Unter 30! -  - E-Book

Unter 30! E-Book

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Europäische Union steht inmitten einer Zeitenwende. Die russische Invasion in der Ukraine lässt alte Gewissheiten schwinden und zwingt die EU, sich nach innen wie nach außen neu aufzustellen. Sie braucht überzeugende Antworten auf die Krisen unserer Zeit. Sie muss grüner, digitaler, solidarischer und widerstandsfähiger werden. Kräften, die mit gezielter Desinformation das System liberaler Demokratie untergraben, muss entschiedener und geschlossen begegnet werden. Zukunftsweisende Entscheidungen dürfen dabei nicht ohne das Mitwirken jener getroffen werden, die ihre Folgen erleben und das Europa von morgen gestalten werden. Diese jungen Europäerinnen und Europäer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kommen in »Unter 30! Junge Visionen für Europa« zusammen. Sie skizzieren ihre vielfältigen Vorstellungen für die Zukunft der Europäischen Integration, ihre innovativen Ideen und neuen Ansätze für ein geeintes Europa. Dabei spüren sie der zentralen Frage nach: Wie geht es weiter mit der Europäischen Union?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 167

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (Hg.)

UNTER 30!

JUNGE VISIONEN FÜR EUROPA

Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (Hg.)

UNTER 30!

JUNGE VISIONEN FÜR EUROPA

Czernin Verlag, Wien

Gedruckt mit Unterstützung der Bundesarbeitskammer, Wirtschaftskammer Österreich, Zukunftsfonds der Republik Österreich und der Stadt Wien, Kultur.

Die Ansichten der Autor:innen stimmen nicht zwangsläufig mit jenen der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) überein.

Das Manuskript wurde Mitte Mai fertiggestellt.

Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (Hg.):Unter 30! Junge Visionen für Europa

Wien: Czernin Verlag 2022

ISBN: 978-3-7076-0781-9

© 2022 Czernin Verlags GmbH, Wien

Umschlaggestaltung (unter Verwendung der Europakarte von Freepik) und Satz: Mirjam Riepl

ISBN Print: 978-3-7076-0781-9

ISBN E-Book: 978-3-7076-0782-6

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

INHALTSVERZEICHNIS

An einem Europa von morgen bauen | Paul Schmidt

Vorwort | Kira Marie Peter-Hansen

Ein Europäisches Jahr der Inklusion für ignorierte Sportler:innen | Felix Auböck

Europa braucht echte Reformen und einen neuen EU-Vertrag | Alexander Bernhuber

Mehr Parlamentarismus wagen! | David Brandl

Europapolitisches Interesse von Jugendlichen wecken – auch an Berufsschulen und am Land | Jeremie Dikebo

Die EU braucht ein Umdenken in der Handelspolitik! | Miriam Frauenlob

Die Erasmus-Generation kennt keine Grenzen! | Marie-Theres Gamauf

Mehr Natur-, Umwelt- und Klimabildung | Valentina Gutkas

Eine jüdische Zukunft in Europa sichern | Bini Guttmann

Unbezahlte Praktika europaweit verbieten! | Eva-Maria Holzleitner

Von Wagnissen zum nachhaltigen Wachstum | Elisabeth Kerndl

Die vergessenen Europäer:innen | Francesca Knaus

Ein klimapolitischer Apollo-13-Moment für Europa | Kami Krista

Mit Medien- und Informationskompetenz gegen Fake News | Valerie Lechner

Brüssel muss so nahe erscheinen wie Wien | Stefan Lenglinger

Afrikas fruchtbarer Nährboden junger Politik | Sophie Leopold

Zeit, Jugendpartizipation ernst zu nehmen! | Larissa Lojić

Ein Meer weißer Grabsteine | Dennis Miskić

Sicht von »außen«: Eine wertebasierte Europapolitik als Antwort auf aktuelle und künftige Sicherheitsherausforderungen | Anna Pattermann

