Unraveling Him - Claire Kingsley - E-Book
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Unraveling Him E-Book

Claire Kingsley

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Beschreibung

Sie ist die Hoffnung in seinem Leben

Evan Bailey hat nun wirklich schon genug Probleme: ein wachsendes Unternehmen, Brüder, die ihn verrückt machen , den ständigen Kleinstadttratsch und Auseinandersetzungen, schlimmer als jede Familienfehde. Zeit für die Liebe? Nicht für Evan. Er hat bereits auf die harte Tour gelernt, dass er alleine besser dran ist.

Als die fröhliche Fiona in seinem Leben auftaucht, ist sie das Letzte, was er jetzt gebrauchen kann. Sie ist nicht nur die Tochter seines Erzfeindes, sondern dazu noch fest entschlossen, sich von ihm und seiner schlechten Laune nicht vergraulen zu lassen.

Und so sehr sich auch Evan dagegen wehrt, so schafft es Fiona doch, seine harte Schale Stück für Stück zu durchdringen …

"Unraveling Him"- der dritte Teil der "Bailye Brothers" Reihe von Bestsellerautorin Claire Kingsley. Wir empfehlen die Titel in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

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Seitenzahl: 575

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Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Sie ist die Hoffnung in  seinem Leben

Evan Bailey hat nun wirklich schon genug Probleme: ein wachsendes Unternehmen, Brüder, die ihn verrückt machen , den ständigen Kleinstadttratsch und Auseinandersetzungen, schlimmer als jede Familienfehde. Zeit für die Liebe? Nicht für Evan. Er hat bereits auf die harte Tour gelernt, dass er alleine besser dran ist.

Als die fröhliche Fiona in seinem Leben auftaucht, ist sie das Letzte, was er jetzt gebrauchen kann. Sie ist nicht nur die Tochter seines Erzfeindes, sondern dazu noch fest entschlossen, sich von ihm und seiner schlechten Laune nicht vergraulen zu lassen.

Und so sehr sich auch Evan dagegen wehrt, so schafft es Fiona doch, seine harte Schale Stück für Stück zu durchdringen …

»Unraveling Him«- der dritte Teil der »Bailye Brothers« Reihe von Bestsellerautorin Claire Kingsley. Wir empfehlen die Titel in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen. Ein Leben ohne Kaffee, E-Reader und neu erfundene Geschichten ist für sie nicht vorstellbar. Claire Kingsley lebt mit ihrer Familie im pazifischen Nordwesten der USA.

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Claire Kingsley

Unraveling Him

Übersetzt von Nicole Hölsken aus dem amerikanischen Englisch

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

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Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

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Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Epilog

Impressum

Prolog

Evan

Die kalte Nachtluft rauschte an mir vorbei, während mein Bike über den leeren Highway sauste. Außer dem Lichtkegel meiner Scheinwerfer auf der Straße war von der vorbeifliegenden Landschaft nichts zu sehen. Keine Ahnung, wo ich hinfuhr. Nur weg von hier. Ich war zu unruhig, um weiter zu Hause herumzusitzen. Ich musste fahren. Den Wind durchpflügen und mich in die Kurven lehnen. Ich brauchte den Geschwindigkeitsrausch.

Der Highway machte eine Biegung, und als ich Pinecrest erreichte, musste ich das Tempo drosseln. Ich konnte durch den Ort hindurch und dann weiterfahren. In dieser kleinen Stadt gab es nicht allzu viele Anlaufstellen. Dennoch fiel mir jetzt die Crooked Owl Tavern ins Auge. Ein Bier wäre jetzt nicht schlecht. Ich war schon einmal hier gewesen; es war eine ziemliche Spelunke, aber das Bier war immer eiskalt.

Ich parkte vor der Tür, nahm meinen Helm ab und betrat das Lokal.

Das Licht war schummrig, und im Hintergrund spielte klassische Rockmusik. Das Stammpublikum war eher bodenständig bis prollig. Biker-Typen ‑ ihre Harleys hatte ich draußen stehen sehen ‑ und Kerle mit dichten Bärten und Arbeitsstiefeln. Junge Leute um die zwanzig spielten Billard, dann gab es noch ein paar Mädels, die mir beim Reinkommen einen abschätzenden Blick zuwarfen, und vereinzelte angegraute Oldies an der Bar.

Ich suchte mir einen einsamen Barhocker. Schließlich war ich nicht hier, um mit irgendwem übers Wetter oder Sport zu reden, oder was sonst noch als Neuigkeit in einem verdammten Drecksloch wie diesem durchging. Ich wollte lediglich die Zeit totschlagen und mir einen Drink genehmigen.

Als der Barkeeper vorbeikam, bestellte ich ein Bier. Erwartungsgemäß war es eiskalt. Echt süffig. Gelangweilt kauerte ich über meinem Glas. Ruhelos. Unzufrieden. Aber so fühlte ich mich eigentlich dauernd ‑ das war also nichts Neues.

Als das Handy in meiner Hosentasche brummte, holte ich es hervor, um die Nachrichten zu checken. Die hier war von einem Kunden, der nach dem Wagen fragte, den ich für ihn restaurierte. Ich würde mich später bei ihm melden. Nach einem weiteren Schluck Bier wischte ich noch ein paar Mal übers Display. Ich hoffte, etwas über einen Dodge Power Wagon aus den Vierzigern zu erfahren, den ich unbedingt in die Finger kriegen wollte. Der Oldtimer wirkte ein bisschen heruntergekommen, aber wenn ich ihn zum richtigen Preis kaufen konnte, würde ich ihn restaurieren und einen Haufen Geld damit verdienen.

Versehentlich rief ich meine Kontakte auf, und ein unbekannter Name tauchte auf dem Display auf. Jill? Wer zum Teufel sollte das sein? Warum hatte ich die Nummer eines mir unbekannten Mädchens?

O Shit. Das war die junge Frau mit dem pinkfarbenen Cardigan, die Luke Haven angegraben hatte. Plötzlich musste ich grinsen. Der verdammte Luke Haven. Als Bailey war ich verpflichtet, die Havens prinzipiell zu hassen. In Wahrheit kümmerten mich die Fehde und die Familie Haven eigentlich einen Dreck. Aber Luke Haven? Ich würde diese gottverfluchte Fehde am Laufen halten, nur um meinem Hass auf diesen Dreckskerl neue Nahrung zu geben.

Ich rief Jills Kontaktdaten auf und löschte sie. Schließlich hatte ich nicht vor, sie irgendwann anzurufen. Sie hatte süß geschmeckt, als ich sie vor Lukes Augen geküsst hatte, und süß hieß definitiv Nein. Eine Frau wie sie mochte harmlos und niedlich wie ein Kätzchen aussehen. Aber Kätzchen besaßen auch scharfe Krallen und waren verdammt gut darin, einen davon zu überzeugen, dass man selbst schuld war, wenn man gekratzt wurde.

Meine jüngeren Brüder hatten diese Lektion noch nicht gelernt.

Asher hingegen … das war eine ganz andere Geschichte. Doch er war immer schon die Ausnahme gewesen, wenn es um Regeln ging. Und Grace war kein Kätzchen.

Ich freute mich für meinen Bruder. War froh, dass er seine Beziehung zu Grace ins Reine gebracht hatte. Um die Dämonen, mit denen er zu kämpfen hatte, beneidete ich ihn keineswegs, genauso wenig wie um die Zeit, die er im Gefängnis verbracht hatte. Die ganze Sache machte mich nach wie vor stinksauer. Allerdings konnte ich nichts dran ändern, und immerhin war er jetzt ja wieder zu Hause.

Aber fuck, das hieß, dass es bald eine Hochzeit geben würde. Wahrscheinlich würde ich dran teilnehmen müssen.

Verdammt, ich hasste Hochzeiten.

Das Bier konnte meine Stimmung auch nicht heben. Genauso wenig wie der Gedanke an Hochzeiten. Ich hatte die spontane Verlobungsparty meines Bruders in der Hoffnung verlassen, dem hohlen Schmerz in meinem Innern entfliehen zu können. Nervig, dass er mir überallhin zu folgen schien.

Ein Bier würde mich nicht weiterbringen. Ich würde nach Hause zurückkehren und ihn im Whiskey ertränken.

Ich ließ meine halb volle Flasche stehen und wollte gerade vom Hocker aufstehen und mich vom Acker machen, als jemand neben mir auftauchte.

Ein Mädchen in schwarzem Minilederrock und Leoparden-Print-Top, das kaum ihren Busen bedeckte, lehnte an der Bar. »Hi.«

Ich runzelte die Stirn. »Was?«

Einer ihrer Mundwinkel hob sich. Sie war hübsch, wenn auch zu stark geschminkt. An ihrer Schulter prangten Blumentattoos. »Du siehst ein bisschen einsam aus hier drüben. Ich dachte, du könntest vielleicht eine Freundin brauchen.«

Ich musterte sie von Kopf bis Fuß. Sie war etwa in meinem Alter. Der Typ Frau, die genau wusste, wie heiß sie war. Definitiv nicht süß. Und an ihrem Blick erkannte ich genau, worauf sie aus war. Mädels, die auf eine Einladung zum Abendessen aus waren, starrten für gewöhnlich nicht offen auf den Schwanz eines Mannes.

Sie wollte eine Nacht mit mir verbringen. Vielleicht auch mehrere.

