edition published by arrangement with Penguin Classics, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC)   Alle Rechte vorbehalten © The National Association for the Advancement of Colored People (naacp) © 2024 Dörlemann Verlag AG, Zürich Umschlaggestaltung: Mike Bierwolf unter Verwendung einer Illustration von Incomible/Shutterstock Satz und eBook-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-03820-892-1www.doerlemann.ch

Inhalt

CoverTitelei und ImpressumInhaltDie GedichteIrgendeine VerandaDie Bridge-FanatikerinEin OperettengedankeDer Strauchdieb und das PartygirlDie Dame hinter mirSchaut mal – ich kann das auchBrief an Robert BenchleyUnsere EigengewächseMit den besten WünschenUnbezwungenLied von der freien FlurDer leidenschaftliche Freudianer an seine LiebsteLiebesliedIdyllAn meinen HundFehlenGedichtLied zum MonatserstenErfüllungLynn FontanneAn Marjorie RambeauWeihnachten 1921Marilyn MillerFragmentGestalten der PopulärliteraturShantyMoralische Geschichten für die Jugend [I]Life’s ValentinskartenDie weitsichtige MuseSankt Patrick, bitte kommenAnwandlungTriolettsAuf Myrtilla, am OstertagMoralische Geschichten für die Jugend [II]Gedicht in amerikanischer ManierGedankenHirngespinstMänner, die nicht meine sindWaldliedPollyanna bekommt den LaufpassRondeau [1]Rosmarin [1]Lied [1]Opas WeisheitMonodieLeicht verspätetes FrühlingsliedSonett [1]An eine LadyErinnerungenVersprechenRondeau [2]Lied von den KonventionenLied [2]Ballade vom nachvollziehbaren Ehrgeiz»Wie kühn«Lied eines stillvergnügten HerzensLied von der WildnisTriolett [1]WanderlustEin TriolettPäanLied [3]VerbindlichstenTriolett [2]Ballade auf einen durchaus erträglichen VerlustLied eines hoffnungsvollen HerzensLied [4]Lied für eine AprildämmerungRosmarin [2]Ballade einer verkrachten ExistenzVolksliedBaltoKassandra verfällt in VerseTreffpunktLied in Frankreich ansässiger AmerikanerReim eines unfreiwilligen MauerblümchensDie VersucherinAn ElspethAls es uns ganz wehtatDie VerfluchteChristallklarLa grande PassionAusflug zu unreinen Reimen– Und zurückLied vom Sozialleben in HollywoodSonett [2]Brief an Ogden NashNach Einbruch der NachtDenkbar geschmackloses LiedUnsere VetternBlurbDer leidenschaftliche Drehbuchautor an seine LiebsteMahnung einer launischen DameHackordnung (oder »Ei genarrt«)Die »Hassverse«FrauenMännerSchauspielerinnenVerwandteDrückebergerBohemiensUnser BüroSchauspielerLangweilerDas DramaPartysFilmeBücherDie jungen MännerFerienparadieseReformerEhefrauenEhemännerStudentenNachwortDorothy Parkers AchillesverseDie Hymen der HyäneAnmerkungenDanksagungZum BuchZur Dichterin, zu ihrem Übersetzer und zur Verfasserin des Nachwortes

Irgendeine Veranda

»Ich les grad den neuesten Locke –

    Den find ich ja schrullig und fremd –«

»Im Schaufenster hängt dort ein Rock,

    Ich schwör dir: so dünn wie ein Hemd!«

»Nein, böse ist Mrs. Brown nicht,

    Sie ist einfach frei von Moral –«

»Der Goldschmied, der ist nicht ganz dicht:

    Das zahl ich doch nicht für’n Opal!«

»Mein Gatte sagt häufig: ›Elise,

    Zu feinfühlig bist du, zu zart –‹«

»Ja, vierzig im Monat – viel Kies,

    Bei Dienern bleibt mir nichts erspart.«

»Ich brauche das Wahlrecht nicht, nur

    Für Frauen mit Grundeigentum –«

»Für die tickt doch lautstark die Uhr,

    Jetzt geht’s ihr um Aufstieg und Ruhm.«

»Der Krieg nimmt mich fürchterlich mit,

    In Frankreich, da herrscht ein Regime –«

»Ich mag Mrs. Rooks Pagenschnitt;

    Das Tanzen hat sie wohl von ihm.«

»Als Hellseher gelt ich, ich weiß,

    Wie nett, dass es Ihnen gefällt –«

»Der ist doch ein tattriger Greis,

    Ich sag dir, die will nur sein Geld!«

»Und ich wirke schlanker, sagst du?