Für ein jungunternehmerfreundliches Europa | Bettina Pauschenwein

Wir müssen frühkindliche Entwicklung stärker fördern | Damita Pressl

Bildungschancen für alle Schüler:innen in Europa | Shabana Rashid

Ein europäisches Asylwesen, das Schutz und Sicherheit bietet | Anna Laetitia Rauchenwald

Neue Ansätze in der europäischen Sanktionspolitik | Julius Seidenader

Ein Europa der Vielfalt, Freiheit und Solidarität | Yannick Shetty

Für ein Europa der freien Bildung | Sara Velic, Keya Baier und Naima Gobara

Dekarbonisierung als Jahrhundertchance für die EU | Ivo Wakounig

Mit kleinen Änderungen zum großen Ziel des Klimaschutzes | Julian Warnking

Jugendliche Europas, empört euch! | Christian Zoll

Europa als Digitalmacht etablieren | Süleyman Zorba

AN EINEM EUROPA VON MORGEN BAUEN

Paul Schmidt

Die Wirtschafts- und Finanzkrise, Flucht- und Migrationsbewegungen, die Corona-Pandemie, der russische Krieg in der Ukraine und die drohende Klimakatastrophe: Das bisherige Leben junger Menschen ist schon heute von etlichen Krisen geprägt, deren Folgen sich überlappen und die sich unmittelbar auf ihren Alltag, ihre persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Lebensumstände und ihre Zukunftsperspektiven auswirken. Jugendliche, die in einem Europa ohne Grenzen aufgewachsen sind, erkennen, dass ein freies, liberales, sicheres und geeintes Europa, das vor allem Chancen bietet, angesichts interner Divergenzen und globaler Umwälzungen alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Die Alarmglocken schrillen, wenn sich eine Mehrheit der 16- bis 25-Jährigen – nicht nur in Österreich – selbst als »verlorene Generation« bezeichnet und sich das Vertrauen in Politik, aber auch in die Medien, konstant auf relativ niedrigem Niveau befindet.

Umbrüche und Veränderungen bringen neue Möglichkeiten und Risiken, aber auch jede Menge Verunsicherung. Mehr Klarheit über den weiteren Integrationsweg zu haben, wäre jetzt ein wahrlich hohes Gut. Um dieses Europa von morgen erfolgreich zu formen, braucht es jedenfalls die Mitwirkung jener, die die Konsequenzen heutiger Entscheidungen später hautnah zu spüren bekommen werden. Europa, ein alternder Kontinent, ist mehr denn je auf innovative Ideen angewiesen, um sich den vielfältigen Problemen zu stellen und sich auf der Weltbühne zu behaupten.

So ist es folgerichtig und an der Zeit, dass die Europäische Union 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend ausgerufen hat: Jungen Menschen sollen neue Perspektiven, vor allem im ökologischen und digitalen Bereich, aufgezeigt werden, ihre Sichtweisen in sämtliche EU-Politikbereiche einfließen. Auch die Förderung jugendlichen Engagements und mehr Partizipation hat sich die EU auf die Fahnen geschrieben. Begleitet wird dies durch eine europaweite Debatte im Rahmen der »Konferenz zur Zukunft Europas«, die es sich zum Ziel gesetzt hat, unter aktiver Einbeziehung vor allem auch junger Bürger:innen, neue Vorschläge und Visionen für Europa zu entwickeln. Am 9. Mai 2022 ist die Zukunftskonferenz zu Ende gegangen, während die Neuausrichtung der Union damit nur in die nächste Phase startet. Ihre Ergebnisse, die in 49 Vorschlägen und 325 Detailmaßnahmen zusammengefasst wurden, müssen jetzt rasch auf ihre politische Umsetzbarkeit überprüft werden. Auch wenn am Ende in Europa immer Kompromisse stehen, werden politische Ansagen alleine nicht ausreichen, um den Erwartungen zu entsprechen. Das Jahr 2022 muss daher ein wirklicher Startpunkt für eine umfassende, ehrliche und inklusive Weiterentwicklung der europäischen Integration sein – unter tatsächlicher Einbeziehung junger Konzepte.

