Underworld Chronicles - Befreit - Jackie May - E-Book

Underworld Chronicles - Befreit E-Book

Jackie May

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Beschreibung

Kannst du dem Gesang der Sirenen widerstehen?

Seit Nora weiß, wer sie wirklich ist, hat sich vieles verändert. Sie versucht, mit ihrer neuen Rolle in der Unterwelt zurechtzukommen und den Mitgliedern ihres Clans gerecht zu werden. Als wäre das noch nicht genug, bekommt Nora ihren ersten offiziellen Auftrag als Mitglied der FUA. Irgendjemand hat es auf die mächtigsten Kreaturen der Stadt abgesehen, und es ist Noras Aufgabe, den Feind zu finden und zu stoppen - wäre da nur nicht diese Dunkelheit in ihr, über die sie mehr und mehr die Kontrolle verliert ...

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Triggerwarnung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Impressum

Über das Buch

Kannst du dem Gesang der Sirenen widerstehen?

Seit Nora weiß, wer sie wirklich ist, hat sich vieles verändert. Sie versucht, mit ihrer neuen Rolle in der Unterwelt zurechtzukommen und den Mitgliedern ihres Clans gerecht zu werden. Als wäre das noch nicht genug, bekommt Nora ihren ersten offiziellen Auftrag als Mitglied der FUA. Irgendjemand hat es auf die mächtigsten Kreaturen der Stadt abgesehen, und es ist Noras Aufgabe, den Feind zu finden und zu stoppen – wäre da nur nicht diese Dunkelheit in ihr, über die sie mehr und mehr die Kontrolle verliert ...

Über die Autorin

Jackie May ist das Pseudonym des Ehepaars und Autorenduos Kelly und Josh Oram. Sie leben mit ihren vier Kindern und ihrer Katze Mr. Darcy außerhalb von Phoenix, Arizona. Jackie May ist übrigens auch der Name ihrer einzigen Tochter.

Übersetzung aus dem amerikanischen Englischvon Stephanie Pannen

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

(Achtung: Spoiler!)

»Underworld Chronicles – Befreit« enthält Elemente,die triggern können.

Diese sind:

Sexuelle Belästigung, Panikattacken,

PTBS und Angststörung (Social Anxiety)

Eurer Team vom ONE-Verlag

Kapitel 1

Es gibt nur noch drei Arten von Männern auf der Welt: diejenigen, die mich fürchten, diejenigen, die mich begehren, und diejenigen, die nicht an dem Abend im Club waren, als ich die halbe Unterweltbevölkerung Detroits mit meinem Sirenengesang hypnotisiert habe. Und auch wenn mich ein Großteil jener, die zur dritten Option gehören, ebenfalls fürchten oder begehren, sind ein paar wenige von ihnen einfach nur neugierig.

Im Gegensatz dazu gibt es nur eine Art von Frau: die, die mich hasst.

Das Paar, das jetzt gerade am Tresen in der Bar vor mir steht, fällt in die Angst- und Hasskategorie. Ich setze mein freundlichstes, unschuldigstes Lächeln auf, während ich ihnen ihre bestellten Drinks reiche, doch das hilft nicht, ihre Laune zu bessern. »Frohes neues Jahr«, wünsche ich ihnen.

Der Mann, der sich praktisch hinter seiner Begleiterin versteckt, wagt es nicht, mir in die Augen zu schauen, und die Frau starrt mich beim Bezahlen an, als würde ich ihr den Freund stehlen wollen. Sie verschwinden ohne ein weiteres Wort, und ich trete seufzend zurück.

Ich hasse es, dass mir die Leute jetzt aus dem Weg gehen oder mich misstrauisch anstarren. Sie beurteilen mich nur nach meinem Potential zum Bösen, anstatt nach meinem tatsächlichen Verhalten. Ich bin eine nette Person, und andere mögen mich. Zumindest war das früher mal so.

»Was ist los, kleine Schwägerin?«

Als ich den Spitznamen höre, bessert sich meine Laune schlagartig, und ich schenke meinem Boss ein Lächeln. Zwar bin ich nicht mit Wulfs Bruder verheiratet, also ist er eigentlich nicht mein Schwager, doch seit Rook und ich miteinander ausgehen und er zu mir in die Höhle gezogen ist, bin ich für Wulf so was wie die Schwester, die er nie hatte. Und ich lasse es zu. Auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, gehört er für mich zur Familie, und es gefällt mir, einen großen Bruder zu haben.

Er legt seinen Arm um meine Schulter. Ich lehne mich gegen ihn und lasse mich von seiner Zuneigung aufheitern. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier weiter arbeiten kann.«

»Aber du liebst diesen Job.«

Es stimmt. Bis Terrance mir diese Stelle quasi in den Schoß gelegt hat, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, in einer Bar zu arbeiten. Doch ich habe mich hier schnell wie zu Hause gefühlt. Sobald ich meine Angst vor den Unterweltlern abgelegt hatte, liebte ich es, mit ihnen zu quatschen. Ich bin überraschend gesellig und rede gern mit anderen. Darum ist dieses Sirenen-Stigma auch so belastend für mich. »Die Leute fühlen sich in meiner Gegenwart nicht wohl.«

Wulf runzelt die Stirn. Er sieht dem Pärchen nach. »Vergiss diese Idioten«, brummt er. »Du bist die netteste, freundlichste und aufmerksamste Person, der ich je begegnet bin. Wenn sie das nicht sehen können, verdienen sie es nicht, dich zu kennen.«

Wieder muss ich lächeln. Wulf ist der Beste. Aber so sehr mir seine Komplimente auch gefallen, können auch sie den Stich nicht völlig lindern, den mir die Ablehnung der letzten Wochen versetzt hat.

»Die Leute werden sich schon an die Vorstellung gewöhnen«, verspricht er. »Es ist noch zu frisch. Bitte kündige nicht. Bleib hier, bleib sichtbar. Und wenn die Gäste erst sehen, dass du dich nicht in ein männerverschlingendes Monster verwandelst, werden sie dich wieder lieben. Wenn du kündigst und dich zurückziehst, wird die Gerüchteküche nur noch stärker brodeln, und man wird richtig Angst vor dir bekommen. Es war ziemlich angenehm, dass in den letzten paar Wochen niemand versucht hat, dich zu töten. Mir wäre es lieber, wenn es so bliebe.«

Ich schnaube, doch er hat nicht unrecht. Abergläubisch klopfe ich auf die hölzerne Theke. Wulf grinst und drückt mich noch mal fest, bevor er mich loslässt. Dann gibt er mir einen Kuss auf die Schläfe, flüstert »Halt durch, Kleine« und kümmert sich um die Gäste, die wir beide bis jetzt ignoriert haben.

Ich atme tief durch und wappne mich, bevor ich mich wieder an die Arbeit mache. Ein Mann mit dem Gesicht eines Engels, goldenen Haaren und seltsam schönen blass rosafarbenen Augen schenkt mir ein leicht schelmisches Lächeln. Es ist das erste freundliche Lächeln, das ich den ganzen Abend lang bekommen habe. Ich schätze, er fällt in die seltene dritte Kategorie von Männern. Er mag an mir interessiert sein, doch es ist nicht das verzweifelte, besessene Verlangen, das die von mir betörten Männer für gewöhnlich zur Schau stellen. Dafür wirkt er zu ungezwungen, und in seinem Blick ist zu viel Neugier.

Der Mann gehört zum Feenvolk, allerdings zu keiner Art, die mir bekannt ist. Dennoch ist klar zu erkennen, dass er ein Mitglied des Sommer-Hofs sein muss. Sommerfeen wirken meistens viel fröhlicher und verspielter als die düsteren, grüblerischen Winterfeen, wie Illren und Terrance.

Seine Freundlichkeit ist nicht überraschend. Die Feen sind die einzigen Unterweltler, denen es zu gefallen scheint, dass ich eine Sirene bin. Denn Sirenen werden vom Feenvolk verehrt, und da sie als ausgestorben galten, sind die meisten Feen aufgeregt und neugierig.