    Der Hüftspeck ist weg? Lieb von dir –«

»Die Stadt ist für mich jetzt tabu!

    Die Schwüle, die steht mir bis hier!«

»Rein optisch hat’s keiner geahnt,

    Wie nervlich zerrüttet ich bin –«

»Die hätten doch nie abgesahnt:

    Warum legst du nicht gleich dein As hin?«

»Und sie kriegt die Kinder? Zu Recht;

    Die Schuld liegt entschieden bei ihm –«

»Sie kennen die Peysters? In echt?

    Mit denen sind wir fast intim!«

Die Bridge-Fanatikerin

Wer hebt heut ab, wer teilt aus?

    Regelkonform gilt hier das.

Partner, wir kommen groß raus –

    Wie ich das Punktzählen hass!

Wird das jetzt, frag ich euch platt,

    Unter der Linie notiert?

Partner, jetzt sieh bloß mein Blatt!

    Liebesglück hat, wer verliert.

Partner, erwart nichts von mir –

    Treff war total schlecht verteilt.

Mann, kommt der König von dir?

    Dann war mein Trumpf übereilt.

Reizen? Das wird mein Ruin –

    Mein Blatt ist Schrott, tut mir leid.

Damit ein Pikspiel? Echt kühn!

    Jetzt geht’s voran; wurd auch Zeit!

Das hältst du für einen Coup?

    Ich nenn das eher ein Malheur!

Hörst du beim Bieten nicht zu?

    Ging denn kein Anspiel mit Cœur?

Merk dir doch mal, was gespielt –

    So ist ein Anspiel mir recht!

Und? Wie viel haben wir erzielt?

    Vollspiel? Dreihundert? Nicht schlecht!

Ein Operettengedanke

Mein Herz hat einen Liebling, ich gestehe: Julian Eltinge;

    Plus Vesta Tilley als sein Gegenstück.

Die Sprache ist mehrdeutig, nennen wir sie doch zweihäutig –

    Sieht das sonst niemand auf den ersten Blick?

Der Strauchdieb und das Partygirl

    Eine moralische Fabel

Ein wilder, wüster Strauchdieb – selbst Komplizen wurde bang –,

    Beängstigend für einfach jedermann,

Der musterte frohlockend eines Tages seinen Fang,

    Wie so ein Strauchdieb das ja echt gut kann.

’ne Perlenkette, ein, zwei Uhren, Scheinbündel, ein Ring

    Und Taschenbücher – sieben oder acht –,

Ein Krönchen mit Smaragden – wirklich hübsch, das schmucke Ding!

    Der Tag, nee echt jetzt, hatte was gebracht.

Ein pralles, dralles Partygirl, das trippelte vorbei,

    Ihr arglos blauer Blick zog ihn in Bann;

Sie summte einen Schlager – in Paris der letzte Schrei –,

    Wie so ein Partygirl das echt gut kann.

Der wilde, wüste Strauchdieb war gleich voller Zuversicht,

    Sie würde sein Triumph, des Tags Dessert;

»Ein Partygirl beraube ich im Allgemeinen nicht,

    Doch heut: Geld oder Leben!«, sagte er.

Das pralle, dralle Partygirl war bang und außer sich,

    Mit Angst im Blick sah sie ihn lange an.

Auf seinen starken Arm legt’ sie ihr Händchen flehentlich,

    Wie so ein Partygirl das echt gut kann.

Sie bat den Strauchdieb eindringlich, in Zukunft gut zu sein,

    Nur Tugend brächte ihn ins Paradies,

Bis er die Waffe senkte, frisch bekehrt schwor Stein und Bein

    Und sie in Frieden weiterziehen ließ.