Gerade die Mitsprachemöglichkeit auf politischer und gesellschaftlicher Ebene ist es, die junge Europäer:innen besonders einfordern. Debatten und Entscheidungen, die für ihre persönliche Zukunft relevant sind, werden noch zu oft über ihre Köpfe hinweg geführt und getroffen, die Dringlichkeit ihrer Anliegen weicht in der Regel der realpolitischeren Einschätzung älterer Generationen von Entscheidungsträger:innen. Am Beispiel des Klima- und Umweltschutzes zeigt sich diese Diskrepanz: Während auf der einen Seite händeringend an Verantwortliche appelliert wird, mutige und unmittelbare Schritte zu setzen, reagiert die Politik zwar durchaus ambitioniert bei der Definition von Klimazielen, jedoch in Perspektiven von Jahren und Jahrzehnten. Genug, um den Sorgen junger Menschen zu begegnen?

Aus genau diesen Überlegungen ist die Idee für das vorliegende Buch entstanden, in dem junge, engagierte Meinungsbildner:innen unter 30 Jahren aus Politik, Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft ihre persönlichen Vorstellungen und Visionen für die Zukunft Europas skizzieren und diese mit konkreten Handlungsempfehlungen versehen. Das Ergebnis ist eine Vielzahl spannender Ideen, die, in 29 Beiträgen zusammengefasst, ein weites Themenspektrum abbilden – von Vorschlägen für mehr gesellschaftliche Inklusion über die soziale Dimension einer grünen Transformation, eine europäische Erinnerungskultur bis zum Kampf gegen Desinformation – und die europäische Zukunftsdebatte um nachhaltige Ansätze bereichern können. Geprägt wurden die einzelnen Beiträge, die im Frühjahr 2022 verfasst wurden, nicht zuletzt von der Invasion Russlands in die Ukraine – ein zeitgeschichtlicher Einschnitt, der vor Augen führt, in welch volatilem geopolitischen Umfeld wir uns befinden und wie wichtig es ist, Europa zu stärken und resilienter zu machen.

Das europäische Bekenntnis zu mehr Mitsprache für junge Menschen darf letztlich keine hohle Phrase sein, sondern muss mit Leben erfüllt werden. Es ist Zeit, jungen Sichtweisen mehr Raum und Öffentlichkeit zu geben, ihr Potential wertzuschätzen und von frischen und auch unkonventionellen Ansätzen zu profitieren. Schließlich geht es darum, die Lebenschancen der nächsten Generationen zu verbessern und die europäische Glaubwürdigkeit – vor allem bei der Jugend – nachhaltig zu stärken.

Mit dem vorliegenden Buch möchten wir einen weiteren Beitrag leisten, die Diskussion über die Zukunft der EU in Österreich und darüber hinaus zu beleben und danken allen Autor:innen für ihre Mitarbeit und ihr Engagement, Europa gemeinsam weiterzudenken. Besonderer Dank gebührt auch Kira Marie Peter-Hansen, dem jüngsten Mitglied des Europäischen Parlaments, für ihre offenen Worte als Einleitung zu unserer Publikation sowie Stefan Schaller, von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, der die Texte für dieses Buch redigiert hat.

Mit besten Wünschen für eine anregende Lektüre!

Paul Schmidt

Generalsekretär

Österreichische Gesellschaft für Europapolitik

VORWORT

Kira Marie Peter-Hansen

Als ich 1998 auf die Welt kam, war Europa auf einem guten Weg in Richtung Frieden, Versöhnung und Wohlstand. Konjunktur und technologischer Fortschritt boomten in den meisten Teilen Europas und gänzlich neue Entwicklungsmöglichkeiten taten sich auf. Der EU-Beitritt vieler Länder Mittel- und Osteuropas war ein sichtbares Zeichen dafür, wie unser Kontinent auf Frieden und Zusammenarbeit zuschritt, anstatt in alten Kriegen und Konflikten festzustecken.