»Eine Freundin?«

»Ja, obwohl ich dir nichts vormachen will. Ich könnte auch einen Freund gebrauchen. Puh, ich habe eine beschissene Woche hinter mir.«

Ich grunzte und nahm noch einen Schluck Bier.

Ihre Augen huschten erneut zu meinem Schritt hinunter. Ich folgte ihrem Blick, wobei ich keinen Zweifel daran ließ, dass ich ihre Aktion genau verfolgt hatte.

»Dann komm ich gleich zum Punkt. Wollen wir gehen?«, fragte sie.

Ich hob die Augenbrauen. »Willst du mir nicht erst mal einen Drink spendieren?«

Sie benetzte die Lippen. »Ich dachte an etwas Besseres als nur an einen Drink.«

Ich wandte den Blick ab und dachte nach. Wenn ich ein Mädchen aufgabelte und mit ihr nach Hause ging ‑ in der Regel zu ihr nach Hause, denn ich brachte nie jemanden mit zu mir ‑, war vorzugsweise ich derjenige, der die Initiative ergriff.

Doch diese Frau hier war echt verdammt heiß. Und sie hatte recht. Ich war wirklich einsam. Ein bisschen Gesellschaft konnte also nicht schaden.

Außerdem war es verflucht lang her, seit ich das letzte Mal so was genossen hatte.

»Schau mal, ich bin zwar ziemlich direkt«, fügte sie hinzu, »aber ich gehöre nun mal zu den Frauen, die keine Angst davor haben, sich das zu holen, was sie wollen.«

»Das sehe ich.«

Sacht fuhr sie mir mit dem Finger über den Arm. »Ein Kerl wie du ‑ groß, muskulös, kräftig ‑ so einem kann ich einfach nicht widerstehen. Und meine Woche war echt ziemlich beschissen.«

»Meine auch.«

»Siehst du? Ist also für uns beide genau das Richtige.«

Da hatte sie recht. Zweifellos bedeutete diese Frau Ärger, aber zumindest war sie offen und ehrlich. Ich wusste, worauf ich mich einließ. Und zum Teufel, es war wirklich schon lange her. Warum eigentlich nicht, verdammt nochmal?

Ich stellte mein Bier ab. »Wohnst du in der Nähe?«

»Ja. Am anderen Ende der Straße.«

»Dann los.«

Wir verließen das Lokal, und ich stieg auf mein Bike. Folgte ihr die Straße hinauf zu einem kleinen Haus, das hinter ein paar Apfelbäumen verborgen lag.

Drinnen führte sie mich, ohne das Licht einzuschalten, auf direktem Weg in ihr Schlafzimmer.

Diese aggressive Tour war gar nicht übel. Kein gezwungener Smalltalk. Kein Scheiße-Labern. Keine Spielchen. Sie hatte mich zum Vögeln mitgenommen, also warum Zeit mit hohlem Geschwätz verschwenden? Sie hatte mir nicht mal ihren Namen genannt, und den wollte ich auch gar nicht wissen. War mir egal. Es war nur Sex. Eine Erleichterung.

Nur eine Methode, um für eine Weile meine innere Leere zu füllen.

***

Danach lag sie ausgestreckt auf dem Bett, als hätte ich sie bis zur Bewusstlosigkeit gefickt. Ich hatte keine Lust, zu bleiben, also stand ich auf, um mich um das Kondom zu kümmern und mich zu waschen.

Genau rechts neben dem Schlafzimmer befand sich das Bad. Ich schloss die Tür hinter mir und schaltete das Licht ein. Knotete das Kondom zu und warf es in den Mülleimer. Als ich einen Blick auf mein Spiegelbild erhaschte, sah ich schnell wieder weg. Ich war nicht unbedingt ein Fan von dem, was ich da in letzter Zeit sah.

Dann wusch ich mir die Hände und klatschte mir Wasser ins Gesicht. Nachdem ich den Wasserhahn wieder abgedreht hatte, fiel mir etwas auf der Ablage ins Auge.

Ich starrte es an, und Übelkeit stieg in mir empor. Wenn es das war, was ich dachte ‑ und ganz sicher sah es so aus ‑, dann war das hier alles andere als okay.

Fuck.

Kapitel 1

Evan

So hatte diese Nacht nicht laufen sollen.

Durch die geschlossene Badezimmertür hörte ich keinen Laut. Die junge Frau lag immer noch auf ihrem Bett und ruhte sich von unserer Nummer aus. Offensichtlich ohne das schlechte Gewissen, mit dem ich gerade zu kämpfen hatte.

Meine Augen huschten wieder zur Ablage zurück. Verdammt.

Eigentlich hätte ich schon an ihrer Art in der Bar erkennen können, dass irgendetwas nicht stimmte. Auf diese Art der Anmache ließ ich mich normalerweise nicht häufig ein, aber manchmal war der Drang eben nur schwer zu ignorieren. Was sprach dagegen, es irgendeiner Unbekannten so richtig zu besorgen? Schließlich waren wir beide erwachsen. Wir wussten, worauf wir uns einließen. Warum nicht ein bisschen Spannung abbauen? Der Leere eine Zeit lang entkommen?

Und damit hätte es dann auch gut sein können.

Ich stützte mich auf dem Waschbecken ab und ließ den Kopf hängen. Aber nichts davon war gut. Nicht, wenn mein Verdacht stimmte.

Viele Typen hätten sich einen Dreck darum geschert. Sie hätten keinen weiteren Gedanken mehr dran verschwendet und einfach die Biege gemacht. Vielleicht wären sie sogar noch mal hergekommen, um es wieder mit ihr zu treiben.

Aber zu dieser Art von Typen gehörte ich nun mal nicht.

Was hatte ich also noch hier zu suchen?

Ich hätte es besser wissen müssen. Schließlich hatte es seine Gründe, warum ich lieber allein blieb.

Der Ehering meiner Zufallsbekanntschaft, der auf der Theke lag, war einer davon.

Einen Moment lang versuchte ich mir vorzumachen, dass er eine andere Bedeutung hatte. Vielleicht war es der Ring ihrer Mutter. Oder einfach nur ein Ring, den sie an der rechten Hand trug. Vielleicht war es nicht mal ihrer.

Ein schneller Blick in ihren Badezimmerschrank überzeugte mich vom Gegenteil. Neben Nagellack, Körperlotion und Make-up-Entferner ‑ den typischen Frauensachen ‑ entdeckte ich Herrendeo, Rasierschaum und Aftershave.

Offensichtlich wohnte ein Mann hier. Und ich hatte gerade seine Ehefrau gefickt.

Das war eine Grenze, die ich grundsätzlich nicht überschritt. Nie. Es war mir egal, welche Entschuldigung sie vorbringen mochte. Vielleicht war er ein Arschloch, der sie beschissen behandelte. Vielleicht war sie bereits zu dem Schluss gekommen, dass es vorbei war. Vielleicht betrog er sie ja auch und sie wollte sich rächen.

Egal.

Selbst an guten Tagen war ich nicht besonders prinzipientreu, aber ein paar Dinge gab es, die selbst ein Arschloch wie ich nie getan hätte. Und mit der Frau eines anderen Mannes zu schlafen, stand ganz oben auf der Liste.

Doch jetzt war es zu spät. Ich hatte mit ihr geschlafen, und es war genauso hohl und bedeutungslos gewesen wie erwartet.

Ich war vor der spontanen Verlobungsparty meines Bruders geflüchtet, um der Leere in mir davonzulaufen. Stattdessen holte sie mich jetzt ein.

Ich öffnete die Badezimmertür. Die Frau hatte den Arm über die Stirn gelegt und lag mit geschlossenen Augen da. Offensichtlich befriedigt.

Nun musste ich erst mal dringend duschen.

Obwohl diese Frau wirklich heiß war, verursachte mir jetzt schon ihr Anblick eine Gänsehaut. Ich musste so schnell wie möglich hier weg. Also hob ich meine Klamotten vom Boden auf und streifte die Boxershorts wieder über. Nachdem ich meine Jeans zur Hälfte hochgezogen hatte, regte sie sich.

»Mmmh.« Sie reckte sich und schnurrte wie eine Katze. »Komm wieder ins Bett.«

Ich gab keine Antwort. Zog nur meine Jeans hoch und schloss sie.

Sie öffnete die Augen, und ein Lächeln spielte um ihre Lippen. »Hast du noch was Besseres vor?«

Ich schnappte mir mein T-Shirt vom Boden und zerrte es über den Kopf.

Ihr Lächeln schwand. »Das war’s also? Du willst noch nicht mal was sagen?«

»Was soll ich deiner Meinung nach denn sagen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht danke?«

Ich wandte den Blick ab. Ein Teil von mir wollte keine Gewissheit ‑ wollte sich vormachen können, dass ich mich geirrt hatte, und einfach gehen. Aber ich konnte mir die Frage nicht verkneifen. »Bist du verheiratet?«

Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Was?«

»Auf der Ablage im Bad liegt ein Ring.«

Ihr Blick huschte erst zur Tür, dann zurück zu mir. »Mach dir darüber keine Sorgen. Heute Nacht kommt er nicht nach Hause.«

Er kam heute Nacht nicht nach Hause? Als ob meine größte Sorge darin bestünde, erwischt zu werden. Mir entfuhr ein leises Knurren.