Der wilde, wüste Strauchdieb kannte keinen Wankelmut,

    »Jetzt werde ich«, rief er, »ein Ehrenmann.

Der Wohlfahrt will ich spenden mein gesamtes Diebesgut« –

    Wie so ein Strauchdieb das ja echt gut kann.

Doch als er seine Beute sucht’ für Menschen, die in Not –

    Schmuck, Bücher und der Ketten Klingeling –,

Da merkte er, das Partygirl, potz Blitz und sapperlot,

    Das stahl ihm alles, selbst den kleinen Ring!

Die Dame hinter mir

Ich weiß nicht, wie sie aussieht, denn ich hab sie nie gesehn;

    Ich weiß nicht, ob sie blond ist, ob brünett;

Ich weiß nicht, ist sie jung, alt, reich, arm, hässlich oder schön –

    Doch wo ich hinkomm, sitzt sie im Parkett;

Ich weiß nicht, wo sie herkommt, und auch nicht, wohin sie will;

    Weiß nicht, warum das Los mich straft mit ihr.

Es gibt so viele Menschen, und ich frag mich langsam schrill:

    Warum sitzt sie bloß immer hinter mir?

Sie ist bereit, beginnt von einem Stück der erste Akt –

    Unweigerlich kennt sie’s seit eh und je,

Wie’s weitergeht, erzählt sie drum ergötzlich und exakt –

    Für mich ist alle Spannung dann passé.

»Pass auf, jetzt kommt ihr Mann rein, hab ich’s dir nicht gleich gesagt?

    Erst glaubt man, er erschießt sie, aber nee.

Am Schluss geht sie zurück zu ihm, tut lammfromm und verzagt« –

    Perfekt beherrscht die Dame ihr Metier.

Auch in die Oper folgt sie mir durchweg auf Schritt und Tritt,

    Doch dort hat sie ein anderes Motiv –

Die gut bekannten Arien summt sie pflichtschuldig mit

    Und liegt bei jedem Ton ein bisschen schief.

Steigt der Sopran in Höhen, die sie selbst nicht mehr erreicht,

    Stößt sie ins tiefste Loch mich, das es gibt.

Bevor am End ich glücklich werd, vertreibt sie sich die Zeit,

    Indem sie breit blökt, wer in wen verliebt.

Auch wenn ich mal ins Kino geh, lässt sie mich nicht in Ruh

    Und kennt den Film natürlich detailliert.

Verlass ist drauf, gleich hinter mich setzt sich die dumme Kuh

    Und gibt rasch alles preis, was noch passiert.

Fällt unser Held vom Dach, wie so ein Filmheld das halt macht,

    Und sprengt ein Schurke Brücken bloß aus Spaß,

Dann killt sie meinen Thrill, wobei das Herz im Leib ihr lacht,

    Indem sie alle Tricks erklärt, das Aas.

Ich weiß nicht, ob sie Witwe ist, ob Mädchen oder Frau;

    Ich hab von ihrem Anhang nie gehört;

Ich weiß nicht, wer befahl, dass sie die Lebenslust mir klau,

    Ich weiß auch nicht, was sie bloß an mir stört.

Ich sitz nur da und kann es mir ganz einfach nicht erklärn,

    Wo ich mich hintrau, nimmt auch sie Quartier,

Die Welt ist groß, sie hat die Wahl – ich wüsste gar zu gern,

    Warum sitzt sie nicht manchmal hinter dir?

Schaut mal – ich kann das auch

Beweis, dass jeder modernistische Verse schreiben kann

Bacchanal

Hand in Hand liefen wir durch den Herbstwald;

Unser Lachen stiebte empor auf den Schwingen des Sausewinds;

Hinein und hinaus, einem fantastischen Pfad nach,

Durch den feurigen, flammenden Hornstrauch

Und die schlanken, keuschen Birken

Blitzten weiß unsere Glieder auf vor dem zügellosen Hintergrund.

Weinblätter verflocht ich, leicht lagen sie auf deinem Haar,

Und während wir liefen, brülltest du Fetzen wilder Lieder –

Heidnische Hymnen zum Lobpreis der toten Götter.