Genau das ist auch der Grund, warum mir die russische Invasion in die Ukraine so viel Angst bereitet und sich immer noch so surreal anfühlt. Sie bringt den Krieg wieder ganz nah an uns alle heran und zeigt, dass die Welt trotz aller Fortschritte, die wir erlebt haben, immer noch ein sehr zerbrechlicher, unsicherer und turbulenter Ort ist.

Die Geschehnisse erinnern uns daran, dass es Jahre dauert, Frieden zu schaffen, und dass ihn zugleich eine einzelne Person in einem einzigen Moment zerstören kann. Aber trotz der Ungerechtigkeit des Krieges dürfen wir nie aufgeben.

Während ich an diesem Text schreibe, zähle ich gerade die Stunden bis zu meiner ersten Therapiesitzung, die mir hoffentlich helfen kann, mit den vielen Gedanken, Ängsten und Belastungen umzugehen, die ich, nun schon seit geraumer Zeit, erlebe.

Ich bin mir nicht sicher, wann oder warum es begann. Vielleicht war es ja die Covid-19-Pandemie und der Mangel an sozialer Interaktion mit Menschen außerhalb meiner kleinen »Bubble« von Bekannten und die Unsicherheit darüber, wer meine wirklichen Freund:innen waren, als sich die Welt endlich wieder öffnete.

Vielleicht ist es die Sorge, meine eigene und zukünftige Generationen zu enttäuschen, wenn wir die Klimaherausforderung nicht bewältigen können und stattdessen auf einen katastrophalen Tipping Point zusteuern.

Vielleicht ist es der anhaltende Aufstieg rechtsextremer Bewegungen und antidemokratischer Kräfte, die eine existenzielle Bedrohung für das offene Europa darstellen, von dem ich dachte, dass ich es kenne und von dem ich weiß, dass ich es liebe.

Vielleicht ist es aber auch das ständige Hinterfragen, ob ich in meinem Leben auf dem richtigen Weg bin oder nicht.

Oder vielleicht ist es einfach ein bisschen von allem? Wenn ich mich mit meinen Freund:innen austausche und Zahlen und Statistiken lese, wird mir klar, dass ich mit diesem Gefühl alles andere als alleine bin. Vielleicht muss ich also wegen meiner Gefühle gar keine Schuld verspüren?

Die Jugend Europas teilt ein gemeinsames Schicksal und – leider – stehen wir als Generation allzu oft alleine da. Als die Finanzkrise 2008 ihren Lauf nahm, konzentrierten sich die politisch Verantwortlichen mehr auf die Rettung bankrotter Banken als auf die Rettung einer Generation, die mit massiver Arbeitslosigkeit und einem Mangel an wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven konfrontiert war.

Wenn Einsparungen nötig sind, ist die Bildung häufig das erste Opfer und wenn Unternehmen Arbeitnehmer:innen entlassen, sind nicht selten gerade junge Menschen als erste betroffen. Wenn wiederum wirtschaftliche Unterstützung gewährt wird, kommt sie weitgehend der Mittelschicht und der älteren Bevölkerung zugute und lässt die Jugend außen vor. Deshalb ist es so wichtig, dass die Europäische Union 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend erklärt hat.

Wenn ich an unsere Generation denke, bin ich auch voller Hoffnung, Kraft und Inspiration. Denn wir übernehmen Verantwortung, trotz des Zynismus, der uns begegnet. Wir kämpfen dafür, die Welt zum Besseren zu verändern, egal auf wie viel Widerstand wir treffen. Und wir kümmern uns umeinander und um die Welt, während wir uns für eine bessere Zukunft einsetzen.

Das zeigt jedenfalls, dass wir es mit einer mutigen und ehrgeizigen Jugend zu tun haben. Dass es trotz der Schwierigkeiten, mit denen die Welt konfrontiert ist, stets Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt.