»Ach, komm schon«, sagte sie, und ihre Mundwinkel hoben sich erneut. Sie klopfte neben sich auf die Matratze. »Komm wieder ins Bett. Ich lutsch auch an deinem Schwanz, damit du wieder hart wirst.«

»Großer Gott.« Ich schob einen Fuß in meinen Schuh und schmeckte Galle.

»Ich habe dir doch gesagt, dass er nicht nach Hause kommt.«

»Ist mir scheißegal.« Ich beugte mich vor, um nach dem zweiten Schuh zu angeln.

»Ich meine es ernst. Er sitzt im Knast.«

Ich richtete mich auf und starrte sie an. »Was?«

»Er sitzt für sechs Monate im Knast.« Sie richtete sich auf und kroch auf allen vieren zur Bettkante. »Also komm wieder ins Bett, denn das eben war so geil, dass ich definitiv mehr von diesem Monsterschwanz brauche.«

»Dein Mann ist im Gefängnis, und du hast mich hierher mitgenommen, um in seinem Bett mit mir zu vögeln?«

Sie runzelte die Stirn. »Im Moment ist es nur mein Bett. Und warum kümmert dich das überhaupt?«

»Es kümmert mich eben.«

»Du hast mich hierher begleitet, ohne mich auch nur zu fragen, wie ich heiße, aber nun hast du einen Anfall von schlechtem Gewissen? Es dauert noch sechs Monate; was erwartest du denn von mir? Ich habe schließlich auch Bedürfnisse. Ich versuche einfach bloß, mich darum zu kümmern. Er muss ja nie was davon erfahren.«

»Das ist echt unglaublich«, murmelte ich vor mich hin.

Ohne ihr Gelegenheit zu einer weiteren Bemerkung zu geben, streifte ich den anderen Schuh über und verließ die Wohnung.

In der kalten Oktoberluft bekam ich wieder einen klaren Kopf, fühlte mich aber immer noch beschissen. Ich stieg auf mein Motorrad und ließ den Motor aufheulen. Zumindest lief sie mir jetzt nicht auch noch hinterher! Ich sauste aus ihrer Auffahrt und ließ ihr Haus hinter mir, ohne mich auch nur noch ein einziges Mal umzusehen.

Ich hatte diese Bar nicht in der Absicht betreten, jemanden aufzugabeln.

Zumindest redete ich mir das ein.

Und teilweise stimmte es ja auch. Als ich gestern dort angehalten hatte, hatte ich bloß an das Bier gedacht – nicht an eine schnelle Nummer.

Trotzdem hatte sie nicht besonders viel Mühe aufbieten müssen, mich zu überreden.

Denn wie gesagt: Mein letztes Mal war schon ziemlich lange her. Doch nach diesem Desaster würde ich das Experiment wohl kaum so schnell wiederholen. Auch wenn es ätzend war, ich würde ohne Frauen auskommen müssen. Zwar liebte ich Sex wie jeder andere Mann auch, aber um regelmäßig welchen zu bekommen, musste ich mich entweder fest mit einer Frau einlassen ‑ was nicht infrage kam ‑ oder auf Zufallsbekanntschaften zurückgreifen wie heute Nacht, was mit wieder anderen Risiken einherging. Eine verheiratete Frau zu ficken war nur eines davon.

Eigentlich hatte ich sowieso nichts für One-Night-Stands übrig. Es gab Zeiten, da hätte ich nicht mal im Traum an so was gedacht. Ich war schließlich nicht wie mein Bruder Logan, der allmonatlich ‑ oder wöchentlich oder sogar täglich ‑ eine neue Flamme hatte, ohne jemals Verpflichtungen einzugehen oder gar sich zu binden.

Früher war ich sogar naiv genug gewesen, um an das Traumgebilde der Liebe zu glauben. Aber das war mir um die Ohren geflogen, weshalb ich mich definitiv nicht wieder darauf einlassen würde.

Die Frau von heute Nacht war nicht mein Problem. Ich wusste nicht, wer sie war ‑ und wollte es auch nicht erfahren, weshalb ich diese Bar eben eine Weile meiden würde. Der arme Kerl saß im Knast, und seine Frau betrog ihn. Zu blöd, dass er nicht jemanden wie Grace geheiratet hatte. Sieben Jahre lang hatte sie auf Asher gewartet, und das sogar, obwohl die beiden damals nicht mal verheiratet gewesen waren. Das war wahre Treue.

Aber Grace war ein Goldstück. Außer ihr gab es auf der ganzen Welt sicher keine Frau, die sich so verhalten hätte. Asher war ein echter Glückspilz. Zu seiner Ehrenrettung musste man allerdings sagen, dass er das auch wusste. Und obwohl ich Hochzeiten hasste, freute ich mich, dass er sie endlich heiraten würde.

Ich selbst musste mich mit dem zufriedengeben, was ich hatte: mein eigenes Unternehmen, in dem ich das tat, was ich liebte, ein Haus auf einem abgelegenen schönen Stück Land, ohne irgendwelche Nachbarn in der Nähe, einen treuen Hund, eine Familie, die ich zumindest nicht hasste. Allerdings hatten mich in der Vergangenheit ein paar Menschen bitter enttäuscht, denen ich vertraut hatte. Das hatte mich tief verletzt, weswegen ich kein Interesse daran hatte, mich noch einmal auf irgendwen einzulassen. Den ganzen Liebeskram würde ich Asher überlassen und vielleicht meinen jüngeren Brüdern. Aber ich lehnte dankend ab. Und das Erlebnis von heute Nacht rief mir einmal mehr ins Gedächtnis, dass ich allein besser dran war.

Kapitel 2

Evan

Fünf Monate später

»Sasquatch, du hast schlechte Karten.«

Mein fünfundvierzig Kilo schwerer Deutscher Schäferhund lag auf der anderen Seite des Couchtisches und spitzte seine großen Ohren. Ich hatte ihm eben das Fell gebürstet, so dass es braunschwarz schimmerte. Als ich sprach, legte er den Kopf schief, als versuche er herauszufinden, was ich gesagt hatte.

»Sorry, großer Junge, dein Blatt ist beschissen.« Ich legte meins ab. »Ich habe schon wieder gewonnen.«

Er legte das Kinn auf den Tisch.

»Ich sag dir was, ich gebe dir noch eine Karte, dann geht diese Runde doch an dich.«

Ich zog eine Königin aus dem Kartenstapel und legte sie vor ihn hin.

Ja, ich verbrachte den Freitag damit, mit meinem verdammten Hund zu pokern. Ja und? Er war eine bessere Gesellschaft als die meisten Menschen.

Ein paar Mal hatte mein Handy vibriert, aber ich ignorierte es. Textnachrichten am Freitagabend kamen normalerweise von meinen Brüdern, und ich war nicht in der Stimmung. Zwar standen sie durchaus auf der zugegebenermaßen ziemlich kurzen Liste von Menschen, deren Gesellschaft ich überhaupt ertragen konnte ‑, aber auch das nur in kleinen Dosen.

Ich nippte an meinem Whiskey und spürte, wie er in der Kehle brannte und mich von innen heraus wärmte. Im Moment war ich müde und gleichzeitig ruhelos. Ich hatte eine anstrengende Woche hinter mir, aber wenigstens hatte ich viel geschafft. Jetzt wollte ich mich entspannen, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zurück zu Eleanor drüben in meiner Werkstatt.

Eleanor war kein Mädchen. Mit Frauen war ich fertig. Ich würde als missmutiger Junggeselle sterben, wahrscheinlich ganz allein hier draußen im Wald, und damit hatte ich kein Problem. Eleanor war ein Auto.

Nicht irgendein Auto. Sondern das Auto. Ein 67er Shelby Mustang GT500.

Seit der Eröffnung meiner Werkstatt war ich ganz versessen darauf gewesen, einen solchen Wagen in die Finger zu bekommen. Eleanor war in keinem guten Zustand, aber nur darum hatte ich sie mir überhaupt leisten können. Sie war ein Traum, wie geschaffen für einen Kerl wie mich, der gerade erst dabei war, sich einen Namen zu machen. Und wenn ich es schaffte, besaß Eleanor das Potenzial, alles für mich zu verändern.

Nun, da ich einmal angefangen hatte, konnte ich gar nicht aufhören, an sie zu denken. Sasquatch legte den Kopf schief, als wüsste er, was ich als Nächstes sagen würde.

»Was meinst du? Sollen wir heute Abend noch ein bisschen weiterkommen?«

Er stand auf.

»Ach, was soll’s.« Ich kippte den letzten Schluck Whiskey herunter und erhob mich ebenfalls. »Etwas anderes haben wir doch sowieso nicht zu tun.«

Sasquatch folgte mir nach draußen in die kalte Nachtluft. Es war trocken ‑ zwar keine Spur vom Frühlingsschnee, aber trotzdem ziemlich kalt, sobald die Sonne untergegangen war. Eine kühle Stille schwebte über meinem Land, und die einzigen Geräusche, die man hörte, waren das Tappen der Hundepfoten und das Knirschen meiner Stiefel auf dem Kiesweg. In der Ferne knackte ein Zweig, weshalb Sasquatch stehen blieb und wieder die Ohren spitzte.

»Wahrscheinlich nur ein Waschbär.«

Ich wohnte in einer kleinen Hütte mit zwei Schlafzimmern, die bereits hier gestanden hatte, als ich das Stück Land erworben hatte. Sie war ziemlich baufällig gewesen, aber ich hatte sie instand gesetzt. Keine besonders elegante Behausung, doch man konnte drin wohnen, und ich hatte keine hohen Ansprüche.