Der Mann mustert mich, seufzt wehmütig und legt eine Hand auf seine Brust. »Singt mir euer Lied, schöne Maid, und nehmt euch mein Herz für alle Ewigkeit.«

Ich verkneife mir ein Lächeln und ziehe stattdessen die Augenbrauen hoch. »Im Ernst? Das ist Ihre Anmache? Ein bisschen übertrieben, oder?«

Als er lächelt, kommen seine Grübchen zum Vorschein. »Aber Sie fanden es charmant, oder?«

Er hat recht. Wenn ich ihn mit einem Wort beschreiben müsste, wäre charmant tatsächlich eine angemessene Bezeichnung. Und hübsch. Er erinnert mich an einen sehr jungen Brad Pitt. »Das würde ich niemals zugeben«, sage ich lachend. »Was kann ich Ihnen bringen?«

Nachdenklich verzieht er den Mund, während er einen Blick auf die Getränkekarte wirft. »Wie wäre es mit einem Summer-Breeze-Shot für mich ...« Er sieht mir in die Augen, und sein Lächeln wird breiter. »Und für die wunderhübsche Dame.«

Ich greife nach der Flasche Feenalkohol und fülle ein Schnapsglas. »Danke, aber ich trinke nicht.«

»Dann also ein Abendessen«, schlägt der Mann mit einem spitzbübischen Zwinkern vor, während ich das Glas vor ihm abstelle. »Oder Mittagessen?«, schiebt er schnell nach, als er meine Ablehnung kommen sieht. »Kaffee? Ich würde mich auch mit einem Kaffee zufriedengeben.« Lächelnd schüttle ich den Kopf. »Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich bin schon in einer Beziehung.« Oder drei, aber wer zählt schon mit?

»Mit wie vielen?«, fragt der Mann.

»Mit wie vielen was?«

»Mit wie vielen Männern sind Sie in einer Beziehung?«

Ich blinzle ihn irritiert an. Offenbar zählt doch jemand mit.

»Fünf, nicht wahr?«, fragt er. »Terrance, Mr. Kovros, der Vampir, der Zauberer und der Wolf? Oder sind es sechs? Niemand scheint so recht zu wissen, was mit Ihnen und Agent Gorgeous vor sich geht, aber auch da wird spekuliert.«

Mein Gesicht wird ganz heiß. Offenbar ist in der Unterwelt, oder zumindest unter den Feen, bekannt, dass sich Sirenen Harems mit mehreren Männern halten. Mein Liebesleben lässt die Gerüchteküche der Stadt seit Wochen brodeln. »Nicht, dass es Sie etwas angehen würde«, sage ich und versuche dabei, nicht allzu verärgert zu klingen, weil er heute Abend einer der wenigen ist, die freundlich zu mir sind. Außerdem kann ich ihm seine Neugier nicht verdenken. Ich an seiner Stelle würde es auch gern wissen wollen. »Aber es sind nur drei – Parker, Oliver und Rook. Terrance ist meine Familie, und Illren ist einfach nur eine Nervensäge. Sie gehören zum Clan, aber ich gehe nicht mit ihnen aus. Gorgeous ist nur ein Freund.«

Die Augen der Fee leuchten auf. »Sie haben bestimmt vor, sich mehr als drei Liebhaber zu nehmen.« Er schiebt mir das Glas zurück. »Dürfte ich noch einen haben?«

Ich schenke ihm nach und sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Finden Sie nicht, dass drei Liebhaber reichen?« Nicht, dass ich mit einem meiner drei Freunde schon im Bett gelandet wäre.

Der Mann kippt seinen Shot herunter, wartet das Brennen ab und schüttelt den Kopf. »Die Sirenen der alten Zeit waren dafür bekannt, bis zu einem Dutzend zu haben, manchmal sogar doppelt so viele. Giselle hat zum Beispiel sieben, und die Anziehungskraft einer Meerjungfrau ist nur halb so stark wie die einer Sirene.«

Meine Güte. Zwei Dutzend Liebhaber? Das ist ein Haufen Männer. Ich versuche es mir vorzustellen und kann es nicht. »Ich glaube, ich verzichte lieber. Ich komme ja schon kaum mit den wenigen zurecht, die ich habe.«

»Ich bitte doch nur um eine Chance, um zu sehen, ob wir zusammenpassen. Ich verspreche auch, keinen Ärger zu machen.«

Der Mann legt seine Hände unterm Kinn zusammen und wirft mir einen flehenden Blick zu. Unwillkürlich muss ich lächeln. Er ist gut – beharrlich und übertrieben dramatisch, dennoch irgendwie sympathisch. »Ich glaube Ihnen nicht«, scherze ich. »Das schelmische Funkeln in Ihren Augen verheißt nichts als Ärger.« Genau genommen ist es ein ziemlich unartiges Funkeln. Es lässt mich an ein gerissenes Kind denken, das weiß, wie niedlich es ist und das nutzt, um ungestraft davonzukommen.

Sein Lächeln wird anzüglich. »Aber nur die gute Art Ärger. Versprochen.«

Er reicht mir eine Visitenkarte: Charlie Shelton, Geschäftsführer und leitender Liebesdoktor von Love Connections INC.

Ich schnaube. »Liebesdoktor?«

»Ich bin ein Cupido. Liebe ist mein Geschäft.« Charlie reckt stolz die Brust. »Ich betreibe das größte Dating-Unternehmen in Michigan und habe eine persönliche Erfolgsquote von hundert Prozent.«

Cupidos gibt es wirklich? Wer hätte das gedacht? Schmunzelnd betrachte ich den Kerl. Der charmante Charlie sieht tatsächlich wie der perfekte Cupido aus. »Sehr passend. Also ... schießen Sie mit Liebespfeilen auf Ihre Kunden?«

Wieder grinst er verschmitzt. »Es geht mehr um die Kraft der Suggestion. Und die wende ich nur an, wenn ich in zwei Leuten Potential erkenne. Ich zwinge niemanden, sich zu verlieben, sondern schubse sie nur in die richtige Richtung oder verstärke Gefühle, die bereits da sind. Ich stelle zueinander passende Personen einander vor und helfe anderen, über das hinwegzukommen, was sie davon abhält, ihrem Herzen zu folgen.«

»Hm. Das klingt eigentlich ziemlich nett.«

Er lehnt sich ein bisschen vor, als wolle er mir ein Geheimnis anvertrauen. »Tja, ich bin ein netter Kerl. Und witzig, charmant und sexy, oder? Das sollte reichen, damit Sie mir eine Chance geben. Ich bitte lediglich um eine halbe Stunde und einen Kaffee, das ist alles. Wenn Ihnen das lieber ist, rede ich vorher auch mit all Ihren Männern. Ihr spezieller Harem hat den Ruf, ziemlich ... ernst zu sein. Ich könnte die Dinge ein bisschen auflockern. Der Spaß in Ihrem Leben sein ...«

Seine Beschreibung meines Clans amüsiert mich. Er liegt nicht vollkommen falsch. Unter den richtigen Umständen können Oliver und Rook ausgelassen sein, doch insgesamt sind wir eine ziemlich ernste Truppe. Wenn ich mich amüsieren will, gehe ich normalerweise zu Ren oder Nick. Nicht, dass mir die Reserviertheit meiner Familie etwas ausmachen würde. Ich selbst bin ja auch nicht gerade eine Stimmungskanone.

Nach den anstrengenden letzten Wochen ist Charlies Heiterkeit Balsam für meine Seele, dennoch schüttle ich den Kopf. »Tut mir leid. Sie scheinen ein echt netter Kerl zu sein, aber ich bin nicht auf der Suche nach noch mehr Männern in meinem Leben.«

Charlie seufzt tief, doch er lässt sich von meiner Zurückweisung nicht die Stimmung verderben. »Ich musste es versuchen«, sagt er. »Aber wenn Sie mir schon einen Korb geben, können Sie mir dann wenigstens einen kleinen Gefallen tun?«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und frage mich, was dieser Fremde außer meiner Zuneigung von mir wollen könnte.

»Würden Sie mir etwas vorsingen?«

Mir klappt vor Überraschung die Kinnlade herunter.

Charlie kratzt sich im Nacken, als würde ihn seine Bitte nervös oder verlegen machen. Er zuckt mit den Schultern. »Als Sie den ganzen Club verzaubert haben, war ich gerade geschäftlich unterwegs, also habe ich es verpasst.«

Ich schüttle den Kopf, um meine Überraschung zu überwinden. »Wollen Sie damit etwa sagen, Sie wollen, dass ich meine Sirenenkraft bei Ihnen anwende?«

Seine Bitte hat mich völlig überrumpelt. Mir ist klar, dass ich empört sein sollte, doch aus irgendeinem Grund bin ich versucht, seinem Wunsch nachzugeben. Etwas regt sich in mir, als ob meine Kräfte einen eigenen Willen hätten und wüssten, dass nach ihnen verlangt wird. Sie wollen zum Spielen herauskommen. Aber das ist definitiv keine gute Idee, auch wenn er mich darum bittet. Ich schiebe das Gefühl beiseite und konzentriere mich auf mein Gegenüber.