Es ist einfach, über jugendliches Engagement zu sprechen, am runden Tisch Diskussionen mit jungen Aktivist:innen zu führen und nette Selfies zu schießen, aber der Weg zu einer echten Einbeziehung junger Menschen in die Entscheidungsfindung wird dadurch noch nicht zwangsläufig kürzer.

Deshalb müssen wir die politische Gestaltungsmacht selbst in die Hand nehmen. Wir müssen uns organisieren, demonstrieren, für Wahlen kandidieren und wir müssen wählen gehen. Wir können unsere Zukunft nicht jenen überlassen, die nur über Jugendbeteiligung sprechen, und wir können nicht warten, bis uns jemand wirklich politischen Einfluss gewährt. Wir müssen den Mut haben, trotz der Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, nach Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten zu greifen und wir müssen uns dabei gegenseitig noch stärker unterstützen.

Durch die Bündelung unserer Kräfte ist es uns gelungen, die grüne Wende ganz oben auf die politische Agenda zu setzen und den Weg für eine bessere Klimapolitik zu ebnen. Wir haben uns organisiert und uns denen entgegengestellt, die Grenzen statt Frieden errichten wollten. Wir haben gewählt und uns damit eine bessere Vertretung der Jugend gesichert.

Als Millionen junger Menschen auf die Straße gingen und für die Zukunft marschierten, haben wir die Politik verändert, und wir können es wieder tun. Als nominierte Präsidentin der Europäischen Kommission stellte Ursula von der Leyen ihrer politischen Agenda das Motto voran: »Eine Union, die mehr erreichen will«.

Erfreulicherweise haben wir bereits eine Jugend, die mehr erreichen will. Und genau deswegen liegt es jetzt an uns, unsere Stimme zu erheben, einen Platz am Tisch zu beanspruchen und den Weg für unsere Zukunft frei zu machen.

Kira Marie Peter-Hansen ist die jüngste Politikerin, die jemals ins Europäische Parlament gewählt wurde. Als Vizepräsidentin der Grünen/EFA-Fraktion arbeitet sie an einem nachhaltigeren und sozialeren Europa. Ihr politisches Interesse liegt an der Schnittstelle zwischen Menschenrechten, Gleichstellung der Geschlechter und einer sozialen, nachhaltigen Wirtschaft. Derzeit ist sie Gruppenkoordinatorin im Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter, Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung und des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Vizepräsidentin des Unterausschusses für Steuerfragen und engagiertes Mitglied der LGBTI Intergroup im EU-Parlament. Sie ist eine ausgesprochene Feministin und glaubt fest an die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements. Kira Marie Peter-Hansen ist Berichterstatterin für die Richtlinie zur Lohntransparenz im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.

EIN EUROPÄISCHES JAHR DER INKLUSION FÜR IGNORIERTE SPORTLER:INNEN

Felix Auböck

Wir müssen lernen zu verstehen, dass Sport für Politik immer mehr ein Mittel zum Zweck geworden ist. Um noch etwas spezifischer zu sein, muss ich eigentlich sagen, dass Sport schon immer sehr eng verbunden war mit Politik. Schon bei den antiken Olympischen Spielen war Politik ein wichtiger Bestandteil des Spektakels. Dieses Grundprinzip hat sich im Kern nicht wirklich verändert, Olympische Spiele oder die meisten anderen großen Sportevents sind sogar noch stärker politisiert, als sie es in der Vergangenheit waren. Die Fragen, die man sich dadurch stellen kann, sind: Ist das gut für den Sport? Sollten Sport und Politik nicht voneinander getrennt werden? Die Antwort darauf ist schwierig, da ich aus der Rolle eines Athleten schreibe.

Gerade in den letzten Jahren war die Vergabe von Sportgroßevents teils mit massiver Kritik verbunden. Olympische Spiele und Weltmeisterschaften eignen sich – da sich der weltweite Fokus temporär auf sie richtet – besonders und berechtigterweise dafür, auf Missstände hinzuweisen. Andererseits geraten dadurch jedoch auch leider die Leistungen der Sportler:innen häufig ins Hintertreffen.