Das Land hatte ich gekauft, weil es riesengroß war ‑ für Nachbarn hatte ich nun mal nicht allzu viel übrig ‑ und ich dort auch mein Geschäft unterbringen konnte. Auch dieses Gebäude hatte schon hier gestanden, war aber ebenso abgewrackt gewesen wie die Hütte. Ich hatte das gesamte Ding von Grund auf renoviert, und nun besaß ich eine maßgeschneiderte Kfz-Werkstatt mit genügend Platz für drei Fahrzeuge, an denen ich gleichzeitig arbeiten konnte, plus Büro und Bad.

Irgendwie hatte ich ein Hobby, das ich mir von meinem Grandad abgeschaut hatte, in ein Unternehmen verwandelt. Nicht schlecht für einen Studienabbrecher.

Ich knipste die Lampen an, schaltete den Heizlüfter ein und machte ein bisschen Musik an. Im Augenblick arbeitete ich an zwei verschiedenen Fahrzeugen. Eins würde ich eines Tages verkaufen – einen 69er Dodge Super Bee, der mir nach Fertigstellung das Dreifache vom Einkaufspreis einbringen würde.

Der andere war Eleanor. Mein 67er Shelby Mustang GT500. Sie würde ich nicht veräußern. Für sie hatte ich etwas ganz Besonderes im Sinn. Bei der bevorstehenden Pacific Northwest Classic-Automesse würde sie jede Menge Aufsehen erregen. Und wenn die Richtigen auf sie aufmerksam wurden, würde das mich und meine Werkstatt ein ordentliches Stück weiter nach vorn bringen.

Ich krempelte die Ärmel meines Flanellhemdes hoch und machte mich an die Arbeit, während Sasquatch sich in sein Körbchen in der Ecke legte. Obwohl ich ziemlich groggy war, tat mir die Arbeit gut. Das Glas Whiskey war gerade ausreichend gewesen, um mich ein bisschen zu beruhigen, und die Arbeit hielt mich vom Grübeln ab. Ständig beschäftigt zu sein war das A und O. Dann dachte man weniger nach.

Immerhin gab es viel zu viel, über das ich eigentlich überhaupt nicht nachdenken wollte.

Draußen fuhr ein Wagen vor, dessen heiseres Motorengeräusch ich schon am Klang erkannte. Er gehörte Logan.

Was zum Teufel wollte er hier?

Sasquatch war bereits auf den Beinen, um dem Krach auf den Grund zu gehen. Ich öffnete die Tür und blieb abwartend mit vor der Brust verschränkten Armen dort stehen. Und tatsächlich entdeckte ich draußen Logans 70er Chevrolet Chevelle. Den Wagen hatte er vor einem Jahr gekauft und bastelte seither unentwegt daran herum. Manchmal funktionierte die Kiste sogar. Ich hätte die Karre innerhalb von sechs Wochen so aufpoliert, dass sie wie neu wäre, aber das hier war sein Auto. Außerdem war er mein Bruder; ich hätte ihm nichts dafür berechnen können, und ein Gratisprojekt konnte ich mir momentan nun wirklich nicht leisten.

Logan war nicht allein. Sein eineiiger Zwillingsbruder Levi stieg an der Beifahrerseite aus, und vom Rücksitz kletterte unser jüngster Bruder Gavin. Asher war nicht dabei, doch im Gegensatz zu uns anderen hatte der ja auch ein Privatleben.

»Hey, Bruderherz«, begrüßte mich Logan, dessen Lächeln aber sehr schnell wieder schwand.

Sasquatch stand vor ihm und versperrte ihm den Weg.

Er zögerte, wich erst nach rechts, dann nach links aus.

Sasquatch tat es ihm gleich.

»Hey, Kumpel, kannst du deinen Hund nicht mal zurückpfeifen?«

Leicht amüsiert sah ich dem Schauspiel noch ein paar Sekunden lang zu. »Hierher, Sasquatch!«, rief ich schließlich.

Mein Hund gehorchte, kam zu mir herüber und setzte sich neben mich, ohne meine Brüder aus den Augen zu lassen. Obwohl er gut erzogen war, pflegte er sein Territorium mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Was ihn zu einem verdammt guten Wachhund machte.

Er kannte meine Brüder, weshalb er ihnen wohl nichts tun würde. Aber zu beobachten, wie er ihnen Angst einjagte, war immer wieder amüsant.

»Was macht ihr denn hier?«, fragte ich.

»Du bist nicht ans Telefon gegangen«, erklärte Logan.

»Ja und?«

»Arbeitest du etwa noch?«, fragte Gavin. »Es ist Freitagabend.«

»Du brauchst dringend ein Hobby.« Logan kam einen Schritt näher, so dass Sasquatch knurrte.

Gavin schob sich an den anderen vorbei, klopfte mir auf die Schulter und betrat die Werkstatt. Natürlich hatte dieser verrückte Kerl keine Angst vor meinem Hund. Gavin fehlte jegliches Angst-Gen.

»Ruhig, Sasquatch!«, befahl ich, bevor er anfangen konnte zu bellen. Dann trat ich beiseite und stieß die Tür für Logan und Levi weiter auf.

Meine Brüder und ich sahen uns total ähnlich. Wir alle hatten dunkles Haar, braune Augen und die olivenfarbene Haut von Grams Seite der Familie. Logan und Levis Züge waren kantiger, ihre Wangenknochen ausgeprägter. Obwohl sie eineiige Zwillinge waren, konnte man sie anhand ihrer Eigenarten und ihres Gesichtsausdrucks leicht auseinanderhalten.

Und anhand ihrer Kleidung. Levi kleidete sich ganz normal ‑ ganz im Gegensatz zu Logan. Obwohl März war, trug Letzterer heute ein T-Shirt mit der Aufschrift This is my Halloween costume. Darüber flatterte ein offenes kariertes Flanellhemd. Die Jogginghose hatte er in Kniehöhe abgeschnitten und die langen Baumwollstrümpfe bis über die Schienbeine gezogen.

Gavin war Dad wie aus dem Gesicht geschnitten, was mir manchmal ziemlich unheimlich war. In unserer Kindheit war es mir nicht aufgefallen, aber jetzt, mit dreiundzwanzig, war die Ähnlichkeit augenfällig. Gav ähnelte unserem Vater mehr als wir alle.

Ich fragte mich, ob er sich an Dad überhaupt erinnern konnte. Er war der Jüngste von uns und noch ziemlich klein gewesen, als Mom und Dad gestorben waren.

»Großer Gott, ist sie das?«, fragte Gavin nun und starrte Eleanor mit offenem Mund an.

Unwillkürlich zuckten meine Mundwinkel. Beinahe hätte ich sogar gelächelt. »Ja, das ist sie.«

Langsam scharten sie sich um den Wagen und musterten ihn. Ich hatte die Farbe abgeschliffen, sie entkernt und die Motorhaube abmontiert. Trotzdem konnte jeder sehen, was für ein Potenzial ihren schlanken Linien und den weit auseinanderstehenden Reifen innewohnte.

»Das wird der Hammer!«, verkündete Levi. »Wo hast du nur so einen Wagen her?«

»In der Nähe von Seattle gibt es so einen Typen, der jede Menge Bastlerfahrzeuge und seltene Ersatzteile verhökert. Ich habe ihn zufällig bei einer Auktion kennengelernt, und er hat mir von dem Wagen erzählt. Sagte, Eleanor sei auf der Suche nach einem Käufer. Dann machte er mir ein recht gutes Angebot.«

»Ist ein seltenes Fahrzeug, oder?« Levi strich mit den Fingerspitzen über den Heckkotflügel.

»Ja. Restauriert sind diese Autos locker einen sechsstelligen Betrag wert.«

»Echt jetzt?«, fragte Logan.

»Aber bei ihr geht’s mir nicht ums Geld.« Ich schwieg, unschlüssig, ob ich meine Brüder in meine Pläne einweihen sollte. Bislang hatte ich noch niemandem davon erzählt. »Ich nehme sie mit zur Pacific Northwest Classic-Automesse. Die Kuratoren des America’s Car Museum in Tacoma werden auch dort sein. Sie suchen nach einem Stück für ihre Dauerausstellung und werden sich auf der Messe für einen Wagen entscheiden.«

»Das ist ja nicht zu fassen!«, rief Gavin.

Ohne das Auto aus den Augen zu lassen, rieb ich mir das Kinn. »Ein Ausstellungsstück in diesem Museum zu haben, auf dem mein Name prangt … das wäre eine Riesensache.«

»Das ist wohl die Untertreibung des Jahres«, meinte Levi.

Zugegeben. Es war untertrieben. Für mich und meine Werkstatt wäre das ein Megaerfolg. In dieser Branche war der Ruf einfach alles, und um mir einen Namen zu machen, gab es keine bessere Methode, als ein von mir restauriertes Prestigeobjekt dieses Kalibers in einem der besten Automuseen des Landes unterzubringen.

»Restauriert Haven auch gerade ein Fahrzeug?«, erkundigte sich Gavin.

Bei diesem Namen verspannte sich mein Rücken. Luke Haven war schon seit Urzeiten mein Erzfeind. Unsere Familien bekämpften einander seit Generationen, aber Luke und mich trennte noch mehr. Wir lagen uns seit unserer Kindheit in der Wolle, und die Tatsache, dass wir sogar den gleichen Beruf ergriffen hatten, und dazu noch in der gleichen Stadt, hatte einen ausgewachsenen Krieg zwischen uns zur Folge gehabt.

»Ja«, knurrte ich. »Keine Ahnung, woran er gerade arbeitet, aber ihr könnt euren Arsch darauf verwetten, dass er da sein wird.«

»Gegen dich hat er keine Chance«, versicherte Logan mir. »Nicht mit diesem Auto.«

»Finger weg!«, herrschte ich Gavin an, und hastig zog er die Hand weg. »Mach sie verdammt nochmal nicht dreckig. Ich habe bereits jede Menge Zeit in sie investiert, und sie muss perfekt aussehen.«

Begütigend hielt Gavin die Hände hoch. »Sorry.«

»Gehen wir ins Haus, bevor Gav noch die Hand abgebissen wird«, schlug Logan vor.

»Ist ja gut, Evan«, antwortete Gavin und machte sich auf den Weg zur Tür. »Hast du ein Bier da?«

»Ihr werdet mein Haus nicht betreten.«

Mich vollkommen ignorierend drängten sie sich zur Tür hinaus, wahrscheinlich in der Absicht, meinen Kühlschrank zu plündern.

»Hey, ihr Arschlöcher!«, bellte ich. »Fahrt nach Hause. Ich muss arbeiten.«

Gavin steckte den Kopf noch einmal zur Tür herein und grinste mir zu. Ich holte tief Luft, um ihn anzuschreien, aber dann spielte er eine meiner Schwächen gegen mich aus. »Ich habe Grams Cobbler mitgebracht.«

Ich sah ihn mit offenem Mund an. »Sie hat euch von ihrem süßen Auflauf mitgegeben?«

Er nickte und grinste wie ein Idiot vor sich hin. »Ein bisschen haben wir schon bei ihr gegessen, aber die Reste hat sie mir für dich eingepackt.«

»Na gut«, brummte ich und folgte ihm nach nebenan.

Im Haus befahl ich Sasquatch, sich in sein Hundekörbchen zu legen, während meine Brüder Bier aus dem Kühlschrank holten und ich die Form mit immer noch warmem Brombeercobbler zur Couch hinübertrug.

Verdammter Gavin.

Aber Herrgott nochmal, war der Auflauf lecker!

»Ich finde nach wie vor, dass wir ihnen einen Streich spielen und Plastikgabeln in ihrem Garten verteilen sollten«, meinte Logan gerade und reichte mir ein Bier. »Wir sollten nur all ihre Häuser in der gleichen Nacht damit bestücken.«

»Aber wir sind doch keine verdammten Amateure«, warf Gavin ein. »Sicher kommen uns noch bessere Ideen, als ihnen Gabeln in den Rasen zu stecken.«

»Von wie vielen Gabeln reden wir?«, erkundigte sich Levi.

»Wir könnten ihren Garten ja auch mit Flamingos spicken«, schlug Gavin vor. »Das hat, glaube ich, schon mal jemand gemacht, aber es ist bereits Jahre her.«

Logan warf mir einen Blick zu. »Was hältst du davon?«

»Keine Ahnung.« Unser Leben lang schon spielten wir den Havens Streiche – Pranks dieser Art waren quasi das Herzblut der Bailey-Haven-Fehde ‑, aber ich hatte einfach zu viel zu tun und für diesen Mist nicht den Kopf frei.

»Sehr hilfreich, Mann, danke«, meinte Logan. »Hey, was haltet ihr davon, wenn wir ihre Autos in Plastikfolie einwickeln? Das bekommt man total schwer runter, richtet aber keinen Schaden an.«

»Die Idee gefällt mir«, lobte Gavin. »Wenn wir zusammenarbeiten, können wir mindestens fünf bis sechs Wagen schaffen. Das macht sie bestimmt megasauer.«

»Wickelt die Folie noch zusätzlich um eine Straßenlaterne, dann ist es noch besser«, murmelte ich, ohne von meinem Auflauf aufzublicken.

»Seht ihr«, triumphierte Logan. »Deshalb sind wir hergekommen. Wenn es um Streiche geht, ist auf unseren Griesgram Verlass.«

»Und Bier hat er auch«, rief Gavin und hielt die Flasche hoch.

Ich verdrehte die Augen.

Sasquatch sprang plötzlich auf, den Blick auf die Eingangstür gerichtet.

»Kommt da noch jemand?«, fragte Levi.

Ich stellte Auflauf und Bier ab. »Asher?«

»Nein, er und Grace hatten heute Abend was vor.«

Sasquatch bellte einmal, dann klopfte es an die Tür. Ich schickte ihn in sein Körbchen und ging zur Tür, um zu öffnen.

Davor stand Jack Cordero, Grace’ Stiefdad und Chief Deputy Sheriff. Um neun Uhr abends an einem Freitag hatte das sicher nichts Gutes zu bedeuten, zumal er Uniform trug.

»Jack.«

»Hey, Evan.«

»O Shit, was hast du angestellt?«, fragte Gavin hinter mir. »Jack, wenn du ihm Handschellen anlegen musst, darf ich das dann für dich übernehmen?«

Jack sah an mir vorbei. »Bailey.«

»Ist was passiert?«, frage ich.

»Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte er und deutete mit kaum merklichem Kopfnicken auf meine Werkstatt.

»Klar.« Ich warf meinem Hund einen Blick zu. »Sasquatch, bleib!«

»Hey, du kannst uns doch mit diesem Vieh nicht allein lassen!«, rief Logan.

Ich ignorierte seine Bemerkung und folgte Jack nach draußen, wo ich in der kalten Luft der Märznacht fröstelte. Irgendwie beschlich mich ein ungutes Gefühl. Was mochte Jack hierhergeführt haben? Ich schloss die Tür zur Werkstatt auf, schaltete das Licht, das ich eben gelöscht hatte, wieder an und ging vor ihm hinein.

»Sorry, dass ich so unangekündigt hier hereinplatze«, sagte Jack. »Aber diese Sache duldet keinen Aufschub.«

»Was ist los?«

»Ich habe eben einen Anruf vom FBI in Seattle bekommen. Sie ermitteln gegen einen Ring von Autodieben.«

»Und?«

Sein Blick huschte zu meinem neuesten Projekt hinüber. Dem Auto. Dem Wagen, der alles verändern sollte. »Das ist ein 67er Shelby Mustang GT500?«

»Ja.«

»Du hast den Fahrzeugschein? Die Rechnung, alle anderen Papiere?«

»Natürlich.«

»Kann ich sie sehen?«

Mein Auge zuckte. »Jack, willst du etwa damit andeuten, dass ich dieses Auto gestohlen habe?«

»Nein. Aber derjenige, dem du es abgekauft hast, könnte es geklaut haben.«

»Warte kurz, ich habe alles im Büro.«

Jack wartete in der Werkstatt, während ich mein zugegebenermaßen schlecht organisiertes Büro betrat, um nach den Papieren für den GT zu fahnden. Ich fand sie in einem Umschlag auf meinem Schreibtisch.

»Hier«, sagte ich und streckte Jack den Umschlag noch im Gehen entgegen. »Es ist alles da.«

Er holte die Fahrzeugpapiere und die Rechnung heraus. »Hast du was dagegen, wenn ich die für ein paar Minuten an mich nehme?«

Ich deutete auf die Tür. »Mach ruhig, ich habe nichts zu verbergen.«

So war es. Trotzdem gefiel mir der Ausdruck in Jacks Augen nicht, als er sich umwandte, um die Papiere mit zu seinem Dienstfahrzeug zu nehmen.

Mit vibrierenden Nerven wartete ich auf seine Rückkehr. Der Wagen war doch sauber … oder? Der Typ, dem ich ihn abgekauft hatte, hatte nicht versucht, irgendeine zwielichtige Scheiße abzuziehen, wie zum Beispiel zu behaupten, dass er die Fahrzeugpapiere verloren hatte. Alles war von Anfang an in Ordnung gewesen.

Ich war nervös, weil ich so viel Hoffnung in diesen Wagen gesetzt hatte. Es musste einfach alles in Ordnung sein. Wenn auch nur das leiseste Gerücht aufkam, dass der Wagen gestohlen war, dann … Fuck. Ich wollte gar nicht daran denken, wie lange es dauern würde, bis mein Ruf in der Branche sich von solch einem Tiefschlag erholt haben würde.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrte Jack wieder in die Werkstatt zurück. Seine Miene gab nichts preis, und ich nahm mir insgeheim vor, demnächst ihm gegenüber beim Pokern misstrauischer zu sein.

Er gab mir meine Papiere nicht zurück. »Wir haben ein Problem.«

»Was für ein Problem?«

»Der Wagen wurde tatsächlich gestohlen.«

Ich kochte vor Wut. Aber Jack war ein Cop, also beherrschte ich mich. »Was?«

»Die Fahrgestellnummer wurde mutmaßlich gefälscht und die Papiere entsprechend angepasst. Die Nummer auf dem Fahrzeugschein bezieht sich auf einen 66er Mustang, der in New Jersey zugelassen wurde. Und dieser Wagen hier hat das gleiche Baujahr und ist das gleiche Modell wie einer, der in Nordkalifornien gestohlen wurde. Der Diebstahl geht auf den bereits erwähnten Verbrecherring zurück.«

»Willst du mich veralbern?«

»Du konntest es nicht wissen. Es ist eine perfekte Fälschung. Diese Kerle sind Profis.«

Mir wurde ganz übel, als ich Jack in die Augen sah. Der Besitz eines gestohlenen Fahrzeugs war eine Straftat. »Musst du mich jetzt verhaften?«

»Nein. Die Papiere sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass du das Fahrzeug nicht gestohlen hast. Ich kenne den Beamten, der diesen Fall bearbeitet, weshalb ich ihn gleich mal auf dem kleinen Dienstweg anrufen und informieren werde. Ist der Name des Kerls, dem du das Ding abgekauft hast, der auf der Rechnung?«

»Ja. Shane Gallagher.«

Jack nickte. »Wahrscheinlich ein Mittelsmann. Es heißt, er hätte Verbindungen zu jemand namens Felix Orman. Klingelt da was bei dir?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nie von ihm gehört.«

»Okay.«

»Was passiert jetzt mit dem Auto?«

Sein Zögern war Antwort genug. »Wir müssen es beschlagnahmen.«

Nun konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen. Ich wandte mich um und trat mit aller Macht gegen ein herumliegendes Metallstück, das krachend über den Boden schepperte. Am liebsten hätte ich nun wie ein Berserker in meiner Werkstatt gewütet. Alles von den Regalbrettern heruntergerissen. Das verdammte Auto mit einem Vorschlaghammer kurz und klein geschlagen.

»Fuck«, brüllte ich die Wand an.

Jack kommentierte meinen Wutausbruch mit keinem Wort. Ich biss die Zähne aufeinander und atmete schwer. Ich würde dieses Auto also verlieren. All die Zeit und das Geld, die ich bereits hineingesteckt hatte, einfach futsch.

Außerdem hatte ich jetzt absolut nichts vorzuweisen, mit dem ich an der Automesse hätte teilnehmen können, schon gar kein Fahrzeug, das gut genug restauriert war, um es den Museumskuratoren vorzuführen.

»Tut mir wirklich total leid«, beteuerte Jack. »Aber ich wollte nicht, dass du es von jemand anderem erfährst.«

Ich holte tief Luft, war immer noch wütend, hatte mich jedoch nun wieder im Griff. »Ist nicht deine Schuld.«

»Die Cops kommen morgen früh hier raus. Ich werde auch dabei sein, damit alles reibungslos verläuft.«

»Danke, Jack.«

Er nickte mir kurz zu und verließ die Werkstatt.

Ich stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete Eleanor kopfschüttelnd. So dicht. Ich war so verdammt dicht dran gewesen.

Und jetzt war alles aus, und ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

Kapitel 3

Fiona

Der beste Teil dieser Reise war der Ausblick auf die Landschaft.

Um uns herum erhoben sich Berge in die Höhe, felsig und wunderschön, bedeckt mit Schneeflecken. Wälder mit immergrünen Bäumen bedeckten die tiefen Täler und krochen an den Bergen empor. Vor ein paar Kilometern waren wir an einem Wasserfall vorbeigekommen, den ich eine Weile völlig fasziniert betrachtet und mich gefragt hatte, ob er den ganzen Winter über eingefroren gewesen war. Wie lange das Eis wohl gebraucht hatte, um wieder zu schmelzen und zu fließen?

Doch auch wenn das Wasser zuweilen zu Eis erstarrte, war es im Grunde ständig in Bewegung. Irgendwo floss es immer hin. Ganz im Gegensatz zu mir selbst.

Schweigend lenkte mein Vater den Wagen über den gewundenen Highway durch die Cascade Range Mountains. Sein kastanienbraunes Haar war von grauen Strähnen durchzogen, vornehmlich an den Schläfen, und sein Bart verbarg eine Narbe an seinem Kinn. Die Ärmel seines Button-Down-Hemds hatte er hochgekrempelt, so dass man die muskulösen, behaarten Unterarme sehen konnte.

Im Radio wurde ein neuer Song angestimmt. Beinahe ohne nachzudenken begann ich, leise mitzusingen. Ich kannte den Text nicht genau, so dass ich dort, wo mir die Worte fehlten, nur mitsummte.

»Muss das sein?«, herrschte er mich an.

Ohne ihn anzusehen, klappte ich den Mund zu, und der Song erstarb in meiner Kehle. »Tut mir leid.«

Wir waren auf dem Weg zu einer Werkstatt in irgendeiner entlegenen Stadt in den Bergen, um uns einen Wagen anzusehen. Keine Ahnung, ob Dad ihn für seine persönliche Sammlung haben oder ihn wieder veräußern wollte. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, mich in seine Pläne einzuweihen, und das, obwohl im Grunde ich es war, die seine Firma leitete.

Allerdings gestand er sich das nicht ein. In seinen Augen war ich nichts weiter als eine Hilfskraft. Obwohl ich die Bücher führte, mit Kunden verhandelte und Termine verwaltete, ganz zu schweigen davon, dass ich Schnäppchen ausfindig machte und seltene Ersatzteile aufspürte, um spezifisch auf unsere Kunden zugeschnittene Fahrzeuge, die Custom Cars, fertigzustellen.

Aber so war mein Dad halt.

»Gleich sind wir da«, brach er nun das lange Schweigen.

»Echt?« Durch die Scheibe hindurch hielt ich nach Spuren der Zivilisation Ausschau, entdeckte jedoch nur Felsen und hohe Kiefern. Vor einer Weile hatten wir eine kleine Stadt passiert ‑ so groß, dass man sie innerhalb eines Wimpernschlages schon wieder hinter sich gelassen hatte ‑, aber seither nichts.

»Der Typ wohnt ein wenig abseits. Ätzende Nervensäge.«

»Warum fahren wir dann hin?«

Dad sah mich an. »Er hat noch nicht begriffen, wie gut er ist.«

Ich fragte mich, ob Dad deshalb glaubte, ihn über den Tisch ziehen zu können.

»Und was für ein Auto ist es?«, erkundigte ich mich.

»Ein 69er Dodge Super Bee.«

»Toller Wagen.«

Die normalerweise so harte Linie seiner Lippen verzog sich zu einem winzigen Lächeln. »In der Tat. Noch ist er nicht fertig, aber wenn er so weit ist, rennt man dem Typ deshalb sicher die Bude ein.«

»Und du willst als Erster den Zuschlag erhalten.«

»Ganz genau.«

Wenn es eins gab, das mein Dad auf dieser Welt liebte, dann waren es Autos. Er war in der Werkstatt seines Vaters praktisch aufgewachsen und hatte sie von einem Ein-Mann-Betrieb zu einem erheblich größeren Unternehmen ausgebaut. Jetzt machten wir alles, angefangen von auf Kunden zugeschnittene Sondereditionen und Restaurierungen bis hin zum Verkauf von Bastlerfahrzeugen und seltenen Ersatzteilen.

Die persönliche Autosammlung meines Dads war sein Baby. Ein paar hatte er selbst restauriert. Häufig kaufte er aber fertige Autos oder Custom Cars anderer Werkstätten, besonders wenn es sich um ein Modell handelte, das er ohnehin liebte. Ich hatte den Verdacht, dass er es genoss, wenn andere sich die Finger schmutzig machten, bevor er wie ein Glücksspieler mit einem dicken Bündel Geldscheine angetanzt kam.

Ich strich mir die Stirnfransen aus den Augen. Im Gegensatz zu Dad, dessen irische Abstammung ihm aus jeder Pore drang, hatte ich selbst dichtes braunes Haar. Vor Kurzem hatte ich es in einem dunklen Kastanienton färben lassen. Tintenschwarz hatte ich in meiner Jugend auch mal ausprobiert, aber durch meine helle Haut und die grünbraunen Augen hatte ich damit ausgesehen wie eine Leiche. Seither hatte ich mit diversen Farbtönen herumexperimentiert, aber den hier mochte ich am liebsten. Besonders, nachdem meine Hairstylistin ein paar purpurne Strähnen eingearbeitet hatte, die im Sonnenlicht leuchteten.

Dad bog vom Highway ab und folgte einer gewundenen Straße, die uns erneut weiter hinauf zu führen schien. Ein paar Mal drosselte er das Tempo und spähte zum Fenster hinaus in die Bäume. Endlich schien er gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte. Einen nicht ausgeschilderten Feldweg, der direkt durch die struppigen Kiefern führte.

»Wow. Der Kerl lebt ja tatsächlich in der Wildnis.«

Dad brummte etwas Unzusammenhängendes vor sich hin.

Die Straße folgte einem steilen Hang, und ich fragte mich, ob sie wirklich irgendwo hinführte. Dann öffneten sich die Bäume, und eine breite, flache Lichtung war zu erkennen.

Vor einem großen Gebäude mit drei Parkbuchten hielt Dad an. Eine der Türen stand offen und gab freie Sicht auf eine Autowerkstatt für Oldtimer-Restauration. Doch nirgends war ein Schild zu sehen, kein großes Logo, das an der Seite des Baus prangte. Nur der schlichte Anblick von Regalen mit Ersatzteilen, großen roten Werkzeugkisten und einem Mann, der neben einem alten Wagen hockte.

Auf dem rückwärtigen Teil der Lichtung, beinahe hinter der Werkstatt, befand sich ein kleines Haus. Wahrscheinlich wohnte er dort.