Weiter rasten wir, benommen vom starken Herbstwein …

Ich frage mich, ob du auch verheiratet warst.

Sonntag

Ein Wust an Zeitungen

Häuft sich in erstickender Fülle.

Beilagen spreizen sich schamlos

Und protzen mit ihren reißerischen Inhalten –

»Siebenmal geschieden, heiratet wieder erste Frau«

Und »Lieblingsfrau schildert Flucht aus dem Harem«.

Ungeöffnete Inseratenteile mit »Hilfe«-Angeboten;

Leitartikel, in Anfällen von Überdruss zerknittert;

Klatschseiten, schwarz von verlogenen Fotografien.

Endlose, anfangslose Zeitschriftenhalden …

Draußen grauer Nieselregen,

Er fällt, fällt trostlos

Mit der trüben Einförmigkeit nichtssagenden Rauschens,

Wie die Stimme des Pastors beim Lesen des Trauspruchs.

Die Bildergalerie

Mein Leben – eine Bildergalerie,

Mit schmalen Gängen, darin Betrachter wandeln.

Die Bilder selbst sind vorteilhaft gezeigt;

So ziehn die guten gleich den Blick auf sich.

Hier und da ist eins so raffiniert gehängt,

Dass es unaufdringlich scheint,

Doch schmeichelhaft das Licht einfängt.

Selbst die Kleckse zeigt man so gekonnt,

Dass die Schatten sie zu Schönheit dämpfen …

Mein Leben – eine Bildergalerie,

Ein paar Bilder nur diskret zur Wand gedreht.

Fragment

Wir fanden uns Auge in Auge in der Menge;

Eingeklemmt von drängelnden, schiebenden Gestalten,

Wild, weil daheim das Abendessen lockt.

Schwer drang an uns der Duft gepferchter Menschheit,

Heiß klangen uns in den Ohren ihre vielsprachigen Flüche.

Doch die Menge war gütig, denn sie stieß dich in meine Arme,

Dort ruhtest du, einen entrückten Augenblick lang,

Dein filigraner Leib erschauerte vor exquisiter Scheu.

Wir standen, wir zwei allein, auf den Zinnen der Ekstase,

Unsere Seelen pochten im Gleichklang.

Dann wurden wir uns entrissen.

Doch Hoffnung loderte in mir auf,

Denn bevor du mir davongetragen wurdest,

Hauchtest du ein paar schüchterne Silben –

Die Antwort auf meine fieberhafte Frage …

Warum die falsche Telefonnummer?

Brief an Robert Benchley

Komfortloses Landleben in The Birches, Maine

Wir grüßen Euch alle aus Kiefernduftwäldern

Und hoffen, Ihr seid kerngesund, auch die Eltern.

Wir schreiben mit Bleistift, und tut’s uns auch leid,

Fürs Suchen nach andrem Gerät fehlt die Zeit.

Wir wollen Euch von diesem Fleckchen erzählen

Und können das Schwärmen durchaus nicht verhehlen.

Zum Angeln sind wir heute raus auf den See,

Dass Ihr nicht dabei wart, das tat richtig weh.

’ne Forelle biss an, ganz zu schweigen von Barschen,

Die flogen zurück, wollten uns wohl verarschen.

Dann ging aus Versehen ein Lachs an die Leine,

Auch der flog zurück, denn wir schonten die Kleinen.

Der Wellengang ist keineswegs nur Staffage,

Gleichwohl schippern wir auf dem See alle Tage.

Das Wasser ist kalt, und der Lachs ist am Hüpfen,

Die Landschaft ist reizend mit rauschenden Wipfeln.

Das Septoline im Necessaire ist verbraucht –

Egal, dann wird jetzt umso mehr geraucht.

Wir tränken gern wenigstens eine Panache,

Doch ist das mit Fusel hier so eine Sache.

Beim Baden im See üben wir noch Verzicht,

Die Temperaturen behagen uns nicht.

Das Badekostüm, nagelneu und adrett,

Ist für die Naive in Ziegfelds Ballett.

Beim Wandern vertreten wir uns die Beine,

Es gibt auf der Insel auch Stachelschweine.