Es wird wohl nie einen richtigen Weg geben, Sport so zu organisieren, dass er politisch nicht instrumentalisiert wird oder keine Konflikte erzeugt, dazu ist die Welt, in der wir leben, zu kompliziert aufgrund unserer Geschichte und Kultur. Was wir aber machen können und sollten, ist, unseren Sport für positive Entwicklungen zu nutzen. Meine Hoffnung und meine Vision ist es, dass die Vorbildwirkung von Sportler:innen und die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht wird, von der Politik im Sinne einer verbindenden und inklusiven Weise genutzt wird, um auch auf dem Gebiet des Sports zu einem Zusammenwachsen der Menschen beizutragen.

Wenn wir an die großen Sportevents denken, ignorieren wir meistens – vielleicht nicht absichtlich, aber doch immer noch – Veranstaltungen, die meiner Meinung nach genauso wichtig sind, aber leider keine Aufmerksamkeit in der breiten Bevölkerung finden. Viele werden vermutlich grübeln, um welche es sich dabei handeln kann. Sportauskenner:innen ahnen es aber vielleicht schon, wir Österreicher:innen waren schließlich hierbei in den letzten Jahren zum Teil besonders erfolgreich. Ich spreche vom Behindertensport und Behindertensportler:innen. Diese Sportler:innen zeigen außergewöhnliche Leistungen, Leistungen, die auch für nicht behinderte Sportler:innen zum größten Teil niemals erreichbar sind. Ich habe in den letzten Jahren Andreas Ernhofer und Andreas Onea aufgrund unserer gemeinsamen Sportart Schwimmen näher kennengelernt und muss zugeben, dass ich diesen Teil unserer Sportwelt anfangs nicht wirklich wahrgenommen habe, bis ich merkte, dass das Engagement, die Disziplin und Verpflichtungen dieser beiden Athleten nicht viel anders waren als bei mir. Das stundenlange intensive Ausdauertraining im Wasser sowie das zehrende tägliche Krafttraining sind eine Gemeinsamkeit, die wir alle täglich durchlaufen – und von der die Öffentlichkeit noch zu wenig Notiz nimmt.

Was könnten wir, nicht nur als Sportler:innen, daher tun, um den Behindertensport größer zu machen? Wie könnte es gelingen, ihm mehr gesellschaftliche Sichtbarkeit zu verleihen, Vorbehalte und Barrieren abzubauen, und was könnte der europäische Beitrag dazu sein?

Meine Vision für Europa ist es, dass wir die ersten auf der Welt sind, die eine große kontinentale Meisterschaft für Athlet:innen und Para-Athlet:innen zeitgleich am selben Ort austragen. Das Motto dieses Wettkampfes soll Toleranz und Menschenwürde sein und in einem Jahr organisiert werden, das man in Europa der Inklusion widmet. Das muss jetzt nicht unbedingt der Schwimmsport sein, aus dem ich komme, auch wenn es schön wäre. Auch in einigen anderen Sportarten gibt es das Potential dafür. Es gäbe so viele Vorteile, einen solchen Event umzusetzen. Zum ersten wäre eine gemeinsame Veranstaltung für behinderte wie nichtbehinderte Sportler:innen an einem einzigen Austragungsort um einiges nachhaltiger. Zweitens gäbe es mehr mediale Aufmerksamkeit. Zuletzt, aber meiner Meinung nach am wichtigsten ist, dass Sport verbinden soll, wobei es leider zurzeit der Fall ist, dass die meisten Sportler:innen Para-Athlet:innen aus derselben Sportart gar nicht kennenlernen. Was wäre es für ein starkes Symbol, wenn Athlet:innen aus beiden Bereichen zusammen auf der Tribüne die eigenen Sportler:innen anfeuern, die um Bestleistungen und Medaillen kämpfen. Natürlich sollten Behindertensportler:innen weiterhin in ihren Kategorien antreten, alles andere wäre auch unfair, jedoch denke ich, dass bei einer Schwimmmeisterschaft oder einem Ballsportturnier sich die Sportler:innen und Para-Sportler:innen abwechselnd das Schwimmbecken oder Spielfeld teilen könnten. Um kurz ein Beispiel zu skizzieren: Nehmen wir an, wir haben eine Rollstuhlbasketball-Europameisterschaft und eine Basketball-Europameisterschaft, was für ein starkes Symbol wäre es, wenn das Rollstuhl-Nationalteam von Basketballer:innen angefeuert wird, die zum Teil in der amerikanischen Profiliga NBA spielen? Diese großen Stars könnten – als Vorbilder und Idole – so viel Interesse generieren, um durch höhere Aufmerksamkeit und Bewusstseinsbildung für ein großes, gemeinsames Anliegen auch nachhaltig gesamtgesellschaftlich zu wirken.