Dad stieg aus dem Auto, und ich folgte seinem Beispiel, indem ich aus dem riesigen SUV hüpfte. Draußen war es kalt. Die Luft fühlte sich trocken auf meinem Gesicht an, als wolle die Kälte meiner Haut jegliche Feuchtigkeit entziehen. Ich kuschelte mich in meinen dicken Wintermantel, froh, dass ich daran gedacht hatte, ihn mitzunehmen, obwohl er wahrscheinlich zu groß für mich war. Bei unserer Abfahrt aus Seattle war es nicht annähernd so kalt gewesen.

Ein großer Deutscher Schäferhund tauchte in der offenen Werkstatttür auf und gab ein warnendes Bellen von sich.

Dad schritt auf den Bau zu, ohne dem riesigen Hund die geringste Beachtung zu schenken.

Trotz der Kälte trug der Mann, der neben dem Fahrgestell eines halb fertigen Dodge Super Bee hockte, bloß Jeans und ein T-Shirt, das den Blick auf seine muskulösen, tätowierten Arme freigab.

Und dann seine Hände. War das eine Sinnestäuschung, oder waren sie wirklich so groß?

Er warf dem Hund einen Blick zu. »Still, Sasquatch!«

Der Hund hörte auf zu bellen, ließ meinen Vater aber auch weiterhin nicht aus den Augen.

Kurz vor dem offenen Werkstatttor ‑ und dem Hund ‑ blieb mein Vater mit vor der Brust verschränkten Armen stehen. »Bailey.«

Das war also Evan Bailey. Ich hatte ihn noch nie persönlich getroffen, aber durchaus ein paar Mal mit ihm telefoniert. Manchmal bezog er von uns Ersatzteile. Er war bekannt dafür, Menschen schroff und kurz angebunden zu behandeln, doch er leistete gute Arbeit.

Evan richtete sich zu voller – beträchtlicher ‑ Größe auf und musterte meinen Dad mit ähnlich hartem Blick. »Gallagher.«

Mein Herz machte einen Satz. Hier stimmte etwas nicht. Der bedrohliche Ausdruck in Evans Augen war nicht zu übersehen.

»Gibt es ein Problem?«, fragte Dad.

Evans Stimme war nur ein leises Knurren. »Allerdings. Sie haben echt Nerven, hier aufzukreuzen.«

Mich überlief ein Schauer, der nichts mit der Kälte zu tun hatte. Tatsächlich war mir plötzlich sogar unangenehm heiß.

Dads Schultern wirkten entspannt, obwohl er weiterhin die Arme vor der Brust verschränkt hielt. »Ich bin nur hier, um einen Blick auf den Dodge Super Bee zu werfen.«

»Nein.«

Meine Augenbrauen flogen bis zum Haaransatz hinauf. So hatte mit meinem Dad noch keiner gesprochen. Noch nie.

»Wie bitte?«

»Sie haben mir ein gestohlenes Fahrzeug verkauft.«

Dads Blick huschte einen Moment lang zu mir hinüber, dann wieder zu Evan. »Welches Fahrzeug?«

»Den 67er Mustang. Lassen Sie mich raten: Sie hatten ja keine Ahnung.«

»Die hatte ich in der Tat nicht. Den Wagen habe ich einem Kollegen abgekauft und hatte keinen Grund, an der Rechtmäßigkeit des Ganzen zu zweifeln.«

»Hieß der Geschäftspartner zufällig Felix Orman?«, fragte Evan.

Mir rutschte das Herz in die Hose. Felix Orman. Diesen Namen hatte ich eigentlich nie wieder hören wollen.

Dad, nein. Wie konntest du nur?

»Schauen Sie, hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor«, antwortete Dad in besänftigendem Ton.

»Ein Missverständnis. Erzählen Sie das mal der Polizei.«

»Ich bin sicher, wir können eine Einigung erzielen, die …«

»Nein«, brachte Evan meinen Dad in scharfem Ton zum Schweigen. »Vielleicht wussten Sie ja tatsächlich nicht, dass das Auto gestohlen war. Vielleicht wussten Sie es aber doch und glaubten, damit durchzukommen. Mir egal. Ich mache keine Geschäfte mehr mit Ihnen. Nie mehr. Also verschwenden Sie nicht länger meine Zeit und verschwinden Sie schleunigst von meinem Grund und Boden.«

Ich konnte die Augen nicht von Evan abwenden. Seine starken Muskeln waren so angespannt, dass die Adern an seinen Unterarmen hervortraten. Seine ausgeprägten Wangenknochen und das markante Kinn wirkten wie in Marmor gemeißelt, was auch der nachlässige Bartschatten, der die olivenfarbene Haut zierte, nicht verbergen konnte.

Aber so beeindruckend sein Körper auch war ‑ am meisten fesselten mich seine Augen. Whiskeybraune Seen, in denen momentan unverhohlener Zorn glitzerte.

Er schien mich bislang noch gar nicht bemerkt zu haben, was auch ganz gut so war, denn immerhin starrte ich ihn wie eine Geisteskranke mit offenem Mund an.

»Gerüchte verbreiten sich in unserer Branche schnell«, antwortete Dad. »Darum ist es sicher keine gute Idee, sich Feinde zu schaffen.«

»Das Risiko nehme ich in Kauf.«

Einen Moment lang bewegte sich keiner von uns. Ich vergaß sogar das Atmen. Würde Dad sich zurückziehen? Er drehte den Kopf gerade weit genug, um mir einen Blick zuzuwerfen.

»Sorry, dass wir Ihre Zeit verschwendet haben«, sagte er dann, wobei sein Ton keinen Zweifel daran ließ, dass es ihm überhaupt nicht leidtat.

Evan gab keine Antwort. Zum ersten Mal huschten seine Augen zu mir hinüber. Sein Blick traf mich direkt in die Brust und erfüllte mich mit einer seltsamen Wärme. Was äußerst merkwürdig war, denn es war eiskalt.

Ohne ein weiteres Wort kehrte Dad zu seinem SUV zurück, wobei er offensichtlich erwartete, dass ich ihm folgte. Mir stockte der Atem, und ich war wie gelähmt. Evan Baileys Werkstatt wirkte trügerisch warm und einladend. Ein Heizlüfter summte im Hintergrund, und ganz schwach nahm ich die vertrauten Gerüche nach Gummi und Öl wahr. An der Seite parkte ein Motorrad, offenbar eine Indian Chief Vintage.

Er fixierte mich immer noch, und eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Wahrscheinlich fragte er sich, warum diese seltsame Frau vor seiner Werkstatt stehen blieb und ihn anstarrte. Zumindest ich hätte das an seiner Stelle gedacht. Aber ich steckte nicht in seiner Haut, sondern in meiner eigenen, und ich dachte nur an die Breite seiner Brust und seiner Schultern. Und an das Muskelspiel seiner Unterarme. Die Größe seiner Hände. Mein Gott, die waren wirklich riesig.

»Ist das eine 57er?«, platzte ich heraus.

Evan runzelte die Stirn noch heftiger. »Was?«

Ich deutete auf die Maschine. »Das Bike. Ist doch eine 57er Indian Chief, oder?«

»Eine 56er.«

»Oh, dann war ich ja nah dran. Wunderschön.«

»Danke?«

»Fiona!«, blaffte Dad hinter mir.

Ich strich mir die Ponyfransen aus dem Gesicht und schenkte Evan ein verlegenes Lächeln. Dann eilte ich zu Dads SUV zurück und kletterte hinein.

Während Dad die lang gestreckte, holprige Straße hinabfuhr, die uns von Evan Baileys Land wieder wegführte, wurde mir ganz übel.

Ein gestohlenes Fahrzeug. Felix Orman.

Ich hatte geglaubt, Dad hätte das alles hinter sich gelassen. Er hatte es versprochen.

»Stell keine Fragen.«

»Aber, Dad …«

»Du sollst keine Fragen stellen.«

Bei seinem Ton blieben mir die Worte im Halse stecken. Mit meinem Vater zu streiten war zu keinem Zeitpunkt ratsam, und schon gar nicht, wenn er wütend war. Und das war er jetzt zweifellos. Die Luft war elektrisch geladen, knisternd und gefährlich. Dad hatte mich noch nie geschlagen, doch seine Wutanfälle waren berüchtigt. Und da ich für ihn arbeitete, entging ich seinem Zorn bloß äußerst selten.

Ich wollte nicht, dass er mir eine geschlagene Woche lang das Leben schwermachte, deshalb hielt ich den Mund.

Aber … Felix Orman. Damals, als Dad noch krumme Dinger drehte, hatte er mit Felix zusammengearbeitet. Seinerzeit war seine Werkstatt nur Fassade gewesen und eigentlich ein Umschlagplatz für gestohlene Autos und Autoteile. Nachdem er knapp einer Gefängnisstrafe entgangen war, war er ausgestiegen. Er hatte jegliche Verbindung zu Felix und ähnlichen Kriminellen gekappt. Hatte sich darauf konzentriert, ein ehrliches Geschäft mit klassischen Fahrzeugen und seltenen Ersatzteilen aufzubauen. Ich hatte ihm dabei geholfen ‑ hatte maßgeblich zu seinem Erfolg beigetragen, damit er nie wieder auf die schiefe Bahn geriet.

Er hatte es mir versprochen.

»Ich hatte nichts mit der Sache zu tun«, sagte er mit einem Mal, als er auf den Mountain Highway einbog.