Der Tennisplatz ist hier so groß wie schräg;

Wir dachten, der wär Teil vom Wanderweg.

Beim Wallace Frye ging grad ein Schaft in den Dutt –

Und wieder mal lacht sich der Captain kaputt.

Mit Keuchhusten wurden hier Kinder ertappt.

Wenn wir dem entgehn, ham wir Schwein gehabt.

Der Mann am Empfang ist ein stolzes Faktotum,

Nur glauben wir, der fällt als Tunte mal tot um.

Wir wohnen hier Zimmer an Zimmer mit Leuten,

Die hingebungsvoll Langeweile verbreiten.

Anscheinend gibt’s immerzu etwas zu motzen,

Natur ist für mich zum (mach dir selber einen Reim drauf, und

    du bekommst ein Jahresabonnement der Boston Post.)

Die Hose vom Captain ist fadenscheinig,

Doch ist er mit Bradstreet stets handelseinig.

Bei Bargeld, da kriegt er das kalte Grausen,

Sein Rating liegt jetzt bei achthunderttausend.

Fürs Segelboot hat er Alleinlizenz

Und kriegt dann von jedem 54 Cents.

Wir sind wohl am Sonntag um zwölf wieder da,

Und wenn dann noch nicht, ist die Heimfahrt doch nah.

Todtraurig kehr’n wir in die Stadt zurück,

Den Urlaub im nächsten Jahr fest im Blick.

Uns geht es hier prima – Euch auch?, ist die Frage,

Und jetzt ist es spät, also tschüs, bis die Tage.

Wir denken an Euch auf dem Biltmore-Dach

Und wünschen Euch hierher mit Weh und Ach.

Wir fragen – es stieben vom Feuer die Funken –,

Sind Duggie und Robby schon übel betrunken?

Wir weinen, hält uns auch das Feuer warm,

Betreffs Hypotheken der Benchley-Farm.

Am Schluss ist jetzt nichts mehr zum Aufschreiben da,

Drum sagen wir gleich noch mal Au revoir.

Unsere Eigengewächse

Miss Isadora Quigley wählt

    Terpsichore al fine;

Sie wiegt und biegt sich taktbeseelt,

    Vers libre auf der Bühne.

Beflügelt hüpft sie querfeldein

    – Ihr Griechenhemd reicht bis zum Knie –

Und sorgt (so soll’s auch gerne sein)

    Für massenhaft Publicity.

Ihr Nimbus liegt, nimmt jeder wahr,

    Der sieht, wie diese Maid schafft,

Im unbegrenzten Repertoire

    An Risikobereitschaft.

Sie machen sich vielleicht nichts draus,

Doch sie kommt dadurch aus dem Haus.

Der Name unsres Eustace Young,

    An Witz und Biss der reine Shaw,

Der kriegt bald weltweit guten Klang –

    Auch in Stockholm und in Oslo.

Er hat, so hört er oft, ein Flair

    Für frische, forsche Ferkelei;

Den Seelenstriptease leistet er

    Als dichterischer Nackedei.

Schon längst erweisen ihm die Ehr

    Die Minderheiten der Kultur,

Denn sein Gesamtwerk trifft bisher

    Der Bannfluch staatlicher Zensur.

Bejahend nickt das Büchervolk:

Verfolgung garantiert Erfolg.

Miss Iris Blount verfertigt Kunst

    Als Batik und mit Farben.

Sie malt aus Gram und Liebesgunst,

    Wo sie wirkt, bleiben Narben!

Mit Würfelformen, Achteck, Ei

    – Das Know-how interessiert sie nicht –

Bekleckst sie ihre Staffelei

    In Theorie und Praxis schlicht.

Sie malt kein Tal im Mondenschein

    Und keine sanfte grüne Au;

Die Herren will sie konterfeien

    Und Damen – mitsamt Körperbau.

Ein jeder unsrer Kenner spricht,

Dass ihre Kunst ins Auge sticht.

Den Sturz von König und Premier

    Heischt Mr. Tench mit Tosen;

Sein Aufruf zur Egalité

    Ist röter als die Rosen.