Charlie nickt. »Meine Freunde haben gesagt, sie hätten so etwas noch nie empfunden. Sie haben es beschrieben, als seien sie betrunken von wahrer Liebe. Einer von ihnen hat hinterher sogar seine Freundin verlassen, weil ihm klar geworden ist, dass das, was er mit ihr hatte, nicht mal ansatzweise Liebe war. Er ist jetzt fest entschlossen, seine wahre Liebe zu finden. Ich habe seit Jahren versucht, ihn dazu zu bringen, sich von diesem gemeinen Weib zu trennen, doch in nur fünf Minuten haben Sie ihm geholfen, klar zu sehen. Sie haben ihm Liebe gezeigt. Er spricht seitdem von nichts anderem mehr.«

Ich bin erstaunt. In gewisser Weise ergibt es Sinn. Nick hat mir erklärt, dass das Lied einer Sirene zum Herzen spricht. Das würde auch die Anzahl von Männern erklären, die seit diesem Zwischenfall verzweifelt um meine Aufmerksamkeit buhlen. Doch die Vorstellung, ich könnte die Leute das Gefühl wahrer Liebe erleben lassen ... ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll. Außerdem kann ich den begeisterten Blick nicht einordnen, den Charlie mir zuwirft. »Und jetzt wollen Sie selbst ein bisschen Klarheit erfahren?«, frage ich.

Es ist so falsch, den Gedanken auch nur in Erwägung zu ziehen. Ich darf meine Macht auf keinen Fall bei ihm anwenden. Besonders nicht in einem Club voller Leute, die nicht wissen, dass Charlie mich darum gebeten hat. Ich würde mir nur noch mehr Feinde machen. Dennoch bin ich neugierig. Ein Teil von mir will es tun und freut sich über die Aussicht, meine Kräfte anzuzapfen und diesen Mann in meinen Bann zu ziehen.

Ich schüttle den Kopf, um diese irren Gedanken zu vertreiben. Als ich mich wieder auf Charlie konzentriere, wird sein Gesicht zum ersten Mal, seit er an die Bar gekommen ist, ernst. »Ich will es nur erleben. Ich will wissen, wie es sich anfühlt. Ich helfe anderen die ganze Zeit, die Liebe zu finden, und sie wirken immer so glücklich.« Ungläubig starre ich ihn an. »Sie sind ein Cupido – ein professioneller Partnervermittler – und waren noch nie selbst verliebt?«

Er lässt die Schultern sinken und seufzt. »Ich habe die Liebe durch die Verbindungen meiner Kundinnen und Kunden untereinander gespürt, aber nie in Bezug auf mich selbst. Ich kann meine Kräfte nicht bei mir selbst anwenden. Ich würde gern eine Partnerin finden, aber ich bin zu optimistisch, was die Liebe angeht. Zu vertrauensselig. Ich wurde schon öfter von gierigen Frauen ausgenommen, als ich zugeben möchte. Und ich will wissen, wie sich wahre Liebe anfühlt, damit ich in Zukunft vorsichtiger bin und vermeiden kann, erneut verletzt zu werden.«

Der arme Kerl tut mir leid. Plötzlich verspüre ich einen seltsamen Beschützerinstinkt. Am liebsten würde ich die Frauen, die ihn ausgenutzt haben, sofort aufspüren und sie dafür bestrafen, dass sie es gewagt haben, meinem Cupido wehzutun.

Ich zucke zusammen. Wo zum Teufel ist das denn hergekommen? Warum fühle ich mich so besitzergreifend? Er gehört mir nicht. Ich kenne ihn nicht mal. Und ich will ihn gar nicht, denn ich habe schon genug Männer in meinem Leben. Noch mehr brauche ich nicht. Aber während ich vor ihm stehe und mir das alles einrede, flüstert etwas tief in mir, dass ich mich selbst belüge.

Die Macht in mir drängt schließlich an die Oberfläche. Sie ist dunkel und verführerisch, und ich wünsche mir, sie an Charlie anzuwenden. Dieser Mann gehört mir. Ich will ihn haben. Und das kann ich. Dafür muss ich ihn lediglich mit meinem Lied rufen, und er wird für immer mir gehören.

Bevor mir klar wird, was ich tue, blicke ich Charlie tief in die Augen und entfessle meine Macht. Leise schnappt er nach Luft, und seine Pupillen weiten sich. Seine Reaktion stachelt mich weiter an. Ich erhöhe die Intensität. »Du gehörst mir«, flüstere ich.

»Nora!«

Eine tiefe Stimme ruft meinen Namen – Terrance –, aber ich kann den Blick nicht von Charlie nehmen. Meine Kräfte üben auf mich ebenso viel Macht aus wie auf Charlie.

»Nora!« Plötzlich ist Rook ebenfalls an meiner Seite. Sanft packt er meinen Arm und beginnt mich zu schütteln. »Was tust du da?«, zischt er. »Du darfst ihn nicht mit deinem Lied rufen. Besonders nicht in aller Öffentlichkeit. Willst du umgebracht werden?«

»Er gehört mir«, knurre ich und ignoriere das Rütteln an meinem Arm. Ich erkenne mich selbst kaum wieder.

Charlie erschaudert und nickt langsam. »Ja. Ich gehöre dir. Für immer. Und du gehörst mir.«

Etwas in mir – eine Art innerer Bestie – schnurrt zufrieden. Ich kann meine Macht nicht kontrollieren. Meine Sirene ist stark und hungrig, und sie will den Mann vor mir verschlingen.

»Was ist mit ihr los?«, fragt Rook.

»Keine Ahnung«, erwidert Terrance. »Aber wir müssen dafür sorgen, dass Nora wieder zu sich kommt und sie hier rausschaffen.«

Während Charlie und ich uns anstarren, beginnt eine andere Art von Macht, die ich als Feenmagie erkenne, um uns herumzuwirbeln. Sie umhüllt mich wie eine warme Decke. Hinter mir keucht jemand entsetzt. Ich weiß nicht, ob es Rook oder Terrance ist, und ich bin zu fokussiert, um mich darum zu scheren. Die Magie springt von mir auf Charlie über, sie formt sich zu einer goldenen Kordel, wickelt sich um unsere Handgelenke und sickert in unsere Haut. Sobald die Magie verschwunden ist, verspüre ich einen Ansturm von Emotionen, die nicht mir gehören: Charlies Ehrfurcht und Freude. Wir sind irgendwie miteinander verbunden, und ich habe das ungute Gefühl, dass es sich um keinen vorübergehenden Zustand handelt.

»Was geht hier vor?«, will Rook wissen. »Was zum Teufel war das?«

Terrance wirft mich über seine Schulter und schleppt mich aus der Bar. Die Bewegung reißt mich aus meiner Trance. Meine Macht zieht sich wieder zurück. Das düstere Verlangen zu verführen, das mich überwältigt hat, ist fürs Erste verschwunden, doch die Verbindung zu Charlies Gefühlen ist noch da. Zu seiner Freude haben sich nun Verwirrung und Sorge gemischt.

»Nimm ihn mit«, befiehlt Terrance. Ich nehme an, dass er mit Rook redet und Charlie meinen muss, doch mein Kopf ist immer noch ein bisschen zu benebelt, um sich darüber Gedanken zu machen, was passiert.

Als Terrance die Treppe im hinteren Bereich des Clubs hinaufgeht, weiß ich, wo er hinwill. Er hat eine private Suite, die auch als Panikraum fungiert. Sobald wir den Raum betreten haben, legt er mich auf einem Sofa ab und starrt mich wütend an. Hinter uns führt Rook Charlie in die Suite und schließt die Tür. Auch Rook sieht mich ungehalten an.

Ich schrumpfe unter ihren Blicken zusammen. »Es tut mir leid«, bringe ich hervor. »Keine Ahnung, wie das passiert ist. Wir haben uns einfach nur unterhalten, und plötzlich hat meine Macht übernommen. Ich konnte nichts dagegen tun.«

Terrance entspannt sich ein bisschen, doch seine Augen funkeln immer noch zornig. Ich denke nicht, dass er wegen mir persönlich wütend ist, sondern wegen der Situation. Sie war außerhalb seiner Kontrolle, und T-Man hasst es, nicht die Kontrolle zu haben. »Du hast keine Ahnung, was du gerade getan hast«, knurrt er.

»Natürlich hab ich das«, erwidere ich empört. »Ich habe ihn mit meinem Gesang verzaubert. Ich weiß nur nicht, warum meine ...«

»Du hast viel mehr als das getan!«, blafft Terrance.

Er richtet seinen finsteren Blick auf Charlie, und diesmal ist er eindeutig wütend auf die Person und nicht nur die Situation. Seine Pupillen weiten sich, bis seine Augen komplett schwarz sind – ein sicheres Zeichen dafür, dass der Troll kurz davor ist auszurasten. Allerdings weiß ich wirklich nicht, warum er so sauer auf Charlie ist. Schließlich war es nicht seine Schuld. Charlie erbleicht. Wer würde das nicht, wenn ein vor Wut schnaubender Troll vor einem steht?

Ich stehe auf und schiebe mich behutsam zwischen Charlie und Terrance. »Hey, T-Man. Beruhige dich, okay? Das kommt schon wieder in Ordnung.«

Im Raum herrscht Stille, während wir alle darauf warten, dass Terrance durchatmet. Dank unserer seltsamen Verbindung pulsiert Charlies Angst auch durch mich. Doch dann spüre ich, wie seine Angst von Schock abgelöst wird. »Was meint er damit, dass sie keine Ahnung hat?«, fragt er Rook. »Wie ist das überhaupt möglich?«

Die Frage durchbricht die Wut des Trolls, und er entspannt sich. Mehr braucht Rook nicht, um sich zwischen Terrance und mich zu stellen. »Wovon zum Teufel redet ihr da?«, will er wissen. »Was ist passiert?«

Terrance starrt uns böse an, doch als er unsere Verwirrung sieht, verraucht sein Zorn, und er schnaubt frustriert. »Feen haben eine besondere Art von Magie«, beantwortet er Rooks Frage, redet aber mit mir. »Ähnlich wie das, was geschehen ist, als dir Illren seine Treue geschworen hat, gibt es noch einen weiteren Zauber, der Feen miteinander verbinden kann.«

Ich reiße die Augen auf und spüre, wie mir das Blut aus dem Gesicht weicht. Noch ein magischer Bund? Ich lasse mich aufs Sofa sinken, denn was auch immer als Nächstes kommt, wird nichts Gutes sein. Terrance bemerkt die Panik in meinen Augen. Stöhnend blickt er zur Decke und reibt sich seinen kahlen Schädel. Das macht er immer, wenn er frustriert ist.

»Was?«, frage ich mit wild klopfendem Herzen. »Sag es einfach!«

Terrance reißt seinen Blick von der Decke los und schaut mich an. »Du hast dich an ihn gebunden.« Er verzieht das Gesicht. »Damit ist er jetzt dein Gefährte.«

Kapitel 2

»Was?«, fragen Rook und ich gleichzeitig.

Rooks Wolf kommt an die Oberfläche, und er stößt ein wütendes Knurren aus. Ich springe wieder auf, um mich zwischen ihn und Charlie zu stellen, bevor es unschön wird. »Ganz ruhig, Rook. Das war ein Unfall. Wir bringen das schon wieder in Ordnung.«

»Von wegen Unfall«, knurrt Rook. »Er hat dich irgendwie reingelegt! Sicher hat er das! Ich bringe ihn um!«

Der kreidebleiche Charlie hebt beide Hände, als wolle er Rook abwehren. »Ich habe sie nicht reingelegt. Das schwöre ich. Sie hat sich mir angeboten.«

Terrance verschränkt die Arme und starrt den Mann an. »Du hättest nicht annehmen müssen.« Seine Stimme ist eiskalt, und sein Blick verspricht einen langsamen und schmerzhaften Tod. »Sie war offensichtlich nicht ganz bei sich. Du hast sie ausgenutzt.«

Wieder regt sich mein Beschützerinstinkt. Ich trete vor Charlie, um ihn vor der Feindseligkeit der anderen abzuschirmen. »Er hatte keine andere Wahl. Ich habe ihn mit meinem Sirenengesang verzaubert. Er hätte getan, was immer ich will. Es ist meine Schuld. Ich habe die Kontrolle über meine Macht verloren, und nun ist er an mich gebunden.«

Die Konsequenzen meiner Tat stürzen auf mich ein, und meine Stimme bricht. »Ich nehme an, es handelt sich um eine Verbindung auf Lebenszeit?« Alle drei Männer nicken. Mir steigen Tränen in die Augen, und ich zwinge mich dazu, Charlie anzusehen. »Es tut mir so leid. Ich wollte dir nicht deine Entscheidung abnehmen.«

Durch unsere Gefährtenverbindung dringt Zufriedenheit von ihm zu mir herüber. Charlie überrascht mich mit einem reumütigen Blick. »Fühl dich nicht schuldig deshalb. Es ist keine zehn Minuten her, da hab ich dich angebettelt, genau das zu tun. Wir wissen beide, dass ich den Bund auch ohne dein Sirenenlied angenommen hätte.«

Er ignoriert Rooks warnendes Knurren und bringt meine Hände an seine Lippen. Äußerlich wirkt er gelassen, weil er mir keine Angst machen will, doch seine Gedanken sind viel ernster. Sie sind voller Hingabe und Hoffnung für unsere Zukunft. Ich bin mehr, als er jemals zu träumen gewagt hat, und er ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass ich es niemals bereuen werde, mich mit ihm verbunden zu haben.

Ich entziehe ihm meine Hände, weil ich seine Gedanken nicht länger hören will, doch er versteht es als Zeichen meines Unbehagens. »Bitte hab keine Angst vor unserem Bund«, sagt er. »Vielleicht weißt du noch nicht sehr viel darüber, eine Fee zu sein, doch das hier ist völlig natürlich. Wir Feen lassen uns oft von unseren Instinkten leiten. Etwas in dir hat etwas in mir erkannt. Wenn wir nicht kompatibel wären, hätte die Magie den Bund nicht zugelassen.«

Terrance räuspert sich. »Er hat recht.« Mein Troll klingt so verärgert, dass ich grinsen muss. Als ich ihn fragend ansehe, zuckt er mit den Schultern. »Wenn unsere Instinkte übernehmen, gibt es nicht viel, was wir dagegen tun können. Erinnerst du dich daran, wie bei unserer ersten Begegnung mein Schutzinstinkt geweckt wurde? Ich hatte keine andere Wahl, als dich in meinen Clan aufzunehmen.« Er verzieht das Gesicht und fügt schnell hinzu: »Nicht, dass ich es bereuen würde.«

Mein Lächeln wird breiter, und ich tätschle seinen Arm. »Ich weiß doch, T-Man. Ich finde es auch toll, dich am Hals zu haben.«

Er verdreht die Augen und sieht weg, doch seine Mundwinkel verziehen sich zu einem kleinen erfreuten Lächeln.

Jetzt, wo ich mich beruhigt habe, wende ich mich an den Mann, der verdächtig still geworden ist. Rook ist ein wenig auf Abstand gegangen. Mit verschränkten Armen lehnt er neben der Tür. Als sich unsere Blicke treffen, entdecke ich erschrocken, wie gekränkt er wirkt. Meine Kehle ist plötzlich wie zugeschnürt. Mit ausgestreckten Armen trete ich auf ihn zu. »Rook.«

»Warum er?«, fragt er mit einem schmerzerfüllten Flehen.

Ich schlucke und schüttle den Kopf. »Ich weiß es nicht.«

Rook starrt mich an. »Er ist ein Fremder, Nora. Und du hast ihn als deinen Gefährten anerkannt. Du hast dich mit ihm verbunden. Mit mir hast du das nicht mal in Erwägung gezogen.«

Ich blinzle Tränen zurück. Die Verzweiflung in seinem Blick reißt mein Herz in Stücke. »Rook. Du weißt, dass ich dich liebe. Was gerade passiert ist, ändert daran nichts.«

Er schließt die Augen und atmet tief ein. »Das reicht nicht, Nora. Mein Wolf braucht den Bund. Besonders mit all den anderen Männern in deinem Leben. Ohne ihn wird er sich niemals beruhigen. Wir brauchen unsere Gefährtin.«

Ich ergreife seine Hände und drücke sie fest. Nie wieder will ich so viel Schmerz in seinen Augen sehen. Ich habe mich gescheut, den Bund mit ihm einzugehen, weil ich befürchtet hatte, sein Wolf würde dadurch zu besitzergreifend werden und mich nicht mehr in die Nähe der anderen lassen. Aber ich kann es nicht ertragen, ihn so leiden zu sehen. Ich werde ihm geben, was immer er will, wenn er nur aufhört, so verletzt auszusehen. »Ist das denn überhaupt möglich? Obwohl ich eine Fee bin?«

Rook nickt. »Es kommt nur selten vor, aber es wurde schon mal gemacht.«

»Und kann es jetzt immer noch funktionieren, obwohl ich mich an Charlie gebunden habe? Kann ich mit euch beiden verbunden sein?«

Rook sieht erst zu mir, dann werfen wir beide Terrance einen Blick zu, als wisse er die Antwort. Doch der Troll zuckt nur mit den Schultern. »Ich habe noch nie von so etwas gehört, aber es könnte funktionieren. Man kann nur einen Feengefährten haben, aber Gestaltwandlermagie ist anders als die des Feenvolks.«

Ich schaue wieder zu Rook und spreche meine einzige Sorge aus: »Wenn ich mich mit dir verbinde, wird dein Wolf dann noch mehr Probleme mit den anderen haben?« Grimmig starrt er zu Boden. »Wenn er das tut, werde ich mich darum kümmern.«

Ich lege meine Hand auf seine Wange und bringe ihn dazu, mich anzusehen. »Dann lass es uns versuchen.«

Rook erstarrt. Er bemüht sich, keine Hoffnung aufkommen zu lassen, doch es gelingt ihm nicht. Er will es so sehr, dass es ihn fast umbringt. Der fehlende Gefährtenbund hat einen Keil zwischen ihn und seinen Wolf getrieben. Er braucht ihn, um wieder mit sich selbst im Reinen zu sein. Das Ausmaß seines Verlangens ist bestürzend.