»Du wusstest nicht, dass es sich um ein gestohlenes Fahrzeug handelte?«

»Natürlich nicht«, antwortete er barsch. »Woher zum Teufel hätte ich das wissen sollen?«

Ich hielt den Blick weiter auf die vorüberziehende Landschaft gerichtet. »Aber … du hast es Felix abgekauft?«

Zunächst blieb Dad mir eine Antwort schuldig. »Felix weiß, dass ich so was nicht mehr mache«, sagte er schließlich.

»Ich kapiere nur nicht, warum du überhaupt noch Geschäfte mit ihm machst. Offensichtlich hat er ja gelogen, wenn er dir weisgemacht hat, dass der Wagen nicht von fragwürdiger Herkunft ist …«

»Mein Gott, Fiona, überlass mir das, okay? Ist schließlich nicht dein Problem.«

Erneut hielt ich den Mund.

Vielleicht hatte Felix meinen Dad tatsächlich belogen und davon überzeugt, dass der Wagen sauber war. Ein 67er Mustang war wertvoll. Wahrscheinlich hatte Dad mit dem Verkauf an Evan Bailey großen Profit gemacht. Verständlich, dass er versucht gewesen war, Felix zu glauben.

Aber warum sollte er einem Mann wie Felix Orman vertrauen?

Dad ging davon aus, dass ich keine Ahnung hatte, was es ihn gekostet hatte, sich aus dem kriminellen Milieu zurückzuziehen, doch ich wusste es. Er hatte beinahe alles verloren. Dieses Risiko würde er ja wohl nicht noch einmal eingehen, oder?

Ich wusste, dass ich versuchte, einen vernünftigen Grund dafür zu finden, warum mein Vater wieder Geschäfte mit einem Kriminellen machte. Aber der Gedanke, dass er sein Versprechen nicht gehalten und sich wieder mit diesen Halunken eingelassen hatte, machte mich einfach krank.

Das konnte er doch nicht allen Ernstes getan haben!

»Hör auf, dir Sorgen zu machen«, meinte Dad nun in sanfterem Ton. »Es war nur ein Missverständnis, das ich klären werde. Es ist nicht so, wie du denkst.«

Ich holte tief Luft und nickte. »Okay.«

»Ich hätte wissen müssen, dass es keine gute Idee war, hierherzukommen. Evan Bailey ist ein Arschloch. Er leistet gute Arbeit, ist aber andererseits auch eine echte Nervensäge.«

»Also wie die meisten Männer in dieser Branche.«

Dad grinste.

Ich blickte wieder auf die vorbeiziehende Landschaft hinaus und holte noch einmal tief Luft, um die Anspannung in meinem Rücken und meinen Schultern zu vertreiben, und versuchte an etwas anderes zu denken als daran, dass mein Dad sich wieder mit dem organisierten Verbrechen eingelassen hatte.

Es fiel mir überraschend leicht. Denn plötzlich hatte ich das Bild Evan Baileys vor Augen. Ich konnte einfach nicht aufhören, an den Mann zu denken, der meinem Vater eine eindeutige Absage erteilt hatte. Und an diese drohend dreinblickenden Augen, die einen Herzschlag lang scheinbar direkt bis auf den Grund meiner Seele geblickt hatten.

Kapitel 4

Fiona

Ich summte zu der Melodie, die von nebenan durch die Wand meiner Wohnung drang, vor mich hin ‑ zumindest hatte mein Nachbar einen anständigen Musikgeschmack ‑ und senkte die rote Plastikgießkanne, um Myra etwas Wasser zu geben.

»Siehst heute etwas kläglich aus, Myra. Kriegst du auch genug Sonne ab? Soll ich dich vielleicht näher ans Fenster schieben? Womöglich kannst du den Platz ja eine Weile mit Blanche tauschen.«

Ja, meine Zimmerpflanzen hatten Namen, und ja, mir war klar, wie seltsam das klang.

Ich brachte Myra zum Fensterbrett und stellte Blanche auf den Beistelltisch. »So. Blanche, du bist ja ein zähes altes Mädchen. Du kriegst das schon hin. Myra braucht im Moment ein bisschen zusätzliche Liebe.«

»Warum redest du so mit ihnen? Ist ja richtig gruselig.«

Ich sah mich nach der verschlafenen Stimme um, die aus dem Flur kam. Meine beste Freundin und Mitbewohnerin Simone blinzelte mich müde an. Ihr platinblondes Haar war zerzaust, und offensichtlich hatte sie sich vor dem Zubettgehen nicht abgeschminkt.

»Du bist ja heute Morgen ein richtiger Sonnenschein.«

»Ich hasse Vormittage. Das weißt du doch.«

»Bist du gerade erst aufgestanden? Wir müssen in fünf Minuten los zur Arbeit.«

Sie zuckte mit den Schultern, als sei ihre Verspätung egal. Wie immer ignorierte ich die lässige Missachtung, die sie ihren Aufgaben entgegenbrachte. Das war so typisch für Simone. Doch ich war mit ihr aufgewachsen und deshalb daran gewöhnt. Sie arbeitete zusammen mit mir in der Werkstatt meines Vaters, und ich war der festen Meinung, dass er ihr diesen Job nur deshalb gegeben hatte ‑ und sie nur deshalb nicht hochkant hinauswarf ‑, weil er sich für sie verantwortlich fühlte. Vor dem Tod ihres Dads war er dessen bester Freund gewesen. Dass er für sie eine Stelle schuf war wahrscheinlich seine Art, ihr zu helfen.

Ich befeuchtete Myras Topf noch ein wenig mehr. »Na ja, ich werde jedenfalls nicht auf dich warten. Wir sehen uns dann in der Werkstatt.«

»Ich werde zu spät kommen«, gab sie flapsig zurück und wandte sich wieder zum Flur um. »Ich habe noch was zu erledigen.«

Ja, sie war eine beschissene Mitarbeiterin ‑ und wäre die Erste gewesen, die es zugab. Aber wir waren seit unserer Kindheit miteinander befreundet, und Freunde hatte ich nicht allzu viele. Ich hatte den Großteil meiner Kindheit in der Werkstatt verbracht, weshalb sich kaum Gelegenheiten ergeben hatten, langfristige Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen.

Außerdem hatte Simone mich auf eine Weise verstanden, wie nicht viele Leute es fertiggebracht hätten. Sie kannte die Vergangenheit meines Dads, ohne mich deshalb zu verurteilen. Ihr eigener Vater war auch mit von der Partie gewesen. Unsere Mütter hatten wir ebenfalls beide verloren, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Sie wusste, wie es war, von einem vielbeschäftigten alleinerziehenden Vater aufgezogen zu werden. Genau wie ich war sie in Werkstätten aufgewachsen, unter lauten Monteuren und Schraubern. Und für eine Weile auch unter Dieben. Uns verband eine gemeinsame Geschichte.

Ich ließ Simone in Ruhe, damit sie erledigen konnte, was immer sie noch vorhatte, schnappte mir meine Klamotten und ging nach unten zu meinem Auto. Leichter Nebel lag in der Luft, nicht schwer genug, um als Regen durchzugehen, aber feucht genug, um sich auf mein Haar und meinen Mantel zu legen, so dass Letzterer vor Feuchtigkeit glänzte. Ich stieg ein und überprüfte mein Make-up im Spiegel. Unter meinem linken Auge war es ein wenig verschmiert. Das hatte ich nun davon, dass ich an einem feuchten Tag Eyeliner benutzt hatte. Ich wischte die verirrte Farbe mit der Fingerspitze fort und schaltete den Motor ein.

Heute Morgen herrschte überraschend wenig Verkehr. An einem Drive-through-Kaffeestand kaufte ich mir einen Latte. Als ich wieder auf die Straße einbog, bekam ich den Gang nicht mehr richtig rein.

Oh-oh.

Mein Wagen war beileibe keine Schönheit. Und zuverlässig war er genauso wenig. Tatsächlich war er eigentlich nur eine Schrottkarre. Aber ich versuchte seit geraumer Zeit, den Schuldenberg abzutragen, den ich während meines Studiums aufgehäuft hatte, weshalb ich ganz sicher nicht noch einen zusätzlichen Kredit für einen fahrbaren Untersatz hatte aufnehmen wollen.

Außerdem kannte ich mich mit Autos aus. Als ich den Gebrauchtwagen hier erstanden hatte, war mir klar gewesen, worauf ich mich einließ, und ich wusste auch, wie man ihn reparieren konnte. Ich hoffte nur, dass er weiterlaufen würde, bis ich mir die Ersatzteile für die Kupplung leisten konnte. Oder für das, was er sonst noch brauchte.

Ich schaffte es immerhin bis zur Werkstatt und begab mich in das vordere Büro. Der vertraute Klang von Elektrowerkzeugen drang durch die Mauern, und der schwache Duft nach billigem Kaffee lag in der Luft. Dads Büro war dunkel, und ich hatte keine Ahnung, ob er heute hereinschauen würde. Er kam und ging, wie es ihm gefiel, jagte irgendwelchen Schnäppchen hinterher oder traf sich mit Kontaktmännern. Außerdem arbeitete er häufig von zu Hause aus.

Ehrlich gesagt war ich erleichtert, dass er heute Morgen nicht da war. Zweifellos hatte er wegen unseres gestrigen Ausfluges zu Evan Bailey immer noch schlechte Laune. Und wäre er hier gewesen, hätte er sie wahrscheinlich an mir ausgelassen. Nein, danke.