Sein Einsatz für die Anarchie

    Ist klar und diskutabel,

Doch rügt er »das Justiz-Chichi«,

    Wird’s fast schon justitiabel.

Der Ehe gilt sein ganzer Hass,

    Für freie Liebe ficht er,

Das kommt ja heute sehr zupass

    Dem Denker und dem Dichter.

Wir tragen sein Wort auf Plakette

Bei Fragen der Sowjetikette.

Mit den besten Wünschen

Jetzt ist schon wieder Weihnachten –

    Da ist nun wenig Neues dran.

Die einen tun’s herbeischmachten,

    Worüber man kaum staunen kann.

Ihr Strumpf birgt Immobilienpracht

    (Ich mein’s im übertragenen Sinn),

’ne comme il faut möblierte Jacht,

    Ein Straßenkreuzer steckt dadrin,

Ein Zobelpelz, eher nicht so schlicht,

    Ein Scheckheft und ein Haufen Geld;

Der gute Wille reicht da nicht,

    Die gute Gabe ist’s, die zählt.

Doch ich krieg dafür Weihnachtsgrußpostkarten sonder Zahl

    Und reichlich Lilienzwiebeln, deren Ablaufdatum naht,

Und Schuhspanner – mit bestem Gruß – im goldnen Futteral,

    »Evangeline« in Leder aus dem Antiquariat.

Schon lange bin ich das gewohnt,

    Und kalt lässt mich die Festtagspracht.

Beim Christkind guck ich in den Mond –

    Lieb Kind hat es sich nie gemacht.

In frühster Jugend war’s schon so,

    Mich kam die harte Wahrheit an,

Kein Hoffen machte mich mehr froh:

    Es gibt gar keinen Weihnachtsmann.

Alljährlich wird’s zum Härtetest;

    Geschenkt, dass ich Geschenke mag,

So mancher nennt es Weihnachtsfest –

    Für mich ist’s ein Dezembertag.

Denn ich krieg einen Briefbeschwerer, Festspaß ist dann futsch,

    Und handbemalte Nadelsets und Knopfhalter im Paar

Und Glückwünsche zu Neujahr, einen rauschhaft guten Rutsch

    Und eine Luxusausgabe der »Rubaiyat«, echt rar.

Ich hab von Leuten oft gehört

    (Ich hielt es erst für reinen Mist),

Die schon das Geben selbst betört,

    Weil’s teurer als das Nehmen ist.

Am Weihnachtstage schenken sie

    Renditestarke Aktien,

Auch Autos, Perlen, Dernier Cri –

    Ganz nützliche Lappalien.

Mein Gabentisch ist nicht so cool,

    Und doch lob ich Freigebigkeit.

Ich kenn den Kick des Schenkens – Jul

    Beruht auf Gegenseitigkeit.

Ich schenk dir drum ’nen Wäschesack für Menschen mit Geschmack

    Und einen Zahnputzbecher mit echt witzigem Design

Und zeitnah viele Wünsche für den flotten Weihnachtstag

    Und ein quietschbuntes Exemplar vom »Old Sweetheart of Mine«.

Unbezwungen

Fern bin ich aller Vollkommenheit,

    Fehler und Mängel hab ich wie Tier,

Aber ich poch auf Gerechtigkeit.

    Bin ich einst tot, dann denk dies von mir:

Auch wenn ich »Boah ey« im Wortschatz hab,

    Auch wenn »nach Aldi« als Witz ich bring,

Auch wenn ich gern »Lass uns gehn« verklapp,

    Auch wenn ich gern »Wenn du wüsstest« sing –

Ist auch mein Ruf längst schon ruiniert,

    Eins gib mir zu, und dann sind wir quitt;

Denk dran, noch nie hab ich ungeniert

    Dich gefragt: »Na, alles fit im Schritt?«

»Was könnte schöner sein?«, schwärm ich hier;

    »Das kannst du laut sagen«, halt ich fest;

Zeugen zufolge hört man von mir

    »So sieht’s doch aus«, wenn ich sehr gestresst.

»Alles in Butter«, behaupte ich –

    »Unkraut vergeht nicht«, ergänzt den Schmus;

»Kein Sterbenswörtchen«, so kennt man mich;