»Warum hast du mir nicht gesagt, wie sehr du es brauchst?«, frage ich. »Du hast es nie erwähnt.«

Er schluckt und schließt die Augen. Dann lehnt er sich gegen meine Hand, als wäre meine Berührung das Einzige, was ihn in diesem Moment bei Verstand bleiben ließe. »Ich wollte dich nicht bedrängen. Du hast immer wieder gesagt, dass ich nicht dein Gefährte bin.«

Schuld droht mich völlig zu verschlingen. Ich hatte nur versucht, seinen Wolf unter Kontrolle zu behalten. Nie habe ich damit andeuten wollen, dass ich ihn nicht will. Ich lege beide Hände auf seine Wangen und blicke ihm tief in die Augen. »Ich war wegen meiner Gefühle für dich verwirrt. Ich wollte dich nicht abweisen. Aber nachdem du bei mir eingezogen bist und mich mitsamt des Harems akzeptiert hast, haben sich die Dinge verändert. Natürlich bist du mein Gefährte. Du und dein Wolf. Und wenn er den Bund braucht, lass uns nicht länger warten.«

Rooks Augen beginnen zu glühen, und er knurrt, bevor er sich voller Wildheit auf meinen Mund stürzt. Der Kuss ist hart und leidenschaftlich. Ich lasse ihn nehmen, was er braucht, und überlasse ihm die Kontrolle über den Kuss. Aber ich gebe ihm genauso viel zurück, wie ich bekomme, damit er weiß, wie sehr ich ihn liebe. Er fährt mit seinen Fingern durch mein Haar und drückt mich so fest an sich, dass es fast ein bisschen wehtut. Doch es fühlt sich gut an. Beruhigend. Nach der Erkenntnis, wie sehr ich ihn verletzt habe, brauche ich diesen Kuss so sehr wie Rook.

Als er sich endlich wieder unter Kontrolle hat und den Kuss beendet, lehnt er sich zurück, ohne mich loszulassen. Einen Moment lang halten wir einander und bemühen uns, wieder zu Atem zu kommen. »Nicht jetzt«, murmelt er. »Nicht hier. Nicht vor den anderen. Aber bald.«

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und presse meine Lippen erneut auf seine. »Wann immer du willst. Ich weiß zwar nicht genau, was wir dafür brauchen, aber egal wie es gemacht wird, du musst es nur sagen und wir machen es.«

Rook sieht mich prüfend an und nickt. »An deinem nächsten freien Tag. Wir nehmen uns ein Hotelzimmer. Irgendwo, wo es schön ist und wir allein sein können.«

Ich streiche ihm die Haare aus dem Gesicht und schenke ihm ein sanftes Lächeln. »Das klingt schön.«

Er küsst mich erneut. »Nora, ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch.«

Es wird still, und mir fällt wieder ein, dass noch zwei andere Personen mit uns im Raum sind. Wie peinlich. Langsam drehe ich mich um und versuche, nicht rot zu werden. Terrance wartet geduldig. Mit hochgezogener Augenbraue sieht er Rook und mich an, als wolle er fragen: Seid ihr jetzt fertig? Ist das Drama vorbei? Typisch Terrance.

Charlie hingegen starrt uns erregt und mit einem seltsamen Lächeln im Gesicht an. Ich bin mir nicht sicher, was das zu bedeuten hat. »Du bist doch wohl hoffentlich kein Voyeur oder so was?«

Er grinst spitzbübisch. »Ich bin ein Cupido. Ich liebe die Liebe.«

Das nehme ich mal als ein Ja.

»Ich spüre Beziehungen.« Er richtet einen Finger auf Rook und mich. »Eure ist stark. Sie basiert nicht auf purer Lust wie bei den meisten anderen. Sie ist echt. Beständig. Das ist sehr erfrischend. Aber das dachte ich mir schon. Du bist eine Sirene. Ich werde es lieben, Teil deines Harems zu sein und all diese Beziehungen mitzuerleben.«

»Richtig.« Ich räuspere mich und versuche, die angespannte Situation irgendwie zu lockern. »Ähm, apropos ...« Erschöpft lasse ich mich aufs Sofa sinken. Es ist keine körperliche Erschöpfung, sondern mentale und emotionale. Alle drei Männer beobachten mich, als würden sie nur darauf warten, dass ich wieder ausflippe. Ich würde diese Sache wahrscheinlich weniger ruhig aufnehmen, wenn ich nicht mit Illren schon etwas Ähnliches durchgemacht hätte. Meine nächste Frage richte ich an sie alle. »Was müssen wir jetzt tun? Wie genau funktioniert der Gefährtenbund der Feen?«

Charlie wagt es, sich zu mir aufs Sofa zu setzen. Rook knurrt leise, bleibt aber, wo er ist. Ich weiß, dass er sein Bestes gibt, um ruhig zu bleiben, obwohl es in ihm völlig anders aussieht. Dabei hilft, dass Charlie nicht zu nahe bei mir sitzt und auch nicht versucht, mich zu berühren. Ich bin überrascht und dankbar, dass er einen respektvollen Abstand einhält. Er dreht sich zu mir um, und als er lächelt, sind seine Grübchen zu sehen. »Offensichtlich können wir gegenseitig unsere Emotionen fühlen.«

Er sieht mich an, als ob er auf eine Bestätigung wartet, also nicke ich, und er lächelt erneut. »Außerdem können wir die Lebenskraft des anderen fühlen. Wenn du dich auf die Verbindung konzentrierst, wird du immer in der Lage sein, mich zu spüren. Und wir können einander immer finden.«

»Das ist alles?«, frage ich. »Klingt doch gar nicht so schlecht.« So häufig, wie ich angegriffen oder entführt werde, könnte sich unsere Verbindung vielleicht sogar als nützlich erweisen. »Ich hatte schon befürchtet, wir wären vielleicht nicht in der Lage, voneinander getrennt zu sein.«

»So schlimm ist es nicht«, sagt Terrance.

Charlie nickt. »Wir müssen nicht immer aufeinanderhocken. Der Bund funktioniert anders als ein Liebeszauber.« Wieder schenkt er mir ein neckisches Lächeln. »Aber ich habe trotzdem das Vergnügen, dich zu umwerben.«

Ich kann nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. Seine gute Laune ist ansteckend. »Das wird keine leichte Aufgabe.«

Seine Augen funkeln vor Begeisterung. »Ich liebe Herausforderungen.«

Rook stöhnt. Bevor er eine abfällige Bemerkung über Charlies Flirten machen kann, schaltet sich Terrance in die Unterhaltung ein. »Ihr werdet euch zueinander hingezogen fühlen. Ihr werdet nicht in der Gegenwart des anderen sein müssen, es aber vielleicht wollen. Die Nähe zum anderen wird euch inneren Frieden und Trost schenken.«

Ich seufze. »Also wird er ebenfalls bei uns einziehen?«

»Nora«, warnt Terrance. Ich verziehe mein Gesicht. Ich sehe die Moralpredigt schon kommen. »Genau wie bei Illren bist du mit Charlie, ob beabsichtigt oder nicht, eine Verpflichtung eingegangen. Er ist dein Gefährte, und zwar lebenslang. Das darfst du nicht auf die leichte Schulter nehmen. Du musst dein Bestes geben, um ihn anzunehmen.«

Charlie hält mir seine Hand hin. Es ist mir unangenehm, dass ich sie ergreifen will, weil es so aussehen wird, als würde ich meine anderen Jungs hintergehen, aber ein Teil von mir ist sehr neugierig, was Charlie angeht. Ich frage mich, was an ihm meine Feeninstinkte geweckt hat oder warum ich die Kontrolle über meine Macht verloren habe.

Also lasse ich meine Finger in seine wartende Hand gleiten, und als er mich spitzbübisch angrinst, werden meine Wangen ganz heiß. »Ich habe ein tolles Apartment am Mt. Elliot Park«, sagt er und drückt sanft meine Hand. »Es ist groß genug für zwei.«

»Nein«, knurrt Terrance, während Rook »Auf keinen Fall!« ruft.

Charlie lässt erstaunt meine Hand los und blickt auf. Beide starren ihn böse an. Terrance hat seine Türsteherpose eingenommen. »Nora bleibt in der Höhle. Dort ist es sicherer für sie, und ihre anderen Männer sind auch dort. Wenn du in ihrer Nähe sein willst, musst du bei ihr einziehen, nicht andersherum.«

Charlie reißt die Augen auf. »Ihr wollt, dass ich bei euch einziehe? In eine Trollhöhle?«

»Es ist inzwischen mehr so was wie die Insel der Außenseiter«, brummt Rook.

Ich lache. »Das stimmt.«

Als ob er unfähig wäre, sich das auch nur vorzustellen, sieht sich Charlie im Zimmer um und schüttelt den Kopf. »Aber ich bin ein Einzelgänger. Das bin ich schon, seit ich alt genug war, um meine Eltern zu verlassen.«

»Jetzt nicht mehr«, sagt Terrance. »Wenn du in deiner Wohnung bleiben willst, weil du Raum für dich brauchst, meinetwegen. Aber zu Noras Harem zu gehören, macht dich zu einem Mitglied meines Clans.«

»Deines Clans«, wiederholt Charlie. Er blinzelt ein paarmal, als ob er versuchen würde, sich an diese Vorstellung zu gewöhnen.

Ich bezweifle, dass ihm die anderen ansehen können, was er denkt. Es ist klar, wie überrascht er ist, aber durch unsere Verbindung spüre ich auch seine Freude.

Terrance starrt ihn an und wartet auf eine Antwort bezüglich der Wohnfrage. Charlie räuspert sich und schaut kurz zu Rook, bevor er mich fragend ansieht. Es ist also meine Entscheidung. Ich seufze. Was soll ich tun, ihn zurückweisen? Er ist mein Gefährte. »Soll er sich uns eben anschließen. Aber eine kleine Vorwarnung: Wenn du Ärger machst, wird dich Illren wahrscheinlich mit seinem Schwert erledigen.«

Charlie schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »Ich werde versuchen, mich zu benehmen.«

Kapitel 3

Offenbar ist das Underworld die Location, um Silvester zu feiern, wenn man zu der übernatürlichen Bevölkerung Detroits gehört. Noch nie habe ich den Club voller gesehen. Als wir endlich aufbrechen, tun meine Füße weh und mir dröhnt der Schädel.

Ich steige hinten in Terrance' Cadillac ein, bevor mir Rook den Vortritt für den Beifahrersitz gibt. Er ist viel größer, und ich fühle mich immer schuldig, wenn er sich um meinetwillen nach hinten auf die Rückbank quetscht. »Heute war ja mal was los«, stöhne ich und höre meine Gelenke knacken. »Ich brauche ein Aspirin, einen Kamillentee und ein heißes Bad.« Als ich meinen Kopf anlehne, fallen mir sofort die Augen zu. »Mit jeder Menge Schaum.«

Die beiden Männer vorn lachen auf, dann wird es still im Auto. Bestimmt sind sie genauso erschöpft wie ich. Auf halbem Weg nach Hause breche ich das Schweigen. »Folgt er uns?«

Ich öffne die Augen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Terrance einen Blick in den Rückspiegel wirft und nickt. »Ja.«

Ich seufze.

Charlie war nach Hause gefahren, um ein paar Sachen zu packen. Wir hatten entschieden, dass er heute in der Höhle übernachten sollte, damit wir den anderen erklären könnten, was passiert war. Und natürlich sollte er sie so schnell wie möglich kennenlernen. Auf keinen Fall kann er als Fremder bei uns herumlaufen. Die Jungs würden ihn wahrscheinlich töten und erst danach Fragen stellen.

»Es tut mir wirklich leid.«

Ich habe keine Ahnung, warum ich mich immer wieder entschuldige. Terrance hat mir bereits diverse Male versichert, dass es nicht meine Schuld war. Nun beginnt er wieder mit einem seiner Vorträge. »So ist das nun mal mit Feeninstinkten, Nora. Sie erwachen instinktiv.«

»Das verstehe ich ja, aber sind sie erwacht, weil er mein Gefährte ist und wir zusammen sein sollten, oder weil ich die Kontrolle über meine Macht verloren und ihn aus Versehen an mich gebunden habe? Denn es fühlt sich eher nach Letzterem an.«

Rook brummt und sieht mich über seine Schulter hinweg an. »Wenn dem so wäre, bedeutet das dann, dass du jedes Mal, wenn du die Kontrolle über deine Macht verlierst, neue Gefährten anschleppst? Mit wie vielen Männern soll ich dich denn noch teilen?«

»Ich denke, die eigentliche Frage lautet, warum du die Kontrolle über deine Macht verloren hast«, wendet Terrance ein.

Rook runzelt die Stirn. »Und warum hast du sie überhaupt angewendet?«

»Weil ...« Meine Wangen beginnen zu brennen. »Weil er mich darum gebeten hat.«

Terrance verengt die Augen zu Schlitzen, während Rook seine weit aufreißt. »Er hat dich darum gebeten?«, wiederholt er. Hilflos zucke ich mit den Schultern. »Es fühlt sich wohl gut an ... wie wahre Liebe ... und der Kerl ist ein Cupido. Er war neugierig.«

»Also hast du es einfach so getan?«, fragt Rook entsetzt.

Er starrt mich an, als wäre ich eine Idiotin. Ich starre zurück. Ich fühle mich tatsächlich ziemlich dumm, weil ich diesen ganzen Ärger verursacht habe, aber es war wirklich keine Absicht, und mir gefällt nicht, wie vorwurfsvoll er klingt.

»Natürlich habe ich es nicht einfach so getan!«, blaffe ich. »Ich bin doch nicht bescheuert.«

Wir halten an der Höhle. Sobald wir stehen, springe ich aus dem Wagen und schlage die Tür hinter mir zu. Rook steigt ebenfalls aus. »Ich habe nicht gesagt, du wärst bescheuert, Nora.« Wütend öffne ich die Wohnungstür und marschiere die Treppe hinunter. »Ich benutze doch nicht einfach so meinen Sirenengesang. Besonders nicht vor anderen. Jedenfalls nicht mit Absicht. Ich habe versucht, es nicht zu tun. Doch sobald die Idee in meinem Kopf war, konnte ich nicht anders. Mein Körper hat sich danach gesehnt, die Macht zu benutzen, und meine Macht danach, entfesselt zu werden.«

Als ich das untere Ende der Treppe erreiche, sehe ich Oliver auf dem Sofa sitzen und sich den Schlaf aus den Augen reiben. Sein Lieblingshoodie ist zerknittert, und eine Seite seines Gesichts ist gerötet, als ob er eine Weile eingenickt wäre. Er sieht wirklich hinreißend aus. »Alles okay?«, fragt er schläfrig, doch als er die Anspannung zwischen Rook und mir bemerkt, wirkt er besorgt.

Ich hänge meinen Mantel auf und seufze. »Ja. Irgendwie schon.« Nachdem ich meinen Schal abgelegt habe, reibe ich meine pochenden Schläfen. »Es ist kompliziert.«

Bevor ich zu Oliver gehen kann, zieht mich Rook an seine Brust. »Tut mir leid«, sagt er und drückt mich fest. »Ich weiß doch, dass du dich nicht absichtlich in Gefahr bringen würdest. Es fällt mir nur schwer, mit dieser Situation umzugehen.«

»Und mir nicht, oder was?«, schnaube ich, sinke jedoch gleichzeitig an seine Brust. »Du bist schließlich nicht derjenige, der plötzlich einen neuen Gefährten hat.«

Rook streichelt meinen Rücken. Ich will weiter wütend auf ihn sein, denn irgendwie muss ich meinen Frust ja loswerden, aber er macht es mir echt schwer. »Er ist zwar nicht mein Gefährte«, sagt Rook leise, »aber er ist mein neuer Clan-Bruder. Und er ist ein weiterer Mann, mit dem ich deine Zuneigung teilen muss.«

Ich lege meine Arme um seine Taille und vergrabe mein Gesicht in seinen Brustmuskeln. »Es tut mir leid«, stöhne ich. »Du hast recht. Das ist für keinen von uns leicht. Lass uns einfach vergessen, wie es dazu gekommen ist, und konzentrieren wir uns stattdessen auf das Hier und Jetzt. Was passiert ist, ist passiert. Wir können das jetzt nur akzeptieren und das Beste daraus machen.« Einen kleinen Moment länger hält Rook mich noch fest, bis sich Oliver zu Wort meldet. »Ein neuer Gefährte?«

Rook lässt mich los und hängt seinen Mantel auf. Oliver steht auf, kommt zu mir und verschränkt seine Finger mit meinen. Küssen tut er mich vor Rook allerdings nicht. Uns allen ist klar, wie schwer es für Rook ist, diese Beziehung zu akzeptieren, und die anderen Jungs respektieren das. Na ja, jedenfalls Oliver und Parker. Illren nicht so ganz. Er nutzt jede Gelegenheit, um mich zu berühren, obwohl wir gar nicht in einer Beziehung sind. Er respektiert also weder meine Grenzen noch die von Rook.

Ich drücke Olivers Hand und deute auf den Mann, der gerade hinter Terrance die Treppe herunterkommt. »Oliver, das ist Charlie. Er ist ... ähm ...«

Charlie streckt Oliver seine Hand entgegen. »Ich bin Noras neuer Gefährte. Schön, dich kennenzulernen.«

Sein hübsches Lächeln wirkt aufrichtig, als ob er nicht anders kann, als glücklich zu sein.

Olivers Augenbrauen schießen zur Decke. Dennoch schüttelt er Charlie die Hand und begrüßt ihn, bevor er mich fragend ansieht. Ich verziehe das Gesicht. »Unsere Instinkte sind plötzlich angesprungen, wie die von Terrance das manchmal tun, und wir haben uns auf magische Weise miteinander verbunden. Das passiert wohl gelegentlich bei Feen.«

Oliver fällt die Kinnlade herunter.

Wieder verziehe ich das Gesicht. »Tut mir leid.«

»Habe ich dir nicht gesagt, dass du aufhören sollst, dich zu entschuldigen, Nora?«, knurrt Terrance.

Ich schaue kurz zu ihm, dann falle ich völlig erledigt aufs Sofa. »Ich kann einfach nicht anders.« Erschöpft lasse ich mich in die Kissen sinken und fahre mir mit den Händen übers Gesicht. »Es geht hier nicht nur um Charlie und mich. Das betrifft uns alle in dieser Familie. Und ich fühle mich einfach schlecht, dass ich unser Leben auf diese Weise durcheinanderbringe. Schon wieder.«

Ich spüre, wie sich Terrance neben mich setzt und seinen großen Arm um meine Schultern legt. »Von dem Moment an, als du in unser Leben getreten bist, hast du nichts anderes getan, als es durcheinanderzubringen, Kleine. Wenn uns das nicht gefallen würde, wären wir nicht hier.«

Als ich ihm einen Seitenblick zuwerfe und sehe, dass er schmunzelt, muss ich ebenfalls lächeln. Er zieht mich an sich. »Hör auf, dich schuldig zu fühlen. Wir werden uns schon daran gewöhnen, so wie wir uns an alles andere auch gewöhnt haben.«

Seine Worte sind genau das, was ich hören musste. Es gibt einfach nichts Besseres als die Zuneigung meines großen mürrischen Trolls. Ich schmiege mich an seine Seite, als ob der Körperkontakt das magische Heilmittel all meiner Sorgen wäre. »Danke, T-Man.«

Terrance umarmt mich sanft und gibt mir einen Kuss auf die Schläfe. »Und jetzt keine Entschuldigungen mehr.«

»Okay.«

Er steht auf und streckt sich. »Ich gehe jetzt schlafen«, gähnt er. »Sorgt dafür, Charlie Illren vorzustellen, bevor ihr ins Bett geht«, fügt er nach einem Blick in den Raum hinzu. »Wir wollen doch nicht, dass er Noras neuem Gefährten im Schlaf die Kehle aufschlitzt.«

Ich lache, aber es klingt sehr müde. Terrance verschwindet in seinem Zimmer, und wie aufs Stichwort setzen sich Rook, Oliver und Charlie. Oliver nimmt Terrance' Platz neben mir ein. Rook streckt sich auf dem anderen Sofa aus, und Charlie setzt sich in einen der Sessel. Er ist der Einzige, der sich völlig wohlzufühlen scheint. »Das mit dem Kehle aufschlitzen war doch wohl ein Scherz, oder?«

Rook und ich müssen grinsen. Oliver hingegen verzieht sein Gesicht. »Eigentlich nicht. Aber keine Sorge. Er scheint gegenüber jedem in unserem Clan überraschend loyal zu sein. Er wird dir nichts tun, sobald er weiß, dass du zu uns gehörst.«

Ich lehne meinen Kopf gegen Olivers Schulter. Mir fallen die Augen zu. »Wir müssen es ihm nur sagen, bevor du allein hier herumwanderst, sonst hält er dich noch für einen Einbrecher. Dann wärst du erledigt.«

Charlie antwortet nicht. Ich zwinge ein Auge auf und muss lächeln, als ich den verstörten Ausdruck in seinem blassen Gesicht sehe. Auf eine verdrehte Art und Weise bin ich auf Illren und seinen furchteinflößenden Ruf sogar ein bisschen stolz.

Sanft beginnt Oliver meinen Nacken zu massieren. Das fühlt sich so gut an, dass ich zu stöhnen beginne. »Ja. Genau so. Mehr.«

Oliver lacht leise und legt sich ein Kissen auf den Schoß. Ich lege mich darauf und lasse ihn die Anspannung aus meinem Nacken und Kopf massieren. Nach einem Moment der Glückseligkeit breche ich das Schweigen. »Wo steckt Illren eigentlich?«

»Keine Ahnung«, sagt Oliver. »Hab ihn noch nicht gesehen, seit ich nach Hause gekommen bin.«

Rook schnaubt. »Wahrscheinlich ist er irgendwo da draußen unterwegs, um Leute zu köpfen und über ihren Leichen zu tanzen.«

Illrens sanfte Stimme lässt uns alle zusammenzucken. »Die Monster, die ich töte, sind wohl kaum Leute.« Während wir ihn anstarren, hängt er seinen Mantel an die Garderobe. Niemand von uns hat gehört, wie er hereinkam – nicht mal der Wolf. »Und ich tanze nicht.«

Er bleibt stehen und sieht sich auf seine typische ruhige Weise um, bis sich sein Blick auf mich richtet. Die Tatsache, dass ich in Olivers Schoß liege und meine allererste Massage bekomme, scheint ihn sehr zu interessieren. Aber ich kann nicht sagen, was er davon hält. Denn das weiß ich bei ihm nie genau. Schließlich beginnt er, Charlie zu mustern. Ich sollte aufstehen und sie einander richtig vorstellen, doch Olivers Massage ist so entspannend, dass mein Hirn nur noch Mus ist. »Illren, das ist Charlie«, murmle ich. »Er gehört jetzt zu unserem Clan, also kannst du ihn nicht töten, okay?«

Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und erwartet wohl eine weitere Erklärung, doch Oliver vergräbt seine Finger tief in meinem Haar und zieht sanft daran. Das leichte Brennen an meiner Kopfhaut lässt mich erneut wohlig stöhnen.

Bevor ich weiß, wie mir geschieht, spüre ich Rooks Lippen auf meinen. Er lehnt sich über mich und küsst mich, als ob ich nicht gerade in Olivers Schoß liegen würde, während Charlie und Illren zuschauen. »Ich liebe die Geräusche, die du machst«, knurrt er leise gegen meine Lippen.

Seine Worte machen mich verlegen, und ich versuche mich aufzusetzen, doch Oliver weigert sich, mein Haar loszulassen, und zwingt mich so, in seinem Schoß zu bleiben. Erneut zieht er sanft meinen Kopf zurück und legt meinen Hals frei. Rook lässt seine Lippen über meine Kehle wandern, und ich keuche auf. Als ich seine Zähne spüre, bekomme ich am ganzen Körper Gänsehaut. »Das nächste Mal, wenn du solche Geräusche machst«, sagt Rook, »sind wir allein, und ich bin es, der sie dir entlockt.«

Seine Worte sind eine verführerische Drohung, von der mir ganz warm wird. Er küsst mich erneut. »Ich gehe jetzt ins Bett, bevor mich mein Wolf zwingt, dich in mein Zimmer zu schleifen. Träum heute Nacht schön von mir.«

Ohne ein weiteres Wort steht er auf und verlässt den Raum. Mir ist heiß, und mein Atem geht stoßweise. Bevor mir klar wird, was gerade geschehen ist, hilft mir Oliver auf und zieht mich auf seinen Schoß. Er streicht mir die Haare hinters Ohr und schaut mir in die Augen. »Alles okay?«

Ich muss schlucken, bevor ich wieder sprechen kann, und selbst danach bringe ich nur eines heraus. »Ja«, hauche ich.

Oliver schenkt mir ein kleines Lächeln, das nur für mich bestimmt ist. »Mir hat das auch irgendwie gefallen«, flüstert er und presst seine Lippen auf meine. Ich erwarte einen flüchtigen Kuss, doch stattdessen zieht Oliver mich an sich und lässt sich Zeit damit, die Hitze aufzubauen, anstatt mich sofort in Brand zu setzen, wie Rook es getan hat. Bevor die Dinge außer Kontrolle geraten, löst er seine Lippen von mir. »Ich habe seit Mitternacht auf diesen Kuss gewartet.«

Mein Gesicht steht in Flammen, und ich bin mir der beiden anderen Männer sehr bewusst, die zusehen, wie ich mit meinen Freunden knutsche. Doch ich zwinge mich, meine Aufmerksamkeit allein auf Oliver zu richten. Er verdient es, weil er so geduldig mit Rook gewesen ist. »Frohes neues Jahr«, murmle ich.

Er lächelt erneut und dreht mich so, dass ich bequem in seinen Armen liege. »Dir auch.«

»Frohes neues Jahr«, wiederholt Charlie. Als Oliver und ich uns zu ihm umdrehen, schenkt er uns ein breites Grinsen. »Ich dachte, deine Beziehung mit Rook wäre schon stark, aber ihr zwei«, er deutet auf Oliver und mich, »ihr spielt in einer völlig anderen Liga. Und ihr drei zusammen? Meine Güte, war das sexy. Ich werde es hier lieben.«

Illren räuspert sich. Er lehnt an der Wand und säubert sich mit einem seiner kleineren Dolche die Nägel. »Kann mir jetzt mal einer von euch die Anwesenheit dieses Typen erklären, bevor ich ihn töte?«

Kapitel 4

Das Lächeln verschwindet aus Charlies Gesicht. Er schluckt und beginnt sich unter Illrens intensivem Blick zu winden. Seufzend löse ich mich aus Olivers Umarmung und setze mich auf. »Illren, das ist Charlie, und wie ich bereits sagte, kannst du ihn nicht töten.« Illren wirft mir einen seiner typischen gelangweilten Blicke zu. »Ich meine es ernst. Du lässt die Finger von ihm. Er ist ... er ist ...«

Ich kann es nicht aussprechen, und Charlie scheint genauso wenig geneigt, meinem persönlichen Auftragskiller die Neuigkeit mitzuteilen. Schließlich entscheidet sich Oliver, der Mutige zu sein. »Er ist ihr Gefährte.«

Ein Ausdruck des Schocks blitzt in Illrens Gesicht auf, bevor es zu seiner üblichen ausdruckslosen Maske zurückkehrt. Er schaut zu Charlie. »Gefährte?«

Nervös zupft Charlie an seinem Kragen und nickt einmal.

»Ein richtiger Bund?«

Charlie zwingt sich zu einem weiteren Nicken, und sein Gesicht wird noch eine Spur blasser.

Es folgt ein langer Moment des Schweigens, bevor Illren feststellt: »Sie sind ein Cupido.«

Charlie nickt überrascht und verwirrt. »Ja.«

Illren stößt sich von der Wand ab und geht auf Charlie zu. Ich stehe auf, um bereit zu sein, falls Illren angreifen will. Er bemerkt meine Bewegung und bleibt stehen. »Haben Sie das getan?«

Charlie runzelt die Stirn. »Was getan?«

»Sie sind ein Cupido«, wiederholt Illren grimmig. »Haben Sie sie dazu gebracht, sich in Sie zu verlieben, um sie an sich zu binden? Haben Sie sie gezwungen?«

Charlie reißt die Augen auf. »Nein!«, ruft er und schüttelt hektisch den Kopf. »Das würde ich niemals tun! Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht. So funktioniert meine Magie nicht. Das schwöre ich.«

Schnell dränge ich mich zwischen Charlie und Illren. Zwar bin ich mir ziemlich sicher, dass er dem Cupido nichts antun würde, weil ich ihm das bereits verboten habe, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher. »Charlie hat nichts falsch gemacht. Wenn überhaupt war ich es, die ihm den Bund aufgezwungen hat. Ich habe die Kontrolle über meine Macht verloren, und er war im Bann meines Sirenengesangs, als es passiert ist.«

Illren wirft mir einen scharfen Blick zu. »Du hast die Kontrolle über deine Macht verloren? Wie? Warum?«

Jetzt, wo Illrens Aufmerksamkeit auf mich gerichtet ist, sackt Charlie in seinen Sessel zurück und atmet tief aus. Ich hingegen spüre das Gewicht von Illrens Blick auf mir und versuche, mich wieder neben Oliver aufs Sofa zurückzuziehen. Natürlich verhindert Illren das. Ich habe mich ihm bereits auf Armeslänge genähert, und er lässt sich keine Gelegenheit entgehen, mir auf die Pelle zu rücken. Er stellt sich vor mich und versperrt mir so meinen Fluchtweg. »Wie hast du die Kontrolle über deine Macht verloren, Nora?« Die eiskalte Ruhe ist wieder in seine Stimme zurückgekehrt.

Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Obwohl seine Stimme immer so gelassen klingt, schwingt eine Macht darin mit, die mich eine Mischung aus Angst und Nervenkitzel empfinden lässt. »Keine Ahnung«, hauche ich. »Es ist einfach passiert.«

Ich versuche, um ihn herumzugehen, und wieder kommt er mir zuvor. Nun ist er so nahe, dass mir sein verlockender Duft in die Nase steigt. Er riecht immer so gut. Wie reife Beeren vermischt mit einer Frische, die mich an einen Wald nach einem Schneesturm denken lässt. Ich liebe diesen Geruch, traue mich aber nicht zu fragen, was für ein Parfum er trägt, denn es könnte sich einfach nur um seinen natürlichen Körpergeruch handeln, und er soll nicht wissen, dass ich mich auf so ursprüngliche Weise zu ihm hingezogen fühle.

»Nora.« Sein Tonfall warnt mich, dass er eine bessere Antwort will.

Ich schüttle den Kopf. Doch dann lehne ich mich unwillkürlich vor, atme tief seinen Duft ein und verrate damit, wie sehr er mir den Kopf verdreht. »Wie hat es sich angefühlt?«, fragt Illren, als ich ihm wieder in die Augen schaue.

»Dunkel«, antworte ich. »Verführerisch. Sie wollte herauskommen und spielen, und zwar nicht auf harmlose Weise. Es war verzehrend. Und das Unheimlichste daran war, dass ich sie anwenden wollte. Mir war klar, dass ich es nicht sollte, dennoch habe ich mich fast verzweifelt danach gesehnt, sie zu entfesseln. Es war, als ob sie mich genauso hypnotisiert hat wie ihn.«

Einen Moment lang beobachtet mich Illren schweigend, als ob er alles, was ich gesagt habe, noch einmal durchdenkt. Dann verengt er die Augen zu Schlitzen und nickt. »Wir besuchen morgen die Meerjungfrau. Sie wird mehr darüber wissen.«

Ich bin froh über seine Besorgnis. Jetzt, wo ich wieder darüber nachdenke, hat mir das, was in der Bar geschehen ist, ziemlich Angst gemacht. Plötzlich einen neuen Gefährten zu haben, hat die furchterregende Tatsache überschattet, dass ich die Kontrolle verloren habe. Doch Illren ist egal, wie viele Gefährten ich habe, solange er einer von ihnen ist. Nie hätte ich gedacht, dass das mal eine gute Sache sein könnte, doch jetzt kann ich darauf vertrauen, dass er einen kühlen Kopf behält und sich auf die wichtigen Dinge konzentriert. »Das halte ich für eine sehr gute Idee. Danke, Illren.«

Wieder will ich weitergehen, doch er lässt mich immer noch nicht vorbei. »Darf ich jetzt gehen?«, frage ich verärgert.

Seine Mundwinkel zucken, und seine unnatürlichen violetten Augen sind zwar voller Leidenschaft, scheinen mich aber auch auszulachen. »Willst du mir kein frohes neues Jahr wünschen, wie du es bei den anderen getan hast?«

Ich muss schlucken. Warum muss er immer so nahe bei mir stehen? »Frohes neues Jahr, Illren.«

»Frohes neues Jahr, Herrin.« Er nimmt meine Hand und bringt sie an seine Lippen. Während er meinen Handrücken küsst, hält er den Augenkontakt aufrecht und schickt mir einen konkreten Gedanken. Wirst du mich nicht küssen, wie du es bei ihnen getan hast? Wie es an diesem Feiertag üblich ist?

Ich reiße meine Hand los und trete einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen, bevor er bemerkt, wie schnell mein Herz schlägt. Illren macht mir Angst, aber er hat auch etwas an sich, was mich anzieht. Wie ein Kind, das von einem scharfen Gegenstand fasziniert ist. Es weiß, dass er gefährlich ist und man sich daran wehtun kann, will aber trotzdem damit spielen.