Natürlich ist mir bewusst, dass es sehr viele Hürden gibt, die bewältigt werden müssen, um so eine gemeinsame Veranstaltung Wirklichkeit werden zu lassen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir in Europa diejenigen sind, die am ehesten diese Chance ergreifen können und sollten. Europa ist in meiner Sichtweise eine Gesellschaft und ein Kontinent, der sehr fortschrittlich in der Entwicklung von inklusiver Pädagogik ist, auch wenn es natürlich immer wieder Rückschritte gibt. Sport spielt hierbei eine wichtige Rolle, um dadurch letztlich unsere Gesellschaften in Europa näher zusammenzubringen. Daher sollten wir unseren Behindertensportler:innen auch die Aufmerksamkeit schenken, die sie sich verdienen. Ein guter Start wäre es, Anerkennung und Respekt zu zeigen vor den unglaublichen Leistungen, die hier erbracht werden.

Die Europäische Union sollte daher vorangehen und gemeinsame Sportevents – sowohl auf professioneller wie auch auf Amateurbasis – aktiv fördern und sie in einem Europäischen Jahr der Inklusion zu einem ihrer großen Themen machen. Das wäre doch ein sinnvoller Beitrag, Sport und Politik Hand in Hand gehen zu lassen. Weg von alten Mustern, dafür grenzüberschreitend und verbindend.

Felix Auböck ist ein österreichischer Schwimmer aus Bad Vöslau (Niederösterreich). Auböck studierte an der University of Michigan Politikwissenschaften und Geschichte und schloss 2020 erfolgreich mit einem Bachelorstudium ab. Seit 2020 studiert Auböck Internationale Beziehungen an der Loughborough University in Großbritannien. Im Jahr 2021 schwamm Felix in drei Finalen bei den Olympischen Spielen in Tokio und krönte sich zum Weltmeister über die 400 Meter Freistil im Dezember in Abu Dhabi (UAE).

EUROPA BRAUCHT ECHTE REFORMEN UND EINEN NEUEN EU-VERTRAG

Alexander Bernhuber

Ich bin in einem Europa ohne Grenzen aufgewachsen und habe das Privileg, in einem freien Land zu leben. Dies habe ich jenen bemerkenswerten Vordenker:innen zu verdanken, die sich für ein geeintes Europa und Österreichs Mitgliedschaft bei der Europäischen Union eingesetzt haben.

Der EU-Beitritt Österreichs war einer der wichtigsten Schritte in der Geschichte unseres Landes. Seither wurden für Österreich viele Meilensteine erreicht, die Europa und alle Menschen vorangebracht haben. Der Vertrag von Maastricht, mit dem das Fundament für die Europäische Union in ihrer heutigen Form gelegt und die Basis für eine gemeinsame Währung geschaffen wurde, zählt dazu, ebenso wie der Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat und die größte Bürgerkammer Europas, das Europäische Parlament, aufwertete. Nun stellt sich die Frage, ob die EU in ihrer heutigen Verfassung nach so vielen Jahren im Stande ist, adäquat auf große Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren?